Liszt Festival Raiding Magazin 2018-03

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liszt festival

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ILDIKÓ RAIMONDI

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DIE WELTWEIT GEFEIERTE SOPRANISTIN IST WIEDER ZU GAST IN RAIDING

MAGAZIN

MÄRZ│2018

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lisztfestival magazin │ MÄRZ 2018

I N H A LT

EDITORIAL „Ja, der Geniale ist wieder hier und gibt Konzerte, die einen Zauber ausüben, der ans Fabelhafte grenzt.“ (Heinrich Heine über Franz Liszt) Liszt wird gerne als „Hexenmeister“ am Klavier bezeichnet, der auf sein Publikum geradezu diabolische Magie ausübte. Das Liszt Festival will aber nicht nur den bewunderten und begeisternden Virtuosen, sondern auch den gefühlvollen Klangzauberer präsentieren und 2018 neue Wege beschreiten, die allen Rollen des Ausnahmekünstlers gerecht werden. Anlässlich unserer 10-jährigen Intendanz präsentieren wir Ihnen das neue „Liszt Festival Orchester“, Carl Orff‘s zeitlos beeindruckendes Werk „Carmina Burana“ und stellen die beiden Superstars des 19. Jahrhunderts – Liszt und Strauss – einander gegenüber. Erstmals wird beim Liszt Festival auch großes Musik-Theater geboten: Andrea Eckert, eine der ganz großen Stars der Theaterszene, gastiert mit ihrer Erfolgsproduktion „Meisterklasse Maria Callas“ in Raiding.

I MPRESSUM

Weibliche Stars bilden ohnedies einen wesentlichen Eckpfeiler des Programms 2018: Geigenvirtuosin Lidia Baich, die Pianistinnen Lilya Zilberstein

Medieninhaber: FBB – Festspiel-Betriebe Burgenland GmbH c/o Liszt Festival Raiding Franz Schubert-Platz 6 7000 Eisenstadt raiding@lisztzentrum.at www.lisztfestival.at

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und Beatrice Berrut sowie die Gesangssolistinnen Ildikó Raimondi und Elisabeth Kulman geben uns in Raiding die Ehre. Premiere auch für einen spannenden Klangvergleich: Starpianist Boris Bloch wird anlässlich des 50-jährigen Bestandsjubiläums des Liszt Vereins erstmals den historischen Erard Flügel – einen Hammerflügel aus dem Jahr 1852, auf dem Liszt selbst konzertiert hat – im Konzertsaal zum Klingen bringen. Den Zyklus der Meisterpianisten runden schließlich Boris Giltburg und Alexei Volodin ab. Ein Debut beim Liszt Festival erleben wir mit dem „Liszt - Trio Wien“ und ein Wiedersehen und -hören gibt es mit dem Wiener Kammerchor, den philharmonischen Bläsern von „Phil Blech“, den Tanzgeigern sowie dem Orchester „Wiener Akademie“ unter Martin Haselböck. Spannende Konzerterlebnisse wünschen Ihnen

Johannes & Eduard Kutrowatz Intendanten Liszt Festival Raiding

Intendanz: Mag. Johannes & Mag. Eduard Kutrowatz Prokurist: Mag. Thomas Mersich MAS Marketing: Mag.(FH) Miriam Burghart, MA

Sponsoren, Förderer & Partner

F R A N Z L I S Z T VEREIN RAIDING

4–5

DIE ROLLEN DES FRANZ LISZT Eduard Kutrowatz im Gespräch mit Boris Bloch

6–7

ZWEI FREUNDE – EINE LEIDENSCHAFT Andrea Schramek im Interview mit Barbara Moser

8–9

LISZTS UNGARISCHE, UN-UNGARISCHE MUSIK Johannes Koprivnikar über Liszts Ungarische Rhapsodien

10 - 11

OPTIMISMUS, MUT UND DURCHSETZUNGSKRAFT! Christoph Wellner im Interview mit den Intendanten

12 – 13

UNBEGRENZTE FÄHIGKEITEN Alexei Volodin: Ein Künstlerportrait von Ljubisa Tosic

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ZURÜCK ZU DEN WURZELN Silvia Freudensprung-Schöll im Gespräch mit Ildikó Raimondi

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WATCHLISZT CD Empfehlung von Thomas Mersich Grafische Gestaltung: G. M. Pint Druck: Wograndl, 7210 Mattersburg Auflage: 15.000 Stk., Ausgabe: März 2018


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DIE ROLLEN DES FRANZ LISZT „Als ich 2010 das erste Mal hier spielte, war mir, als wäre ich vom ersten bis zum letzten Ton auf Flügeln getragen worden. Und dieses Gefühl begleitet mich jedes Mal, wenn ich die Bühne des Konzertsaals von Raiding betrete.“ – Boris Bloch ist bereits seit vielen Jahren Stammgast beim Liszt Festival, heuer schlüpft der aus Odessa stammende Pianist in die verschiedensten Rollen, die Franz Liszt überzeugend verkörperte. Intendant Eduard Kutrowatz im Gespräch mit Boris Bloch.

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ie sind 2010 in Raiding beim Liszt Festival das erste Mal aufgetreten und haben darüber selbst gesagt, dass Sie sich „das ganze Konzert hindurch getragen gefühlt haben“. Nun – nach acht Jahren, sechs Auftritten in Raiding und der Herausgabe einer Edition mit sechs Live-CDs, die aus den Konzertmitschnitten erschienen sind – sind Sie wieder zu Gast beim Liszt Festival. Hat sich an diesem besonderen Gefühl hier an einem ganz besonderen Ort aufzutreten etwas geändert? Das Gefühl, getragen zu werden, habe ich jedes Mal, wenn ich in diesem wunderbaren Konzertsaal auftrete. Nun, durch die Begegnungen mit der Kunst, Musik oder Literatur, sind wir, die Künstler, aber auch die Zuhörer, einem ständigen Wandel unterworfen, der immer auf den jeweiligen spontanen Eindrücken, Empfindungen und Wahrnehmungen beruht. Der rote Faden des diesjährigen Programms sind die verschiedenen Rollen des Franz Liszt. Warum verwenden Sie für dieses Konzertprogramm den Begriff „Rollen", den man ja normalerweise dem Theater zuordnet? Hat dieses Programm im speziellen und die Person Liszts beziehungsweise seine Bühnenpräsenz im Allgemeinen etwas mit Theater oder Schauspiel zu tun? Hat Liszt auch in seinem eigenen Leben diese Rollen gespielt? Es ist mir vergönnt worden, nach meiner nun

schon mehr als 30 Jahre andauernden intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk Franz Liszts – und ich glaube, niemand vor mir hat diese These aufgestellt – hinter den wahren Grund der unzähligen Lisztschen Bearbeitungen und Transkriptionen zu kommen. Mir scheint, es war nicht sein primärer Wunsch, die damals noch unbekannten Werke der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, sondern vielmehr sein unstillbarer Hunger des genialen Interpreten und die unendliche Neugier des unersättlichen Musikers, neue Werke zu erkunden, daran teilzuhaben und darin verschiedene „Rollen“ zu spielen. Ob Gretchen am Spinnrade oder der unglücklich verliebte Müllergeselle aus der „Schönen Müllerin“, Isolde aus „Tristan“ oder alle vier Protagonisten der Oper „Rigoletto“ vereint im Quartett des letzten Aktes – er wollte das alles selbst sein! Und er, der geniale Tonsetzer, konnte wie kein anderer diese „Rollen“ an sich vergeben! Denn das Theatralische, das Bildhafte ist charakteristisch für Liszts künstlerische Persönlichkeit, wie übrigens dieselben Eigenschaften nicht untypisch für meinen künstlerischen Stil sind. Nicht umsonst pflegte der große deutsch-russische Pianist Swjatoslaw Richter zu sagen: „Das Theater spielt eine enorm wichtige Rolle in der Kunst des Klavierspiels und in der Präsentation eines Klavierabends!“ Bei diesem Konzert wird noch ein weiterer besonderer Akzent gesetzt, nämlich ein Klangver-

gleich: Ein historischer Erard-Flügel (der LisztFlügel aus dem Geburtshaus wandert das erste Mal in den Konzertsaal) wird neben dem modernen Konzertflügel zu Gehör gebracht. Was ist die besondere Herausforderung wenn man in diese Richtung klangliches „Neuland" betritt? Nun, dieser Klangvergleich ist auch für mich absolutes „Neuland“, dieser wird in jedem Fall sehr spannend! Und ich würde vorschlagen, wir unterhalten uns ausführlicher nach diesem Ereignis, um zu sehen, welche Früchte ein solch kühner klanglicher Vergleich mit sich trägt! Sie zählen unbestritten zu den international wichtigsten Liszt-Interpreten. Wie kam es zum Naheverhältnis gerade zu diesem Komponisten? Was ist das besondere und faszinierende an seiner Musik – sowohl für den Pianisten als auch für den Zuhörer gleichermaßen? Zunächst einmal komme ich aus der ehemaligen Sowjetunion, wo Franz Liszt alle Ehren zuteil wurden. Und dann musste ich feststellen, dass in manchen Ländern Liszt sehr „von oben herab“ gesehen wurde. Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, gepaart mit großer Liebe für seine Musik, ließ mich für ihn sozusagen „auf die Barrikaden“ gehen. Im Übrigen gehört leider auch Israel dazu. Dort wurde ich einst sogar selbst „Opfer“ meines leidenschaftlichen und selbstlosen Einsatzes für Franz Liszt, als ich 1977 beim 2. Arthur Rubinstein Wettbe-

