Migros Magazin 48 2009 d LU

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AUF EIN WORT

Migros-Magazin 48, 23. November 2009

FRAU DER WOCHE

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FÜNF JAHRE NACH DEM TSUNAMI

Helferin der Nacht Wo andere wegschauten, griff Selina Vuichard ein. Die junge Nachtschwärmerin stellte sich kürzlich in Zürich schützend über einen am Boden liegenden Mann, der von mehreren Angreifern verprügelt und getreten wurde. «Es war Instinkt», sagt die 21-Jährige, die wieder so handeln würde. Immer möchte Selina den Ausgang aber nicht so beenden. Das ist ganz im Sinn der Polizei. Diese rät, nur dann einzugreifen, an wenn man derdem Widersacher überlegen ist. In jedem Fall ber sollen aber tdie Gesetzeshüter alarmiert werden.

MANN DER WOCHE

Bilder Toni Lindroos/Blick/RDB

Rotweisser Goldfuss Die Schweizer U-17-Nationalmannschaft wurde Weltmeister — und Josip Drmic, einer der talentiertesten Kicker, war nicht dabei. Freienbach, die Heimatgemeinde des Schwyzers, verwehrte dem Fussballer mit kroatischen Wurzeln die Einbürgerung. Dass Drmic bald für die Schweiz au auflaufen wird, ist de dennoch wahr wahrschein scheinlich. Der Of Offensivspieler des FC Zürich kann auf die Unterstützun Unterstützung zahlreicher Menschen zählen. Unter an anderem setzt sich Naticoach Ottmar Hitzfeld für ihn eein.

«Aus der Katastrophe eine Chance machen» Am 26. Dezember D be 2009 jährt sich die Tsunami-Katastrophe zum fünften Mal. Die Sammel- und Solidaritätsplattform Glückskette bedankt sich bei den 1,2 Millionen Spendern mit einer Zeitung, die ab dem 24. November verteilt wird. «Mister Glückskette» Roland Jeanneret (62) zieht Bilanz und sagt, was mit den Spendengeldern passiert ist. Roland Jeanneret, nach dem Tsunami in Südostasien spendete die Schweizer Bevölkerung die Rekordsumme von 227 Millionen Franken. Was ist aus dem Geld geworden?

Wir haben mit unseren rund 30 Partnerhilfswerken 166 Projekte realisiert – vorwiegend in der indonesischen Provinz Aceh, auf Sri Lanka sowie in Südindien. Acht Prozent des Geldes benötigten wir für die Soforthilfe: für Trinkwasser, Medikamente und Nahrungsmittel. 79 Prozent gingen in den Wiederaufbau von Schulen, Spitälern und Kanalisationen. Zusätzlich wurden gut 70 000 Kinder psychologisch betreut. Sie hatten zusehen müssen, wie Eltern und Geschwister ertrunken sind. Mit den restlichen 13 Prozent haben wir in den letzten Monaten nachhaltige Projekte abgesichert. Was heisst das?

Unsere Hilfswerke haben stark darauf geachtet, den Einheimischen Umschulungsprogramme zu ermöglichen und Mikrokredite zu gewähren. So hat man in Aceh mit einer mobilen Schule, die aus drei Lastwagen besteht, die Leute zu handwerk-

lichen Berufen wie Schreiner, Maurer und Elektriker umgeschult – alles Jobs, die beim Wiederaufbau wichtig sind. Wir haben also nicht grossflächig, sondern punktuell geholfen. Das entspricht unserer Philosophie, aus der Katastrophe eine Chance zu machen. Wie viel vom Geld ist noch übrig?

11 Millionen Franken. Das Geld ist zum grössten Teil reserviert für nachhaltige Projekte. In Meulaboh, im Norden Sumatras, erhielt beispielsweise jedes Haus ein eigenes Klärbecken. Die von der Schweiz finanzierten Dörfer wurden zuletzt fertig. Diese werden von ausländischen Hilfsorganisationen besucht, weil unsere Arbeit als beispielhaft gilt.

sion über eine Bewilligung. 80 Prozent der Kosten übernimmt die Glückskette, 20 das Hilfswerk. So gewähren wir, dass die Hilfswerke nicht über ihre Verhältnisse leben. Haben die rekordhohen Spenden Sammelaktionen für andere Katastrophen nicht geschadet?

Nein. In der Schweiz werden jährlich über 800 Millionen

«In Krisenzeiten zeigt man sich solidarischer.»

Über die Hilfe in Thailand schrieb die «Weltwoche» von «Geisterdörfern im Niemandsland» .

Wir haben in ganz Südostasien über 21 000 Häuser aufgebaut oder renoviert. Da kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Fehler passiert. Aber wenn beispielsweise über zu grosse Schulhäuser geschrieben wird, ist das falsch: Diese sind heute gleichzeitig Tsunami-Schutzzentren. Insgesamt ist die Tsunami-Hilfe eine Erfolgsgeschichte. Wie verteilen Sie die Gelder?

Unsere akkreditierten Hilfswerke sind vielfach bereits vor einer Katastrophe im Land tätig und können so sofort aktiv werden. Beim Wiederaufbau entscheidet eine elfköpfige Projektkommis-

Franken gespendet. Im Jahr nach dem Tsunami sind 1,4 Milliarden zusammengekommen. Die Sammelergebnisse nach Katastrophen pendeln sich im Folgejahr jeweils wieder ein. Zurzeit nehmen Spenden generell eher zu; in Krisenzeiten zeigt man sich solidarischer. Das hat sich auch in der 60-jährigen Geschichte der Glückskette gezeigt. Nun hat die Glückskette die Zeitung «Merci» produziert? Wem danken Sie?

Wir wollen der Bevölkerung Rechenschaft ablegen darüber , was mit dem Geld von den 1,2 Millionen Einzelspendern passiert ist. Die Zeitung wurde übrigens ohne Spendengelder finanziert – dank Sponsoring von Firmen. Interview Reto E. Wild

«Merci» gibts ab dem 24. November an Poststellen und K-Kiosken. Radiotipp: «Wie die Katastrophe von Aceh eine Gesellschaft verändert hat», DRS 1, 26. November, 20.03 Uhr.


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