LINKS! 6/2018

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Autoritäre Krisenlösung

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Juni 2018

Dass die sächsische Regierungspolitik in einer schweren Legitimationskrise steckt, dürfte niemand bestreiten. Zu Beginn der Wahlperiode verbreitete Stanislaw Tillich noch Zuversicht. In seiner Regierungserklärung vom November 2014 gab er sich überzeugt, dass „das Volk in freier und geheimer Wahl“ der Regierung aus CDU und SPD „seine Stimme und sein Vertrauen gegeben hat.“ Drei Jahre später trat Tillich als CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident zurück. Das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien in Sachsen ändert sich. Die bislang führende Staatspartei büßte ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit ein. Ihr Wahlergebnisse erreichten bei der Wahl zum Bundestag 2017 einen historischen Tiefstand. Nicht die CDU, sondern die AfD wurde stärkste Kraft. Ein Novum in der Geschichte und für die Partei ein neues Trauma, nachdem sie 2004 die Alleinregierung verloren hatte. Bei den Landtagswahlen 2019 könnte folgendes Szenario eintreten: Die Christdemokraten schneiden erneut schlechter ab als die Konkurrenz vom rechten Rand. Sollte die CDU mit keinem kleineren Koalitionspartner eine Stimmenmehrheit zustande bekommen, muss sie die Regierungsmacht an die AfD abgeben. Die Annahme, die CDU werde auf eine Regierungsbeteiligung verzichten, entbehrt jeder Grundlage. Um weiter an der Macht partizipieren zu können, wird die CDU in Sachsen – trotz aller Dementis – eine Koalition mit der Rechtsaußenpartei bilden. Allein die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios verdeutlicht, vor welchen Herausforderungen die Christdemokraten stehen. Sie haben dabei versagt, den rechten Rand zu neutralisieren. Unter dem Regiment Kurt Biedenkopfs hatten sie die alles beherrschende Stellung im konservativen Wählermilieu inne. 15 Jahre später ist das bürgerlich-konservative Lager gespalten und radikalisiert. So wird den Mächtigen schon mal mit einem neuerlichen Umsturz, einem zweiten 1989 gedroht.

Entsprechend groß ist die Aufregung in der CDU. Prophylaktisch erfolgte 2017 eine Regierungsumbildung. Michael Kretschmer soll die AfD zurückdrängen den Zerfall des konservativen Lagers stoppen. Zur Wiederherstellung der Hegemonie steuert die CDU einen stramm autoritären Kurs. Die Partei kann sich dabei auf die Stimmung in der Bevölkerung berufen. Diese hat zu großen Teilen den Eindruck, der Staat sei als Ordnungsfaktor abwesend und könne seine Funktion, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, nur noch eingeschränkt ausüben. Deshalb befürwortet eine Mehrheit laut Sachsen-Monitor eine Politik der starken Hand. Für eine straffe Führung könnte die Hälfte der Sachsen sogar auf den Parteienpluralismus verzichten. Nicht die Demokratie soll gestärkt, sondern ein starker Staat installiert werden, der für Ruhe und Ordnung im Land sorgt. In Sachsen überrascht der Ruf nach dem starken Staat nicht. Die Verschmelzung von Partei und Staat hat hier Tradition. Als Staatspartei mit dem Anspruch auf politische Dominanz hat die sächsische CDU die in Ostdeutschland verbreitete Erwartung an die Steuerungsfähigkeit des Staates über die Wendezeit tradiert. Demokratie wird hier gleichgesetzt mit Regierungspolitik. Das zeugt von einem formalen Demokratieverständnis der CDU, das Mitbestimmung weitgehend reduziert. Aus dieser Perspektive garantiert allein das staatliche Gewaltmonopol inneren Frieden. Mit einem demokratischen Rechtsstaat hat das wenig zu tun. Denn Demokratie meint über die Form staatlicher Herrschaft hinaus eine Form gesellschaftlicher Integration, die auf der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an für sie relevanten Entscheidungen basiert. In diesem Sinne hat DIE LINKE das Konzept des „kooperativen Staates“ entwickelt, nachzulesen im Alternativen Landesentwicklungskonzept von 2004, kurz Aleksa. Kooperativer Staat bedeutet „eine Schwerpunktverlagerung von administrativen zu kooperativen Handlungsformen“. Hierzulande fehlt eine „Regierung durch Diskussion“, durch öffentliche Beratung und Debatte. „Kommunikative Macht“ nennen das Soziologen. Sie erst legitimiert (Regierungs)Politik. • Jochen Mattern


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