Zschocher & Ich

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Zschocher & Ich Wir sind alle gleich verschie den

Vorwort: Manuel Wagner

Interviews: Marco Bras dos Santos

Fotos: Barbara Röhner, Claudia Doms

Handlungsempfehlung: Christiane Fiebig

Lektorat: Lydia Feindura, Phoebe Mayer

Layout: Claudia Doms

Impressum:

Lixer e.V.

Pörstener Str. 9

04229 Leipzig

zschocherconnection@posteo.de

Die Leipziger Stadtteile Klein- und Großzschocher, kurz: Zschocher, können auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Von einem kleinem Gassendorf, das sich Anfang des 20. Jahrhunderts explosionsartig zur einem quirligen Arbeiter:innenviertel entwickelte, über die Umbrüche der 90er Jahre, die auch in Zschocher ihre Spuren hinterließen, bis heute, zu einem ruhigen und gemütlichen Viertel. Nach der Wende und der darauffolgenden Deindustrialisierung wurde Zschocher zunehmend leerer, Arbeitsplätze und Freizeitangebote brachen weg und der Stadtteil verlor an Lebendigkeit und Attraktivität. Ausgehend von den Hochzeiten der Besiedelung in den 1920er Jahren, in denen allein in Kleinzschocher rund 30 000 Einwohner:innen gezählt wurden, war der Stadtteil im Jahr 2000 quasi ausgestorben. Ca. 7700 Menschen wohnten in Kleinzschocher, rund 8000 in Großzschocher.1 Heute wohnen in Zschocher wieder rund 20 000 Menschen.

Mitte der 2000er Jahre geriet der äußere Südwesten Leipzigs zudem in den Fokus extrem rechter Aktivist:innen, die den Randstadtteil als Agitationsfeld nutzten und so eine extrem rechte Subkultur in Zschocher etablierten. Eine Zeit lang war das Straßenbild u.a. von Graffiti und Aufklebern mit Bezug zum Neonazismus geprägt, nicht selten kam es zu Übergriffen auf politisch Andersdenkende und zu Einschüchterungsversuchen2. Dank einer langsam, aber stetig wachsenden kritischen Zivilgesellschaft konnte diesen Entwicklungen entgegengewirkt werden. Das kann als Erfolg verbucht werden und ist vorwiegend aufmerksamen Bewohner:innen der Stadtteile zuzuschreiben. Die Einträge für Klein- und Großzschocher auf der OnlinePlattform ChronikLe, die faschistische, rassistische und diskriminierende Ereignisse in um Leipzig dokumentiert, zeigen jedoch, dass nach wie vor Handlungs- und Aufklärungsbedarf besteht, um Ideologien der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit nachhaltig entgegenzuwirken.

1 www.statistik.leipzig.de/statdist/table_area.aspx?dist=52 (02.12.2022)

2 www.chronikle.org/ereignisse?search=Kleinzschocher (02.12.2022) www.chronikle.org/ereignisse?search=Gro%C3%9Fzschocher (02.12.2022)

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Seit Mitte der 2010er Jahre, nach einer langen Durststrecke, scheinen die Stadtteile sich langsam wieder zu erholen. Der Zuzug in den Stadtteil steigt an, die meisten Häuser sind saniert, Wohnungen und Parkplätze werden zu begehrten Objekten und es ist wieder mehr los in den Straßen und Parks. Auch die Infrastruktur wird umfangreichen Sanierungsmaßnahmen unterzogen. Zschocher steht jetzt vor neuen Herausforderungen. Es gilt das Leben im Stadtteil unter Einbeziehung der Bewohner:innen zu gestalten und eine lebenswerte Umgebung für alle zu schaffen. Einen wichtigen Anteil daran haben die vielen Vereine, Initiativen und kleinen Gewerbetreibenden in Zschocher, die ein unverzichtbarer Teil jeder Zivilgesellschaft sind. Ob Sportvereine, Bürger:inneninitiativen, Stadtteilläden oder Kirchgemeinden, sie alle tragen zu einer aktiven, an den Bedürfnissen der Bewohner:innen orientierten und von gegenseitigem Respekt geprägten Gestaltung des Stadtteils bei.

Um bestehende Initiativen und Vereine besser zu vernetzen fand 2020 das Projekt „Zschocher Connection – ein Stadtteil rückt zusammen“ statt. Im Zuge dieses Projekts entstand auch die Homepage zschocher-vernetzt.de, auf der Angebote und Veranstaltungstermine der verschiedenen Akteur:innen im Stadtteil zentral einsehbar sind und sich Vereine und Initiativen vorstellen. Um dem Wandel im Stadtteil gerecht zu werden, sind wir mit verschiedenen Menschen aus Zschocher ins Gespräch gekommen und haben sie zu ihrem Leben im Stadtteil befragt. Das Ergebnis kann man in den folgenden Interviews lesen. Aus den Gesprächen haben wir eine Handlungsempfehlung abgeleitet, die Initiativen und Vereinen eine Orientierung über die Bedarfe im Stadtteil geben kann.

Viel Spaß beim Lesen!

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Taborkirche bei Sonnenuntergang

Was findest Du an Kleinzschocher gut oder schlecht?

Den Park finde ich echt gut, weil der so viele Beschäftigungsmöglichkeiten bietet und, im Vergleich zum Clara-Zetkin-Park, echt leer ist. Ansonsten merkt man, dass sich in Kleinzschocher viel bewegt... dass einige Leute wegziehen müssen, weil die Mieten steigen.

Es gibt aber auch noch Menschen, die schon lange hier wohnen. Ich merke, dass grade sehr viele Familien nach Kleinzschocher ziehen. Ich selbst habe vorher in Plagwitz gewohnt, dort aber auch keine bezahlbare Wohnung mehr gefunden. Jetzt sehe ich in Kleinzschocher viele Gesichter, die ich aus Plagwitz kenne. Vermutlich suchten die wegen Familiengründung eine größere Wohnung und sind hier fündig geworden. Was ein bisschen nervig ist, sind die vielen Baustellen. Erst wurde die Straße gebaut, dann die Schule und ständig wird an irgendwelchen Wohnhäusern geschraubt.

Ich komme nicht gebürtig aus Leipzig, jedoch mein Nachbar. Der sagt immer „Kleinzschocher kommt mir grade vor wie Leipzig in den 90ern. Nicht so überlaufen und Baustelle.“ Für Familien, finde ich, wird schon einiges getan. Auch der Fahrradweg nach Plagwitz ist schön. Ebenso das Grüne Gleis, der Gemeinschaftsgarten oder die vielen Gartenvereine. Für Freizeitangebote fahren wir nach Plagwitz. Die Dieskaustraße ist nicht so einladend.

