Migros Magazin 15 2009 d ZH

Page 21

reportage

Migros-Magazin 15, 6. April 2009

Ronfeldt führt ein achtköpfiges Team aus indischen, marokkanischen und englischen Ingenieuren. Diese wiederum instruieren Hunderte Klempner und Bauarbeiter aus Südindien, Pakistan und Jemen. Die Männer verlegen im Wolkenkratzer graue Kunststoffröhren mit einer Gesamtlänge von rund 15 Kilometern. Mit Lösungsmitteln weichen sie die Rohstücke an den Verbindungsstellen auf, um sie dann miteinander zu verschmelzen. Der allgegenwärtige Sand ist dabei eine ständige Bedrohung. Schon wenige Sandkörner, die in den weichen Kunststoff eindringen, können später zu Lecks führen.

Höllischer Job für die Bauarbeiter Von den Bauarbeitern redet Ronfeldt mit grösstem Respekt. «Diese Männer machen einen Knochenjob. Im Sommer malochen sie bei über 40 Grad Hitze. Noch vor zehn Jahren haben Baufirmen in Dubai das Leben ihrer Leute oft leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Heute sind die Arbeiter wenigs-

tens durch Windverbauungen vor den jähen Böen geschützt, die sie in über 800 Meter Höhe von den Baugerüsten reissen könnten.» Der kahlköpfige Spezialist redet normalerweise langsam und bedächtig. Doch er kommt in Fahrt, wenn er von den Herausforderungen des Turmbaus berichtet. «Um Wasser durch einen Wolkenkratzer mit 206 Stockwerken zirkulieren zu lassen, können Sie nicht einfach eine Superpumpe im Keller anwerfen», erklärt Ronfeldt. «Sonst spritzen die Hahnen auf den unteren Etagen mit dem Druck von Feuerwehrschläuchen.» Deshalb entschieden sich die Georg-Fischer-Experten für eine aufwendige Lösung: Im Abstand von jeweils 30 Etagen liessen sie Pumpstationen in den Turm einbauen. So fliesst das Wasser gleichmässig, hat nirgendwo einen zu starken oder zu schwachen Druck. Bei der äusserst komplizierten Arbeit genoss Ronfeldts Team immerhin einen Vertrauensvorschuss der arabischen Bauherren. «Schweizer Qualität ist in den Emiraten enorm ge-

fragt», sagt der Experte. «Wenn in einer Gegend Riesenbauten wie Pilze aus dem Boden schiessen, ist Beständigkeit besonders wertvoll. Swiss made steht am Golf für solide installierte Technik, aber auch für zuverlässige Wartung in den späteren Jahren.»

Hat sich Ronfeldt eigentlich schon eine Luxuswohnung im Wolkenkratzer reserviert? «Das wäre mir zu pompös», versichert der Norddeutsche mit Nachdruck. Er bewohnt in Strandnähe eine Villa, die für Dubai-Verhältnisse als bescheiden gelten kann. Hier kehrt er am Abend dem Superturm den Rücken und blickt aufs unverstellte Meer hinaus. Er telefoniert mit seiner Lebenspartnerin, die im Ruhrgebiet wohnt. «Wir sind beide alt genug, um die Distanz auszuhalten und auf eigenen Beinen zu stehen», sagt Ronfeldt. «Westliche Paare, die nach Dubai auswandern, trennen sich oft schon nach kurzer Zeit. Diese hektische Glitzerwelt schadet den Beziehungen. Darum ist es vielleicht besser, dass meine Partnerin und ich hier nicht zusammenleben.» Vor dem Schlafengehen hört Ronfeldt Stücke seines Lieblingskomponisten Bach – Musik, die mit ihrer strengen Geometrie an sorgfältig zusammengefügte Bauwerke erinnert.

Innovationen wie in der Raumfahrt Doch hat die gigantische Stufenpyramide in Dubai auch einen Nutzen für ganz normale Menschen, die kein Geld für Luxussuiten haben? Ronfeldt ist davon überzeugt. Für ihn erinnert der Burj Dubai an die astronomisch teure Raumfahrt, die auf Umwegen zu Innovationen im Alltag geführt hat. Für die Errichtung der oberen Stockwerke waren jeweils nur drei Tage vorgesehen, dennoch durfte die Qualität nicht leiden. «Das könnte in Zukunft auch den Bau von Einfamilienhäusern in Europa beschleunigen und erschwinglicher machen», glaubt Ronfeldt. «Vielleicht gibts bald schon Fertigbadezimmer, die man nur noch ans Wasser anschliessen muss.»

Text Michael West Bild Siddarth Siva/WpN

Himmelsstürmer: Die höchsten Gebäude der Welt

Die Rangfolge der fünf höchsten bewohnbaren Gebäude zeigt die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Mittleren und Fernen Ostens.

818 Meter

509 Meter

Die fünf höchsten Wolkenkratzer: 1. Burj Dubai in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate): 818 Meter. 2. Taipeh 101 in Taipei (Taiwan): 509 Meter. 3. Shanghai World Financial Center in Shanghai (Volksrepublik China): 492 Meter. 4. Petronas Towers 1 und 2 in Kuala Lumpur (Malaysia): 452 Meter. 5. Greenland Square Zifeng Tower in Nanking (Volksrepublik China): 450 Meter.

492 Meter 452 Meter

450 Meter Zum Vergleich

105 Meter 2

3

4

5

6

7

Illustration Reto Winkelmann

324 Meter

1

DUBAI | 21

Zum Vergleich: Der Eiffelturm (6) misst 324 Meter und das höchste bewohnbare Gebäude der Schweiz, der Messeturm in Basel (7), «nur» 105 Meter.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Migros Magazin 15 2009 d ZH by Migros-Genossenschafts-Bund - Issuu