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Menschen
Migros-Magazin | Nr. 46, 14. November 2011 |
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porträt | 21
und der Wildbach
Weder Haftstrafen noch der Zerfall seiner Familie bringen den Bauern von seinem
Peter Ott mit Bagger Nummer elf. Die zehn anderen wurden beschlagnahmt.
Eingebettet im leisen Gemurmel des Baches. Der Mann hinter den Hebeln fixiert das nächste Ziel der Baggerschaufel.Sein Blick ist konzentriert, sein Gesicht zerfurcht, sein Haar wild. Routiniert lässt er den Baggerarm in den Steilhang sinken, greift eine Schaufel voller Erde heraus,lässt Kabine und Baggerarm um 180 Grad drehen und gibt die Erde wieder frei. Fast scheinen sie miteinander verwachsen zu sein, der Bagger und sein Führer. Vereint im Kampf gegen die übermächtigen Steilhänge beidseits des Giessbachs und gegen die gewaltigen Felsbrocken im Bachbett. «Das ist mein elfter Bagger», sagt der Mann im Bagger. Es ist Bauer Peter Ott (70). Wo sind die anderen zehn Bagger geblieben? «Die hat man mir weggenommen», sagt er mit einer Mischung aus Verbitterung und Verachtung. Dabei hat Ende der 70er-Jahre alles so hoffnungsvoll begonnen.Eines Tages kam er ganz aufgewühlt nach Hause. «Ich kann mich noch an deinen Blick erinnern, als du nach Hause gekommen bist und gesagt hast: Jetzt habe ich den idealen Hof gefunden.Er ist zwar von zwei Bächen eingeklemmt,aber
mit dem näheren werde ich schon fertig», erinnert sich Peter Otts Frau Josy. Darüber kann Peter Ott nur sanft lächeln. Er weiss, was er zu tun hat.
Konfiszierten Bagger aus dem polizei-Werkhof geklaut Der unbeirrbare Bauer von Schwarzenberg hat jahrelang national Schlagzeilen geliefert. Als ihn die Polizei vor versammelten Medien zum Gerichtstermin abführte. Als ihn die Polizisten in den Gerichtssaal tragen mussten, weil er sich weigerte zu gehen. Als er wiederholt und zum Teil monatelang im Gefängnis sass. Als er sich mit einem Husarenstück einen seiner konfiszierten Bagger aus dem Polizei-Werkhof zurückholte. «Ich habe denen ja geschrieben, dass ich den Bagger innert zehn Tagen wieder haben muss. Und nachdem ich keine Antwort erhielt, musste ich ihn halt selber holen», erzählt er ungerührt. Jahrelang versuchten die Luzerner Justizbehörden den Bauer daran zu hindern, den Giessbach nach eigenen Vorstellungen und Ansichten zu verbauen. Vergeblich. «Ich muss den Bach so gestalten, dass er mir nicht mein ganzes Land wegfrisst», sagt
er. Das Ersatzland, das ihm die Gemeinde zur Verfügung stellen wollte, lehnte er ab. «Den Sumpf können sie selbst behalten.» Anfänglich, das war um 1980, hätten ihn Nachbarn und Gemeinde noch unterstützt in seinen Bemühungen, das weitere Auswaschen des Bachbetts zu verhindern. Dann habe sogar der Kanton selbst damit begonnen, den Bach zu verbauen. «Aber völlig falsch. Indem sie die Bachränder befestigten, ermöglichten sie dem Fluss, sich noch tiefer einzugraben.» Bauer Ott glaubt zu wissen, wie man Bäche wirklich zähmt.«Das habe ich von meinem Vater gelernt. Er hat auch einen Bach verbaut. Oberhalb des Lauerzersees», sagt er. Er habe eine klare Strategie,die jener der amtlichen Bachverbauern zuwiderläuft,meint Peter Ott.«Statt dem Bach freien Fluss zu ermöglichen, muss man ihn abbremsen.Und mit grossen Felsbrocken, die er nicht wegspülen kann, das Bachbett stabilisieren.» Stolz weist er zum Bachbett: «Alle diese grossen Steine und Felsbrocken habe ich in den vergangenen 30 Jahren vom Bachrand ins Bachbett verschoben.» Allein? «Die meisten allein mit dem Bagger. Die
«Ein Bach gibt immer zu tun, fertig ist man eigentlich nie.» Peter Ott