Egon (57) kommt aus Schleußig und lebt seit 14 Jahren in Kleinzschocher.

Was läuft in Kleinzschocher schief?

Die Baustellen. Schau dir mal die Baustelle am Adler an. Ich komme vom Bau, bin zwar 20 Jahre raus, aber das am Adler ist verrückt. Da wird nicht gearbeitet. Vorhin kloppte mal einer an den Steinen und zwei schraubten an der Anzeigentafel. Seit Monaten müssen wir Kreise um die Baustelle fahren. Ich habe in Schleußig auf der Kö gewohnt. Da hast du deine Läden gehabt. Schau dich hier mal um. Asialäden und Döner. Unsere deutschen, alteingesessenen Geschäfte, die gehen alle kaputt.

In anderen Gesprächen wurden fehlende Treffpunkte bemängelt. Was denkst du dazu?

In Schleußig hatten wir eine andere Infrastruktur. Hier bin ich im Kleingarten organisiert. Da ist’s Multikulti und das macht Spaß. Spanier, Italiener, Kosovaren, Ukrainer, Russen, Türken, Mosambikaner und einer aus Samoa. Ich weiß, wir haben viele rechts Denkende im Verein, aber das läuft trotzdem alles. Im Gartenverein muss man miteinander klar kommen und das funktioniert sehr gut. Im Alltag, auf Festen…Was fehlt ist ein Treffpunkt für ältere Leute. Ich kenne das von meiner Familie in Rostock. Dort gibt es insgesamt neun Stadtteil- und Begegnungszentren. Ich weiß nicht, ob es so was im angrenzenden Plagwitz gibt. In Schleußig gibt’s so was nicht. Mit Wegfall des Stadtverbands Schleußig e.V. sind auch eine Menge Veranstaltungen, die über die Stadtteilgrenzen hinaus verbunden haben, weggefallen.

Was gefällt dir an Kleinzschocher?

Das Grün. Die Menschen. Die Kleingartenkultur.

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Caroline (31) mit zwei Kids (4, 5) Volkspartk Kleinzschocher Diskaustraße, Baustelle am Adler

Jessica wohnt seit 2018 in Kleinzschocher. In einem angrenzenden Stadtteil arbeitet Sie mit Senior:innen.

Was gefällt dir an Kleinzschocher und was gefällt dir nicht?

In Kleinzschocher mag ich die Grünflächen. Mich nerven die Baustellen. Ich habe das Gefühl, dass der Wohnraum immer teurer wird und er sich an teurere Stadtteile angleicht. Gleichzeitig bekommt man für die steigenden Mieten jedoch keinen Mehrwert in der Infrastruktur. Es wird gebaut – aber es wird nur Wohnraum gebaut, den sich die Leute in Kleinzschocher nicht leisten können.

Es gibt in Kleinzschocher kaum Orte der Begegnung –vor allem für Senior:innen. Die Senior:innen trifft auch, dass es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr gibt. Ich bekomme das bei meiner Nachbarin mit, die mit ihrem Rollator entweder zum Adler oder nach Großzschocher zum Einkaufen laufen muss. Wir wohnen relativ mittig in Kleinzschocher. Zentrum wäre falsch ausgedrückt.

Hier gibt es gefühlt kein Stadtteilzentrum. Es gibt die Kirche, die haben ein schwarzes Brett. Gefühlt ist das der einzige Ort, an dem man Infos zum Kiez bekommt. Der Schwartzepark hat vielleicht etwas von einem Stadtteilzentrum. Den finde ich ganz spannend. Dort gibt es einen kleinen Spielplatz, was interessant für Familien ist. Ebenfalls gibt es dort auch Menschen, die auf Parkbänken trinken. Zwischendrin gibt es Schmierereien auf den Spielgeräten, die auf rechtes Gedankengut hinweisen. Da denke ich mir „Ok, hier kommt auf jeden Fall einiges zusammen“.

In Großzschocher gibt es mit der Insel einen offenen Freizeit- und Jugendtreff. Dort gibt es auch Probleme mit rechtem Gedankengut. In Kleinzschocher gibt es einfach keinen Ort, an dem man sich treffen kann.

Fehlende Orte der Begegnung wurden bei einigen Gesprächen bemängelt.

Ja, es gibt den Volkspark auf der einen und das Grüne Gleis auf der anderen Seite. Nördlich vom Grünen Gleis ist die Grenze zu Plagwitz, mit dem Bauspielplatz, einem Café und Freizeitmöglichkeiten. Da finden sich junge Akademikerfamilien. In Kleinzschocher selbst gibt es gefühlt nichts – bis auf sehr viel Hundekot.

Wenn du ein unbegrenztes Budget aus dem Stadtrat zur freien Verfügung hättest, was würdest du damit machen?

Ich würde einen Jugendtreff an den Schwartzepark bauen, für alte Menschen dort ein schwarzes Brett errichten. Ich finde schwarze Bretter super. Gegenüber der Grundschule wird eine Fläche mit Tischtennisplatten gebaut. Tischtennisplatten würde ich an das Grüne Gleis packen, wo Anwohner:innen nicht gestört werden. Am Grünen Gleis könnte auch eine Skateanlage errichtet werden. Ebenso würde ich dort ein nettes Café und einen Supermarkt errichten – das fehlt in der geografischen Mitte. Damit hätte man Orte, die auch von Sozialarbeiter:innen angesteuert werden können, um dem rechten Gedankengut entgegenzuwirken. Wichtig wären dafür auch kulturelle Angebote.

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Schwarzes Brett Taborkirche Hildegarten und Bauspielplatz am Bürgerbahnhof Plagwitz

Klaus (64) treffen wir auf seinem Weg in den Kleingarten.

Was gefällt dir an Kleinzschocher?

ch bin gebürtiger Leipziger und vor 12 Jahren nach Kleinzschocher gezogen. Wir wohnen gerne hier, obwohl wir an einer Kreuzung wohnen, an der es recht laut ist. Wie du siehst, gehe ich über die Straße und bin im Grünen. Ansonsten kann man hier mit Wandern, Radfahren und Gärtnern gut seine Freizeit verbringen.

Der Park wirkt im Vergleich zum Clara-Zetkin-Park doch recht leer.

Na der liegt ja auch in der Innenstadt. Freitag und Sonnabend ist hier voller. Da sind Jugendliche, die auf den Freiflächen Fußball spielen. Die verabreden sich im Internet und dann geht es hier rund.

Was meinst du, könnte in Kleinzschocher besser laufen?

