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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Juli-August 2017

Wer am 30. Juni 2017 die Bundestagsdebatte verfolgte, konnte das Gefühl bekommen, einen historischen Moment zu erleben. Nach jahrzehntelangen Kämpfen, vor allem von Vereinen und Initiativen, wurde die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Damit ist der Weg frei, die diskriminierende Parallelinstitution „eingetragene Lebenspartnerschaft“ abzuschaffen. Endlich ist es nicht nur verschieden-, sondern auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich, zu heiraten. Eine Revolution? Eher nicht. Abgesehen von der grundsätzlichen Kritik an Eheprivilegien hinkt Deutschland einmal mehr hinterher, wenn es als vierzehntes europäisches Land diesen Schritt geht. Bereits 2001 haben die Niederlande eine solche Gesetzesänderung beschlossen. Heute, 16 Jahre später, ist dies in Deutschland nur gegen den erbitterten Widerstand des Großteils der CDU/CSU-Abgeordneten möglich. Auch die Kanzlerin blieb ihrem „Bauchgefühl“ offenbar treu und stimmte mit Nein. Die Öffnung der Ehe war überfällig. Wer aber glaubt, dass wir nun im Gleichstellungsparadies leben, irrt leider. Denn gerade Sachsen ist aus queerund gleichstellungspolitischer Sicht ein Entwicklungsland. Ein Beispiel: Am 23. Juni 2017 trat der Freistaat als elftes Bundesland der „Koalition gegen Diskriminierung“ bei. Nur war es anders als in allen anderen Ländern nicht das Regierungsoberhaupt, welches das Dokument unterzeichnete und so ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzte, sondern die Ministerin Petra Köpping. Nicht ein einziges Mitglied der CDU-Landtagsfraktion hielt es für nötig, an der Feierstunde teilzunehmen.

Foto: Linksfraktion Sachsen

Ehe allein reicht nicht!

entfernt sind. Wir sollten nicht dabei stehen bleiben, die Ehe für alle zu beklatschen, sondern für eine gewaltfreie Gesellschaft streiten, in der alle angstfrei leben und lieben können. Noch bedrückender ist das Bild, wenn wir über den Tellerrand hinausblicken. In anderen Teilen der Welt werden brutale Antworten für LSBTIQ* gefunden. Gummigeschosse, die die türkische Regierung unlängst zum Gay-Pride-Marsch in Istanbul einsetzte. Systematische Verfolgung und Gewalt, die Menschen in Tschetschenien erleiden. Nicht zu vergessen das Massaker in Orlando vor einem Jahr, bei dem 49 Menschen in einem LSBTIQ*Club erschossen wurden. Auch mit Blick auf unsere Gesellschaft muss klar sein, dass die Öffnung der Ehe ein zwar wichtiger, aber nur ein kleiner Schritt ist. Denn die Lebensentwürfe sind noch lange nicht gleichgestellt. Familien müssen auch gefördert werden, wenn sie nicht auf einer Eheschließung beruhen; Vielfalt gehört in den Bildungsplan; das diskriminierende Transsexuellengesetz muss abgeschafft sowie eine dritte Geschlechtsoption eingeführt werden; Homo-, Trans*- und Interfeindlichkeit gehören nachhaltig bekämpft. Es bleibt noch viel zu tun, denn Ehe allein reicht nicht. Von der sächsischen CDU, die als einzige Landesgruppe im Bundestag geschlossen gegen die Öffnung der Ehe stimmte, ist nichts zu erwarten. Und so lange die SPD mit den Schwarz-Konservativen „große Koalitionen“ eingeht, wird auch sie nicht glaubhaft für eine vielfältige und offene Gesellschaft streiten können. Letztlich war es ein rot-rotgrünes Bündnis, das geschlossen für den Gesetzesentwurf stimmte und auch ohne die 75 Stimmen aus der CDU eine Mehrheit stellte. Wie viel mehr hätte in dieser Legislaturperiode erreicht werden können!

Dabei ist Antidiskriminierungsarbeit in Sachsen bitter nötig, auch im Hinblick auf LSBTIQ* (Lesben, Schwule, Bi, Trans*, Inter*, Queer). Viele Menschen berichten, dass sie sich nach ihrem Outing nicht mehr in die Schule oder an den Arbeitsplatz trauen. Für homosexuelle Paare kann es auch hier immer noch gefährlich sein, sich in der Öffentlichkeit zu umarmen oder zu küssen. Und was müssen Menschen hier durchleben, damit ihr Geschlecht überhaupt anerkannt wird! Kostspielige und erniedrigende Verfahren zeigen, dass wir von einer offenen und toleranten Gesellschaft noch weit • Sarah Buddeberg


