Lübeck Magazin (Zeit-Beilage)

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EIN ALTES HAUS

einem magnetischen Schließmechanismus wie bei einem Kühlschrank installiert. Sie dienen unter anderem als Wärmerückhalt. Als das Architektenpaar 1996 den Zuschlag für die Fleischhauerstraße Nr. 100/102 in einer Zwangsversteigerung erhielt, hatte es sein zukünftiges Zuhause noch nicht einmal von innen besichtigt. „War es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick?“, mutmaßen wir bei so einem Wahnsinnskauf. „Nein, damit hatte es nichts zu tun, schon eher mit Abenteuerlust“, sagt Nicola Petereit. Beide hatten damals gerade ihr Studium in Aachen abgeschlossen und wollten das Haus zum Privat-Projekt machen. Zudem schien das Angebot für 119 000 DM ziemlich verlockend. Obgleich eine nicht unerhebliche Eigenleistung und viel Geduld hinzukommen sollten. Denn erst 2002, sechs Jahre nach dem Kauf, konnte die Familie Petereit und Haufe schließlich einziehen. „Darunter gab es aber ein Jahr, in dem wir das Gebäude nicht mehr betreten haben, weil wir dachten, dass uns alles über den Kopf wächst“, erzählt die Architektin rück­blickend. Denn die „alte Dame“, deren älteste Teile aus dem 16. Jahrhundert stammen, lehrte beide schnell, wer beim Umbau den Takt angibt. „Als Architek­tin wundere ich mich oft, dass diese Häuser noch stehen“, sagt Nicola Petereit lachend und zeigt uns den morschen Stumpf eines Deckenbalkens im Bücherzimmer, der geschickt und stylisch von einem Stahlträger gestützt wird. „Sie tun es wohl nur noch aus Gewohnheit.“ Der „Organismus“ der Gemäuer ist empfindlich: Selbst kleine Veränderungen in diesem bewährten System könnten ungeahnte Folgen haben – etwa einen Boden, der absackt oder eine sich neigende Wand, die den Statiker in blanke Panik versetzt. Nicht immer schön, „aber eine sehr gute Schule“, wie die Architek­tin sagt. Die enge Zusammenarbeit mit dem Lübecker Denkmalschutz habe sie vor allem Respekt gelehrt. „Man muss sich immer vor Augen halten, wie alt so ein Gebäude ist und wie kurz unsere Zeit darin.“

Den alten Deckenbalken hätten die Handwerker gern entfernt. Doch das Architektenpaar wollte so viele Details wie möglich erhalten

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