Ich sag mal für Leute in meinem Alter ist’s optimal. Was ich bedauere ist, dass die kleinen Geschäfte immer mehr verschwinden. Das ist aber überall so. Ansonsten sind wir schon sehr zufrieden hier. Wie gesagt, wo hat man sonst in Leipzig so einen Übergang vom Wohnen ins Grüne?

Gibt’s bei den kleinen Geschäften irgendein besonderes, das fehlt? Ein Bäcker oder so?

Es gibt noch kleine Bäcker. Wie den in der Dieskaustraße. In der Siedlung ist ein Bäcker, Richtung Plagwitz ist ein Bäcker und die Bäckereien in den Discountern. Wir selber fahren, weil wir beide noch arbeiten gehen, zu Kaufland nach Großzschocher. Für uns ist also alles gut erreichbar.

Wie ist’s hier im Vergleich zu eurem vorherigen Wohnort?

Wir haben in Leipzig Neustadt gewohnt. Da gibt es keinen Wald und lediglich kleine Grünanlagen. Man ist zwar näher zur Innenstadt, aber dorthin kann ich selbst von hier laufen – dort drüben durch die Nonne [Nonnenwiese Anm d. Red.] und den Johannapark. Alles Grün. Das gibt’s in Neustadt nicht. Momentan ist’s noch laut in unserer Wohnung. Und das, obwohl wir schalldichte Fenster haben. Aber das ändert sich auch in zehn oder fünfzehn Jahren, wenn nur noch E-Autos durch die Gegend fahren. Wenn die Straßenbahn im Gleisbett liegt, wie am Sportbad, ist sie auch recht leise. Nur am Adler, da ist sie recht laut.

Hast du was von steigenden Mieten mitbekommen?

Bei uns im Haus nicht. Bei uns und in der Nachbarschaft sind das alles sanierte Altbauten. Wir hatten das Glück, dass es hier nicht so viele Kriegsschäden gab.

Kunstwerke der Kinder der Grundschule am Grünen Gleis im alten Seilwarenladen, Dieskaustraße

Wir erreichen den Garten...

Da habt ihr ja Glück gehabt, einen Garten zu bekommen.

Selbst wäre mir ein Kleingarten zu viel Arbeit. Wieso, suchst du einen Garten? Sich mit Menschen einen zu teilen wäre wohl optimal. Gerne auch ältere, denen manche Arbeiten schwerer fallen. So jemanden suchen wir auch. Da ist mal jemand vorstellig geworden, der wollte mithelfen. Letztendlich hat er das als Nebenerwerb gesehen und wollte Preise, zu denen sich der Eigenanbau für uns nicht mehr rentiert hätte. [Wir erreichen mit unserem Spaziergang die Parzelle]

Ah, ihr nutzt den Garten zur Selbstversorgung?

Ja, diese Anlage ist tatsächlich etwas speziell. Hier war quasi eine Sand-, Lehm- oder Tongrube für eine Gießerei. Im Rahmen der Schreberbewegung hieß es dann zur Insolvenz, dass hier Boden aufgeschüttet und Parzellen errichtet werden. So zumindest grob die Geschichte. Dann gibt’s da noch die Halde, den Berg mit häuslichem Abfall, da wurden wohl auch Dinge von der Gießerei abgeladen. Die Stadt Leipzig muss mal Proben genommen haben und es heißt, dass der Boden partiell mit Arsen kontaminiert sei. Es gibt Gärten, da darf man keine essbaren Pflanzen anbauen.

Meint, die Gärten sind kontaminiert?

Unseren Garten haben wir seit 2010. Damals haben uns die ganz Alten erzählt, dass die Stadt Leipzig in den 70ern mal grob eine Empfehlung herausgegeben haben soll. Nun ja, von einmal Kartoffeln essen wirst du nicht kontaminiert. Wir haben auch Gärtner, die sind 80 oder 90 geworden. Genaues weiß man nicht. Kann sein, dieses Beet ist sauber und das gegenüber ist mit alter Schlacke versehen, die Arsen gebunden hat. Optimal wären Hochbeete. Das ist Arbeit und kostet Geld.

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Was stört dich in Kleinzschocher?

Die Baustelle nervt. Nicht nur mich, auch die Kunden. Es gibt viele ältere Leute, die zum Quatschen herkommen. So eine Sitzgelegenheit für sie wäre nicht schlecht. Zwar könnte ich selbst Stühle vor den Laden stellen, da bin ich aber vorsichtiger als die hier geborenen Deutschen. Nicht, dass ich Ärger bekomme.

Fällt dir was Positives an Kleinzschocher auf?

Über die Jahre sind die Kriminalität und der Vandalismus zurückgegangen. Das ist wirklich besser geworden. Drogen- und Alkoholkonsum sind auch nicht mehr so präsent wie es das vor Jahren noch war. Graffiti ist allerdings mehr geworden [lacht].

Hast du was zur Mietpreisentwicklung mitbekommen?

Von meinen Kunden nicht. Ich selbst wohne seit einigen Jahren auf der anderen Straßenseite – also in Kleinzschocher. [lacht] Dort hat sich die Miete langsam erhöht. Das lag jedoch an den gestiegenen Nebenkosten.

Der nächste Kunde betritt den Laden. Er hat Kekse gebacken und erkundigt sich nach möglichen Allergien von uns. Daryoush holt Becher hinter seiner Theke hervor und gießt Tee ein. Wir müssen weiter – aber kommen sicher wieder.

Wir treffen ein älteres Paar mit zwei kleinen Kindern und einem Hund an der neu errichteten Grundschule.

Was können sie Gutes oder Schlechtes zu Kleinzschocher sagen?

Mann: Wir kommen nicht von hier. Wir sind aus Querfurt. Wir holen seit ein paar Jahren nur einmal die Woche unsere Enkelkinder von der Schule ab.

Frau: Mir fällt auf, dass es hier sehr unsauber ist. Grade der Hundekot fällt mir ins Auge.

Mann: Jetzt fällt mir ein, dass hier an der neuen Schule der Schulweg total unsicher ist. Das ist eine 30er Zone und scheinbar darf man da keinen Fußgängerüberweg installieren. Den Kindern fällt es schwer, bei fließendem Verkehr über die Straße zu kommen.

Die Schulleiterin ist sehr engagiert und kreativ, was die Anreise angeht. Es kann doch aber nicht die Lösung sein, dass Schulpersonal sich Gedanken um den sicheren Verkehr machen muss.

Was sagt ihr zu Freizeit und Spielmöglichkeiten für die Kinder in Kleinzschocher?