Bereits seit Frühjahr 2016 dauert ein Reformprozess des SGB VIII an, der für die Fachwelt der Kinder- und Jugendhilfe in bislang unbekannter Intransparenz geführt wurde. Am 12. April 2017 beschloss das Bundeskabinett den von der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG), der in der letzten Sitzungswoche im Juni 2017 im Bundestag zur Verabschiedung auf der Tagesordnung stand. Dies soll nur ein erster Schritt einer umfassenden Veränderung und Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe sein. Herr Fuchslöcher, bei einer Veranstaltung der Leipziger Linksfraktion und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag konnten Sie gemeinsam mit dem „Vater des SGB VIII“ – dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Wiesner – vor einem breiten Fachpublikum in der Messestadt sprechen. Was wissen diejenigen, die vor Ort täglich mit dem SGB VIII zu tun haben, über die Reform? Ich habe generell den Eindruck, dass das Wissen um die SGB VIII-Novelle äußerst gering ist. Da unterscheidet sich der Kenntnisstand zwischen Leipzig und Bremen oder München nicht sonderlich. Den Kolleginnen und Kollegen ist an dieser Stelle kein Vorwurf zu machen, da es äußerst kompliziert ist, überhaupt an fundierte Informationen zu kommen. Es war politisch gewollt, dass keine gesellschaftliche Debatte um die anstehenden Kürzungen im SGB VIII stattfindet. Und es ist den engagierten KollegInnen überall in diesem Land zu verdanken, dass sie sich trotzdem um Informationen bemühen und eine Debatte einfordern. Können Sie kurz umreißen, seit wann und warum es das SGB VIII gibt, welche Aufgaben es hat und welche wesentlichen Rechtsansprüche sich aus ihm ableiten? Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist mit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland in Kraft getreten, im Westen erst zum Januar 1991. Insofern war

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Paradigmenwechsel auf leisen Sohlen Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe blieb ein Gesetzgebungskrimi. Marko Forberger sprach darüber mit Kolja Fuchslocher, dem Referenten für Kinder- und Jugendpolitik der Linksfraktion im Bundestag. hier der Osten Vorreiter in der Umsetzung eines Westgesetzes, das den Debattenstand aus 20 Jahren im Westen der Republik widerspiegelte. Das SGB VIII war ein sehr fortschrittliches Gesetz, da es die Kinder- und Jugendhilfe aus einem stigmatisierenden Fürsorgerecht in ein beteiligungsorientiertes Leistungsgesetz überführte. Das SGB VIII ist ein hochkomplexes Gesetz, das dutzende an Einzelangeboten umfasst, die, wenn die Jugendhilfe vor Ort gut aufgestellt ist, wie Zahnräder ineinandergreifen und damit das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen allumfassend begleiten und unterstützen. Die Angebote umfassen den Beratungsanspruch und die Hilfe in Krisensituationen von Familien, den Kinderschutz, die Arbeit in den Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, den Kitas, die Förderung der Jugendverbandsarbeit aber auch die Jugendsozialarbeit, Jugendberufshilfe und die Unterstützung für junge Volljährige. In welchen Bereichen ist mit wichtigen Veränderungen oder sogar mit einem Paradigmenwechsel zu rechnen? Grundlage der Reform ist der politische Wille, Geld zu sparen. Das geht nur über Leistungsabbau, also eine Kürzungspolitik. Schon jetzt wird das Gesetz vielerorts nicht umgesetzt. Aber anstatt dies als Skandal zu be-

trachten, wird versucht, den defizitären Bereich der Umsetzung zu legalisieren. Um nur zwei Punkte zu nennen: Das betrifft zum Beispiel den Bereich der Unterstützung von Familien in Krisensituationen. Hier soll der Rechtsanspruch auf bedarfsgerechte Unterstützung aus dem Gesetz gestrichen werden. Aber auf welcher Grundlage sollen dann Unterstützungsmaßnahmen definiert werden? Es würde die reine Willkür einziehen, da nun legal Leistungen verweigert werden können. Betroffen hiervon wären über eine Million Kinder und Jugendliche sowie deren Familien! Ein anderer Punkt wäre die Einführung einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe, die zwischen hier lebenden Kindern und Jugendlichen sowie zugewanderten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen unterscheidet und letzteren schlechtere Versorgung und Unterstützung bietet. Das bricht klar mit der Systematik von Kinderechten wie der UN-Kinderrechtskonvention. Diese Liste lässt sich fortsetzen. Reformiert werden Gesetze ja regelmäßig. Welche Dimension hat die aktuelle Reform für die Kinderund Jugendhilfe auch im historischen Kontext? Diese Reform ist die größte seit 1990, mit über 60 geplanten Änderungen, deren Komplexität nicht einmal die

