Migros Magazin 31 2009 d ZH

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40 | Migros-Magazin 31, 27. Juli 2009

Die Hornissenjäger von Höchstetten

20 000 Menschen treffen sich im August zum Eidgenössischen Hornusserfest. Drei Mitglieder der Meistermannschaft erklären den Reiz der urchigen Sportart. Beim Schwingen zählt Technik genauso viel wie Kraft.

Tricks und Kniffe vom Schwingerkönig.

Fest werden rund 600 Helfer im Einsatz stehen. «Wir sind alle mit Herzblut dabei», sagt OK-Präsident Niklaus Hörler nicht ohne Stolz. Auch das Kulinarische lässt nicht zu wünschen übrig – angefangen mit dem Schwingerzmorge ab halb sechs Uhr oder mit den weit über 1000 Bankettmenüs. Da könne es schon vorkommen, dass bis in die frühenMontagmorgenstunden gefeiert werde. «Äffecht e gueti Feschtstimmig», so Hörler. Für ihn ist das Schwinget das beste Beispiel, wie man Stadt und Land verbinden könne: «Am Schwinget kommen vom Bundesrat über führende Personen aus Wirtschaft und Politik bis hin zum Alpsenn die verschiedensten Menschen zusammen.»

Text Christoph Petermann Bilder Mara Truog

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och ist die Umgebung des Berner Dorfes Höchstetten ein grünes, idyllisches Nirgendwo. Hier gibts im Moment nur flirrende Hitze, Waldinseln zwischen abgeernteten Weizenund Gerstenfeldern, da und dort Getreidesilos. Irgendwo steht verloren das hellgraue Haus der örtlichen Hornussergesellschaft. Doch Präsident Hans Rudolf Kummer (56) sieht vor seinem inneren Auge schon ein Festgelände mit Menschengewimmel. Der stämmige Mann hat sich einen Stumpen zwischen die Lippen geklemmt und deutet mit ausladender Gebärde auf gemähte Wiesen. «Dort wird das grösste Festzelt stehen, das 4000 Menschen fasst. Alles in allem erwarten wir 20 000 Besucher, davon 5500 aktive Hornusser.» Die Höchstetter Hornusser sind Schweizer Meister und organisieren dieses Jahr das Riesenfest mit 280 Mannschaften, die sich auf 34 Spielfeldern messen. Das Festareal erstreckt sich über das Land von 14 Bauern. Sie haben extra die Fruchtfolge auf den Event abgestimmt und die Weizen- und Gerstenernte vorverlegt.

Der eigenwillige Sport begeistert Junge

Trotz allem ist fraglich, ob das Schweizer Fernsehen über den Grossanlass berichten wird. «Wir betreiben eine Randsportart», sagt Kummer ohne jede Verbitterung. «Und doch haben die Hornussergesellschaften im Grossen und Ganzen keine Nachwuchssorgen. Dieser urschweizerische Sport verliert nie seinen Reiz

Angriff: Mit einem elastischen Schläger katapultiert Andreas Schneider die kleine Plastikscheibe, den Hornuss, ins Spielfeld. Die Scheibe fliegt bis zu 300 km/h schnell.

und zieht immer wieder junge Leute an.» Selbst ein völliger Laie teilt bald einmal die Faszination fürs Hornussen, wenn er nur schon einem Training zusieht. Obwohl am Horizont hochsommerliche Wolkentürme aufragen, aus denen schon gedämpftes Gewittergrollen klingt, hat Kummer einige seiner Männer im Freien versammelt. Andreas Schneider (33), ein baumlanger, schnauzbärtiger Elektriker, holt mit dem sogenannten Stecken aus. Dieses drei Meter lange Schlaggerät besteht heutzutage aus dem Hightechmaterial Kohlefaserstoff und ist enorm elastisch. Der Stecken

scheint sich wie eine dünne Schlange um den Oberkörper des Spielers zu winden, schnellt dann in die Gegenrichtung und trifft eine kleine Plastikscheibe, den sogenannten Hornuss. Wie ein Turboinsekt zischt der Flugkörper fast 300 Meter weit ins Gelände. Kummer hat den imposanten Schlag kritisch beäugt und meint dann: «Du kannst die Spannung im Stecken noch besser ausnützen.» Auf dem Spielfeld haben einige Männer die Rolle der Verteidiger übernommen. Sie halten Sportgeräte in den Händen, die an überdimensionale Fliegenklappen erinnern. Sie werden von den Hornussern je nach Dialekt Schau-


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