Migros-Magazin-14-2013-d-OS

Page 17

|

MENSCHEN

MIGROS-MAGAZIN | NR. 14, 2. APRIL 2013 |

ohne ausgefeilte Technik in 1:54.56 oder über 40 Minuten schneller als Marathonläufer Viktor Röthlin. Für Ueli Steck war der Wettkampf im Oberengadin, den er mit einem Vortrag verbunden hatte, mehr Spass als ernsthaftes Training, das er nach Plänen des diplomierten Trainers und Sportphysiotherapeuten Simon Trachsel konsequent verfolgt (wie Ueli Steck trainiert, lesen Sie im Migros-Magazin vom 8. April).

Dank des Trainings gewöhnt sich der Körper schneller an die Höhe Um sich auf die enormen Höhen im Himalaya vorzubereiten, fuhr der Extrembergsteiger mehrmals von Grindelwald via Kleine Scheidegg zum fast 3500 Meter hohen Jungfraujoch. Vom höchsten Bahnhof Europas marschierte, vielmehr rannte er in weit weniger als einer Stunde zur rund 200 Meter höher gelegenen Mönchsjochhütte. Sie ist spektakulär am Fusse des Mönchs gebaut worden. «Der Körper braucht sechs Wochen, bis er akklimatisiert ist. Dieser Ausflug bringt mir extrem viel, denn so gewöhne ich mich schneller an die dünne Luft», erklärt der Sportler. «Wenn ich in der Mönchsjochhütte übernachte und im Flachland trainiere, setze ich härtere Reize.» Und das ist bitter nötig, denn die sauerstoffarme Luft ab 8000 Meter ist für den Organismus eine enorme Belastung. Steck rechnet vor: «Auf 8500 Meter beträgt der Sauerstoffgehalt noch 30 Prozent. Das heisst, 30 Prozent der normalen Leistung müssen ausreichen, um auf den Berg zu kommen.» In dieser als Todeszone bekannten Höhe müsse er als einstiger Geschwindigkeitskletterer akzeptieren, in einer Stunde eben nur noch 100 Meter zu schaffen und nicht 1000 Meter wie im Flachland. Dass er sich in dieser Höhe ohne Sauerstoffmaske bewegt, ist für Steck selbstverständlich. Ebenso kompromisslos gibt er sich, wenn er aufs Privatleben angesprochen wird. Dieses trägt der Höchstleistungsund Extremsportler bewusst nicht in die Öffentlichkeit. Bekannt ist, dass er verheiratet ist. Seine Frau Nicole (34) ist Marketing- und Kommunikationsspezialistin. Im Sommer 2010 kam das Ehepaar unfreiwillig in die Schlagzeilen: Bei einer Bergtour auf das Wetterhorn verliert Nicole das Gleichgewicht und stürzt 30 Meter in die Tiefe. Ueli Steck klettert zu seiner Frau hinunter. Letztlich wird Nicole Steck von der Rega gerettet. Sie, ebenfalls sportbegeistert, akzeptiert die langen Abwesenheiten ihres

SERIE: UELI STECKS HIMALAYAEXPEDITION

Bergsteigers, hat aber trotzdem manchmal Angst um ihn. Extrembergsteigen ist eine Gratwanderung. Ueli Steck stürzte 2010 beim Speedklettern am El Capitan im kalifornischen Yosemite-Nationalpark 25 Meter tief ins Seil, blieb aber unverletzt. Drei Jahre zuvor wollte er als Erster die Südwand der Annapurna bezwingen. Ein Granitbrocken fiel auf seinen Kunststoffhelm, der in zwei Stücke zerbrach. Steck landete am Seil 200 Meter weiter unten auf einem Gletscher,

|

UELI STECK | 17

blieb bewusstlos aber nur leicht verletzt liegen. Den Abstieg schaffte er allein. Auf die Frage, ob er verstehe, wenn Angehörige Angst um ihn haben, meinte Steck schon vor zwei Jahren: «Wenn ich mich auf eine Route aufmache, gehe ich davon aus, dass ich wieder zurückkomme. Wenn man in ein Auto steigt und von A nach B fährt, rechnet man ebenfalls damit, unfallfrei zu fahren.» Anfang Jahr ist das Ehepaar Steck in ein grosszügiges Haus — ohne Kletterwand — oberhalb von Ringgenberg eingezogen, bei dem der einstige Zimmermann selbst Hand anlegte. Durch die Fensterfront und von der Terrasse aus hat man eine beeindruckende Sicht auf den türkisblauen Brienzersee. In den nächsten Wochen wird Ueli Steck dieses Panorama gegen die Sicht auf das Hochgebirge des Himalaya eintauschen. Texte: Reto E. Wild Bilder: Daniel Winkler

www.migrosmagazin.ch

DAS ABENTEUER GEHT ONLINE WEITER

Exklusiv: Ueli Steck auf dem Weg zur Mönchsjochhütte

Im Interview mit dem Migros-Magazin erklärt der weltbekannte Extrembergsteiger Ueli Steck, weshalb die Akklimatisierung wichtig ist, wie er sich vorbereitet und wie er trai-

niert. Und wir zeigen beeindruckende Bilder auf dem Weg vom Jungfraujoch bis zur Mönchsjochhütte, die sich 3657 Meter über Meer am Fuss des Mönchs befindet.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.