Foto: Maik Meid / flickr.com / CC BY-SA 2.0

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Fachwelt komplett erschließen kann. Neu an dieser Reform ist auch, dass der Dialog mit der Fachwelt nicht geführt wurde, obwohl dies eine gute Tradition in der Kinder- und Jugendhilfe ist. Das 1990 verabschiedete SGB VIII war Ergebnis eines intensiven gesellschaftlichen Dialoges! Schon dieser Nichtdiskurs hat zu Verwunderung geführt, und als dann die ersten Arbeitsentwürfe auftauchten, war das Entsetzen groß. Zum Glück hat die Fachwelt zusammengefunden und sich verständigen können. Aber es war auch DIE LINKE, die zum Austausch eingeladen hat und das Thema über diverse Konferenzen und die Kinderkommission in den Bundestag gebracht hat. Im Ergebnis fordern wir jetzt eine Enquete-Kommission für die neue Wahlperiode. Um ein Gesetz oder eine Reform zu verstehen, ist es gut, die dahinterliegenden Motive der handelnden Akteure zu kennen. Wie schätzen Sie diese ein? Die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe werden überwiegend aus den Kommunalhaushalten getragen. Vielen Kommunen geht es finanziell nicht gut. Daher gibt es ein starkes Interesse, die Ausgabenentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe zu begrenzen. Kostentreiber Nummer eins ist der Kitaausbau. An den traut sich die Politik aber nicht ran, stattdessen werden andere Leistungen und Ausgaben ins Visier genommen. Insofern befinden wir uns erst am Anfang einer Deformation, die maßgeblich von den Bundesländern ausgeht. Eine Wiedervorlage in der nächsten Wahlperiode scheint daher sicher. Die Linksfraktion hat mehrfach zu Fachgesprächen zur SGB VIII Reform in den Bundestag eingeladen. Können Sie einen Ausblick geben – wie geht es weiter mit diesem Thema und welchen Umgang mit dem Reformvorhaben empfehlen Sie den Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe in den Ländern, Kreisen und Kommunen? Zunächst einmal wird der Bundestag gegen die Stimmen der LINKEN dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen. Im Moment warten wir auf die Änderungsanträge der Koalition und müssen dann bewerten, inwieweit sie das Gesetz noch abmildern. Dass es überhaupt zu diesem Nachjustieren seitens der Regierungsmehrheit gekommen ist, ist dem breiten Widerstand der Fachwelt zu verdanken. Aus politischer Sicht können wir die Fachwelt nur ermutigen, die Fachlichkeit zur Prämisse ihres Handelns zu ernennen und sich in den politischen Prozess einzumischen, Gehör bei den Regierenden in Kommune, Land und Bund einzufordern. Denn, wie gesagt, es sind die finanziellen Interessen der Kommunen und Länder, hier zu einem Rechteabbau zu kommen. Dieser wiederum wird von den Beschäftigten umzusetzen sein und sie zu unprofessionellem und fachfremden Handeln zwingen. Nur gemeinsam lässt sich die Demontage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes verhindern! Dazu brauchen wir einen langen Atem.


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Lehren aus gewaltigem Steuerbetrug ziehen Über viele Jahre hinweg haben Banker, Berater und Anwälte den deutschen Staat systematisch ausgeplündert. Mit fingierten Aktienankäufen und -verkäufen beschafften sie sich Steuerbescheide, mit denen sie sich vom Finanzamt Steuern zurückerstatten ließen, die sie nie bezahlt hatten. Die Geschäfte wurden über die Jahre hinweg immer weiter perfektioniert. 40 deutsche Banken hatten sich an den Geschäften beteiligt, darunter auch Banken in öffentlichem Eigentum wie die Landesbanken und das Wertpapierhaus der Sparkassen. Weil ihnen das Finanzministerium lange keinen Riegel vorschob, summierten sich die einzelnen Schadenssummen auf einen hohen Milliardenbetrag.

und führte schließlich Regelungen ein, die wieder unterlaufen werden konnten. Inzwischen beschäftigen die Betrugsgeschäfte die Gerichte. Auch wenn es schon erste Verurteilungen gab, werden die Steuerzahler letztlich auf einem Milliardenschaden sitzen bleiben. Das macht den Skandal endgültig zu einer politischen Affäre. LINKE und Grüne hatten deshalb im letzten Jahr einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der insbesondere die Vorgänge im Bundesfinanzministerium aufarbeiten sollte. Dieser Untersuchungsaus-

schuss hat nun seinen Abschlussbericht vorgelegt. In ihrem Sondervotum legt DIE LINKE eindrucksvoll dar, dass sich das zuständige Bundesfinanzministerium über Jahre nicht um diese Problematik kümmerte, Eingaben dazu nicht verstanden wurden und Reaktionen schließlich zu spät und mit zunächst falscher Schwerpunktsetzung erfolgten. Ein Referent des Finanzministeriums ließ sich zeitweise sogar von Bankenverbänden bezahlen. Vertreter des Ministeriums – allen voran der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Stein-

Der Skandal um die sogenannten CumEx und Cum-Cum-Geschäfte zeigt, dass hinter sagenhaften Renditen an den Finanzmärkten wieder einmal kein gesellschaftlich sinnvolles Geschäft steckt, sondern bloß eine Unmenge an krimineller Energie. Um sie zu tätigen, war ein bandenmäßiges und spezialisiertes Netzwerk von Investoren, Bankern und Juristen notwendig. Die lange Laufzeit deutet aber nicht nur auf eine aufwändige Verschleierung hin, sondern auch auf das Versagen der Regierung. Schon Anfang der 1990er Jahre gab es explizite Hinweise auf diese betrügerischen Geschäfte, 2002 einen sehr konkreten Hinweis an den Bund. Doch das Bundesfinanzministerium nahm die Hinweise nicht ernst, war mit der komplexen Materie überfordert