Mann: Das Gelände, auf dem wir uns grade befinden [Grünes Gleis] wird rege genutzt. Das könnte wirklich noch ein bisschen besser mit ausgebaut werden.

Frau: Schade, dass die Tochter nicht dabei ist. Die könnte sicher eine ganze Menge dazu sagen.

Daryoush Betreiber des Spätverkaufs am Adler.
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Schule am Grünen Gleis, Baumannstraße 13

Was hat es mit dem Projekt der Kirchen auf sich?

Die Projektstelle beim Projekt Projekt-Raum-Kirche ist unter anderem an der Tabor-Kirchgemeinde angesiedelt. Mein Einsatzgebiet erstreckt sich jedoch auch auf die Kirchgemeinden Schleußig, Plagwitz, Großzschocher und Knauthain. Die Stelle wurde dazu geschaffen, die Vernetzung in den Stadtteilen zu fördern. Jetzt im ersten Jahr war ich vorwiegend in Kleinzschocher unterwegs und hier wurden einige Projekte angeschoben, an denen wir beteiligt sind.

Was kam bei der Umfrage heraus?

Das war ganz verschieden. Wir haben ja auch Kinder malen lassen. Die haben sich kreativere Spielplätze gewünscht. Ansonsten sind Wünsche nach Treffpunkten und Aktionen herausgestochen, an denen das Miteinander verstärkt werden kann. Sei es ein Nachbarschaftsfrühstück oder gemeinsamer Sport im Park. Ebenso wurde die Verkehrslage kritisiert. Es gäbe wenig Radwege und die Dieskaustraße sei zu unsicher mit dem Rad.

Was wurde von den Leuten geschätzt?

Das Grün, die Nähe zum Park und zum See fanden alle gut. Auch die Nähe zu Kitas und Schulen sowie der Innenstadt wurde positiv benannt. Ebenfalls die Spielplätze, die es gibt. Die werden gerne genutzt – es könnten aber mehr und diese besser ausgebaut sein.

Was würdest du mit einem unbegrenzten Budget im Stadtrat und dessen politischer Unterstützung anfangen?

Ein gutes Radwegsystem. Sichere Überwege in der Dieskaustraße. Mehr Spielplätze für Kinder und Orte für Jugendliche wie Skateplätze. An der Dieskaustraße soll es wohl auch eine Sporthalle geben, die für mehrere Zwecke genutzt werden kann. Orte der Begegnung für Erwachsene braucht es auch. Zudem würde ich die demokratischen Projekte noch besser finanziell fördern.

Taborkirche

Seit wann gibt es Projekt-Raum-Kirche und was habt ihr getan?

Die Projektstelle gibt es seit Mai 2022. Die Arbeit findet auf mehreren Ebenen statt. Teilweise sind das Stadtteilrunden, wo man einfach abklärt was für Dinge im Leipziger Westen passieren. Beispielsweise, was die Themen und Bedarfe in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sind. Andererseits versuchen wir auch Akteure im Stadtteil zu vernetzen. Da gibt es beispielsweise das Projekt mit dem Stadtteilladen Lixer e.V. und dem Seniorenbüro ZeitRaum in Großzschocher, was vom Urban Souls e.V. betrieben wird. Da gab es schon die erste Stadtteilrunde. Die fand in den Gemeinderäumen der Taborkirche statt. Da haben wir die Akteure zusammengeholt, die konnten sich vorstellen und wir haben das moderiert. Dann gab es noch den Stadtteilrundgang zur Stadtentwicklung. Da ging es darum, was in der nächsten Zeit an Bauprojekten realisiert wird.

Bei der nächsten Runde geht es um die neue Webseite zschocher-vernetzt.de, wo sich die Akteure vorstellen, vernetzen und kommunizieren können. Zudem geht es im November um die Zukunft der Stadtteilrunden. Wie oft treffen wir uns? Was sind die Themen? Außerdem gibt es bald ein Stadtteilfest vom Lixer e.V., wo sich ebenfalls Initiativen und Vereine vorstellen, um für Bürgerinnen und Bürger sichtbar zu sein. Projekt-Raum-Kirche ist ebenfalls mit einem Stand vertreten. Dort führen wir eine Befragung zum Stadtteil durch. Das hatten wir schon einmal gemacht.

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Fanny Lichtenberger, Koordinatorin „Projekt-RaumKirche“ für die Evangelischen Kirchgemeinden im Leipziger Südwesten
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Wie lange wohnst du schon in Zschocher?

Seit 4 Jahren.

Was findest du am schönsten in Zschocher?

Alles!

Gibt es etwas in Zschocher, von dem du findest, dass es sich unbedingt verändern sollte?

Ja! Die Wege müssten anders gemacht werden, damit man mit dem Rollstuhl besser voran kommt. Sonst eigentlich nichts.

Was heißt das genau: Die Wege müssten anders gemacht werden?

Naja, ein bisschen mehr Teer und nicht so viele Löcher. Und was anderes was man machen könnte ist, dass das Ordnungsamt öfter kommen könnte um die Ecken-Parker zu kontrollieren, weil ich sonst nicht auf die Fußgängerwege hoch komme, mit meinem Rolli.

Bürger:innenPicknick der BI Kleinzschocher im Volkspark 2015

Du bist also Rollstuhlfahrer? Kannst du dich problemlos im Stadtteil bewegen?

Geht so...

Heißt das du kannst dich nicht frei im Stadtteil bewegen?

Ich komme schon überall hin. Aber manchmal nur mit krasser Anstrengung. Zum Beispiel wenn die Bordsteine oder Gehwegplatten schräg sind, das finde ich nicht sooo cool, weil dann ist es auch nochmal anstrengender um hoch zu kommen oder zu fahren. Und wenn dann da immer so Steine sind... Wie heißen die, die überall im Viertel ausgelegt sind?

Kopfsteinpflaster?

Ja! Kopfsteinpflaster ist auch sehr blöd. Der Gehweg vorne an der Eythraer, der ist gut. Da ist Teer. Der ist aber auch nur fast gut, weil da sind so Risse drin.

Was sind denn deine Lieblingsorte in Zschocher?

Meine Wohnung, also unser Haus, wo wir wohnen, mit den ganzen Leuten und unser Garten, der Bolzplatz, der Bauspielplatz... und der Spielplatz an der Kletterspinne ist auch cool. Sonst hab ich eigentlich keine Lieblingsorte mehr.

Was würdest du dir denn noch wünschen, dass es in Zschocher gibt?

Ein Skatepark! Ich mache Rollstuhl-Skaten und das kann ich gerade nur im Heizhaus in Grünau machen.

Möchtest du sonst noch was zu Zschocher sagen?

