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MENSCHEN
MIGROS-MAGAZIN | NR. 40, 29. SEPTEMBER 2014 |
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ASYLUNTERKÜNFTE | 17
UNZUFRIEDENE ANWOHNER
Hier gab es Widerstand gegen Asylunterkünfte Aarburg: Bei einem Grillfest protestierten im April 2014 die Bewohner des Städtchens Aarburg AG gegen die Asylunterkünfte, die der Kanton in zwei Mehrfamilienhäusern plante. Der Protestführer ging sogar so weit, dass er den Eingang der Unterkunft mit einem Auto blockierte. Es half alles
Asylunterkünfte in Aarburg.
Auch die Neuzuzüger sind offen für die Nachbarn aus Ostafrika Zwei junge Flüchtlinge haben Thien Brogli kürzlich sogar geholfen, schwere Einkaufstaschen von der Tramhalte stelle zum Haus zu schleppen. «Und sie sagen auch anständig Grüezi, was man von vielen Anwohnern nicht behaupten kann.» Seine Mutter sagt: «Ich bin so froh, dass durch die Flüchtlinge dieses Quartier endlich belebter ist.» Seit ein paar Monaten stehen neben dem Haus Nummer 19 auch Neubauten. Was dachten die Neuzuzüger, als sie erfuhren, dass sie neben eine Asyl unterkunft ziehen? «Das macht für mich keinen Unterschied», sagt Chantal
Shields (32). Sie wohnt mit ihrem Sohn Ryan (6) und ihrem Partner direkt neben dem Efeuhaus und hat die Wohnung nur bekommen, weil jemand aus dem Vertrag ausgestiegen ist, als er vom «Asylheim» erfahren hat. Dass die Person Angst vor Lärm hatte, kann Chantal Shields nicht verstehen: «Ich bin für alles offen.» Die Einzige, die sich beschwert, ist Dorothee Felix (84), die seit 70 Jahren an der Sonnenbergstrasse wohnt. Sie be mängelt «die miserable Kommunikation der AOZ». Erst am Tag des Einzugs der Flüchtlinge lag bei ihr ein Flyer im Brief kasten. Sauer aufgestossen ist ihr auch, dass die vorherigen Mieter aus ihren Wohnungen mussten. Dann gibt sie zu Bedenken: «Ich weiss nicht, ob es psychologisch geschickt war, die Flücht linge, die schon genug gelitten haben, neben gut angezogenen Menschen und schicken Autos zu platzieren. So fühlen sie sich vielleicht ausgeschlossen.» Für solche Aussagen hat Ursula Kohl bacher kein Verständnis: «Diese Leute waren an Leib und Leben bedroht und sind jetzt nur froh über eine Bleibe.» Im Treppenhaus wird sie von einem Bewoh ner aus Afghanistan angesprochen, der Hilfe bei einer Bewerbung braucht. «Klar, rufen Sie mich an!», sagt Ursula Kohlbacher, schüttelt ihm die Hand und ruft eine Verabschiedung auf Persisch hinterher. Text: Silja Kornacher Bilder: Pascal Mora
Claudia Bott (rechts) und Ursula Kohlbacher in der Asylunterkunft im Gespräch mit Ines aus Kamerun.
Laax: In einem ehemaligen Hotel in Laax will der Kanton Graubünden ein Asyl-Transitzentrum eröffnen. Die Errichtung wurde bis heute verhindert. Allen voran durch Reto Gurtner, den CEO der Weissen Arena. Er
Das Hotel Rustico in Laax. versuchte sogar, das Hotel selbst zu erwerben. Der Fall wurde vor das Bundesgericht gezogen, das die Beschwerde kürzlich abgelehnt hat. Das Baugesuch wird nun weiterbehandelt, Ausgang ungewiss.
QR-Code scannen und die zehn wichtigsten Infos zur Asylreform lesen.
Bilder: RDB/Toini Lindroos, Keystone
die Bewohner an der Sonnenbergstrasse 19 Möbel und Kleidungsstücke zusam mengetragen. Auch heute besucht sie das Wohnhaus regelmässig und erkundigt sich, was die Bewohner und Bewohne rinnen benötigen. Gerade hat sie für eine Frau Inlineskates organisiert. Für sie ist die Nachbarschaftshilfe selbstverständ lich: «Jeder verdient ein Gefühl des Will kommenseins.» Das findet auch Familie Brogli. Das Lehrerpaar Alex (57) und Ga by Brogli (66) wohnt seit 22 Jahren an der Sonnenbergstrasse. Sohn Thien (20) be eindruckt die Aufregung um die Asylun terkunft nicht. «Ich rauche jeden Abend auf der Terrasse. Das Einzige, was ich be merke, sind andere Jugendliche, die Bier flaschen rumschmeissen.»
nichts: Ende Juni zogen die ersten Flüchtlinge ein. Der Gemeindeammann hat nun eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht und plant einen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Bettwil: 560 Einwohner gegen 140 Flüchtlinge – Ende 2011 kommunizierte der Bund, in Bettwil AG in einer Militärbaracke eine Asylunterkunft einzurichten. Sofort machte sich im Dorf Protest breit: Die Anwohner hängten Transparente auf, zogen mit Güllenwagen auf die Strasse, sammelten Unterschriften und marschierten mit Fackeln durchs Dorf. Im Januar 2012 kam die Aargauer Regierung zum Schluss, dass der Bund die Anlage aus rechtlichen Gründen nicht als Asylunterkunft nutzen kann.