Weil Teile der Vorgänge in die Amtszeit Steinbrücks fielen, andere in die Amtszeit Schäubles, spielten Unionsund SPD-Abgeordnete im Sinne eines Nichtangriffspakts den Skandal herunter. So verhinderten sie eine umfassende Beweisaufnahme und die fundierte Untersuchung der Schäden, die auf bis zu 32 Milliarden Euro geschätzt werden. In ihrem Mehrheitsvotum bestreiten Union und SPD, dass sich aus der Ausschussarbeit irgendwelche Handlungsempfehlungen für die Verantwortlichen in Bund und Ländern ergeben. Einer der größten Steuerskandale in Deutschland wird so zu einer Bagatelle. Dabei liegen die Missstände auf der Hand: Wir brauchen mehr Personal in der Finanzverwaltung und endlich auch eine spezialisierte Bundesfinanzpolizei, die gegen solch organisierte Finanzkriminalität vorgehen kann. Hinweisgeber aus involvierten Unternehmen („Whistleblower“) müssen gesetzlich vor Repressionen geschützt werden. Und Banken, die sich an illegalen Geschäftspraktiken beteiligen, müssen von Aufsicht und Gerichten sehr viel drastischer sanktioniert werden können. Weitere Infos: www.gleft.de/1M3 • Dr. Axel Troost, stellvertretendes Mitglied des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

Kein Nachruf, aber ein Zufall

Manchmal spielt der Zufall wirklich verrückt. In der Hitze des Abends suche ich eines Donnerstags im Juni noch eine Einschlaflektüre und stoße auf ein kleines Büchlein aus dem Jahre 1990. Herausgeber Klaus Staeck, Titel: Goldene Worte von Kanzler Kohl, Vorwort von Dieter Hildebrandt, Nachwort vom Herausgeber. Ich vertiefe mich zuerst in die Zitatensammlung, danach in den Schlaf, werde am nächsten Morgen wach und erfahre am Vormittag, dass eben dieser Goldene-Worte-Sager, dieser Kohl verstorben ist. Der Hype um den Toten ist in vollem Gange, als ich facebook aufmache und andere Nachrichtenseiten im Netz. Die Sonne scheint einen Augenblick stehen geblieben zu sein ob des Verlustes eines großen Europäers und möglicherweise sogar des größten Deutschen der vergangenen Jahrhunderte. Größer als Marx jedenfalls, denn folgt man Kerlen von der Jungen Union, so sollten alle Straßen und Plätze, die an Karl Marx erinnern, nun den Namen Helmut Kohls tragen. Kurz überlege ich, ob ich mich auch in die Reihen der Würdiger einreihen sollte – als Unwürdiger mit würdigen

brück und der amtierende Minister Wolfgang Schäuble – wollen aber nach wie vor keine Versäumnisse ihrer Behörde erkennen.

Worten. Die Worte wollen jedoch nicht kommen. Es würgt etwas; das am Vorabend Gelesene und Erinnertes. Hatte der Mann nicht Mitglieder der PDS einst als „rot-lackierte Faschisten“ bezeichnet. Die Kontrolle ergibt, dass er das sehr wohl getan, damit aber den Sozialdemokraten Kurt Schumacher zitiert hat. Das macht es nicht wirklich besser. Zu Gorbatschow meinte er, „er versteht etwas von PR; der Goebbels verstand auch etwas von PR. Man muss doch die Dinge auf den Punkt bringen.“ Klaus Staeck liefert dieses Zitat auf Seite 150. Es stammt aus einem Interview mit Newsweek von 1986. Störung und Störer konnte der große Europäer nicht leiden. Staeck beweist es mit mehreren Zitaten. Ein Beispiel mag genügen: „Die organisierten Dreckschleudern in allen Lagern sind sowieso wie eh und je in Bewegung.“ (bei Staeck Seite 119, entnommen der Frankfurter Rundschau vom 28. 8. 1986) Diese Dreckschleudern waren Kohl „spätpubertäre Nachgeburten der Weltrevolution.“ (Staeck, Seite 118, aus Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 7. 12. 1986) Könnte ja sein, ich gehörte da-

zu. Kohl wusste, „Man muss spät ins Bett gehen und früh aufstehen, wenn man den Sozialismus besiegen will.“ (Staeck, S. 107, Der Spiegel, 23. 8. 1976) Das trifft. Sozialistinnen und Sozialisten haben etwas verschlafen und mussten böse erwachen. Da hat Kohl wohl recht. Ob seine Nachfahren aber nicht auch einmal verschlafen könn-

ten? Aufpassen, liebe Gegnerinnen und Gegner der sozialistischen Lösungen der Weltprobleme! Es ist ein guter Rat und durchaus im Sinne Helmut Kohls. Dieser verkündete ja am 29.12.1983 im „Stern“: „Wir sind dankbar für jeden Ratschlag, aber es muss ein guter sein.“ (Staeck, Seite 109) Weil wir schon bei den Toten sind: Erich Honecker gehört ja schon längere Zeit dazu. Ich erinnere mich aber noch eines Anrufs eines Journalisten, der wissen wollte, was ich zu Hone-