Die Leute sind nett! Außer ein paar. Aber ich möchte jetzt nicht sagen wer das ist.

Levi (8 Jahre)
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Antonienbrücke

Fee und Schneeleo (beide 14 Jahre)

Wie lange wohnt ihr schon in Zschocher?

Fee: 14 Jahre

Schneeleo: 2 Jahre

Wo hast du zuvor gewohnt?

In Grünau

Was kann man denn hier in Zschocher so machen? Wie verbringt ihr eure Zeit?

Fee: Draußen kann man in den Park gehen oder auf die Spielplätze. Ansonsten fällt mir nichts auf Anhieb ein, es gibt ja noch die Halfpipe [am Schwarzteplatz Anm. d. Red], oder was auch immer das da ist, da kann man skaten. Aber ansonsten...

Schneeleo: Ich bin gern mit Freunden im Volkspark. Ja...

Verbringt ihr eure Freizeit im Stadtteil oder fahrt ihr lieber woanders hin?

Fee: Oft woanders. Wenn ich allein unterwegs bin, eher hier in der Gegend, im Park oder so und halt auch sehr viel zuhause.

Schneeleo: Ich bin schon mehr in Kleinzschocher.

Was findet ihr gut an Zschocher?

Fee: Hinten, an der grünen Brücke kann man über das Geländer klettern und sich auf die Steine setzen und da den Sonnenuntergang anschauen. Das ist ganz nice. Da hinten gibt es einen längeren Weg, der schön glatt ist, wo man gut skaten kann. Es gibt mehrere solche Plätze.

Schneelo: Dem kann ich nur zustimmen.

Gibt es etwas, was ihr euch für den Stadtteil wünscht?

Fee: Da fällt mir gerade nichts ein... müsste ich mal überlegen.

Schneeleo: Der Stadtteil ist gut so wie er ist. Mir fällt auch nicht so wirklich was ein... Ein Antiquitätenladen vielleicht? Oder gibt es sowas schon?

Fee: Ich glaube es gibt in Zschocher gar nicht so viele Läden, also unten bei der Rödelstraße gibt es einen Second Hand Laden... abgesehen davon gibt es nicht so viele Läden, hier in der Ecke.

Schneeleo: Also ich bin wunschlos glücklich hier.

Gibt es etwas, von dem ihr euch wünschen würdet, dass es sich verändert?

Fee: Ich finde Zschocher ganz chillig, gut so wie es ist.

Schneeleo: Die ganzen Baustellen!

Fee: Ja das schon.

Schneeleo: Aber ich finde es auch so wie es ist schön.

Gibt es Orte, an denen ihr euch im Winter aufhalten könnt? Wenn es zu kalt ist um immer draußen zu sein?

Fee: Dann gehe ich mit meiner Mutter vielleicht hier her [gemeint ist der Stadtteilladen Lixer Anm. d. Red. ] oder ich bleib halt zu Hause.

Schneeleo: In Bistros. Es gibt nicht wenige Bistros in Zschocher, die kann man abklappern.

Du setzt dich dann in die Dönerläden?

Schneeleo: So ungefähr.

Würdet ihr euch wünschen, dass es einen Raum gibt, den ihr nutzen könnt und über den ihr mit entscheiden könnt?

Fee: Das wäre cool! Wenn es so ein Haus gäbe oder so, oder ein paar Räume wo sich coole Menschen treffen und man zusammen chillen kann und auch neue Menschen kennenlernen kann. So was wie einen Jugendclub.

Schneeleo: Ja, gerade wenn man Zeit hat und nichts zu tun hat.

Fee: Oder wenn man nicht viele Freunde hat und neue Menschen kennenlernen will.

Schneeleo: Oder Hausaufgaben machen möchte.

Ihr wünscht euch also einen Treffpunkt wo man hingehen kann und weiß dort sind immer Leute die ihr mögt?

Fee: Ja

Besucht ihr den Jugendclub, den es in Zschocher gibt?

Fee: Ich hab davon mal gehört, von einer Freundin, die aber nicht hier in der Ecke wohnt. Die ist da mal hingegangen, aber ich war da noch nie. Ich würde da auch nicht hingehen wollen, weil ich von ein paar Menschen weiß die dort chillen und die sind nicht so.... chillig, sag ich jetzt mal.

Schneeleo: Vom Jugendclub habe ich noch nie was gehört.

Gibt es viele andere Jugendliche im Stadtteil mit denen ihr nichts zu tun haben wollt?

Fee: Tatsächlich kenne ich wenige Jugendliche in meinem Alter. Ich habe eine Grundschulfreundin, die ist jetzt weggezogen, Richtung Markkleeberg. Dann gibt es ein paar Menschen aus meiner Schule, die hier in der Nähe wohnen. Und dann vielleicht noch ihn [gemeint ist Schneeleo, Anm. d. Red.]. Das wars eigentlich.

Schneeleo: Bei mir gibt es nicht so wirklich Leute, die ich nicht mögen würde, ein Großteil meiner Freunde wohnt in Kleinzschocher.

Fee: Ich sehe halt gefühlt nie Jugendliche hier.

Auf welche Schule geht ihr?

Fee: Ich gehe hier auf das Gymnasium. Schneeleo: Ich gehe auf die Ratzelschule.

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Mohammed (30 Jahre)

Wie lange wohnst du schon in Zschocher?

Seit sechs Jahren, ich bin nach Deutschland gekommen und war dann erst 3 oder 4 Monate in Chemnitz und bin dann nach Leipzig gekommen, in die Dieskaustraße. Zuerst habe ich mit einem Freund zusammengewohnt, einem Kollegen, ein oder zwei Jahre. Jetzt wohne ich allein. Das wichtigste in diesem Stadtteil sind für mich die Nachbarn. Die sind sehr nett! Man kommt auch gut überall hin, ins Zentrum, nach Grünau. Auch wenn man einkaufen möchte, gibt es viele Möglichkeiten. Netto, Lidl, Kaufland... man muss dafür nicht extra in einen anderen Stadtteil.

Verbringst du deine Freizeit in Zschocher oder fährst du dafür eher woanders hin?

Nein, es gibt ja hier den großen Park. Da kann man Fußball spielen oder spazieren oder auch einfach grillen, mit meinen Kollegen oder Freunden. Im Winter ist es dort leider sehr kalt, weil es keine Gebäude gibt, ist es oft windig. Aber dort sind auch sehr viele Leute mit Hunden, das ist manchmal ein bisschen schwierig.

Du meintest du spielst gerne Fußball, spielst du in einem Verein?