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als Dirigent und zwar in erster Linie die Opern von Tschaikowsky und Rimsky-Korsakov. Was wünschen Sie sich generell vom neuen Jahr – für Sie persönlich als auch für die Welt, die Zukunft der Musik und für die Menschen, die Ihnen nahestehen?

werb in Tel Aviv teilnahm. Maestro Rubinstein war selbst anwesend. Ich hatte bereits in der ersten Runde Liszts „Spanische Rhapsodie“ gespielt und dann entdeckte die Jury, dass auch in der zweiten Runde ein Liszt-Stück, nämlich die „Dante-Sonate“, das Hauptwerk meines Programms bilden sollte. Besonders verärgert darüber schien die Jury-Präsidentin Smoyra Kon zu sein: „Ach so, er spielt wieder Liszt" – wütete sie, „dann soll er die Bach-Toccata dazu spielen!“ Diese war eines der drei anderen Wahl-Pflichtstücke, wozu auch Chopins h-moll-Sonate gehörte, die mir damals viel mehr behagte. Das Ergebnis: „nur“ der 2. Platz (Silbermedaille). Solche Diskriminierungen gegenüber Franz Liszt haben meinen Einsatz für ihn allerdings eher immer beflügelt und intensiviert. In diesen Jahren hatte ich immer wieder einige ungerechte, geradezu haarsträubende Äußerungen über Liszt gehört. Für mich persönlich vor allem schlimm, wenn solche an Ort und Stelle prononciert wurden, wo dies eigentlich „politisch höchst unkorrekt“ war, wie z.B. beim wichtigen Liszt-Wettbewerb in Utrecht. Wenn sich ein holländischer Juror über ein herrliches und zu Recht sehr häufig gespieltes Werk Liszts als „hoffnungslos schlechte Musik“ äußert, finde ich das überhaupt nicht lustig. Hat sich für Sie im Laufe Ihrer langen und vielseitigen Karriere der Bezug zu Ihrem Publikum geändert? Ist das Publikum ein anderes geworden? Welche Rolle spielt das Publikum für Sie? Ich würde das so ausdrücken: Das Publikum wird immer mehr von den entsprechenden Medien beeinflusst und bekommt immer weniger die Chance, sich selbst ein Urteil zu bilden. Es ist schon schwer genug sich der massiven Werbung zu entziehen und den Mut zu haben zu sagen: „Ach Gott, dieser König ist doch nackt“. Denn das eine bedingt das andere: Je unsicherer das Publikum selbst in seiner Meinungsbildung wird, umso unverfrorener, frecher und stärker wird darauf öffentlich Druck ausgeübt! Das Publikum denkt also zu Recht, dass die öffentliche und veröffentlichte Meinung die richtige sein muss.

Ich halte es da eher mit dem großen deutschen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki der einst sagte: "...man kann in der Minderheit sein und dennoch Recht haben!" Sie haben alle wesentlichen Einzelwerke und Zyklen von Franz Liszt gespielt. Gibt es da überhaupt noch Herausforderungen, die Sie reizen und gibt es darüber hinaus überhaupt noch Werke von Franz Liszt, die Sie noch gerne spielen würden? Manchmal wundere ich mich selbst, dass ich noch nie die h-moll-Sonate gespielt habe. Wenn Sie nach dem „Warum“ fragen, so lautet die Antwort: Weil sie für mich „zu Tode gespielt“ wurde. Ein geniales, ein bahnbrechendes Werk, aber für mich selbst haben andere Werke größere Priorität, z.B. der „MephistoWalzer“, der hat es mir angetan. Nach dem „lechze“ ich geradezu und kann kaum erwarten, mit meiner Arbeit daran zu beginnen. Sie haben Recht, ich habe eine große Schwäche für zyklische Werke, die „Années de Pèlerinage“ gehören da zu meinen Lieblingswerken, genauso wie die „Harmonies poétiques et religieuses“. Zunächst schien mir, als habe dieser Zyklus keinen dramaturgischen Zusammenhalt, bis ich durch die intensive Arbeit daran doch den inneren Faden entdeckt habe. Alle diese Zyklen habe ich bereits hier in Raiding gespielt, wie auch alle Paganini-Etüden, den Polonaisen-Zyklus, aber auch kleinere Zyklen wie die Consolationen oder die „Sechs polnische Lieder“ von Chopin. Für mich ist Liszt neben Beethoven und Chopin überhaupt einer der drei Komponisten, die einen monographischen Klavierabend rechtfertigen. Was sind Ihre Pläne für die nächste Zukunft? Ausschließlich Solokonzerte oder wird das Dirigieren ebenfalls wieder eine größere Rolle in Ihrem künstlerischen Schaffen spielen? Das Wort „ausschließlich“ gibt es bei mir nicht mehr. Das war vielleicht früher der Fall. Jetzt möchte ich doch ein breiteres Spektrum abdecken. Und Oper ist nun meine andere Leidenschaft neben Franz Liszt. Ich spiele Liszts Opernparaphrasen am Klavier und leite Opern

Weniger Präsenz von Politikern. Auch auf dem Bildschirm. Ich finde, man schenkt Ihnen viel zu viel Aufmerksamkeit! Sie sollten nur die Rahmenbedingungen ermöglichen und sich selbst nicht so wichtig nehmen. Man sieht ohnehin dass diejenigen, die momentan regieren, nicht viel bewirken können. Ich wünsche mir, dass die wirklich wichtigen Probleme unserer Zeit endlich beim Namen genannt werden und sich Politiker nicht hinter Floskeln verstecken. Das ist für mich schon unerträglich geworden! Daher wünsche ich mir, dass mehr über Musik und Theater, Konzerte und Künstler berichtet wird. In Österreich ist es zum Glück noch möglich, dass Musik einen wichtigen Bestandteil der Abendnachrichten bildet. In Deutschland ist das leider gar nicht mehr der Fall.

Fr. 16. März 2018, 19.30 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

BORIS BLOCH, KLAVIER „Die Rollen des Franz Liszt" F. Liszt: Pilgerchor aus Tannhäuser F. Liszt: Ave Maria („Die Glocken von Rom") F. Liszt: Les jeuxd’eaux à la Villa d’Este F. Liszt: Auxcyprès de la Villa d'Este I F. Liszt: Polonaise Nr.1 „Mélancolique“ c-moll& Nr.2 E-Dur F. Liszt: Waldesrauschen ● Gnomenreigen Chasse-neige F. Liszt: Gretchen am Spinnrade ● Wohin? Der Müller und der Bach F. Liszt: Funérailles ● Tarantella

Karten: € 49,- / 42,- / 35,- / 28,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at


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ZWEI FREUNDE – EINE LEIDENSCHAFT „Franz Liszt und die Oper“ ist das Motto des Konzertprogramms vom Liszt Trio Wien. Kulturjournalistin Andrea Schramek im Gespräch mit der Wiener Konzertpianistin Barbara Moser, die sich mit ihrem Ensemble beim Konzert in Raiding den beiden ungleichen Freunden Franz Liszt und Frédéric Chopin widmet, deren Begeisterung für die damals boomende Oper ihren Stil und ihr Schaffen wesentlich mitprägte.