ckers Tod sagen würde. Nun, ich empfahl dem Journalisten doch bei Helmut Kohl anzurufen. Den hatte Honecker besucht, jener hat ihn mit seiner gesamten Ministerriege und der dazugehörigen Menge Sekt empfangen. Mich hatte der Staatsratsvorsitzende nie zu Hause beehrt. Was sollte ich also sagen? Freilich, der Versuch Honeckers, mit der Bundesrepublik Deutschland ins Vernehmen zu kommen, war auch eine mutige Tat von vielleicht weltpolitischer, aber zumindest europäischer Dimension. Wie man hörte war die sowjetische Führung gar nicht davon angetan. Deutschlandpolitik sollte allein ihr vorbehalten bleiben. Hat das je wer in den Nachrufen zu Honecker gewürdigt? Er stand wahrscheinlich zu klein auf dem Foto neben dem großen Kohl. Alles erwägend, beschloss ich auf eine Reaktion zu Kohls Tod zu verzichten. Klaus Staecks Nachwort von 1990 war meiner Meinung nach bereits ein nicht zu übertreffender Nachruf. „Eine ausufernde Persönlichkeit benutzt ihren Körper als Waffe. Neben ihm werden immer mehr Leute zu Liliputanern. … Immerhin bündelt kaum jemand alle Vorurteile so gut wie er und wird damit selbst zur Bündelung aller Vorurteile.“ (Seite 188) Nach Staeck ist Helmut Kohl „das schwarze Loch der CDU geworden: Bei einem wie immer gearteten Abgang würde er selbiges hinterlassen.“ (Seite 190) Es ist so weit!


Hintergrund

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Die Gretchen-Frage im Landtag Jochen Mattern erinnert an eine denkwürdige Debatte: „Wie hast Du's mit der Religion?“ Mit der Gretchen-Frage: „Wie hast du’s mit der Religion?“ aus Goethes Faust befasste sich der Sächsische Landtag in einer Aktuellen Debatte Anfang Mai. Beantragt hatten die Debatte die Regierungsfraktionen von CDU und SPD. Der Evangelische Kirchentag in Berlin und Wittenberg schien den Koalitionären der geeignete Anlass zu sein für eine Befassung des Landtages mit der Frage nach dem Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit Religion. „Dem Volk aufs Maul schauen“, wollten die Politiker im Reformationsjahr und über „Luther heute – Kennen und leben christlicher Werte in unserer Zeit?“, wie der Debattentitel hieß, diskutieren. Doch außer dem Anlass war an der Debatte nichts aktuell. Sie hatte einen bloß rhetorischen Charakter – was daran lag, dass die Antwort auf die Gretchen-Frage für die sächsischen Christ- und Sozialdemokraten längst ausgemacht war und sie nicht gewillt waren, darüber mit sich reden zu lassen. Das Fragezeichen im Debattentitel diente also lediglich als Vorwand für die Verbreitung der Regierungsansicht. So postulierte die Kultusministerin offen und unmissverständlich: „In unserem Schulgesetz ist ein ganz klarer Bildungs- und Erziehungsauftrag formuliert. Bildung ist untrennbar mit christlichen Werten verbunden“.

Der einschlägige Paragraf im Schulgesetz, auf den sich die Ministerin bezog, stammt aus dem Jahr 2004. Er verpflichtet die Schulen in ihrem Tun „insbesondere“ auf „die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis“. Auf Betreiben der seinerzeit allein regierenden Christdemokraten war dieser Passus ins Schulgesetz gekommen. Zur Begründung für die umstrittene Bevorzugung des Christentums in Schulrecht und Schulpraxis hatte der Vorsitzende der CDU-Fraktion angeführt: „Wer im Schulsystem darauf verzichtet – ‚insbesondere’ an die christlichen Traditionen anknüpfend –, Werte und Wissen zu vermitteln, der trägt zu einer beispiellosen Verarmung und Orientierungslosigkeit der Bevölkerung bei.“ Von dem tiefen Misstrauen gegenüber der Bevölkerung, das aus solchen Äußerungen spricht, war auch die Aktuelle Landtagsdebatte auf Regierungsseite bestimmt. „Unser großes Problem“, bekräftigte ein Unionsabgeordneter, ist, dass „immer weniger Menschen an irgendetwas glauben“. Und die Sozialdemokraten warnten vor einer in „Egoismus und Materialismus gefangenen Gesellschaft“, in der sich die „Angst vor der Sinnlosigkeit des Lebens“ ausbreite. Kirche müsse deshalb, „gerade im Osten“, wie betont wurde, „eine Schlüsselrolle“ übernehmen. Den Glaubensbefürwortern in der Landes-

