Migros Magazin 07 2011 d ZH

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MENSCHEN LIEBESKUMMER

Migros-Magazin 7, 14. Februar 2011

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«Mein Mann musste zugeben, dass er die letzten Jahre neben mir und nicht mit mir gelebt hatte.» war. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Konsterniert fragte ich, ob sie mich denn nicht mehr liebe. Ihre Antwort: ‹Ich habe dich nie so richtig gern gehabt, ich bin mehr aus Sympathie bei dir geblieben.› Sie schlug vor, dass wir die schönen Sachen ja weiter gemeinsam machen könnten: Geburtstage feiern, Reisen, Konzerte besuchen. Es begannen schwierige Wochen. Wir gingen sogar nochmals in die Ferien mit unserem Camper. Anfang September besuchte sie ihren Sohn, und von dort erhielt ich ein SMS. Sie habe sich entschieden und werde am nächsten Tag packen.

Sie nahm nichts mit, dass sie an diese Zeit erinnert

Ich habe mich in die Arbeit geflüchtet und die Wohnung renoviert. Wir haben uns seither einige Male gesehen, aber sie blieb distanziert. Ich bin dann zu einem Psychotherapeuten gegangen, um alles zu verarbeiten. Später erfuhr ich auf Umwegen, dass die Trennung für sie keine spontane Idee gewesen ist. Sie habe sich schon lange auf diesen Schritt vorbereitet. Sie wolle endlich tun und lassen, was ihr gefalle. Das konnte sie doch auch bei mir! Deshalb glaube ich, dass dieser Unfall damals bei ihr etwas verändert hat. Wer sie nicht gut kennt, merkt ihr nichts an, ich schon. Wir hatten 21 tolle Jahre, sie hat nichts mitgenommen, was sie an diese Zeit erinnert. Ich müsste wütend auf sie sein, aber ich kann nicht. Wie kann ich es auf die Folgen eines Unfalls sein? Wenigstens ist die Sache jetzt klar. Seither geht es mir besser. Aber ich nage noch daran. Das nächste Mal sehen wir uns bei einer Geburtstagsfeier. Wir haben rund 20 solcher gemeinsamen Daten jedes Jahr. Wie soll da eine Loslösung stattfinden?

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Julia (35)*, Fachfrau für Sozialversicherungen, zwei Kinder (4, 2), Trennung nach zwölf Jahren.

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Der Traum von der grossen Liebe und vom Zusammensein, bis dass der Tod uns scheidet, platzte Mitte Januar. Ein Satz veränderte mein ganzes Leben: ‹Ich weiss von deiner Affäre. Ich will die Scheidung!› Schluss, Aus, Ende. Zwölf Jahre gehörten der Vergangenheit an. Dabei hat alles unglaublich romantisch begonnen: Er brachte mich zum Lachen, war nicht so plump wie andere, eher ein bisschen schüchtern. Schnell war klar: Ich liebte diesen Mann und wollte mit ihm zusammensein. Aber bald realisierte ich, dass mein Mann zwar absolut zuverlässig war und er mir alles Materielle zur Verfügung stellte, das allein jedoch erfüllt kein Menschenherz. Was mir fehlte, waren Wärme und Liebe. Ich suchte das Gespräch, ich schrieb Briefe, ich bettelte. Aber umsonst. Mein Mann konnte keine Gefühle zeigen. Die Jahre vergingen, und ich kompensierte meine Leere und Einsamkeit mit Sport und Arbeit. Auch die beiden Kinder halfen nicht. Mein Mann blieb verschlossen und verweigerte jeden Körperkontakt. Doch dann lernte ich einen anderen Mann kennen. Einfach so, im September 2010, in einem Café. Er sprach mich an, sagte, ich hätte ein extrem strahlendes Gesicht. Dieser Satz genügte. Meine Seele brach auf, meine Sehnsüchte – alles war wieder da.

Ein Mail an den anderen Mann führte zur Explosion

Ich traf diesen Mann vereinzelt. Unser intimster Kontakt war ein Kuss, und dabei blieb es auch. Hin und her gerissen, beichtete ich die Bekanntschaft meinem Mann. Es traf ihn hart. Er bemühte sich danach sehr und gab zu, dass er die letzten Jahre neben mir und nicht mit mir gelebt hatte. Es folgten Therapiestunden, wir lebten auf einem Vulkan, der jeden Moment

Julia will, dass ihr Ex-Mann im Leben der Kinder weiter eine Rolle spielt.

ausbrechen konnte. Eines Tages schrieb ich meiner Bekanntschaft ein Mail. Mein Mann allerdings fand die gelöschte Datei Ω und verlangte die Scheidung. Es gibt Tage, die sind gut, und Tage, die sind dunkel. An denen hadere ich. Schwer ist es, wenn er da ist und mir klar wird, dass die Familie zu viert nicht funktionieren wird, dass wir das irgendwie nicht gepackt haben. Auch abends ist es schwierig, da denke ich viel nach. Was mir hilft, ist Tagebuch schreiben. Für die Kinder ist es schlimm, dass er nun nicht mehr ständig da ist. Allerdings kommt

er dreimal pro Woche zu Besuch. Das geht gut, solange wir uns im Griff haben. Ich denke, wir können Einiges tun, damit unsere Kinder keine typischen Scheidungskinder werden. Mein Traum von der grossen Liebe hat sich nicht erfüllt. Daran bin ich auch selbst schuld. Ich weiss nicht, ob ich mein Herz je wieder so sehr einem Mann werde schenken können. Ich will einfach nicht, dass mir nochmals so wehgetan wird. Das mit den Schmetterlingen im Bauch, das wird ganz sicher nicht mehr kommen.

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