Sonderausgabe - 60 Jahre Rundschau Teil1

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Jubiläumsausgabe / Freitag, 19. Mai 2006

3. Februar 1950: Zwischen der SED und den Blockparteien wurde zumindest rhetorisch oft bis auf das Messer (klassen-)gekämpft.

7. Juli 1950: Der Vertrag über die Oder-Neiße-Grenze ist abgeschlossen. Vierzig Jahre lang wird sie Friedensgrenze heißen.

17. Oktober 1950: Die erste Wahl. Noch scheute man sich, die 99,9-prozentige Zustimmung als Ergebnis zu nennen.

12. Januar 1951: In diesem schauerlichen Deutsch wurde zu schweißtreibender Arbeit unter schlechten Bedingungen angewiesen.

3. Juli 1951: Generalprobe für die III. Weltfestspiele: 30 000 Sorben und Wenden trafen sich in Burg (Spreewald).

Die Jahre des Anfangs Warum die Lausitzer Rundschau in Bautzen gegründet wurde, nach Görlitz umzog und dann nach Cottbus kam Die Wiege der größten Lausitzer Tageszeitung stand in Bautzen. Dort wurde die Lausitzer Rundschau 1946 gegründet. Nach kurzer Zeit zog die Zeitung nach Görlitz um, bevor sie 1952 endgültig als Verlags- und Druckstandort nach Cottbus kam. VON THOMAS KLATT

Mit ihren 60 Jahren ist die Lausitzer Rundschau ein typisches „Nachkriegskind“. Während im Westen die Lizenzen im Nachkriegsdeutschland für die Herausgabe und den Druck von Zeitungen meistens von den Amerikanern und Engländern vergeben wurden, erteilten diese Genehmigung in der Ost-Zone die sowjetischen Kommandanturen. Dabei bestanden in der Regel noch die alten Länder, die Bezirke waren noch nicht gegründet und die SPD und die KPD hatten sich wenige Wochen zuvor, am 22. April, im Ostberliner Admiralspalast zur SED vereinigt. Lizenzen gab es aber in der DDR und auch vor ihrer Gründung vorwiegend nur für Partei- und Massenorganisationen. Die SPD und Die „Laura“, die erste neue Druckmaschine in Cottbus. die KPD hatten in der Region bereits parteieigene Zeitun- typie, in der die für den sich weitere Schwierigkeiten. gen. Die Lizenz für die Lausit- Hochdruck notwendigen Papier war kostbar. Auch die zer Rundschau ging von Dres- Bleiformen hergestellt wur- Auflage und Auslieferungskaden aus und war eine Geneh- den. Das Haus, in dem die pazität war begrenzt, die Lemigung für die vier Wochen Rundschau gegründet wurde, ser wechselten sich mit der zuvor gebildete SED. diente zuvor einem Altstoff- Lektüre ab. Doch mehr und Die Zeitungslandschaft je- handel. Altstoffhandel mag mehr wuchs die Lausitzer ner Zeit war vielfältiger, als heute komisch klingen – zur Rundschau zu einem für daman heute vermutet. Wäh- damaligen Zeit hieß es: die malige Verhältnisse gut funkrend in Bautzen die Lausitzer Reste des Krieges, seine tionierenden Zeitungshaus. Rundschau erschien, gab es in Trümmer beseitigen und ent- Der Verlag organisierte sich, Chemnitz die damalige sorgen. Die Rotationsmaschi- der Vertrieb war zu jener Zeit Volksstimme, in Leipzig die ne war keineswegs neu, sie sogar noch in eigener Hand. Leipziger Volkszeitung und in wurde aus den Trümmern ge- Erst später ging er in den Dresden die Sächsische Zei- borgen, vom Rost befreit und Postzeitungsvertrieb über. tung. Die Chemnitzer Volks- mühselig zusammengebaut. Zeitzeugen sprechen von der stimme wurde al„Mann“-Epoche. lerdings mit der Denn die vier Chefre„Ich wohnte damals noch in neu gegründeten dakteure der GrünFreien Presse zuVetschau. Oft bin ich mit dem Fahr- dungsjahre hießen, sammengeführt. Prothmann, HausDenn auch in Magrad auf Arbeit gefahren – und natür- mann, Hermann und deburg gab es beWaßmann. Von eireits eine gleichnalich wieder zurück. Die Filme habe nem literarischen Nimige Volksstimme. veau, das dem der bekannten Schriftich in meiner Küche entwickelt.“ Reinhard Bittsteller-Familie entErich Schutt, langjähriger Fotoreporter ner, einer der sprach, war natürlich bei der Lausitzer Rundschau Männer der ersten nicht die Rede. Stunde bei der Warum zog denn Lausitzer Rundschau, erinZum Verbreitungsgebiet ein halbwegs funktionierennert sich: „Ich war 18 Jahre gehörte auch der Schlesische des Unternehmen von Bautalt, wurde gerade aus der Zipfel, der durch die Neiße- zen nach Görlitz? Eine Frage, amerikanischen Kriegsgefan- Grenze, die die Alliierten zo- die 60 Jahre später schwer zu genschaft in Schleswig- gen, entstand. „Die Mentali- beantworten ist, zumal die Holstein entlassen und kam tät der Menschen dort war Görlitzer Episode nur kurz durch Zufall nach Bautzen. hauptsächlich schlesisch“, er- dauerte – nämlich nur sechs Ich hatte Schriftsetzer gelernt innert sich ein Zeitzeuge. Monate. Auch hatte das daund begann bei der eben ge- Doch das war den Menschen malige Haus in der Töpfergründeten Rundschau zu ar- damals nicht wesentlich. straße in Bautzen durchaus beiten.“ Wie er war eine gan- Wichtig war, dass der Krieg Tradition, wenn auch nur epize Generation froh darüber, vorbei war, dass viele Leute sodenhaft, denn im hinteren dass der Krieg zu Ende war. mehr und mehr Arbeit fan- Gartenhaus hatte einmal NaViele wollten etwas Neues den. Nur noch trocken Brot poleon übernachtet. In jedem schaffen und hatten große essen und dafür niemals wie- Fall war der Bautzener StandHoffnung auf die Zukunft ge- der einen Krieg erleben zu ort zu klein und entsprach setzt. So wurde unter Mithilfe müssen, war oft der stille auch nicht mehr den damaliVieler in Bautzen die Drucke- Wunsch einer ganzen Gene- gen technischen Anforderunrei eingerichtet, eine Setzerei ration. gen. entstand, die Rotation wurde Nachdem die RotationsIn Cottbus und in anderen aufgebaut, ebenso die Stereo- druckmaschine stand, häuften Teilen der Niederlausitz er-