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as Liszt Trio Wien besteht seit kurzem in der Besetzung Karin Adam, Violine, Othmar Müller, Violoncello und Barbara Moser am Klavier. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Liszt Trio Wien zu gründen? Zu der Zeit, in der ich noch solistisch aufgetreten bin, war ich bekannt dafür, viele Werke von Franz Liszt zu spielen. Liszt ist schon immer mein großer Favorit gewesen, daher lag der Name „Liszt Trio“ nahe. Und auch meine beiden Kollegen waren einverstanden. Wir drei sind allerdings durch Zufall zum Triospielen gekommen, weil uns eigentlich der Wiener Musikverein 2014 so zusammengespannt hat. Aber wir kennen uns schon sehr lange. Die beiden Streicher haben ja schon ihre Schulzeit miteinander verbracht. Und nachdem es so gut funktioniert hat, haben wir uns gedacht, wir machen weiter. Dann kam bald eine Anfrage

aus dem MuTh und nun aus Raiding. Für dieses prestigeträchtige Haus haben wir natürlich ein anspruchsvolles Programm zusammengestellt: Zunächst natürlich Liszt, denn wenn wir schon einmal am Geburtsort und der Lisztstätte schlechthin auftreten, dann spielen wir natürlich Franz Liszt. Für Klaviertrio gibt es da leider nicht viel. Daher greifen alle Trios auf die Ungarische Rhapsodie Nr.9 in der Bearbeitung für Klaviertrio zurück. Gott sei Dank habe ich sie nie vorher solistisch gespielt, da ist sie nämlich einen Halbton tiefer. Ich musste also nicht umlernen, sondern habe sie neu gelernt.

konnte und sich zum Teil selbst beigebracht hat! Allein das Spätwerk, das er hinterlassen hat und das schon sehr in Richtung Wiener Schule geht. Er hat z.B. ein Werk „ohne Tonart“ geschrieben. Schönberg hat also auf Ideen aufgebaut, die schon vorhanden waren. Dass das von Liszt ausgegangen ist, ist vielen nicht bekannt. Man spricht auch von seiner h-mollSonate. Das ist ein sehr anspruchsvolles, ein wunderschönes Werk, wenn man es ein wenig entschlackt spielt. Dann die Paraphrasen, die Rhapsodien... Liszt ist einfach der Komponist, der meiner Opern-Leidenschaft am Nächsten kommt. Am Klavier ist Liszt mein Opernersatz.

Sie lieben die Oper. Und da vor allem Bellini, über den sie Ihre Dissertation geschrieben haben. Was lieben Sie an Franz Liszt?

Damit kommen wir schon zum Thema Ihres Konzertprogramms: Franz Liszt und Frédéric Chopin. Die beiden waren nicht nur befreundet, sie teilten auch eine große Leidenschaft:

Seine unglaubliche Vielseitigkeit. Wie viele Phasen er durchlebt hat und was er alles

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Intendanz: Johannes & Eduard Kutrowatz

Liszt Festival Raiding 2018 16. – 25. MÄRZ 2018

08. – 17. JUNI 2018

16.03. Boris Bloch 17.03. Liszt Trio Wien 18.03. Orchester Wiener Akademie Martin Haselböck

08.06. „Meisterklasse Maria Callas“ Andrea Eckert 09.06. Elisabeth Kulman • Eduard Kutrowatz 10.06. Phil Blech Wien • Matthias Bartolomey

23.03. Liszt Festival Orchester Johannes & Eduard Kutrowatz 24.03. Alexei Volodin 25.03. Ildikó Raimondi Eduard Kutrowatz

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15.06. Carmina Burana • Michael Grohotolsky 16.06. Boris Giltburg 17.06. Orchester Wiener Akademie • Martin Haselböck 12. – 21. OKTOBER 2018 12.10. Die Tangzeiger 13.10. Lidia Baich • Matthias Fletzberger 14.10. Lilya Zilberstein 19.10. Klavierduo Kutrowatz 20.10. Beatrice Berrut 21.10. Orchester Wiener Akademie • Martin Haselböck

Klavier-, Vokal-, Kammermusikzyklus, Generalpass, Abo 5plus und viele weitere Abo-Möglichkeiten. 7321 Raiding, Lisztstraße 46 • T: 02619-51047 • F: 02619-51047 DW 22 • raiding@lisztzentrum.at • www.lisztfestival.at


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die Oper, die für sie auch Inspirationsquelle für eigene Werke und Konzerte wurde. Liszt und Chopin haben sich sehr früh, 1831, in Paris kennen gelernt und waren sehr oft in der Oper. Das Théâtre Italien war damals der Hotspot. Sie haben auch ihren Schülern empfohlen, hinzugehen, wenn sie z.B. gesagt haben: „Ich weiß nicht, wie ich phrasieren soll, wie ich Verzierungen unterbringen soll.“ Dann hat sie Chopin in die Pariser Oper geschickt: „Geht und hört euch die besten an der Pariser Opéra an!“ In diesem Sinne konnten wir leicht darauf aufbauen. Wir haben Opern im Programm, die zum Teil aus der Zeit stammen, in der entweder Chopin oder Liszt noch gelebt haben. Das ist ja eine große Kunst, etwas aus einer Oper heraus zu destillieren, was dann wieder zu einem Kunstwerk wird und nicht einfach zu einem Gassenhauer. Liszt war da maßgebend, weil die Themen, die er ausgewählt hat, gerade nicht jene Gassenhauer waren: Eben nicht der Herzog im Rigoletto (Anm.: Franz Liszt: Rigoletto. Paraphrase du concert), sondern Ensemblestellen, Chor, Orchesterzwischenspiele und Stellen, die kompositorisch interessant sind. Liszt war also nicht an der Popularität, sondern am musikalischen Wert der Werke interessiert – und das, obwohl er es ja immer schnell gebraucht hat, um die Werke auf seinen Konzertreisen präsentieren zu können. Liszt musste ja z.B. in Moskau zeigen, was in Paris gerade Mode ist. Franz Liszt und Frederic Chopin – diese Freundschaft war allerdings nicht immer einfach. Nachdem Liszt Chopins Wohnung in dessen Abwesenheit als Liebesnest für Mme. Pleyel verwendet hat, ging Chopin etwas auf Distanz... Später näherten sie sich aber wieder an, mussten ihre Freundschaft jedoch erneut auf Eis legen, als die beiden Damen George Sand und Marie d’Agoult übers Kreuz gekommen waren. Sie waren aber stets voll Wertschätzung für einander. Nach Chopins Tod hat Liszt sofort begonnen, Werbung für Chopin zu machen und er hat auch seine Biographie geschrieben. Er bewunderte die „Zartheit“ in seiner Musik und hat Chopin sogar als „Erzengel mit regenbogenfarbenen Flügeln“ beschrieben.

Sie haben mit dem Klaviertrio von Chopin auch ein Werk besonderer, damals neuer, romantischer Sensibilität ausgewählt. Ich wusste natürlich, worauf ich mich da einlasse, aber ich muss jetzt sehr viel üben, denn es ist ein Frühwerk und wahnsinnig vertrackt und unpraktisch geschrieben. In unserem Programm werden wir aber nicht nur im Trio spielen. Die Idee dazu kam von den Intendanten Kutrowatz, weil sie ja wissen, dass jeder von uns auch solistisch auftritt. Die Geigerin Karin Adam hat Henryk Wieniawskis Fantasie über Themen aus Gounods „Faust“ ausgesucht. Wieniawski war ein polnischer Geiger und Komponist und hat als Kind im Pariser Salon seiner Mutter Chopin kennen gelernt. Das ist eine sehr fordernde Paraphrase für die Geigerin, aber es sind wunderbare Motive aus Faust drinnen, die das Publikum auch bestimmt erkennen wird. Und Othmar Müller hat mehrere Opern-Paraphrasen von Adrien-François Servais vorgeschlagen, ein belgischer Cellist, der mit Liszt befreundet gewesen war. Von diesen habe ich mir dann die Fantasie und Variationen op.16 über Themen aus „La fille du régiment“ von Donizetti ausgewählt, die sehr hübsche Motive, aber halt auch furchtbar schwere Variationen für das Cello enthält. Sind künftig Bearbeitungen oder Kompositionen speziell für das Liszt Trio Wien angedacht? Ich denke, wir müssen uns zuerst einmal etablieren. Die Klaviertrio-Literatur ist im Grunde so riesig. Wir planen, ein, zwei bekannte Werke zu lernen und dann ein ausgefalleneres Stück, nicht modern, aber weniger bekannt. Vorerst gibt es, denke ich, genug Repertoire. Aber sollten wir einmal Lust auf Neues haben, wird sich bestimmt jemand finden, der das gerne für uns macht. Haben Sie Wünsche für die Zukunft? Ein oder zwei interessante Liederabende mehr pro Jahr wären schön. Es gibt da eine Handvoll etablierter Liedbegleiter, die weltweit begleiten und es ist schwer, an die Sänger heranzukommen. Ich vermisse die Zeit, in der Elisabeth Schwarzkopf noch gelebt hat, weil ich

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da immer mit dabei sein durfte, wenn sie Sängern etwas beigebracht hat. Das war schon sehr bereichernd. Darüber hinaus übernehme ich Mitte des Jahres die „Mozartgemeinde Wien“ und ich hoffe, dass wir noch eine Weile gut existieren können, da uns sowohl die Stadt Wien, als auch der Bund sang- und klanglos die Förderungen gestrichen haben. Jetzt müssen wir andere, private Sponsoren suchen, um weiterhin unsere Preise verleihen zu können. Solistisch möchte ich eigentlich nicht mehr arbeiten. Ich habe ja insgesamt 22 CDs als Solistin aufgenommen. Aber das habe ich mit der Professur in Wien abgeschlossen. Wenn ich 18 Studierende habe, kann ich nicht gleichzeitig auf Tourneen gehen. Mit der Kammermusik ist das einfacher. Ich muss dann ja auch weniger auswendig lernen. Man kommt mit anderen zusammen, probt gemeinsam. Das ist ein sehr schönes Erlebnis. Ich spiele sehr gerne im Trio und ich freue mich auf Raiding.

