Citambulos Mexico City

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Raumerweiterung

Heutzutage

betrachten die Bewohner von Mexiko-Stadt

den öffentlichen Raum gerne als eine Art Niemandsland, als einen Raum, den man sich ohne Weiteres für private Zwecke aneignen kann. Hieran erkennt man einen wachsenden Verlust an Gemeinsinn, was verschiedene, sowohl soziale als auch praktische Probleme hervorruft. Beim Versuch, Mexiko-Stadt zu durchqueren, trifft man unweigerlich auf Gitter, Schranken, Absperrketten und absichtlich aufgetürmte, die Fahrbahn einschränkende Autoreifen, Eimer und Transportkisten. Dadurch werden der Verkehrsfluss sowie die Möglichkeit, sein Auto frei zu parken, merklich eingeschränkt. Wenn man sich vor Augen führt, dass täglich fast 3,5 Millionen Autos durch die Straßen der Stadt fahren, ist es nachvollziehbar, dass jeglicher Parkraum zu einem lukrativen Geschäft geworden ist. Viele Bars und Restaurants bieten einen Parkdienst (valet parking) an, der die Autos gegen eine Gebühr auf den umliegenden Straßen abstellt. Dieses Phänomen hat sich auf verschiedene Gegenden der Stadt ausgedehnt, wo meistens jugendliche Parkhelfer (genannt viene-viene, nach dem ermunternden Zuruf „viene viene“, „komm komm“, mit dem sie beim Einparken helfen) und zuweilen ganze Familien den Service anbieten, die Fahrzeuge gegen ein Trinkgeld oder sogar gegen eine wöchentlich erhobene Gebühr zu parken und/ oder zu bewachen. Obwohl die meisten Autofahrer im Prinzip dankbar dafür sind, von der Parkplatzsuche befreit zu werden, führt diese „Dienstleistung“ mitunter zu gewaltsamen Zusammenstößen, wenn Autofahrer willkürlich festgelegte Beträge zahlen müssen. Die Aneignung der Straßen und Bürgersteige ist allerdings nicht nur ein Geschäft. Viele Anwohner „besetzen“ mit Transportkisten, Reifen und oft sogar mit feststehenden Aufbauten die Straße vor ihrem Haus, um sie als Privatparkplatz zu benutzen. Ebenso schließen manche Anwohner ohne offizielle Genehmigung die Straße, in der sie wohnen, für den Durchgangsverkehr, um so in erster Linie ihre persönliche Sicherheit zu erhöhen, aber auch, um die fehlende Garage oder den Viele Jahre lang hat sich die Regierung der Verantwortung entzogen, den öffentlichen Raum zu verteidigen, wodurch sich dieses Privatisierungsphänomen ≥

stark ausgeweitet hat. In der neu erlassenen Verkehrsordnung aus dem Jahre

Zwinger

fehlenden Garten zu ersetzen.

2007 wird nun jedoch das Versperren von Fahrbahn und Bürgersteig als Pavka Segura. (Photos / Fotos). ≥

Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einem Bußgeld belegt, das doppelt so hoch ist wie die Bußgeldzahlung bei Fahren gegen die Fahrtrichtung oder das Montieren von Neonlichtern am Autokennzeichen.

Claudia Wondratschke. (Photo / Foto).

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