schien damals noch die Mär- damals von der Reichsbahn kische Volksstimme und erst genutzt wurden. im Jahre 1952 ging die BilIm Jahr 1957 kam eine dung der 15 Bezirke voran. neue Druckmaschine, auf der So ist es auch zu erklären, man im größeren, Rheinidass Erwin Strittmatter im schen Format, in dem die heutigen Verbreitungsgebiet RUNDSCHAU heute noch der RUNDSCHAU im Gebiet erscheint, drucken konnte. Senftenberg und Spremberg Man taufte sie liebevoll auf Redakteur der Märkischen den Namen Laura. Zuvor gab Volksstimme war. es das kleinere Berliner ForReinhard Bittner, dem man mat. 1976 ging die größte damals schon eine Vorliebe Lausitzer Tageszeitung mit eifür genaues Rechnen, Bilan- ner neuen Druckmaschine zieren und Betriebsorganisa- Schritt für Schritt vom Hochtion nachsagte, absolvierte ei- druck zur Rollenoffset-Technen Lehrgang für Verlags- nologie über. Das Schriftbild technologie. Den konnte man und die Fotos wurden besser. damals beim Amt für Litera- Es gab erste Experimente mit tur- und Verlagswesen ma- Farbfotos. chen, eine Institution, die späNoch einige Jahre zuvor ter im Kulturministerium auf- war die Herstellung von Fotos ging. Auch die DVA, die sehr aufwändig. Erich Schutt, Deutsche Verwaltungsakade- langjähriger RUNDSCHAUmie, bot Weiterbildung und Fotograf, erinnert sich an die Lehrgänge an. Für die techni- Anfänge in Cottbus: „Ich sche Ausstattung der Verlage wohnte damals noch in Vetwar allerdings die Zentrag schau. Oft bin ich mit dem zuständig. Sie entschied über Fahrrad auf Arbeit gefahren – Papierkontingente, Technik und natürlich wieder zurück. und organisatorische Proble- Die Filme habe ich prinzipiell me. Zentrag hieß: Zentrale in meiner Küche entwickelt.“ Druckerei- und Verlagsgesell- Der Weg vom „geschosseschaft mit beschränkter Haf- nen“ bis zum gedruckten Fotung. to war langwierig, so Schutt. Der Umzug nach Cottbus „Ich habe versucht, die Bilder nach einer relativ kurzen schnell zu trocknen, wir haGörlitzer Episode war nötig ben dann die nassen Bilder geworden, als nach der Be- mit meiner Frau, die sich zirksbildung dem Bezirk dabei zur Laborantin entwiCottbus eine eigenständige ckelt hat, auf eine BleikristallZeitung fehlte. Dem interessierten Spätgeborenen stellt sich dabei die Frage: Warum steht auf Seite 1 der Vermerk 55. Jahrgang, wo doch die Rundschau 60 Jahre feiert? Mit der Antwort muss etwas spekuliert werden. Der befohlene Umzug nach Cottbus im Jahr 1952 sollte vermutlich aus Sicht der „führenden Genossen“ Das Einhängen der Bleiformen war eine neue Ära ein- schwere körperliche Arbeit. leiten; die Jahre des Anfangs galten ab dem platte aufgequetscht. Das erMoment nicht mehr viel. Eine gab dann einen erstklassigen neue Zeit- und Jahresrech- Hochglanz, was wiederum für nung begann, bei der wieder die Erstellung der Klischees, von vorn angefangen wurde. die man für den Hochdruck Die Ausgangssituation war brauchte, von Vorteil war“, für die RUNDSCHAU nicht erinnert sich Erich Schutt. Die schlecht. Die Märkische Fotovorlagen wurden damals Volksstimme wurde vorwie- noch, ebenso wie von Bautgend in Potsdam produziert zen aus, mit der Bahn zur und konnte der langsam er- Sächsischen Zeitung nach wachenden Lausitzer Region Dresden geschafft. Bis die Bilnicht die wichtige Identität der in der Zeitung waren, geben. So wurde der Name dauerte es immer drei Tage. Lausitzer Rundschau, ur- „Von Aktualität im heutigen sprünglich aus der schlesi- Sinne konnte also keine Rede schen Lausitz und aus Ost- sein,“ so Schutt. sachsen kommend, auch für Erich Schutt gehört noch die Niederlausitz in den Be- heute zu den besten Fotograzirk Cottbus übernommen fen der Lausitz und ist einer und allmählich zum festen der wenigen, die der herBestandteil der Menschen kömmlichen Fotografie mit zwischen Weißwasser und „richtigen“ Bildern treu geHerzberg. Die Lausitzer blieben sind. Reinhard BittRundschau fand ihr neues Zu- ner war viele Jahre Verlagshause in der Cottbuser Bahn- leiter und wohnt noch heute hofstraße, in Gebäuden, die in Cottbus.