Sa. 17. März 2018, 19.30 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

LISZT TRIO WIEN KARIN ADAM, VIOLINE OTHMAR MÜLLER, VIOLONCELLO BARBARA MOSER, KLAVIER F. Liszt: Rigoletto. Paraphrase du concert

(für Klavier solo)

Le Carnaval de Pesth

F. Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr.9 – F. Chopin: Klaviertrio op.8

H. Wieniawski: Fantasie über Themen aus

Gounods „Faust“ op.20 (für Violine und Klavier) A.-F. Servais: Fantasie und Variationen op.16 über Themen aus „La fille du régiment“

von Donizetti (für Violoncello und Klavier)

Karten: € 39,- / 34,- / 29,- / 24,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at


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LISZTS UNGARISCHE, UN-UNGARISCHE MUSIK Mit den Ungarischen Rhapsodien hat Franz Liszt den Patriotismus des magyarischen Volkes bedient und ungeheure Popularität erlangt. Liszt selbst sprach nicht ungarisch, doch durch die Beschäftigung mit dem von ihm für ungarisch gehaltenen Musizierstil der Zigeuner regten sich auch im Europäer Franz Liszt selbst Gefühle der Zugehörigkeit zu seinem „fernen, wilden Volk“. Im Disput, wie viel Liszt in den Instrumentationen der Rhapsodien tatsächlich steckt, sieht sich Dirigent Martin Haselböck auf der Seite des Komponisten: „Purer Liszt“. Ein Beitrag von Johannes Koprivnikar.

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war griff Franz Liszt in seinen „ungarischen“ Schaffen gelegentlich auch echte magyarische Volksmusik auf, wie Serge Gut in seinem Standardwerk über Leben und Schaffen des Komponisten anhand von Themen in der zweiten Ungarischen Rhapsodie belegt; doch im Wesentlichen waren es die Zigeuner, die ihm breiten musikalischen Zugang zu seinem Geburtsland bereiteten. Er nannte sie daher „meine charmanten und hervorragenden Kollegen“. Dass die von den Roma gespielten Weisen nicht die autochthone Musik Ungarns waren, sollte erst ab Anfang des 20. Jahrhunderts durch die musikethnologischen Forschungen und Sammlungen Béla Bartóks und Zoltán Kodálys nachdrücklich in den Wissensstand der Musikgeschichte erhoben werden. Liszt glaubte laut Serge Gut, dass die von ihm in Ungarn ge-

sammelten und dann zunächst für Klavier bearbeiteten Weisen einem alten zigeunerischen Epos entsprachen und von den Ungarn in deren Musik aufgenommen wurden. In Wahrheit lag seinen „ungarisch“ inspirierten Werken zum größten Teil volkstümliche Kunstmusik der Zigeuner zugrunde, die einem besonderen Ziel galt: im Auftrag der österreichischen Armee Soldaten zu rekrutieren. Gespielt und getanzt auf den Plätzen der Dörfer und Städte, sollte diese melodisch und rhythmisch stimulierende Musik junge Männer dazu ermutigen, sich zum Kriegsdienst anwerben zu lassen. Aus diesen ab dem 18. Jahrhundert üblichen „Verbunkos“ (Werbetänze) entwickelte sich ein im Wesentlichen von den sogenannten Zigeunerskalen geprägter Musikstil, der von Liszt und

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der Allgemeinheit als „ungarisch“ empfunden wurde. Liszt sammelte solche Musik während seiner ersten Rückkehr in sein Herkunftsland 1838, als er „zu Fuß, mit dem Bündel auf dem Rücken, die einsamsten Gegenden Ungarns“ zu erkunden versuchte. Das umfangreiche Material bearbeitete er in der für ihn typischen brillanten Manier für Klavier und fasste es in der Sammlung „Magyar Dallok“ (Ungarische Nationalmelodien) zusammen, die er beim Wiener Verlag Tobias Haslinger herausgeben ließ. Später, ab 1846 nach einem weiteren Aufenthalt in Ungarn und Osteuropa, ließ er diese Bearbeitungen in „Magyar Rápszódiak“ (Ungarische Rhapsodien) umbenennen. Von humanistischer Bildung und Gesinnung geprägt, fühlte sich Liszt im Umgang mit der vermeintlichen

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ungarischen Nationalmusik als Nachfahre der altgriechischen fahrenden Sänger, der Rhapsoden, die landauf, landab Epik vor allem von Homer vortrugen: „Während meines Aufenthalts in Ungarn habe ich eine Menge Fragmente gesammelt, mit deren Hilfe man das musikalische Epos dieses seltsamen Landes, für dessen Rhapsoden ich mich halte, ganz gut wiederherstellen könnte“ schrieb Liszt an seine damals Noch-Geliebte Marie d’Agoult. Dem „style hongroise“ zollte er auch schriftstellerisch in seinem 1859 publizierten Buch „Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn“ Tribut. Darin befasste er sich mit den Stilmitteln, der Improvisationskunst und dem Charakter der Zigeuner. Und pathetisch schreibt er, dass er die Rhapsodien deshalb ungarisch genannt habe, weil es „Unrecht wäre, in Zukunft zu trennen, was in der Vergangenheit vereinigt gewesen wäre. Die Magyaren haben die Zigeuner als Nationalmusiker angenommen. […] Ungarn hat also ein gutes Recht, eine Kunst die seine zu nennen, die von seinem Korn und seinen Reben genährt, in seiner Sonne gereift, in seinem Schatten aufgewachsen ist, die von ihm mit Begeisterung gehegt worden, durch seine Liebe und Fürsorge verschönt worden ist.“ Allerdings stellte sich die Begeisterung der Ungarn für die Zigeunermusik nicht immer ganz so eindeutig dar wie von Liszt beschworen. Berichtet wird, dass Liszts schriftstellerische Hommage an das Zigeunertum nicht unwidersprochen blieb: Indem er die Musik der Roma als die „musikalische Dichtung“ seiner Heimat betrachte, degradiere und verkenne Liszt die Magyaren, die für ihn nicht mehr als das Wirtsvolk der Zigeuner seien“, erregte man sich in Ungarn. Derart kritische Ausreißer ändern freilich nichts daran, dass Liszt mit der in seinem Werk verwobenen Zigeunermusik den Nerv der unter dem Joch der Habsburger leidenden Magyaren traf und die für ihn gehegte Verehrung „Mainstream“ war. Auch wenn es nicht originäre ungarische Musik war, die ihnen da entgegenschlug, ließen

sich die Ungarn vom zigeunerisch inspirierten Oeuvre in ihrer Identität bestärken und projizierten ihre nationalen Sehnsüchte in die Person des Komponisten. Von der Popularität und der geradezu ausladenden Adoration, die Liszt in seiner Heimat genoss, geben die ihm zuteil gewordenen unfangreichen Ehrungen Kunde. Als Liszt im Jänner 1840 ein Konzert im Nationaltheater von Pest mit der Klavierbearbeitung des musikalischen Nationalheiligtums „Rákóczi-Marsch“ beschlossen hatte, traten sechs Magnaten in ungarischer Nationaltracht an ihn heran und dekorierten ihn mit einem edelsteinbesetzten Ehrensäbel. Er wurde mehrfach zum Ehrenbürger und Ehrenrichter gewählt, und selbst die Erhebung in den Adel fasste man ins Auge, wovon sich Liszt überaus geschmeichelt fühlte. Einen pathetisch-literarischen Gipfel hatte die Verehrung 1841 mit der Ode des ungarischen Nationaldichters Mihály Vörösmarty erreicht, worin der Komponist als „Großer Lehrer“ angerufen wurde – mit der Aufforderung: „Lass dein Lied ertönen / Wenn es von vergangnen Tagen schallt / Soll dein Flügel wie der Sturm erdröhnen / In dem unsres Kampfes Donner hallt / Und im Strom der ungestümen Klänge / Solln ertönen die Triumphgesänge.“ Franz Liszt, der ganz und gar europäische Geist, der „Prototyp“ des Europäers, suhlt sich im Nationalheldentum? Die patriotische Pose wurde in seiner frühen künstlerischen Heimat Paris wie auch andernorts immer wieder belächelt – und auch Liszt blieb gelegentlich nicht frei von (selbst-)ironischer Reflexion. Doch an seinem europäischen Horizont ändert dieser Patriotismus nichts, er war wohl der emotionalen Wiederentdeckung seines Herkunftslandes, dem Mitgefühl mit den von Überschwemmungskatastrophen heimgesuchten und von den Habsburgern unterdrückten Ungarn und dem ihm vom Volk entgegengebrachten Enthusiasmus geschuldet. Die später vorgenommene Wandlung der als virtuose Klavierstücke konzipierten Rhapsodien zu ungemein effektvollen

