Das Floriani-Prinzip

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Wie sieht deine konkrete Arbeit zum Thema Asyl aus?

Auf kommunaler Ebene sind die Möglichkeiten relativ begrenzt. Eine Stadt kann sich eigentlich bloß darum kümmern, dass die Leute vernünftig untergebracht sind. Bezüglich Arbeitsmöglichkeiten, Bewegungsfreiheit, Sozialleistungen ist das Land und der Bund verantwortlich. Das erste Mal kam ich 2009 mit dem Thema in Kontakt. Da plante die Stadt ein neues Containerwohnheim am Rande der Stadt zu bauen. Damals habe ich mit Leuten eine Initiative gegründet, um gegen diese Massenunterbringungen zu kämpfen. Das war auch erfolgreich. Das Heim wurde nicht gebaut. Dann ging es auf der parlamentarischen Ebene weiter. Die Linksfraktion und die Grünen haben einen Antrag gestellt, in dem gefordert wird Flüchtlinge weniger zentralisiert in Lagern und stattdessen in Wohnungen über die Stadt zu verteilen. Der Antrag wurde auch angenommen und dann hat es zwei Jahre gedauert, bis die Stadt ein Konzept vorgelegt hat, der diesen Antrag berücksichtigt. Jetzt befinden wir uns in den Mühen der Umsetzung. Wie waren die Reaktionen? Gab es Proteste?

Ja, es gab Proteste in Portitz und Wahren, zwei gutbürgerlichen Stadtteilen. Die in Wahren halten sich auch bis heute. Dazu kommen die gestiegenen Flüchtlingszahlen, die an vielen Ecken, zum Beispiel in Schönefeld, für Proteste sorgen. Dort gibt es seit kurzem eine Notunterbringung für Flüchtlinge, die für 3 bis 4 Monate vorgesehen ist.

Gibt es auch Fürsprecher der Flüchtlinge?

Das war im vergangenen Jahr ganz interessant zu beobachten: da hat sich im Stadtteil Wahren eine Bürgerinitiative gegründet, die 1000 Unterschriften gegen das geplante Flüchtlingsheim gesammelt hat. Daraufhin hat sich der Initiativkreis „Menschenwürdig“ gegründet, der wiederum 3000 Unterschriften für die Unterbringung von Flüchtlingen unter menschenwürdigen Bedingungen gesammelt hat. Dadurch gab es eine zwiegesellschaftliche Auseinandersetzung zu dem Thema, die die Unterstützer gewonnen haben. Das hat auch im Stadtrat eine Mehrheit gefunden. Welche Bedeutung haben diese Unterschriftensammlungen?

Zum einen geht es darum, einer breiten Masse eine Ausdrucksmöglichkeit zu bieten. Nicht jeder kann oder will permanent auf Demonstrationen gehen oder Mahnwachen halten. Das ist also eine einfache Möglichkeit aktiv zu werden. Zum anderen haben sie auch einen funktionalen Wert. Letztes Jahr zum Beispiel wurde die besagte Unterschriftensammlung kurz vor der Stadtratssitzung dem Oberbürgermeister überreicht, um die Unterstützung der Zivilbevölkerung zu verdeutlichen.


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