Migros Magazin 22 2011 d AA

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AUF EIN WORT

FRAU DER WOCHE

Mehrheitsmacherin Noch weiss man nicht, ob es ein weiser Entscheid war oder ein unverantwortlicher, wie die Gegner sagen. Doch Energieministerin und Bundespräsidentin Doris Leuthard (48), bisher als «Atom-Doris» abgestempelt, hat den Atomgegnern im Bundesrat zur Mehrheit verholfen. Und damit einen wegweisenden Entscheid ermöglicht: die konsequente Abkehr vom Atomstrom in der Schweiz.

MANN DER WOCHE

Meistermacher Er spaltet die Schweiz wie kein anderer Fussballer. Aber er ist gut. Sehr gut. Mit 27 Treffern hat Alex Frei (31) den FC Basel fast im Alleingang zum Titel geschossen. Ihm und Trainer Thorsten Fink gebührt Anerkennung. Auch wenn sich der Rest der Schweizer am liebsten sonstwohin beissen würde …

Migros-Magazin 22, 30. Mai 2011

ZWANGSRÄUMUNGEN

«In 90 Prozent der Fälle ist die Polizei mit dabei» Im Emmental wurde le letzte Woche während einer Zwangsräumung ein Polizist erschossen. Er war ohne kugelsichere Weste unterwegs. Für Kurt Huber (53), Vorsteher des Betreibungs- und Stadtammannamts in Oberwinterthur ZH, gehören Wohnungsräumungen zum Alltag. Kurt Huber, bei einer Zwangsräumung wurde ein Polizist erschossen. Hätte es auch Sie treffen können?

Ja. Es hätte jeden treffen können, der solche Ausweisungen macht. Tragen Sie bei Ihren Einsätzen Waffen und kugelsichere Westen?

Waffen dürfen wir nicht tragen, kugelsichere Westen schon. Ich besitze eine persönliche Schutzweste, die ich auch gebrauche. Wie klären Sie im Vorfeld ab, ob Gefahr droht?

Wir informieren uns genau, mit wem wir es zu tun haben. Zudem kennen wir unsere Kunden. Entweder, weil sie im Vorfeld betrieben wurden und deshalb zu uns an den Schalter gekommen sind, oder, weil wir bei ihnen zu Hause Pfändungen vornehmen mussten. Bereits dort können wir die Situation einschätzen und erkennen, wie gross das Gefahrenpotenzial ist. Und wenn dieses gross ist?

In 90 Prozent aller Fälle arbeiten wir eng mit der Polizei zusammen und nehmen zwei Beamte mit. Wenn wir vor der Wohnungstür stehen, müssen wir aus Sicherheitsgründen darauf achten, wo wir uns hinstellen. Es ist

auch wichtig abzuchecken, in welche Richtung sich die Tür öffnet. Was passiert danach?

Wenn die Person nicht an die Tür kommt oder nicht da ist, öffnet entweder die Polizei die Tür mit Gewalt, oder ein Schlüsselfachmann öffnet das Schloss. Die Polizei geht zuerst in die Wohnung, ich erst danach. Wie reagieren die Leute, wenn Sie in der Wohnung stehen?

Entweder bleiben sie ruhig oder werden aggressiv. Dann fluchen sie laut oder werfen mit Gegenständen um sich. In solchen Fällen wird die Person in Handschellen abgeführt. Aber Leute, die sehr ruhig sind und einen genau beobachten, sind meistens die gefährlichsten, weil sie plötzlich ausrasten können. Um eine Eskalation zu vermeiden, suche ich immer das Gespräch.

das natürlich ganz anders. Aber damit muss ich leben. Werden Sie für heikle Situationen ausgebildet?

Ja, in Kursen lernen wir, mit Aggressionen umzugehen und heikle Situationen zu entschärfen. Wir spielen auch kritische Situationen nach. Andererseits nehme ich als Chef auch meine Angestellten mit raus und versuche, ihnen etwas von meiner Erfahrung und Routine weiterzugeben.

«Ein IV-Bezüger hatte im Kinderzimmer 230 Waffen, fast alle waren geladen.»

Kommt es auch zu Drohungen?

Gibt es ein Erlebnis, das Sie nie vergessen werden?

Wie gehen Sie mit solchen verbalen Angriffen um?

Profitieren Sie privat von Ihrem Berufsalltag?

Drohungen sind in solchen Situationen üblich. Und wenn der Mieter zum angekündigten Zeitpunkt nicht vor Ort ist, kommt er meistens später aufs Betreibungsamt. Da wird dann oft gedroht. Zum Beispiel sagte mal einer, er wisse, wo meine Kinder zur Schule gehen.

Während meiner langjährigen Tätigkeit habe ich gelernt, ruhig zu bleiben. In meinem Job ist es sehr wichtig, die Tür hinter mir zu schliessen und das, was im Büro passiert, auch dort zu lassen. Ich bin ja nur das vollziehende Organ. Die Betroffenen sehen

Während einer Pfändung bei einem IV-Bezüger fanden wir im Kinderzimmer 230 Waffen, fast alle geladen. Hinzu kam, dass der Besitzer aggressiv wurde. Zum Glück konnten wir die Situation entschärfen. Schlimm finde ich Wohnungen, die voller Abfall, Dreck und Flöhe sind.

Man lernt, mit Geld und den Gesetzen umzugehen, gerade weil man so viele Menschen sieht, die damit Probleme haben. Im Privatleben merke ich, dass ich mit meiner Familie und meinen Kollegen bewusster umgehe.

Interview Nathalie Bursac´

Bilder Rupert Oberhäuser/Caro/Keystone, Peter Schneider/Keystone, Roman Aeschbach/EQ Images

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