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und publikumswirksamen Orchesterstücken wird gelegentlich auch der von Liszt angestrebten Neupositionierung als umfassende Künstlerpersönlichkeit zugeschrieben: der Abkehr vom bloßen Virtuosentum zum Musiker mit hohem kompositorischem Anspruch. Bei der Instrumentierung bediente sich Liszt der Künste des Flötisten, Komponisten, Dirigenten und Freundes Franz Doppler, den er auch als Co-Autor auswies. Damit nicht genug, erreichte die Fremdarbeit an Liszts Werken geradezu vorindustrielle Ausmaße: Für Klavier gesetzte Stücke wurden an die Werkstatt seiner Schüler und Assistenten weitergereicht und dort zu Versionen für Klavier zu vier Händen, Harmonium oder Orgel, für Kammermusikensembles oder Orchester weiterverarbeitet. Diese Verwertungsmaschinerie sorgte immer wieder für Spott und Hohn und wurde Liszt von eifersüchtigen Zeitgenossen übelgenommen. Noch heute scheiden sich die Geister, bis zu welchem Grad Orchesterwerke wie die Ungarischen Rhapsodien als originäres Oeuvre Liszts betrachtet werden können. Für den Dirigenten Martin Haselböck besteht kein Zweifel, daran, dass es sich um unverwässertes Schaffen von Liszts Geist handelt: „Er hat die Bearbeitungen seiner Schüler immer wieder revidiert, und meine im Lauf der Jahre gesammelten Erfahrungen zeigen, dass keine einzige nicht von ihm autorisierte Note hinausgelangt ist“, stellt Haselböck klar.

So. 18. März 2018, 11.00 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

ORCHESTER WIENER AKADEMIE LEITUNG: MARTIN HASELBÖCK F. Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr.3 Des-Dur F. Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr.5 e-moll F. Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr.6 D-Dur F. Liszt: Hungaria – Symphonische Dichtung Nr.9 F. Liszt: Ungarischer Sturmmarsch

Karten: € 69,- / 59,- / 49,- / 39,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at


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OPTIMISMUS, MUT UND DURCHSETZUNGSKRAFT! 2018 gibt es in Sachen Liszt und Raiding gleich zwei Jubiläen zu feiern. Einerseits wird der Liszt Verein 50 Jahre alt, andererseits sind die Intendanten zehn Jahre in Amt und Würden. Wie im heurigen Jahr gefeiert wird, verraten Johannes und Eduard Kutrowatz im Gespräch mit Christoph Wellner, Chefredakteur von radio klassik Stephansdom in Wien und Gründungsvorstand der Wiener Franz Liszt-Gesellschaft.

W

EK: Der Eindruck täuscht nicht – am 23. März wird es ein Konzert mit Johannes als Dirigenten geben, bei dem mein neues „Concerto für zwei Klaviere, Streicher und Schlagzeuger“ uraufgeführt wird.

ren geht es natürlich auch um Patronanzen, die wir für dieses Orchester gewinnen wollen. Da gibt es schon einige fruchtbare Gespräche – es ist heute aber noch zu früh, um hier in Details zu gehen.

EK: Der Liszt Verein Raiding feiert sein 50-JahrJubiläum. Er ist eigentlich der Trägerverein des Festivals, so etwas wie die „Freunde des Liszt Festivals Raiding“ geworden. Es wird eine umfangreiche Festschrift geben und das Archiv wird aufgearbeitet – hier ruhen noch verborgene Schätze und Kuriositäten aus der LisztZeit! Wir feiern Anfang März mit einem so genannten Pre-Opening, bei dem Boris Bloch auf dem Liszt-Flügel von Erard aus dem Jahr 1852 spielen wird. Quasi auch eine kleine Vorwegnahme seines Konzerts vom 16. März, bei dem er auf einem modernen Flügel und auf dem historischen Instrument von Franz Liszt konzertieren wird.

Sie treten mit dem Liszt Festival Orchester auf. Ist das nun der eigene Klangkörper für das Liszt Festival in Raiding? Wie kann man so etwas realisieren?

Woher stammen die Musiker für das Liszt Festival Orchester?

ie wird heuer in Raiding gefeiert?

JK: Der Star des Festivals, Franz Liszt, wird ja jedes Jahr gefeiert. Heuer haben wir zwei äußere Anlässe, die dazu gekommen sind.

JK: Das ist mit zähen Verhandlungen verbunden. Als erstes ist der budgetäre Rahmen zu klären, dann die organisatorischen Grundbedingungen, um letztendlich mit einer gesunden Portion Optimismus, Mut und Durchsetzungskraft alles auf Schiene zu bringen. Da braucht es starke Intendanten, die auch Hand anlegen – in unserem Fall mit Komponierstift und Dirigentenstab! Wie finanziert sich das Liszt Festival Orchester?

Sie beide sind nun zehn Jahre als Intendanten in Raiding tätig. Aus diesem Grund scheint es mir, dass Sie sich etwas geschenkt haben, das jenen Qualitäten und Talenten entspricht, die vielleicht sonst neben dem Klavierspielen, dem Unterrichten und dem Festivalprogrammieren ein wenig zu kurz kommen...

JK: Das Orchester ist beim Liszt Festival Raiding angesiedelt und im Budget des Festivals verankert. Das haben wir uns gewünscht und letztendlich möglich gemacht. EK: Im Zuge der Verhandlungen mit Sponso-

JK: Es ist natürlich naheliegend, dass man in europäischen Dimensionen denkt, wenn man ein Liszt Festival Orchester ins Leben rufen will – Franz Liszt war ja der Europäer schlechthin! Der Konzertmeister und die Stimmführer sind aus der europäischen Szene besetzt – als Beispiele seien hier stellvertretend der Solocellist aus der Prager Staatsoper oder der Solobassist aus der Oper in Bratislava angeführt. EK: Aber auch aus Spanien, Portugal oder Deutschland haben wir Musikerinnen und Musiker engagiert; auch Freunde, die wir im Zuge unserer Reisetätigkeit kennen gelernt haben und denen wir vertrauen. JK: Wir setzen hier hoch an und greifen bewusst nach den Sternen, wenn wir mit dem Lucerne Festival oder dem European Chamber Orchestra Vorbilder nennen!

PHILHARMONIX

THE IDOLS

Dienstag | 20.3.2018 19:30 Uhr

Karten: € 49,– | € 41,– | € 33,– Vorverkauf und Abendkasse

Informationen & Tickets: Franz Schubert-Platz 6 | 7000 Eisenstadt t +43 2682 719 1000 kulturzentren.at

© Max Parovsky


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EK: Ich wollte ursprünglich fünf Schlagwerker einsetzen. Als gelernter Schlagzeuger weiß ich, was möglich ist und habe mich dann entschlossen auf zwei zu reduzieren. Ein Spieler hat als Hauptinstrument das Vibraphon, der andere ist mehr Perkussionist – also mit Bongos, Congas oder Chimes etwa. In meiner Vorstellung sollen die beiden Schlagzeuger wie ein Klangkörper klingen. Neben der Uraufführung des „Concertos“ erklingen noch Tschaikowskys „Serenade für Streicher in C-Dur“ sowie die Suite „Aus Holbergs Zeit“ von Edvard Grieg. Wie viele der Musikerinnen und Musikern sind fixe Mitglieder des Orchesters? JK: Das ist aus heutiger Sicht noch schwer zu sagen, da ja alles neu ist. Wir arbeiten heuer das erste Mal zusammen und werden noch einige Posten zusätzlich besetzen. Wir wollen aber mit einem größtenteils fixen Orchester ab 2019 zyklisch in Raiding spielen. Und wir sind ab 2019 auch absolut „käuflich“! Wie groß ist das Liszt Festival Orchester insgesamt? JK: Wir sind aufgrund der vorhandenen Saalgröße in Raiding gezwungen auch die Orchestergröße darauf abzustimmen. Der Saal ist akustisch Weltklasse; von der Größe hätten wir schon oft gerne mehr Platz zur Verfügung. Wobei man hinzufügen muss, dass die Größe der Bühne in etwa jener des Weimarer Hoftheaters entspricht. Liszt hat viele seiner Werke, aber auch Werke anderer Komponisten, dort aufgeführt. Aber um ihre Frage zu beantworten: rund 55 Musikerinnen und Musiker werden das Orchester bilden. Stammgäste des Festivals und eifrige CDKäufer könnten die Vermutung anstellen, dass es ja mit der Wiener Akademie bisher auch schon ein Liszt Festival Orchester in Raiding gegeben hat. Wie sieht diese Kooperation in Zukunft aus? Wie teilen Sie sich das Repertoire? JK: Die Wiener Akademie unter Martin Haselböck wird Gastorchester in Raiding bleiben – selbstverständlich! Das Orchesterwerk von Franz Liszt ist ja angetan nicht nur einmal gehört zu werden! Programmatisch wird es hier Reprisen geben, die beispielsweise um Symphonische Dichtungen anderer Zeitgenossen ergänzt werden. Sie dürfen ja nicht vergessen, dass alleine schon vom Orchesterklang ein großer Unterschied bestehen wird, da ja die Wiener Akademie auf Originalinstrumenten spielt – das Liszt Festival Orchester hingegen verwendet modernes Instrumentarium.