Faust und Gretchen im Garten (Gemälde von James Tissot, 1861)

politik gelten die beiden christlichen Kirchen offenbar als Moralagenturen, von denen sie sich eine zivilisierende Wirkung auf das Verhalten der Bevölkerung und damit eine Stabilisierung von Staat und Gesellschaft versprechen. Es blieb einer Katholikin aus der oppositionellen Grünen-Fraktion vorbehalten, Kritik an der Politisierung des Glaubens zu üben: Sie hielte es für „bedenklich“, wenn die Politik ihre Aufgabe darin sehe, „christliche Werte zu postulieren“. Dass ein säkularer Staat, um bestehen zu können, einer „Staatsreligion“ bedürfe, bestritt die Rednerin unter Verweis auf die theokratische Praxis in verschiedenen Ländern der Welt. Erstaunlicher jedoch als die Propagierung christlicher Moral durch die sächsische CDU war das Verhalten der Sozialdemokratie in der Debatte. Dass sie in das christdemokratische Lamento über die Gott- und Orientierungslosigkeit der Ostdeutschen einstimmte, zeugt von einem bemerkenswerten Sinneswandel in der Partei. Hatte doch die SPD-Fraktion 2004 die Privilegierung christlicher Werte und Traditionen im sächsischen Schulgesetz als einen Bruch der Landesverfassung abgelehnt, was sie eine Dekade später nicht daran hindert, ihrerseits dem Bruch mit der religiösen und weltanschaulichen Neutralitätspflicht des Staates das Wort zu reden. Die Erklärung

für den Sinneswandel in der SPD ist vermutlich von banaler Art. Sie heißt Martin Dulig. Seit 2009 Parteivorsitzender ist Dulig nach den Landtagswahlen 2014 ins Regierungskabinett aufgerückt, wo er als Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als der zweite Mann im Kabinett nach dem Ministerpräsidenten fungiert. Dessen religiöse Prägung in einem kirchlichen Elternhaus macht ihn für Religionskritik unempfänglich, sofern diese nicht gegen den Islam gerichtet ist. Und im Vertrauen auf die moralisierende Wirkung der christlichen Religionen folgt die Partei ihrem Vorsitzenden im Großen und Ganzen. In Sachen Aufklärung und Toleranz war die Aktuelle Debatte im Sächsischen Landtag über die Frage: „Wie hast du’s mit der Religion?“ also kein Lehrstück, im Gegenteil. Sie fiel hinter Goethe und selbst Lessing zurück. Sie zeugte von Bestrebungen der Regierenden, dem Staat ein religiöses Fundament zu geben und zu dem Zweck der Bevölkerung einen bestimmten Glauben vorzuschreiben. Das schließt einen Pluralismus in Glaubensfragen ebenso aus wie in den Lebensweisen. Aus der Religion, die in modernen Gesellschaften zur Privatangelegenheit geworden ist, wird ein Politikum. Damit steht ein Grundmerkmal liberaler Gesellschaften zur Disposition: die Trennung von Staat und Kirche.


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Spannend-diverse Dispute sind auch bei Jour fixe, dem unkonventionellen Gesprächskreis am Leipziger Sitz der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, keine Dutzendware. Der 25. Konvent im Juni erlebt sie. An Didier Eribons Bestseller „Rückkehr nach Reims“ reiben sich die Geister. Vor wiederum vollem Haus bietet er auch zwei Premieren. Erstmals moderiert Michael Zock den Diskurs, bis zum bitteren Aus von „Leipzigs Neue“ deren Chefredakteur. Und erstmals tragen vier Referenten im 15-MinutenTakt ihre speziellen Leseerlebnisse vor. Ökonomie der Zeit um größerer Interpretationsvielfalt willen. Ein gewagtes Konzept, das aber dank der souveränen Gesprächsleitung des Moderators und der Disziplin der Vortragenden aufgeht: Unterschiedliche Lesarten ermöglichen dem engagierten Auditorium, Gehörtes zu bestätigen, zu ergänzen, konträre Positionen zu äußern.

Ein Buch des großen Schrecks Peter Porsch hat Eribons Werk „sehr persönlich“ berührt. Er stamme wie der französische Soziologe aus ähnlich proletarisch-prekärem Milieu und wisse als Soziolinguist und Dialektologe wie jener um den wechselseitigen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Sprache. „Ich habe ,Rückkehr nach Reims“ als Buch des großen Schrecks gelesen: Eribon, der als Intellektueller aus der Unterschicht aufgestiegen ist, findet, auch weil er inzwischen eine andere Sprache

Hintergrund

Eribon regt an und auf Jour fixe diskutiert den vielgelesenen Bestseller des französischen Soziologen „Rückkehr nach Reims“. Von Wulf Skaun Entfremdungslücke als Chance für die Rechte Die Philosophin Monika Runge konzentriert sich auf Eribons Frage, warum traditionelle KPF- und Wähler anderer linker Parteien heute Rechts wählen und welchen Anteil die „Linke“ daran habe. Eribons Antwort ziele auf deren Kurs, sich mehr auf Probleme prekärer Minderheiten als auf die der arbeitenden Klasse orientiert und, vor allem sozialdemokratischem Opportunismus geschuldet, eine neoliberale Reformpolitik in Wirtschaft und Gesellschaft mitgetragen zu haben. In diese Entfremdungslücke stießen rechtsnationalistische Parteien wie der Front National mit populistischem Konzept: „Gesellschaftsvertrag“ statt klassenbewusstem Widerstand. Nationalstaat statt EU. Mit Eribon plädiert Runge dafür, die Linke, auch die hiesige, möge sich gezielt der Arbeiterschaft in ihrer Differenziertheit zuwenden. Das erfordere auch, den intellektualisierten Kommunikationsprozess in einer massentauglichen Sprache wiederherzustellen. Wie man ein „anderer“ wird, sich von seinen sozialen Fesseln befreit und ein selbstbestimmtes Individuum

