Hotelplan - 75 Jahre Ferien

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DESTINATION

BERUF REISELEITER

JUBILÄUMSAUSGABE

29. April 2010

Learning by doing

Nicht weniger als sechs Reiseleiterinnen betreuten vor rund zwanzig Jahren die Insel Kos.

Der Beruf des Reiseleiters hat sich im Laufe der Jahre wesentlich verändert. Marcel Buchmüller, ehemaliger Reiseleiter und heute Manager Guides bei Hotelplan Suisse, blickt zurück. Nathalie de Regt

TRAUMJOB REISELEITER FRÜHER Die Arbeit eines Reiseleiters, einer Reiseleiterin gestaltete sich vor 20, 30 Jahren wesentlich anders als heute. Die Betreuung vor Ort hatte dafür zu sorgen, dass die ankommenden Gäste von A bis Z umsorgt wurden. Die damaligen Reisenden hatten von den Destinationen meist sehr vage Vorstellungen. Bereits die Hinreise mit dem Flugzeug stellte ein Erlebnis dar. Die wenigsten konnten sich lange Ferienreisen in exotische Länder leisten, und wenn man sich dann irgendwann seine Traumferien zusammengespart hatte, war die Vorfreude riesig, die Gefahr, enttäuscht zu werden, aber auch. Um dies vorzubeugen, kümmerten sich die Reiseleiter vor Ort mit Herz und Seele um die

Wünsche und Bedürfnisse der ankommenden Gäste. Egal welche Anliegen der Gast hatte, die Reiseleitung war die Ansprechsperson. Die Anforderungen waren hoch: Es ging nicht nur darum, dem Kunden Ausflüge zu organisieren oder ihm im Notfall ein Aspirin aufs Zimmer bringen zu lassen. Gefordert waren auch hervorragende Kenntnisse des Landes. So erinnert sich Marcel Buchmüller: «Als ich 1981 Rundreiseleiter in Sri Lanka war, gab es noch keine Local Guides. Nach einer Woche musste ich das ganze Land kennen, den Buddhismus zweisprachig erklären und Tempelführungen begleiten.» Es wurden wöchentlich zwei bis drei Sprechstunden in den jeweiligen Hotels fixiert, während denen der Reiseleiter oder die Hostess für Fragen und Beschwerden der Gäste zur Verfügung standen. Kam ein Charterflug an, wurden die ankommenden Gäste zu einem ausführlichen Info-Cocktail eingeladen, an dem 80 bis 100 Prozent der Kunden teilnahmen. Heutzutage beträgt die Teilnahmequote noch zirka 30 Prozent. Der Kontakt zu den Reiseleitern war sehr eng und sie waren immer die erste Anlaufstation, wenn Fragen oder Probleme auftauchten.

Wer den Job eines Reiseleiters ausüben konnte, hatte Glück. Vor 15, 20 Jahren erhielt Hotelplan ohne Inserateschaltung jährlich Hunderte von Blindbewerbungen. Es wurden von Oktober bis Dezember Rekrutierungen von bis zu hundert Leuten durchgeführt. Die Reiseleiter-Seminare waren so beliebt, dass die Teilnehmer gezielt ausgewählt werden konnten. Ein Reiseleiter musste nicht nur sprachbegabt sein, sondern auch sehr selbstständig arbeiten können, er musste oft aufgrund des gesunden Menschenverstandes entscheiden. Von kleinen Reklamationen, über Flugverspätungen von mehreren Stunden, bis zu schweren Erkrankungen eines Kunden: Jedes Problem musste souverän gelöst werden. Was ein Reiseleiter in einem halben Jahr erlebte, widerfuhr einem in einem anderen Job vielleicht in zwei Jahren.

TRAUMJOB REISELEITER HEUTE In dieser Beziehung hat sich nicht viel geändert. Auch heute noch muss die Reiseleitung auf alle Eventualitäten die passende Lösung finden. Auch wenn die Reiseleiter-Seminare so praxisbezogen wie möglich aufgebaut

sind, können immer wieder Situationen entstehen, die in der Ausbildung nicht geübt werden konnten. Marcel Buchmüller: «Im Endeffekt ist es ein klassischer «learning by doing»-Job.» Oft ist man auch auf sich selbst gestellt. Während beispielsweise 1987 noch sechs Reiseleiter in Kos stationiert waren, sind es heute noch zwei. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Anzahl an Stellen massiv abgenommen hat. Aber nicht nur das: Auch die Arbeit an und für sich hat sich geändert. Heute ist mehr Individualismus angesagt, der Kunde ist inzwischen viel reisegewandter. Der Feriengast 2010 benötigt eine andere Betreuung als der Feriengast vor 30 Jahren. Dies ist auch der Grund, warum vor rund fünf Jahren die wöchentlichen «Sprechstunden» abgeschafft wurden. Marcel Buchmüller erklärt: «Der Geschäftsmann, der auf die Malediven in die Ferien reist, erwartet nicht von der Hostess, dass sie ihn zum Welcome-Cocktail am nächsten Tag einlädt, um über die Insel zu informieren. Er möchte freundlich am Flughafen empfangen werden, der Transfer ins Hotel muss reibungslos klappen und er muss wissen, wo die Reiseleiterin in Notfällen zu erreichen ist.»


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