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MIGROS-MAGAZIN | NR. 48, 25. NOVEMBER 2013 |

Kontakte anknüpft. Sie freut sich immer wieder darüber, dass bei den Trainings gegenseitiger Respekt herrscht, obwohl die Sportgruppe extrem heterogen zusammengesetzt ist. Die Mitglieder sind nicht nur von sehr verschiedenen Handicaps betroffen, sondern gehören auch unterschiedlichen Generationen an: Der jüngste Freizeitsportler ist 18-, der älteste 70-jährig. Die Familie der engagierten Frau nimmt es ihr nicht übel, wenn sie am Montagabend ihre Sporttasche schultert und noch einmal aus dem Haus geht. «Mein Mann und die beiden Buben wissen, dass ich das brauche und dass das einfach zu meinem Leben gehört.» Den Einsatz für Behinderte hat die Bernerin schon als Kind miterlebt: Ihre Mutter engagierte sich ebenfalls dafür, dass Menschen mit Handicap Sport machen können. Anja Galli selber nimmt bei speziellen Anlässen ihre beiden Söhne Matteo und Fabio zu den Procap-Trainings

AKTUELL

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mit. So wird eine Familientradition fortgesetzt.

Tänzerin zwischen verschiedenen Welten Rafaela Tanner (47) versetzt Schweizer Frauen in indische Traumwelten: Die Genferin leitet an der Klubschule Migros Bollywood-Tanzkurse. Ihre Schülerinnen tragen bei den Lektionen bunte Gewänder; sie studieren Choreografien ein, die aus einem indischen Kinospektakel stammen könnten. Doch Tanner kennt auch die weniger romantischen Seiten des Subkontinents. Oft ist die Tänzerin zu Besuch im Slum von Juhu, einem Stadtteil von Mumbai. Vor sechs Jahren hat Tanner die Stiftung Elisha gegründet, für die sie seither fast alle Arbeiten selber ausführt. Ziel dieser Organisation ist es, Schweizer Paten zu finden, die für die Schulbildung von Slumkindern aus Juhu aufkommen. Eine Spende von 200 Franken ermöglicht

Gegenseitiger Respekt: Sportleiterin Anja Galli (zweite von rechts, stehend) mit handicapierten Freizeitsportlern.

einem Buben oder Mädchen ein Jahr lang den Schulbesuch. Auch kleinere Zuwendungen sind möglich; damit finanziert die Genferin Nahrungsmittel für die Kinder. Rafaela Tanners Familie verkörpert den Brückenschlag zwischen Indien und der Schweiz: Sie und ihr Mann haben Söhne im Alter von 21 und 23 Jahren. Hinzu kommen eine 11- und eine 15-jährige Adoptivtochter aus Indien. Die Tänzerin hat die Mädchen 2000 und 2006 aus Waisenhäusern in Mumbai in die Schweiz geholt. Doch wie ist Tanners enge Beziehung zu Indien entstanden? Ihre Mutter, eine Waadtländerin, arbeitete als Flugbegleiterin für Air India. Mitte der 90er-Jahre erkrankte sie an Krebs und wurde von dieser Krankheit in kurzer Zeit dahingerafft. Rafaela Tanner war danach in einem Schockzustand und suchte nach einem Weg, um ihre Trauer zu verarbeiten. Sie reiste 1997 nach Indien, weil die Mutter stets begeistert vom fernen Kontinent erzählt hatte. Tanner arbeitete dann einige Wochen als Freiwillige in einem Kinderheim in Mumbai. «Der Lärm und das Gedränge in der Stadt haben mich nicht abgeschreckt», erinnert sie sich. «Im Gegenteil: Es kam mir vor, als würde ich nach Hause kommen.» Manchmal komme ihr Genf im Vergleich dazu kalt und abweisend vor. Sie findet es schlimm, wie einsam und zurückgezogen viele Bewohner der reichen Stadt leben. Bisweilen erscheint ihr die Schweiz fast schonalsemotionalesEntwicklungsland.

Texte: Michael West, Pierre Wuthrich Bilder: Andreas Eggenberger (2), Laurent de Senarclens

Indien-Kennerin: Rafaela Tanner leitet BollywoodTanzkurse und verhilft Slumkindern in Mumbai zu Nahrungsmitteln und Schulbildung.


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