Nein, nur mit Freunden. Ich hab 3 oder 4 Jahre immer einmal oder zweimal die Woche Fußball gespielt. Aber dann habe ich mich am Bein verletzt. Seitdem kann ich nicht mehr so lange spielen und spiele nur noch einmal im Monat.

Wo verbringst du deine Freizeit im Winter?

Im Winter bin ich oft zu Hause, manchmal gehe ich in eine Bar. Es wäre schön, wenn es etwas geben würde, wo man zum Beispiel Billard spielen kann oder so was ähnliches. In Grünau gibt es was, das ist sehr teuer, aber okay. In der Eisenbahnstraße gibt es noch so was, aber nicht sehr groß. Hier gibt es leider so was nicht. Ich hab aber auch Platz in meiner Wohnung, da können zehn Leute da sein. In Deutschland ist es im Winter sowieso schwierig, weil es so kalt ist.

Fühlst du dich sicher, wenn du in Zschocher unterwegs bist? Z.B. Nachts?

Ja, ich fühl mich hier sehr sicher. Manchmal trifft man Leute die zu viel getrunken haben, z.B. Samstag Nacht, die machen dann ein bisschen Lärm, aber egal, für mich ist das nicht schlimm. Ich hatte noch nie Probleme, aber andere Leute vielleicht. Bei meinem Nachbarn haben Leute manchmal Flaschen vor der Wohnung kaputt gemacht und Chaos gemacht. Aber dass passiert selten, dass Leute z.B. herumschreien, wenn sie betrunken sind und Flaschen kaputt machen. Aber das ist so vier oder fünf mal im Jahr. Hier neben meinem Haus ist so ein kleiner Park, [der Martinsplatz, Anm. d. Red] Samstag Nacht sind dort viele Leute.

Wo hast du gewohnt bevor du nach Leipzig gekommen bist?

Ich bin in Syrien aufgewachsen.

Gibt es in Zschocher viele Leute die ursprünglich aus Syrien kommen?

Jetzt ja, aber vor 5-6 Jahren nicht, aber es sind nicht so viele. In Grünau z.B. gibt es viele. In Zschocher wohnen viele Familien, weil hier die Wohnungen größer sind. In Grünau, oder Mockau oder Paunsdorf leben die Leute eher allein in einer Wohnung. Hier in Zschocher kenne ich kaum jemanden der allein wohnt.

Bist du Mitglied in einem Verein oder nutzt du die Angebote von Vereinen hier in Zschocher?

Ich habe nur einmal von einem Verein gehört, von diesem hier. (lacht) [Gemeint ist der Lixer e.V., Anm.d Redaktion ] Ein Nachbar aus dem Irak hat mir Bescheid gesagt, dass hier etwas ist, aber ich hatte keine Zeit.

Hast du das Gefühl, du kannst dich gut informieren über Angebote im Stadtteil?

Ich fahre eigentlich immer ins Zentrum oder die Eisenbahnstraße oder einen anderen Teil von Leipzig. In Zschocher mache ich wenig in meiner Freizeit. Manchmal sehe ich Werbung, die z.b. per Post kommt, für ein Fest oder eine Veranstaltung. Im Internet wüsste ich nicht, wo ich nachgucken könnte. Was ich noch sagen wollte, es ist sehr schwierig hier einen Garten zu bekommen und sehr teuer. In Paunsdorf oder Mockau gibt es sehr viele freie Gärten, aber hier gibt es keine. Ich suche seit zwei Jahren. Ich würde sehr gerne einen Kleingarten mieten, vor allem für den Sommer, um zu grillen oder ein bisschen Karten zu spielen. Im Garten ist so was schöner als zu Hause.

Hast du dich hier auf Kleingärten beworben?

Ja! Ich suche seit zwei Jahren. Sie haben gesagt, sie sagen Bescheid, wenn etwas frei ist, aber es ist nichts passiert. Leider muss ich sagen, dass ich das Gefühl habe, dass es schon freie Gärten gibt aber ich bekomme keinen. Einmal hatte ich auch einen Termin mit einem Verein, aber als ich dann da war hieß es, wir haben keine freien Gärten.

Passiert dir hier so etwas öfter?

Nein, das war nur bei diesem einen Kleingartenverein. Ich habe nicht so viel Kontakt mit den Leuten hier, nur mit meinen Nachbarn.

Was müsste es in Zschocher geben, damit du deine Freizeit hier verbringst?

Für mich ist das hier der schönste Teil von Leipzig. Ich wohne seit sechs Jahren hier und es ist noch nie etwas blödes passiert.

Hast du das Gefühl, dass sich der Stadtteil verändert hat?

Nein, gar nicht, die Straßen haben noch genauso viel Löcher.. es gibt auch immer noch nicht genug Parkplätze. Abends muss man viel suchen. In Kleinzschocher gibt es ein paar mehr junge Leute, aber in Großzschocher wohnen vor allem alte Leute. Hier [in Kleinzschocher Anm. d. Redaktion] gibt es bisschen mehr Ausländer, nicht unbedingt aus Syrien aber ein bisschen mehr. Aber in Großzschocher nicht, also fast keine. Natürlich wohnen da ein oder zwei, aber mein Freund der dort wohnt hat gesagt, es gibt eigentlich keine. Keine jungen Leute und keine Ausländer.

Gibt es außer dem Zustand der Straßen noch etwas, das sich in Zschocher verändern sollte ?

Es wäre gut, wenn es für den Winter einen Raum geben würde für Aktivitäten und Veranstaltungen. Besonders im Winter.

Zschocher ist in den letzten Jahren zu einem stetig wachsenden und sich verändernden Stadtteil geworden, wobei aktuell in Kleinzschocher diese Dynamik weitaus stärker zu spüren ist als in Großzschocher (zur Stadtteilentwicklung und ableitbaren Faktoren siehe www.statistik.leipzig.de und dort „Ortsteile und Stadtbezirke“ mit Kleinzschocher unter der Nummer 52 und Großzschocher unter der Nummer 53). Viele junge Menschen, insbesondere Familien zieht es hierher, weil die Mieten bezahlbarer sind als in den angrenzenden Vierteln weiter im Norden. Einigen, die schon lange hier wohnen, ist dabei sicher aufgefallen, dass nun wieder mehr Kinder auf den Spielplätzen zu sehen sind. Und Menschen, denen man zuvor eher in Lindenau und Plagwitz begegnet ist, drehen nun hier ihre Runde.

Mittlerweile gibt es Galerien in Zschocher und einen Club. Aber was es noch nicht gibt, ist die Vielfalt an Cafés oder Läden zum shoppen wie sie auf der Karl-Heine-Straße in Lindenau / Plagwitz schon lange zu finden ist. Doch braucht es die, um sich hier wohl zu fühlen?