Bedingt in diesem Fall modernes Instrumentarium auch moderne Musik? Sie haben bereits die Uraufführung des „Concertos“ Ihres Bruders erwähnt. JK: Wir nehmen auch in Bezug auf unser neues Orchester Franz Liszts Bekenntnis als Auftrag und Herausforderung: „Mein einziges Bestreben als Musiker war und ist es, meinen Speer in die unendlichen Räume der Zukunft zu schleudern!“ Damit ist klar, dass wir uns auch mit den Schätzen der zeitgenössischen Musik beschäftigen wollen. Die Moderne wird ein wichtiger Repertoireschwerpunkt! Damit kommen wir zum Programm des Debütkonzerts des Liszt Festival Orchesters. Frage an den Komponisten: Wie sind Sie an die Konzeption dieses „Concertos für zwei Klavier, Streicher und Schlagzeuger“ gegangen? EK: Die Konzeption war die Hauptarbeit – das ist sie immer bei mir. Ich bin ein sehr konservativer Schreiber: ich komponiere mit Bleistift auf Papier. Ich entwerfe Skizzen und Themen, beschäftige mich mit Tonartenverhältnissen und zeichne oft auch graphisch die Architektur des Werkes. Ich hatte das Konzert bis Jahresende 2017 fertig komponiert, die Orchestrierung war Ende Jänner vollendet. Wollen Sie schon ein paar Details zu Aufbau, Dauer und Klang verraten? EK: Das Konzert dauert ca. eine halbe Stunde und hat vier Sätze – mit einem Novum: Ich habe zwischen die einzelnen Sätze kurze Intermezzi gesetzt. In diesen drei Zwischenspielen steht immer einer der drei Klangkörper dieser Komposition solistisch im Mittelpunkt. Zwischen ersten und zweiten Satz spielen die beiden Klaviersolisten, zwischen zweitem und dritten Satz erklingt ein Streicherintermezzo in Walzerform und vor dem Schlusssatz gibt es ein Schlagzeugsolo als perkussive Einleitung. Im Titel Ihrer Komposition steht „für Schlagzeuger“. Wie viele Schlagzeuger?

JK: Mit den beiden von Ihnen genannten Stücken erfülle ich mich einerseits einen Wunsch diese auch nach meinen Vorstellungen zu dirigieren. Man kann sagen, dass sie zu meinen „Herzensstücken“ gehören. Andererseits hatte es auch einen praktischen Grund: Wenn man mit einem neuen Orchester startet, ist die Ausbildung des Streicherklangs von enormer Wichtigkeit! Daher Stücke für Streichorchester. Kein Liszt beim Debüt bzw. beim IntendantenJubiläum? EK: Es gibt auch Liszt in diesem Konzert: Das Klavierintermezzo zwischen erstem und zweitem Satz basiert auf der Consolation Nr.4 von Franz Liszt!

Fr. 23. März 2018, 19.30 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

LISZT FESTIVAL ORCHESTER KLAVIERDUO KUTROWATZ LEITUNG: JOHANNES KUTROWATZ P.I. Tschaikowsky: Serenade für Streichorchester C-Dur op.48 E. Grieg: Aus Holbergs Zeit op.40 E. Kutrowatz: Concerto für 2 Klaviere und Orchester (UA)

Karten: € 59,- / 51,- / 43,- / 35,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at


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UNBEGRENZTE FÄHIGKEITEN Der 1977 in Leningrad geborene Alexei Volodin gehört seit seinem Gewinn des Concours Géza Anda in Zürich zur Weltelite und ist – laut BBC Music Magazine – einer der aufregendsten jungen Pianisten unserer Zeit. Sein Konzert beim Liszt Festival trägt den Titel „Widmungen“ und umfasst neben Liszts h-moll Sonate auch Schumanns seinem Kollegen Chopin gewidmeten Klavierzyklus „Kreisleriana“, den er selbst für die beste seiner Klavierkompositionen hielt. Ein Künstlerportrait von Ljubisa Tosic, Kulturredakteur der Tageszeitung „Der Standard“.

D

irigent Carlos Kleiber hat seinem italienischen Kollegen Riccardo Muti einmal anvertraut, so erzählt es der Italiener, es gäbe für ihn Musik, die besser auf dem Notenpapier bliebe, niemals das Licht der klingenden Welt erblicken sollte. Der sensible Kleiber meinte nicht schlechte Musik, sondern sehr gute. Es sei nur so, dass die Vorstellung eines Musikers vom Werk und dessen idealer Erscheinung manchmal in der Realität nicht erreicht werden könne. Ein rigoroser Standpunkt allerdings. Es scheint produktiver, ein Ideal anzustreben, im Bewusstsein, es zwar nicht vollends erreichen zu können. Aber der Versuch ist zu wagen – auch der russische Pianist Alexei Volodin wird das wohl so sehen. Er ist sich ja auch der Rezeptionsgeschichte von Werken deutlich bewusst: Es sei ihm wichtig, was andere geschätzte Kollegen zu Stücken gedacht, wie sie

diese interpretiert haben. Dies zu wissen und hörend zu erfahren, inspiriere ihn. Letztlich aber sei der Interpret natürlich einsam. Es bleibe ihm nichts anderes, als spielend ehrlich zu sich selbst und zum Komponisten zu sein. Man mag an einen Satz von Dirigent Daniel Barenboim denken: „Die geschriebenen Noten können uns die Vorstellungskraft des Komponisten vermitteln – seine unausgedrückten Gedanken. Doch nur durch unsere Fantasie können wir die Bedeutung des Geschriebenen verstehen. In der Musik kann es keine Trennung zwischen Gedanken und Emotion geben, zwischen Vernunft und Intuition. Doch nach jeder Beobachtung und Analyse gibt es immer ein Element, das unbegreiflich bleibt.“ Ja, etwas Unbegreifliches bleibt. Ein großer Interpret lüftet jedoch mit

seiner subjektiven Vision immerhin einen Teil des Geheimnisses. Interpretation bleibt so ein spannendes Abenteuer – Alexei Volodin dazu: „Perfekt kann eine Maschine sein oder ein Computer. Aber in künstlerischen Dingen kann es keine Perfektion geben, das wäre das Ende jeder Kunst.“ An die Stelle von „Perfektion“ würde er den Begriff der „Inspiration“ sehen. In diesem – von Inspiration getragenen – abenteuerlichen Erhellen des Werkes sieht sich Volodin dann aber durchaus als Teil der russischen Klavierschule: Er wehrt sich nicht gegen diesen Begriff, nennt bezüglich dieser Ausrichtung die Attribute „großer, warmer und runder Klang.“ Technische Kontrolle sei selbstverständlich Teil dieser Schule wie auch eine singende Anlage der Phrasen. Auch All-

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Virtuosität begeben. Es ist übrigens nur eines der Widmungen in Volodins Konzert: Es erklingt nämlich auch Robert Schumanns Kreisleriana op.16, ein Chopin gewidmeter Klavierzyklus. Zudem hört man Chopins Ballade No.2 F-Dur op.38, die zwischen 1836 und 1839 komponiert und Robert Schumann gewidmet wurde. Auch ein wahres Virtuosenstück, gut bei Volodin aufgehoben, der meint, man sollte als guter Pianist alles spielen können. Sein eigenes Repertoire reicht letztendlich von Beethoven und Bach bis hin zu Tschaikowsky, Rachmaninow, Prokofjew und Skrjabin zu Gershwin, Schtschedrin und Kapustin.

gemeinwissen – Volodin nennt die Philosophen Arthur Schoppehauer, Immanuel Kant und Spinoza als Teil der russischen Bildung. Der Sohn eines Offiziers und einer Ingenieurin, der mit neun Jahren, also recht spät begann, Klavier zu spielen und in Moskau studierte, ist also ein umfassend geschulter und tief grübelnder Künstler. Dazu passt, dass er Sergei Rachmaninow, Emil Gilels und Mikhail Pletnev zu seinen Vorbildern zählt. 1977 in Leningrad geboren, studierte er am Gnessin-Institut Moskau, wo er zuerst bei Irinia Tschaklina und später bei Tatjana Selikman Unterricht bekam. Mit 17 Jahren setzte er seine Ausbildung bei Elisso Wirsaladse am Moskauer Konservatorium fort, später vollendete er sein Studium an der International Piano Foundation Theo Lieven in Como. Das Jahr 2003 war dann besonders wichtig. Da gewann Volodin den 1. Preis beim Concours Géza Anda Wettbewerb in Zürich. Die Jury nannte ihn mutig, kompromisslos, meinte, Volodin vertrete seine Ansichten auf Grundlage einer nicht nur hervorragend, „sondern erregend ausgebildeten Technik“. Volodin käme seiner Zuhörerschaft nicht bequemend entgegen. Er stelle Interpretation in den Dienst der Auseinandersetzung und Kommunikation (auch zusammen mit Dirigenten wie Christopher Hogwood, David Zinman und Vladimir Fedoseyev). Dies mache ihn jedoch nicht zum Provokateur im Sinne der Publicity.

