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Pionier des E-Flugzeugs

Tesla der Lüfte

Sauberer, leiser, günstiger: Das E-Flugzeug hat eigentlich nur Vorteile, findet Pionier Marco Buholzer. Noch reicht eine Ladung nur für etwa 50 Minuten Flug, doch Besserung ist in Sicht.

Text: Ralf Kaminski Bild: Daniel Winkler

Die beiden grünen Säulen, die im Cockpit den Stand der Batterieladung anzeigen, sinken – rapide. «Keine Sorge, das ist nur während des Anstiegs so, das braucht viel Energie», erklärt Pilot Marco Buholzer über die Funkanlage. «Sind wir mal oben, ändert sich das.»

Wir sitzen in einer Pipistrel Velis Electro, einem kleinen slowenischen Zweisitzer, der als erstes und bisher einziges Elektromotorflugzeug der Welt in der Schweiz seit 2020 offiziell zugelassen ist. Die grossen Fenster der eleganten Maschine erlauben atemberaubende Blicke über die Berge und Seen von Glarus und Schwyz. Mal auf der Reiseflughöhe von 2000 Metern angekommen, sieht man an diesem prächtigen Spätherbsttag über den Zürichsee hinweg fast bis zur Stadt.

«Und das Beste: Wir stören dabei keine Wanderer, weil wir so leise sind, dass sie uns gar nicht wahrnehmen», sagt Buholzer, der mit dieser Pipistrel regelmässig Flugschüler aus der Region ausbildet.

Im Cockpit ist es durch das Rauschen des Windes und des Propellers noch immer so laut, dass man sich nur mit Kopfhörer verständigen kann. Der Geräuschpegel ist aber viel tiefer als in einem vergleichbaren Flugzeug mit Verbrennungsmotor, zudem gibt es keine Vibrationen. «Und es stinkt nicht.»

Nach einem Rundflug von 24 Minuten landen wir wohlbe

1,2

2021 gab es 1,2 Millionen Starts und Landungen, noch immer 14 Prozent weniger als 2019 vor der Pandemie.

3132

immatrikulierte Flugzeuge gab es 2021 in der Schweiz, darunter 262 grosse Passagiermaschinen.

Marco Buholzers E-Flugzeug kurz vor dem Start auf dem Flugplatz Schänis (grosses Bild). Blick auf den Zürichsee (unten)

11 %

aller Schweizer CO2-Emissionen stammten 2019 aus dem Flugverkehr.

85 %

aller Passagiere flogen 2021 nach Europa, 6% nach Amerika, 5% nach Asien.

halten und leise wieder auf dem Flugplatz Schänis SG – die Batterieladung steht bei 52 Prozent, wir hätten noch rund 30 Minuten länger am Himmel bleiben können.

Buholzer stösst die etwa 600 Kilo schwere Maschine zurück in den Hangar und schliesst sie am Ladegerät an. Es dauert eine knappe Stunde, die Batterie komplett zu laden, etwa so lange, wie man damit fliegen kann. Und der Strom für die Maschine wird seit Mitte November selbst erzeugt. Die kürzlich installierten Sonnenkollektoren am Gebäude liefern sogar mehr Energie als nötig.

Pro Ladung 120 Kilometer Flug Zehn solcher Maschinen gibt es derzeit in der Schweiz, verteilt auf verschiedene Flugschulen. «Allerdings nur für den ersten Teil der Ausbildung», erklärt Buholzer. «Im zweiten, wo man auch längere Distanzen bis über die Alpen fliegt, braucht man weiterhin Benziner, weil die Batterie für solche Strecken noch nicht reicht.» Der Flugbetrieb ist jedoch etwa ein Drittel günstiger, der Energieverbrauch fünfmal geringer.