Wir haben Menschen aus Zschocher gefragt, was für sie das Leben hier im Stadtteil ausmacht, was ihnen gefällt, was nicht und was sich noch ändern sollte.

Aus diesen Interviews haben wir eine Handlungsempfehlung für Akteur:innen abgeleitet, die an der Entwicklung des Stadtteils durch haupt- und ehrenamtliche Arbeit mitwirken, um Zschocher zu einem lebenswerten Viertel für alle zu machen und als solches zu erhalten. Die Frage, die sich jede:r Aktive dabei stellen sollte, ist, für wen und nach welchen Prinzipien des Miteinanders gestalte ich? Denke ich tatsächlich an einen inklusiven, durchmischten Stadtteil, der für unterschiedliche Menschen ein Ort der Begegnung und Zuhause ist? Wessen Interessen vertrete ich? Wo stoße ich an Grenzen? Wünsche ich mir Pluralität oder beschränke ich mich auf die Erfüllung eigener Bedürfnisse? Denn mit der Weiterentwicklung und Aufwertung des Stadtteils ist auch die Gefahr von Verdrängung bisheriger Bewohner:innen groß und damit der Fall von einem homogenen Gruppengefüge ins nächste. Umso mehr ist es erstrebenswert, die Zukunft des Viertels achtsam und vielfältig zu gestalten.

Grüner Stadtteil mit Verkehrshürden

Positiv haben eigentlich alle Interviewten das viele Grün um Zschocher mit dem Volkspark Kleinzschocher, dem Grünen Gleis und den umliegenden Kleingärten hervorgehoben. Der Mühlpark im Süden bietet die schnelle Möglichkeit für einen kleinen Spaziergang und nicht weit entfernt ist der Cospudener See mit dem umliegendem Naturschutzgebiet Lehmlache Lauer. Auch dass der Stadtteil bis auf die großen Straßen und die Kreuzung „Adler“ eher ruhig ist, schätzen viele Bewohner:innen sehr.

Allerdings gibt es für die kurzen Wege zu Fuß oder mit dem Rad den Wunsch nach einer besseren Verkehrsinfrastruktur durch Fußgängerüberwege etwa an der Grundschule „Schule am Grünen Gleis“ oder ein gutes Radwegesystem vor allem an den großen Straßen. Zudem stoßen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, häufig auf Grenzen in ihrer Bewegungsfreiheit, weil Bordsteine zu hoch oder die Gehwege zu uneben sind. Zudem werden die wenigen abgeschrägten Zugänge von den Straßen auf die Gehwege häufig durch Autos zugeparkt.

Es ist somit immer noch Aufklärungsarbeit nötig, um Menschen ohne körperliche Beeinträchtigungen für die Notwendigkeit eines barrierefreien Stadtteils zu sensibilisieren, damit sich alle Bewohner:innen autonom und selbstbestimmt in Zschocher bewegen können – allerdings gilt dies nicht nur für dieses Viertel. Spezielle Stadtspaziergänge, die auf Barrieren aufmerksam machen, oder Interventionen im Stadtraum könnten Angebote für Bewohner:innen und Entscheidungsträger:innen sein, um neue Perspektive einzunehmen und verschiedene Alltagsrealitäten in Zschocher sichtbar zu machen. Um die verkehrsinfrastrukturelle Situation zu ändern, könnten Vereine und Stadtteilinitiativen eine Vermittlerfunktion einnehmen, um die Belange der Bewohner:innen zu bündeln und bei der Stadt Leipzig bei geplanten Bauvorhaben zu vertreten, so dass konkrete Bedürfnisse umgesetzt werden können. Verschiedene Beteiligungsprozesse wie das Dialogverfahren „Gut Kleinzschocher“ der Stadt Leipzig haben bereits bewiesen, dass ein bürger:innennahe Entwicklung des Viertels in Kooperation mit städtischen Institutionen möglich ist.

Vielfalt durch bezahlbaren Wohnraum

Es wird viel neu gebaut und saniert in Zschocher, öffentliche Plätze wurden und werden durch städtische Bauvorhaben aufgewertet – das wird bei einem Spaziergang durch das Viertel schnell deutlich. Trotz allem bleibt es eine der größten Herausforderungen für haupt- und ehrenamtlich Aktive, die Weiterentwicklung des Stadtteils so zu gestalten, dass auch Menschen mit geringem Einkommen weiterhin hier wohnen und am Leben im Stadtteil teilhaben können. Denn bereits jetzt werden die steigenden Mieten von einigen Interviewten als problematisch empfunden. Fraglich ist, inwieweit Initiativen und Vereine die Chance haben, auf private und kommerzielle Bauprojekte einzuwirken. Allerdings sollte auch hier der Dialog mit der Stadt ein wichtiges Instrument sein, um auf diesen Teil der Stadtteilentwicklung Einfluss nehmen zu können und damit Raum für verschiedene Lebensrealitäten zu erhalten bzw. zu schaffen.

14 Handlungsempfehlung
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Zivilgesellschaft

Zschocher hatte Anfang der 2000er Jahre mit starken rechten Tendenzen zu kämpfen. Durch zivilgesellschaftliches Engagement und Aufklärungsarbeit hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Trotz allem gibt es immer noch rechtes Gedankengut, was auch in den Interviews als Belastung deutlich wurde und was nicht allein an den Stickern im öffentlichen Raum zu sehen ist, die immer wieder an Laternenpfosten, Türen oder Mauern kleben. Auch die Erfahrung von Alltagsrassismus wurde in den Interviews angesprochen. Diese sollte ernst genommen werden und eine Aufgabe für die weiße Mehrheitgesellschaft auch in Zschocher sein, um sich aktiv gegen Rassismus und Antisemitismus zu engagieren und mit der eigenen Prägung auseinander zu setzen. Dabei wird weiterhin Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit durch z.B. Vorträge, Workshops und Projekte nötig sein, um strukturelle Probleme deutlich zu machen und Angebote für neue Denk- und Sichtweisen zu bieten. Ganz wichtig sind aber auch sichere Orte für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, die ihnen Schutz bieten und die sie selbst gestalten können.