Alexei Volodin geht es um künstlerische Inhalte, nicht um Show. Eine der zentralen Fragen, die sich einem Interpreten stellen, wie frei nämlich der Musiker ist, wie viel Individualität er sich leisten kann, beantwortet er denn auch nachdenklich: Die Frage sei „nicht leicht zu beantworten, das müsste man im Einzelfall und an markanten Beispielen diskutieren. Prinzipiell würde ich sagen, dass jedes Musikstück einen bestimmten Rahmen vorgibt, innerhalb dessen man viel Freiheit hat. Wie sehr man diese Freiheit nutzt, ist letztlich auch eine Frage des Geschmacks. An erster Stelle sollte aber immer der Respekt vor dem Stück und dem Willen des Komponisten stehen. Wenn ein Musiker eine starke Persönlichkeit ist, wird diese Persönlichkeit auch zum Ausdruck kommen, wenn er ,nur‘ spielt, was der Komponist vorgegeben hat. Ein Künstler hat Extravaganzen nicht nötig. Und wer anders spielt um des Andersseins willen, bei dem bleibt kaum mehr übrig als Manierismus und Oberflächlichkeit.“ Das ist sehr treffend ausgedrückt. In Raiding wird man die musikalische Umsetzung dieser Worte anhand von Stücken der Romantik erleben können: Empfindungsreich wird wohl seine Version von Franz Liszts Sonate h-moll werden: Das gewaltige Stück, Robert Schumann gewidmet, darf wohl als Gipfel der Klavierliteratur bezeichnet werden. Da ist tieflotender Ausdruck zu finden, in dem sich Expressivität und Poesie auch unter die Obhut von

Dennoch sind da Favoriten und sie kommen bei ihm letztlich aus dem romantischen Repertoire, dem auch die angesetzten Stücke angehören. Grundsätzlich spielt er ja gerne, „was mich mit Melodie, Harmonie und Struktur anspricht“, und dazu meinte die Frankfurter Allgemeine: „Volodin, obwohl erst relativ spät zu seinem Instrument gekommen, scheint in spieltechnischer Hinsicht über unbegrenzte Fähigkeiten zu verfügen, aber offenbar nicht zu überbordendem Exhibitionismus zu neigen.“ Kein Selbstdarsteller also, eher ein Musiker im Dienst des Werkes, welcher in der Musik vielleicht mehr als nur tönend bewegte Formen sieht – wie Arthur Schopenhauer, der meinte: „Allgemein und zugleich populär redend kann man den Ausspruch wagen: die Musik überhaupt ist die Melodie, zu der die Welt der Text ist.“

Sa. 24. März 2018, 19.30 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

ALEXEI VOLODIN, KLAVIER F. Liszt: Sonate h-moll R. Schumann / F. Liszt: Widmung R. Schumann: Kreisleriana op.16 F. Chopin: Ballade No.2 F-Dur op.38

Karten: € 49,- / 42,- / 35,- / 28,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at

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ZURÜCK ZU DEN WURZELN Die auf allen internationalen Opern- und Konzertbühnen der Welt gefeierte Sopranistin Ildikó Raimondi versteht es wie kaum eine andere Sängerin, Gefühle darzustellen, Stimmungen zu schildern und Geschichten zu erzählen. Das Programm in Raiding spannt diesmal einen großen musikalischen Bogen von Eisenstadt über Wien nach Frankreich und Japan und stellt spannende Querverbindungen zwischen Haydn, Mozart, Liszt und den japanischen Haikus von Eduard Kutrowatz her. ORF-Kulturredakteurin Silvia Freudensprung-Schöll im Gespräch mit Ildikó Raimondi.

F

rau Raimondi, Sie sind eine vielbeschäftigte Frau, zum einen treten Sie in Wien in der Staatsoper regelmäßig auf, zum anderen unterrichten Sie im Mozarteum in Salzburg. Gemeinsam mit Eduard Kutrowatz bereiten Sie einen Liederabend mit dem Titel „Begegnungen“ für das Liszt Festival vor. Sie haben auch schon eine CD mit demselben Titel – ein Lied von Franz Liszt – aufgenommen. Wird bei Ihrem Liederabend auch etwas von der CD zu hören sein? Auf der CD haben wir die Zeit von Franz Liszt der Gegenwart begegnen lassen, neben Liedern von Franz Liszt ist Zeitgenössisches zu hören, darunter sogar Uraufführungen, ganz druckfrische Kompositionen von Eduard Kutrowatz. Bei dem Liederabend im März gehen wir noch ein Stück weiter zurück zu den Wurzeln. Wir bringen auch ausgewählte Lieder von Haydn und Mozart. Beides Komponisten, die auch für Liszt Inspirationsquellen waren. Zurück zu „Begegnungen“: Sie hatten vor Jahren eine Begegnung mit Eduard Kutrowatz. War das so, dass sie beide gleich wussten, wir sind auf einer Wellenlänge? Es ist sicher das schönste Geschenk, das uns das Leben macht, wenn es uns Begegnungen mit wertvollen Menschen schenkt. Die Begeg-

nung mit Eduard Kutrowatz gehört zu diesen Geschenken. Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden, weil wir beide voller Ideen waren und sind. Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich bei Liederabenden ein breites Spektrum bieten kann und da habe ich in Eduard Kutrowatz den richtigen Partner gefunden. Natürlich ist für ihn Liszt der große Mittelpunkt, er leitet ja auch dieses wunderbare Liszt Festival in Raiding. Und ich glaube, es gibt kaum einen Komponisten, der sich so gut als Mittelpunkt eignet. Liszt war ja selber ein unglaublich offener Mensch, der viel Innovatives in die Musikwelt gebracht hat. Es ist jetzt das siebente Mal, dass Sie nach Raiding kommen. Was fasziniert Sie an Raiding so sehr? Oh, das freut mich sehr, dass Sie mir sagen, dass ich schon zum siebenten Mal nach Raiding komme, ich habe gar nicht mitgezählt. Ich fühle mich sehr verbunden mit diesem Platz, dem wunderbaren Saal mit der traumhaften Akustik. Schon allein für das Erlebnis dieses wunderbaren Klangraums würde es sich lohnen, nach Raiding zu fahren. Für mich als Künstlerin besteht aber darüber hinaus noch die ganz, ganz große Freude, hier sehr spannende, neue Programme präsentieren zu können.

Denn das Publikum von Raiding ist sehr offen und neugierig. Es gibt hier bereits ein großes Stammpublikum, das nicht nur Neugier und Interesse mitbringt, sondern auch Wissen. Und diese Gesamtheit – das Publikum, der Saal, die gute Akustik und natürlich Eduard Kutrowatz auf dem hervorragenden Flügel – das macht jedes Konzert zu einem Fest. Eduard Kutrowatz hat mir gesagt, es wird auch Uraufführungen geben... Ja. Roland Hagenberg hat kürzlich einen wunderbaren Gedichtband herausgegeben, daraus hat Eduard Kutrowatz das Gedicht „Vor meinem Fenster“ entnommen und eine wunderbare Komposition erstellt. Dieses Stück haben wir auf CD aufgenommen. Da ich aber zur CDPräsentation nicht kommen konnte, weil die Staatsoper mich in letzter Minute gebraucht hat, wurde das Lied von einem lieben Tenorkollegen gesungen. Die Sopranfassung wird aber beim Konzert eine Uraufführung sein. Auch Haikus von Eduard Kutrowatz werden wir uraufführen. Das sind ganz kurze Gedichte, eine uralte, japanische Dichtungsform. Ein Haiku ist keine Melange, kein Verlängerter, sondern ein ganz kleiner Espresso – mit wenigen Worten wird das Essentielle einer Situation dargestellt. Entsprechend sind das auch sehr kurze Lieder, die nur

Tipp:

Das Interview können Sie am Donnerstag, 22. März um 20.04 Uhr in ORF Radio Burgenland Extra hören.

