Migros Magazin 01 2012 d AA

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Menschen

Migros-Magazin | Nr. 1, 3. JaNuar 2012 |

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porträt | 11

Daniel Hess (54), Gründer und Geschäftsführer einer Versicherungsagentur, Oberembrach ZH, 132 Kilogramm

«Mit 195 Kilogramm macht man keinen Sport mehr»

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Angefangen hat es mit 13 in einem Klassenlager, als einer der Leiter fand, ich esse zu viel. Ich landete beim schulpsychologischen Dienst, und der verdonnerte mich zu einer vierwöchigen Null-Kalorien-Diät. Man steckte mich in ein abgelegenes Zimmer im Kinderspital. Zwar verlor ich 20 Kilo, aber der Boden für meine Übergewichtskarriere war gelegt. Hätte man das damals nicht getan, hätte ich heute dieses Problem nicht, davon bin ich überzeugt. Der Jo-Jo-Effekt sorgte dafür, dass das Gewicht bald wieder so war wie vorher. Obwohl ich mich nur mit 1000 Kalorien pro Tag ernährte, konnte ich zusehen, wie ich wieder zunahm. Das war sehr frustrierend. Mit 29 wanderte ich in die USA aus, dort nahm ich stetig zu, bis ich 1989 165 Kilogramm wog. Ein Beinahe-Herzinfarkt trieb mich dann in einen Fitnessclub; das Ganze war an ein Diätprogramm gekoppelt. 1991 kam ich aus den USA zurück – ich wog 95 Kilo. In meinem neuen Job bei der heutigen Zurich, musste ich aber

mittags oft mit Kunden essen gehen, hatte abends Anlässe, vernachlässigte die Fitness. 1995 erreichte ich mein Maximalgewicht: 195 Kilo. Mein Hausarzt fand, ich solle halt ein bisschen abnehmen, mehr Sport machen.

Übergewicht ist nicht Disziplinlosigkeit Mit 195 Kilogramm macht man keinen Sport mehr. Aus meiner Sicht ist das ein klares Suchtverhalten. Dazu kommt die genetische Veranlagung – mit mangelnder Diszplin hat das nichts zu tun. Zur gleichen Zeit lernte ich damals meine Frau kennen, eine Thailänderin. Die thailändische Kultur hat ein anderes Verhältnis zum Körper als unsere. Davor hatte es nie viel mit Frauen gegeben, da war meine Körperfülle klar ein Hindernis. Ich war einer der Ersten in der Schweiz, die eine Magenbandoperation machen liessen. Inzwischen habe ich das vierte Band drin und auch noch einen Magen-Bypass. Erst mit diesen Operationen verschwand das ewige Hungergefühl. 1996 wäre eigentlich eine Beförderung in die

Direktion fällig gewesen, aber mein Chef erklärte, daraus werde nichts, weil ich zu dick sei. Alle haben es gedacht, er hat sich getraut, es auszusprechen, immerhin. Es sehe im Geschäftsbericht nicht gut aus. Das hat mich natürlich getroffen. Ich suchte eine neue Stelle und baute vier Jahre später meine eigene Firma auf, die Abraxas AG. Diskriminierung im Job habe ich seither nicht mehr erlebt, die Geschäfte gehen gut. Warum isst der das jetzt, besagen die Blicke im Restaurant. Der müsste jetzt doch nur ein Salätli essen und sonst nichts. Mich ärgert der Vorwurf, wir Übergewichtigen belasteten das Gesundheitssystem ungebührlich. So nach dem Motto: Der Dialysepatient kann ja nichts für seine Krankheit, aber der Dicke ist selber schuld. Das ist einfach nicht wahr. Mit meinem Gewicht bin ich heute zufrieden. Was soll ich mich kasteien und für den Rest meines Lebens Diät halten? Irgendwann sterbe ich wie jeder andere auch. Aber bis dahin muss das Leben doch irgendwie lebenswert sein.

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