Orte der Begegnung

Um Pluralität zu leben, sind zudem Orte der Begegnung wichtig. In den Interviews wird der Wunsch nach diesen Orten immer wieder geäußert, sei es ein Treffpunkt für Senior:innen, Kinder und Jugendliche oder Möglichkeiten zum Ausgehen. Die bestehenden Spielplätze wurden zwar gewürdigt, aber es gab den Wunsch nach mehr davon und für ältere Kinder und Jugendliche nach einer Skatebahn oder einem Jugendclub in Zschocher. Auch für Senior:innen wurden sich Treffpunkte gewünscht und für den Austausch über unterschiedliche Lebens- und Herkunftsperspektiven fehlen den Interviewten ebenfalls Räume. Es konnte sich bisher auf Dauer auch kein Café oder eine Kneipe als Treffpunkt für Menschen aus dem Stadtteil etablieren. Das bestehende, überschaubare Angebot an Restaurants, Imbissen oder Kneipen scheint für viele nicht befriedigend zu sein. Für die Abendgestaltung verlassen viele das Viertel.

Einkaufen in Zschocher

Sehr unterschiedlich war die Zufriedenheit mit den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten in und um Zschocher. Während einigen die größeren Supermärkte als ausreichend erscheinen, wünschen sich andere noch mehr kleinere Läden verteilt im Viertel, damit diese auch für mobil eingeschränkte Menschen gut erreichbar sind. In der Dieskaustraße gibt es zwar einige Geschäfte, doch wirkt diese im Ganzen wenig einladend, obwohl sie das Potential und auch die Anlage als Einkaufs- und Ausgehstraße hat. Die Klärung des tatsächlichen Bedarfs und eine Initiative zur Neubelebung wäre eine Idee, um dies zu ändern. Eventuell ist es auch möglich, noch Wünsche in die aktuelle Planung des städtischen Bauvorhabens Dieskaustraße einzubinden, das bereits durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren mit entwickelt wurde.

Da die Schließungen von Cafés, Kneipen und kleinen Läden oft unmittelbar mit der wirtschaftlichen Rentabilität zusammenhängt, wäre es auch eine Perspektive, dass Kneipen oder kleine Lebensmittellädenkollektive ohne Gewinnabsichten betrieben werden, wie es etwa FoodCoops in Leipzig bereits zeigen. Vereine und Initiativen könnten Träger:innen dieser Räume sein und somit die Hürden für Bewohner:innen verringern, sich selbst zu engagieren.

Sichtbarkeit von Angeboten

Einige Interviewte haben den Wunsch geäußert, neben der räumlichen Übersichtlichkeit auch ein Bild von dem zu bekommen, was es überhaupt an Angeboten und Veranstaltungen im Viertel gibt. So gab es den Vorschlag, dass es ähnlich zum Schaukasten an der Taborkirche auch ein „Schwar(t)zes Brett“ im Schwartzepark als zentralen Punkt in Kleinzschocher geben sollte. Ähnliches wäre für Großzschocher denkbar. Das wäre dringend anzuraten, denn offenbar sind schon bestehende Angebote und auch Begegnungsorte in Zschocher wenig präsent und ihre Sichtbarkeit sollte erhöht werden.

So gibt es bereits jetzt Vereine, die ihre Räumlichkeiten für selbst organisierte Treffen zur Verfügung stellen oder eigene Veranstaltungen anbieten – wie den „Lixer e.V.“ mit dem gleichnamigen Demokratieladen in der Pörstener Straße oder das Seniorenbüro Südwest „Zeitraum“. Und es gibt weitere Initiativen und Projekte, die regelmäßig Veranstaltungen organisieren wie die „Bürgerinitiative Kleinzschocher“ mit dem jährlichen stattfindenden Bürgerfest und dem Advent in den Höfen oder das Projekt „Projekt-Raum-Kirche“ der Kirchen im Leipziger Südwesten, das bei der Taborkirchgemeinde in Kleinzschocher angesiedelt ist. Das „Atelier vom Wolf“ bietet Malkurse an und veranstaltet Konzerte. In den beiden Galerien „Irrgang“ und „ODP“ sowie in der Alten Handelsschule ist regelmäßig zeitgenössische Kunst zu sehen.

Einige dieser Vereine und Projekte haben sich als „Zschocher Connection“ zusammengeschlossen, um sich in gemeinsamen Stadtteilrunden zu vernetzen und Ideen für Zschocher zu entwickeln. Ein Stadtteilrundgang zur Stadtentwicklung und eine Stadtteilfest waren erste gemeinsame Veranstaltungen. Zudem gibt es zweimal im Jahr ein Nachbarschaftsfrühstück, das zur Vernetzung und Begegnung der Menschen im Viertel beitragen soll. Mehr Werbung für die Webseite www. zschocher-vernetzt.de und eine großflächige Verteilung des gedruckter Stadtteilplans von „Projekt-Raum-Kirche“ mit der Übersicht über alle aktiven Vereine und Initiativen im Viertel könnten die Sichtbarkeit weiter erhöhen.

Und nun?

Abschließend lässt sich sagen, dass Zschocher seine ursprüngliche Funktion als Wohnviertel erfüllt und auch also solches mit seinen ruhigen, kleinen Straßen und dem umliegenden Grün geschätzt und als sicher wahrgenommen wird. Trotz allem wurde auch immer wieder der Wunsch nach einer Belebung des Stadtteils durch Freizeitangebote, Orte des Zusammentreffens und Verweilens sowie durch mehr Einkaufsmöglichkeiten deutlich. Ideen wie Stadtteilspaziergänge und gemeinsame Feste, die Sichtbarmachung bestehender Angebote und die weitere Vernetzung von Vereinen und Initiativen tragen dazu bei, Zschocher als einen von Vielfalt geprägten Stadtteil zu erhalten und weiter zu entwickeln. Elementar wichtig für diesen Prozess sind dabei zivilgesellschaftliches Engagement und die Einbindung der Bürger:innen in Entscheidungen, die ihren Stadtteil betreffen. So kann Zschocher ein Ort sein, der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit verbindet, egal ob sie Rentner:innen, allein Lebende oder junge Familien mit Kindern, ob sie Schüler:innen, Auszubildende oder Student:innen, arbeitende und nicht arbeitende Menschen, Menschen mit oder ohne körperliche Einschränkungen, Alteingesessene oder neu Hinzugezogene sind – in jedem Fall ein Ort für alle mit ihren Wünschen und ihrer jeweils eigenen Geschichte, die sie hierher gebracht hat.

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Diese Broschüre entstand im Jahr 2022 im Rahmen des Projekts „Zschocher Connection – ein Stadtteil rückt zusammen“ das der Lixer e.V. in Kooperation mit dem Projekt-Raum-Kirche der Taborkirchgemeinde und dem Seniorenbüro ZeitRaum des Urban Souls e.V. durchführte.

Das Projekt wurde finanziert durch Mittel aus dem Fond Leipzig Ort der Vielfalt im Rahmen des Bundesprogramm Demokratie Leben!

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Zschocher & Ich by lixerladen - Issuu