spricht, nicht mehr in sie zurück.“ Eine Rückkehr in das Herkunftsmilieu bleibe ihm auch seitens der unten Gebliebenen verwehrt, deren Ausdrucksmittel nach wie vor auf Codes reduzierter Dialekt sei, in dem sich das Rollenverständnis der working class, ihre soziale Ungleichheit und Ausgrenzung spiegele. Eribons elaborierte Sprache der Mittelschicht werde von seinem Geburtsmilieu nicht verstanden und erweise sich so als Sprach- und Kommunikationsbarriere. Mit allen populistischen Folgen.

wird, hat die Künstlerphilosophin Konstanze Caysa an Eribons Buch besonders interessiert. Anhand des Begriffs „Habitus“, der auf Pierre Bourdieu zurückgeht und mit dem sich der Autor auseinandersetzt, spürt sie den Technologien des Selbst nach, die auch Eribon halfen, seinen zwei Verdikten zu entrinnen, dem sozialen und dem homosexuellen, um zu schlussfolgern, „dass Gesellschaft und Herkunft für den Einzelnen nicht als unüberwindbares Schicksal begriffen werden müssen“.

Klassenbewusster Proletarier von linken Intellektuellen enttäuscht Als vierter Rezensent spricht Jan Kiesewetter. Der Elektromonteur („Kommunist ohne Parteibuch“) versteht sich als klassenbewusster Proletarier, der Eribons bereits 2009 in Landessprache erschienenem Buch Pionierarbeit bescheinigt. Weit vor Brexit, österreichischem Nationalismus, Erdogan und Trump habe der Franzose Probleme angefasst, die die eigenen linken Intellektuellen „nichts angingen“. Von ihnen wolle er heute „nicht abgeholt werden“, denn sie hät-

07-08/2017 Links! ten seines Erachtens keinen Begriff mehr von der arbeitenden Klasse und ihrer nach Marx benannten Mission. Jedoch: „Bei der Rosa-LuxemburgStiftung sollte ich richtig sein.“ In der Diskussion geht es hoch her. Der Autor dieser Zeilen hält das Buch nicht für den ihm nachgerühmten großen Wurf, weil es von inhaltlich undifferenzierten und soziologiemethodisch anfechtbaren Aussagen geprägt sei. Insbesondere kritisiert er Eribons verabsolutierten Befund, die Linken hätten die Rechtsentwicklung in Frankreich verursacht. Das sei ein bedauerliches Fehlurteil, das, bewusst oder nicht, dem politischen Establishment in die Karten spiele. Eribons Theorem, die „populären Klassen seien unausweichlich darauf angewiesen, die Wahrnehmung ihrer Interessen an Parteien zu delegieren, die in ihrem Namen sprechen“, entpolitisiere sie und orientiere auch die Linke auf bloßen Diskurs. Eine Absage an ihre traditionell kämpferische soziale Aktion. Damit ist eine, bisweilen auch hitzig geführte, Pro- und Contra-Debatte entfacht. Mehrere Redner wenden ein, Eribon würde mit weitergehenden Ansprüchen überfordert; die Großartigkeit seines Buches solle damit nicht versperrt werden. Immerhin habe der Soziologe den Finger in die Wunde gelegt, die Kommunikation mit jenen zu führen, die sich von den Linken nicht mehr vertreten sahen und daher Rechts wählten. Der Philosoph Volker Caysa lobt Eribons „exzellenten“ Erzählstil, doch nennt er das Dargebotene „altlinken Mainstream“, „Ausdruck von Stagnation und Rückschritt“. Michel Foucault, von Eribon verehrt, aber nicht verstanden, habe das vermeintlich Neue, so auch die Entdeckung der Zersplitterung des ehedem einheitlichen Proletariats, bereits Anfang der 1980er Jahre problematisiert. Fazit des Abends: Eribons Buch entfacht Kommunikation wie kaum ein anderes in den letzten Jahren. Es regt an und auf − und polarisiert.


Links! 07-08/2017 Vergangenheit prägt. Wir waren damals „späte Studenten“, vielleicht die älteste Studentengeneration, die bis dato je den Weg zur Uni fand. Das Abi an der Volkshochschule hatte ich 1989 gemacht und 1990 war dann klar, dass mein Job ebenso wie der von zahlreichen meiner Kolleginnen und Kollegen verschwinden würde. Während andere entweder die „Westflucht“ oder den Jobwechsel in Betracht zogen, durfte ich als 26jähriger noch über den Wechsel ins Studentenleben nachdenken. Wir kamen ins Chaos der Berliner Humboldt-Uni. Bis zum ersten Tag des Studienbeginns 9 Uhr morgens hatte ich noch geglaubt, ich würde Politikwissenschaft studieren – stattdessen war praktisch über Nacht der Diplomstudiengang Sozialwissenschaft aus der Taufe gehoben worden, mit 50 Prozent Soziologieanteil und 50 Prozent Politikwissenschaft. Hier arbeitete noch das Weltwirtschaftsinstitut, das auch während meines Studiums zur Schließung gezwungen werden sollte – Weltwirtschaft studierte man im westdeutschen Kiel, wozu da noch in Berlin?