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Ja, das ist es und ich hoffe, dass meine Studenten das auch so empfinden. Ich habe, als ich jung war, das Glück gehabt, wertvollen Menschen zu begegnen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben. Das waren Gesangslehrer, Dirigenten, Pianisten, Regisseure, liebe Freunde, Fans und die Familie. Das alles hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Das Unterrichten ist für mich ein nahtloser Übergang vom Nehmen zum Geben. Ich sehe meine Lehrtätigkeit als eine Möglichkeit, jungen Talenten zu helfen, ihren Weg zu finden und das erfüllt mich mit großer Freude. Zuvor freuen Sie sich aber auf den Liederabend in Raiding, wann geht es in die intensive Probenphase? ein bis zwei Minuten dauern. Ich bewundere die Kraft, mit der Eduard Kutrowatz so konzentrierte Texte vertont hat. Unser Haiku-Zyklus heißt „Schwellender Duft“, es sind sieben Haikus von Benno Ostermayer, der eigentlich Arzt ist, in München lebt, leidenschaftlich gerne Haikus schreibt und als Arzt für Naturheilweisen sich sehr viel mit der Verbindung zwischen Mensch und Natur beschäftigt. Fünf von den Haikus sind schon fertig, die letzten beiden entstehen jetzt in diesen Tagen. Auch eine Gruppe von drei Wagner-Liedern befindet sich im Programm. Zwei Lieder davon erzählen vom Gretchenthema, das dritte wird eine Uraufführung. Denn bei „La tombe et la rose“ ist uns nur die Melodie von Wagner überliefert. Eduard Kutrowatz wird eine Begleitung dazu schreiben.

nur durch uns werden sie lebendig – wir sind der Klangkörper dafür.

Neue Musik, die noch nie aufgeführt wurde… Was ist der besondere Reiz, die besondere Herausforderung einer Uraufführung?

Ja, ich schätze das Jetzt, weil ich das Leben mag und ich weiß, dass das Leben dann am schönsten ist, wenn man die Kraft hat, es im Jetzt zu leben. Als Sängerin verbringe ich sehr viel Zeit mit der Vergangenheit. Der größte Teil meines Repertoires stammt aus dem 19. und 20. Jahrhundert, vor allem, was die Opernbühne betrifft. Zu wissen, wo sich die Musik heute befindet, ist aber sehr wichtig, und ich versuche, diese Liebe zur zeitgenössischen Musik nicht nur an das Publikum, sondern auch an meine Studenten vom Mozarteum in Salzburg weiter zu geben. Beim nächsten Klassenabend werden nur Lieder von lebenden Komponisten gesungen. Die Blicke meiner Studenten, als ich das verkündet habe, waren ein Erlebnis für mich. „Ach, Frau Raimondi, wirklich, wir singen nur Zeitgenössisches?“ „Ja, und mit zeitgenössisch meine ich Komponisten, von denen ich die meisten auch persönlich kenne und das sind, Gott sei Dank, sehr viele.“ Und ich muss sagen, ich habe mit diesen auch die allerbesten Erfahrungen.

Uraufführungen haben vor allem für den Zuhörer eine große Magie. Für uns Ausführende ist das Werk zum Zeitpunkt der Uraufführung ja nicht mehr so neu. Der Text war zuerst da, den kenne ich, den kennt der Komponist – in diesem Fall Eduard Kutrowatz. Irgendwann bekomme ich dann die Nachricht: Das Lied ist fertig! und ich bekomme die Noten. Das ist die allererste visuelle Begegnung mit dem Lied. Manchmal ist es auch so, dass ich vorab gar nichts bekomme. Wir treffen uns, er spielt das neue Lied am Klavier und ich lese es vom Blatt. Das ist ein unglaublich schöner, frischer Moment. Dann fängt die Arbeit an, an den Farben, am Ausdruck. Manchmal kommen Vorschläge von mir, wenn ich mir die eine oder andere Stelle anders vorstelle oder spüre – oder auch umgekehrt. Der Zugang zu einem Werk, bei dem man bei Null anfängt, ist ganz anders als bei Liedern, die es schon hunderte Jahre gibt und von denen man unzählige Interpretationen gehört hat. Aber auch die sind spannend, denn

Kann es sein, dass Sie bei einer Uraufführung einen Maßstab setzen, eine Vorgabe machen für künftige Interpretationen? Maßstab vielleicht nicht, aber Vorgabe sicher. Es ist eben die erste Möglichkeit einer Interpretation. Nicht nur für andere, sondern auch für uns selbst ein Referenzpunkt. Denn auch wir haben zu demselben Liederzyklus, obwohl wir einige Wochen daran arbeiten, sicher in einem Jahr einen anderen Zugang. Sie schätzen moderne Musik überhaupt, oder täusche ich mich da?

Ist es Ihnen eine große Freude, Ihr Wissen an junge Menschen weiterzugeben?

Wir probieren derzeit die Lieder, die schon feststehen und vor allem die Uraufführungen, die auf uns zukommen. Es wird dann im Februar eine kleine Pause geben, und dann, im März, so zehn Tage vor dem Liederabend, gehen wir endgültig auf das große Ziel hin.

So. 25. März 2018, 18.00 Uhr Franz Liszt Konzertsaal Raiding

ILDIKÓ RAIMONDI, SOPRAN EDUARD KUTROWATZ, KLAVIER F. Liszt: Wieder möchte’ ich dir begegnen Kling leise mein Lied Jeanne d'Arc au bûcher J. Haydn: Das Leben ist ein Traum Die zu späte Ankunft der Mutter Eine sehr gewöhnliche Geschichte W.A. Mozart: An Chloe ● Warnung Abendempfindung E. Kutrowatz: Lieder und Haikus nach Texten von Roland Hagenberg und Benno Ostermayr

Karten: € 49,- / 42,- / 35,- / 28,LISZTZENTRUM RAIDING 7321 Raiding, Lisztstraße 46 T +43 (0)2619-51047 raiding@lisztzentrum.at webshop: www.lisztfestival.at


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CD EMPFEHLUNGEN VON THOMAS MERSICH

Boris Bloch: Franz Liszt – Live-Aufnahmen vom Liszt Festival Raiding CD ERSCHIENEN 2015 BEI GRAMOLA (NR. 99070) Die zur zehnten Saison des Liszt Festivals Raiding erscheinende Edition mit Live-Aufnahmen von allen Liszt-Recitals von Boris Bloch enthält neben den drei Büchern der „Années de Pèlerinage“, die gesamten „Harmonies poétiques et religieuses“, Opernparaphrasen über Werke von Händel und Wagner, sechs polnische Lieder nach Chopin sowie Polonaisen, Konzertetüden und andere Klavierstücke auf insgesamt 6 CDs – ein Meilenstein in der Geschichte der CDAufnahmen mit Werken von Franz Liszt! „Feinste Klangpoesie und tiefgründige Dramatik: Mit seiner Liszt-Edition ist dem Pianisten Boris Bloch ein Meisterwerk gelungen, das dem Komponisten ein eindrucksvolles Denkmal setzt.“ (Silvia Adler, Darmstädter Echo)

Alexei Volodin: Miroirs CHALLENGE CLASSICS (CC 72508) „Dass Alexei Volodin zu den ganz großen Pianisten zählt, beweist er mit dieser Einspielung endgültig. Schon bisher war er immer vollauf überzeugend und persönlich in seinen Darstellungen. Nun überrascht er mit drei Meisterwerken, die von einem Pianisten neben den technischen Anforderungen vor allem die imaginative Weitsicht erfordern. in Schumanns „Kreisleriana" erstaunt Volodin durch seine Gelassenheit und transparente Interpretation, die niemals das Rauschhafte außer Acht lässt. In Ravels „Miroirs“ vermag er den Klangcharakter so vollkommen verändert dieser Musik anzupassen, dass er dadurch eine meisterhafte Interpretation kreiert. Und in Skrjabins Sonate Nr.5 beeindruckt Volodin schließlich durch das Changieren zwischen Wahnwitz und suchender Gesanglichkeit. Eine grandiose Einspielung.“ (Piano News)

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Bildnachweis: Cover: Ildikó Raimondi by Julia Wesely; S.3: Klavierduo Kutrowatz © Ferry Nielsen; S.5: Boris Bloch © Alexander Basta; S.7: Liszt Trio Wien © Moritz Schell; S.9: Orchester Wiener Akademie © Stephan Polzer; S.11: Klavierduo Kutrowatz © Julia Stix; S.13: Alexei Volodin © Marco Borggreve; S.15: Ildikó Raimondi © Michael Pöhn; S.16: Thomas Mersich © Foto Tschank Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt

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