Pro Ladung kann man rund 120 Kilometer fliegen, und mit mehreren Zwischenlandungen zum Nachladen kommt man heute bereits gut bis nach Lausanne und zurück – auch weitere Strecken sind möglich, wenn die Ladeinfrastruktur besteht. Buholzer ist 2020 so innert drei Tagen bis an die Nordsee geflogen, ein Weltrekord, der auch medial Aufsehen erregte.

Und Besserung ist in Sicht. «Seit wir die Pipistrel haben, gabs schon zweimal Verbesserungen bei der Batterie. Ich erwarte für etwa 2025 einen grösseren Durchbruch, der es ermöglicht, etwa doppelt so lange in der Luft zu bleiben.» Mittelfristig sei sogar denkbar, dass es batteriebetriebene Maschinen für bis zu 15 Passagiere gebe, die

6,3

Schweizerinnen und Schweizer fliegen besonders viel. 2017 wurden hierzulande pro Person 6,3 Passagierflüge registriert, nur in Norwegen und den Vereinigten Arabischen Emiraten waren es noch mehr.

Marco Buholzer schliesst das E-Flugzeug wieder an das Ladegerät an.

auf kürzeren Distanzen in Europa als Zubringer von kleinen Flugplätzen für grössere Flughäfen dienten. «In den nächsten zehn Jahren wird in diesem Bereich viel passieren.»

Grössere Strecken oder gar Langstreckenflüge sind laut Buholzer hingegen noch lange keine Option. Die umwelt und klimaschonende Lösung dafür ist EFuel – synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Sie werden schon heute von einigen Airlines in kleinen Mengen dem regulären Kerosin beigemischt, kosten jedoch vier bis fünfmal so viel.

Teurer Zulassungsprozess Die internationale Luftfahrtbehörde IATA möchte die Treibhausgasemissionen des globalen Flugverkehrs bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2005 senken. Batteriebetriebene Flugzeuge werden dafür jedoch nur eine marginale Rolle spielen. «Die bleiben in Europa eine Nische für Kurzstrecken, Privatpiloten und Flugschulen», so Buholzer. In den grossen Metropolen Asiens, Afrikas oder Nordamerikas könnte man sie sich jedoch auch als Flugtaxis vorstellen.

Dass es noch nicht mehr EFlugzeuge in der Schweiz gibt, liegt am aufwendigen Zulassungsprozess der Flugbehörden. «Er dauert zwei Jahre und kostet fast zwei Millionen Franken. Die meisten Hersteller, oft kleine Startups, können sich das nicht leisten.» Doch Buholzer ist mit der Maschine aus Slowenien ohnehin sehr zufrieden.

58,5

Millionen Passagiere nutzten 2019 die Schweizer Landesflughäfen – das jahrelange stetige Wachstum wurde durch die Coronapandemie abrupt gestoppt.

Die Schweiz ist führend Der 57jährige Fluglehrer und EFlugPionier aus Buttikon SZ betreibt mit Ripenergy zusätzlich eine eigene Firma, die hochspezialisierte Produkte im Bereich Energieumwandlung für die Industrie oder den Bahnverkehr anbietet.

Schon 1989 hat sich der ökologisch sensible Buholzer mit Solarenergie beschäftigt, als dies noch ein Nischenthema war. «Wir haben so viel Zeit verschwendet, weil Wirtschaft, Industrie und Politik die fossilen Technologien und Geschäftsmodelle mit Klauen und Zähnen verteidigt haben.»

Der Vorsprung bei der Solarenergie, den die Schweiz einst hatte, sei längst weg. «Aber bei der EMobilität am Himmel sind wir derzeit weltweit führend», sagt Buholzer. Von ETHStartups bis zu kleinen Privatfirmen tüfteln derzeit ganz viele an batteriebetriebenen Fluggeräten. «Wir haben hier viele innovative Menschen, viel Geld für die Forschung und Behörden, die dem Thema wohlwollend gegenüberstehen. Wenn wir es diesmal schaffen, unseren Vorsprung zu behalten, könnte die Schweiz in diesem Bereich global eine relevante Rolle spielen.» MM

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