Pressefest 1955: Wir lieben das Leben.

Foto: R/A; E.Schutt

Aus der Geschichte der Lausitzer Rundschau Am 20. Mai 1946: Die Lausitzer Rundschau erscheint zum ersten Mal. 1. September 1951: Robert Waßmann wird Chefredakteur. 26. Februar 1952: Der Sitz der Lausitzer Rundschau wird von Bautzen nach Görlitz verlegt. 15. August 1953: Das erste Pressefest der Lausitzer Rundschau findet in den Cottbuser Stadtsälen statt. Über 800 Besucher kommen. 2. Januar 1954: Die LR hat die Auflage von 100 000 Exemplaren überschritten. 14./15. August 1954: Das zweite Pressefest der Lausitzer Rundschau im Cottbuser Max-Reimann-Stadion vereint über 10 000 Besucher. 27. November 1954: Die Lausitzer Rundschau verfügt über 700 Volkskorrespondenten im Bezirk Cottbus. 20./21. August 1955: 50 000 Gäste besuchen das dritte Pressefest der LR am Spreeufer (heute Buga-Gelände). 29. April 1957: Die neue Rotationsmaschine wird aufgestellt und erhält den Namen „Laura“. 1. Mai 1957: Die LR erscheint erstmalig im immer noch gültigen Rheinischen Format. 16./17. August 1958: Auf dem sechsten Pressefest führen 300 Künstler durch ein Programm, das 100 Jahre Geschichte der Arbeiterbewegung darstellt. Mit 200 000 Gästen erreicht das Festprogramm seinen Höhepunkt. 14. März 1964: Mit der Aktion „Brennpunkt Straße“ beginnt eine aktuelle LR-Serie zum Thema „Stopp den Verkehrsunfällen“, an der sich

Leser und Volkskorrespondenten beteiligen. 4./5. Juni 1966: Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der LR feiern 200 000 Werktätige das Pressefest der Lausitzer Rundschau. IV. Quartal 1968: Mit dem Aufstellen von drei Tastomaten hält die neue Technik in der Satzherstellung Einzug. 4. Juni 1970: „Energie – unser Wort darauf“ heißt die RUNDSCHAU-Aktion, die sich dem rationellen Einsatz von Kohle und Energie widmet. 1. Juli 1971: Die LR überschreitet eine Auflage von 200 000 Exemplaren. 18. Juni 1974: Grundsteinlegung für das neue Druckhaus der LR. 23. September 1976: Erster Probedruck auf der neuen Rollenoffset-Maschine. 4. April 1977: Der wöchentliche Umfang der Zeitung wird auf 52 Seiten erhöht. 1. Februar 1979: Die Druckauflage der LR steigt auf 250 000 Exemplare. 7. September 1979: Solidaritätsbasar der Cottbuser Journalisten vor dem KonsumentWarenhaus. 11. Oktober 1984: LR-Umfrage: „Wer ist Ihr Lausitzer Sportler in 35 Jahren DDR?“ 11. Dezember 1989: Die Redaktion der Lausitzer Rundschau distanziert sich vom Herausgeber, der SED. Sie wählt eine eigene Redaktionsleitung und entschuldigt sich bei ihren Lesern. April 1991: Die Saarbrücker Zeitung kauft die Lausitzer Rundschau von der Treuhandanstalt.


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