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Von Piraten und Vampiren

Nachsitzen für ein Happy End

Im Klassenzimmer von Sarah Laupper singen die Kinder Lieder, die ihre Lehrerin selbst geschrieben hat. Und manchmal entwickeln sie die Texte sogar weiter – damit am Ende alles gut kommt.

Text: Rahel Schmucki Bilder: Christian Schnur

Sarah Laupper sitzt auf dem Boden ihres Schulzimmers in Zürich Wipkingen. Dicht um sie gedrängt, ihre Chorkinder aus der 1. und 2. Klasse. Sie beginnt an ihrer Gitarre zu zupfen, reisst über der Maske die grossen blauen Augen auf und singt mit einer durchdringenden Stimme: «Pirate, Pirate», und alle Kinder setzen laut ein: «sinder paraaat?». Und bereit sind bei diesem Einsatz alle.

Die 35-jährige Primarlehrerin aus dem Glarnerland unterrichtet seit rund sechs Jahren Musik und singt mit den Kindern ihre selbstgeschriebenen Lieder. Am Donnerstagnachmittag unterrichtet sie zwei Lektionen lang das Wahlfach Chor, die Kinder kommen freiwillig und opfern dafür ihren freien Nachmittag. Eine Stunde mit 13 Erst- und Zweitklässlern und eine Stunde mit sieben Dritt- und Viertklässlern. «Während meines Gitarrenunterrichts in der Ausbildung, haben mich die meisten Kinderlieder wenig interessiert», erinnert sich Sarah Laupper. Die Melodien seien meist erwartbar, und die Texte zeigten oft eine heile Welt, jeden Tag nur Sonnenschein. «In einem ersten Praktikum in einer Schulklasse habe ich für die Kinder ein paar Liedzeilen selber geschrieben und gedichtet. Der Funke ist sofort übergesprungen.» Seither setzt Laupper auf ihre eigenen Lieder. Das Piratenlied zum Beispiel ist zusammen mit weiteren Liedern auch auf CD erschienen.

Singen macht müde «D Sägel lampet, eis Chaos uf de Mäscht. Uf dr Anggerchetti häts es Vogelnäscht. D Famili Holzwurm wohnt z hinderscht am Hegg – ez händs dummerwiis au ds Ruäder entdeggt. Uf dr Reeling tröchned wuchäalti Chleider. Em Kompass fäält, ou, leider au dr Zeiger. Und das gaat ez eifach z wiit, d Schatzcharte isch e Schääreschnitt», singt Sarah Laupper mit den Chorkindern das Piratenlied im Glarner Dialekt weiter. Die Kinder scheinen ihren humorvollen Text zu mögen, singen laut mit und machen zu jedem Satz eine eingeübte Handbewegung. Laupper hüpft samt Gitarre mit, singt und spielt. Nach einer Stunde sind die Kinde r erschöpft, können sich nicht mehr richtig auf die Lieder konzentrieren. Laupper entlässt sie in ihren freien Nachmittag.

Die Primarlehrerin in Aktion mit den Chorkindern aus der 3. und 4.Klasse (links). Sarah Lauppers Kinderlieder sind auf CD zusammen mit einem Buch erschienen. Bei exlibris.ch Fr.40.–

«Kinder arbeiten ab einem gewissen Alter gerne an Texten mit und lernen dabei auch viel.»

Sarah Laupper In der Tür warten bereits ein paar Mädchen von Lauppers zweiter Chorstunde. «Frau Laupper, heute haben wir ganz viele Sachen zum Theäterlen dabei», sagt ein Mädchen in Latzhosen und öffnet eine Stofftasche. Darin befinden sich ein Cupcake aus Plastik, ein altes Handy und eine Lippenpomade.

Mit den älteren Schülerinnen – es sind ausschliesslich Mädchen – arbeitet Sarah Laupper anders. Gemeinsam denkt sich die Gruppe eine Geschichte aus. Darin geht es um zwei Schwestern, beides Vampirinnen, die sich nicht verstehen und gegenseitig bekämpfen. Die Musiklehrerin schreibt dazu jede Woche ein neues Lied, das zur weitergesponnenen Geschichte passt, und spielt es den Kindern vor. Ihr Textblatt liegt in der Mitte, die Köpfe der Schülerinnen drängen sich drum herum. Es ist voller Korrekturen. Da steht etwa: «D Nacht isch dunggel, d Nacht isch guet, voller Fungge und voller Gluet.» Dabei ist das Wort «Gluet» dick durchgestrichen. «Das haben wir in der vergangenen Woche mit dem Wort ‹Bluet› ersetzt», sagt Laupper und muss über den makabren Geschmack ihrer Schülerinnen lachen. Seit drei Jahren entwickelt die Chorleiterin mit ihren älteren Schülerinnen und Schülern Texte und Geschichten.

Der Vogel darf leben Angefangen hat alles mit dem Lied «Albatros». «Ich habe eine Dokumentation über diese Meervögel gesehen, die immer öfter an verschlucktem Plastik sterben», erzählt sie. Darüber habe sie ein Lied geschrieben. Ein Lied ohne Happy End, in dem der Albatros am Ende stirbt. «Als ich das den Kindern vorgespielt habe, waren sie schockiert und hatten ganz viele Ideen, wie man den Albatros im Lied doch retten könnte.» Gemeinsam entwickelte sie mit den Kindern eine neue Strophe, in dem der Vogel von einem Oktopus gekitzelt wird, bis er das verschluckte Plastikteilchen wieder ausspuckt. «Daran habe ich gemerkt, dass Kinder ab einem gewissen Alter gerne an den Texten mitarbeiten und dabei auch viel lernen können», sagt Laupper.

Die Mädchen wollen nun die Geschichte weiterentwickeln. Die

Vampirin «Gruffluff» ist aufge wacht und hat Hunger. Sarah Laupper singt ihr neues Lied vor: «Es git Spinnesalat und Ameisesuppä, Chäfer mit Spinat und Couscous mit Schmätterlingspuppe.» – «Etwas passt nicht», rufen die Schülerinnen. Gemeinsam singen sie die Strophe noch einmal und entscheiden, den Couscous zu streichen. «Machen wir noch mehr Essen?», fragt ein Mädchen mit langen Haaren. Weitere Ideen sind schnell gefunden: Froschfilet mit Blut frittiert, Blutwurst mit Krebs grilliert.

Und wie soll die Geschichte weitergehen? Die Kinder sind sich schnell einig: Die eine Vampirin braut einen Gifttrank für ihre Schwester, die für ihr Leben gerne tanzt, und mischt ihn ihr auf einem Vampirinnenfest ins Glas. «Und dann kann sie nicht mehr tanzen», sagt ein Mädchen. «So fies! Ich will aber ein Happy End. Und dass sich die beiden Schwestern am Ende wieder versöhnen», sagt Laupper. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, denn nun müssen sie die alten Lieder proben. Die Kinder singen und wirbeln im Raum herum, bis die Schulglocke klingelt. Dann verabschieden sich die Mädchen, und Sarah Laupper hat schon eine Idee für das nächste Lied – und wie sie ihrem Happy End ein Stück näherkommt: «Auf der Party schüttet die böse Schwester das Gift aus Versehen auch in ihr eigenes Glas», sagt sie und kichert. Mal sehen, ob ihre Schülerinnen diesen Vorschlag in einer Woche auch so lustig finden wie sie. MM

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