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Erasmus, Europa, linker Internationalismus Ralf Richter wurde als Student europäisiert er gewährt uns Einblick in seine Geschichte nach Swansea und ich hatte die Wahl zwischen Aarhus in Dänemark und Utrecht in den Niederlanden. Dänemark sagte mir gar nichts, umso mehr die Niederlande. Dieses „Term“, diese drei Monate also, wurden zur schönsten und interessantesten Zeit meines gesamten Studiums. Wir lebten in einem alten holländischen Haus – am Anfang eine Belgierin aus dem flämischen Teil, ein Tscheche, ein Pole und ein Holländer. Freiwillig lernte ich Niederländisch an einem Privatinstitut – auch das bezahlte ERASMUS. Ansonsten studierte ich „Ethnic conflicts in Eastern Europe“ am Beispiel der Slowakei – wobei mir meine Berliner Erfahrungen mit Roderick, meinem Schachpartner aus Poprad aus der Hohen Tatra, zupass kam. Außerdem hatte ich in der Kindheit die meisten meiner Auslandsurlaube in der DDR-Zeit in der Tschechoslowakei verbracht. Alle besorgten sich gleich nach der Ankunft umgehend ein Fahrrad und lernten das typisch niederländische Gefühl schätzen, als Radler der „King of the

allen Dingen indonesisch, schließlich war Indonesien das Zentrum des alten niederländischen Kolonialreiches. Die Musik aber war dafür karibisch, frisch von den niederländischen Antillen. Die Clubmitgliedschaft im Rastaclub war obligatorisch. Der weltgewandteste Student, den ich in meiner Utrecht-Zeit erlebte, war übrigens ein Brite. Er sah zwar aus wie ein Wikinger, hatte aber den Lebensstil eines Afrikaners. Schließlich hatte er 16 Jahre seines Lebens in Kenia verbracht und war erst fünf Jahre in Europa. Er hatte in Ostafrika gelernt, aus den einfachsten Zutaten immer etwas sehr Leckeres zu kochen. Wir waren als Auslandsstudenten eine große Familie mit leider zu wenig Kontakt zu den Einheimischen. Auch im Studium waren wir vollkommen unter uns – völlig anders als in Ost-Berlin, wo die Afrikaner mit uns studierten wie es seit Jahrzehnten üblich war. Der Grundfehler von ERASMUS bestand meiner Meinung nach darin, dass das Programm von Anfang an Asia-

Foto: Niccolò Caranti / flickr.com / CC BY-NC 2.0

Im Studentenwohnheim in Lichtenberg aber war noch der östliche linke Internationalismus erlebbar – zahlreiche Studenten aus der Sowjetunion lebten hier. Schach spielte ich mit einem Slowaken und häufig verbrachte ich Zeit mit Angolanern und Äthiopiern, die alle durch langjährige Beziehungen zwischen den sozialistischen Ländern und jungen afrikanischen Nationalstaaten zum Studium in die Länder des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) gekommen waren. Hinzu kamen neugierige Studenten aus den USA, Schweden oder Portugal, die die erste Chance nutzten, nach 89 im Osten zu studieren. Es war eine jüdische US-

Hintergrund

Amerikanerin von der Ostküste, die mir den Computer nahebrachte und mir erklärte, was es mit „E-Mail“ auf sich hat. Inzwischen machte ein magisches Wort die Runde: „ERASMUS“. Zuerst wechselte die beste Freundin meiner damaligen Freundin für ein Jahr von der TU Dresden nach Swansea in Wales, danach ging meine Freundin

Road“ zu sein. Wir trafen uns mit unseren Rädern abends an der Windmühle und durchstreiften die Stadt. Wir erlebten fern der Heimat ein einmaliges Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit. Immer freitags ging es mit den Geographie-Studenten, bei denen ich den Kurs „Introduction to the Netherlands“ belegt hatte, auf Exkursion im Bus quer durch das Land. Gegessen wurde vor

ten, Afrikaner und europäische NichtEU-Studenten ausschloss. Der linke Internationalismus setzte einerseits auf Facharbeiterausbildung – so hatten wir an der Berufsschule der Post in Dresden eine vietnamesische Patenklasse, gegen die wir zum Beispiel auch Tischtennis spielten, aber es gab auch schwarze Mitglieder der KP Panamas, die Nachrichtentechnik lernten,

und eine komplette Klasse mit Palästinensern. Während meiner Armeezeit sprach ich mit libyschen Studenten aus Greifswald über das „grüne Buch“ von Muammar al Ghadaffi, das es in der DDR nicht gab, das aber „die Bibel“ der libyschen Revolution war. Und von nikaraguanischen Studenten in Berlin erfuhr ich, dass die BRD als erste Amtshandlung bei der Übernahme der Hinterlassenschaften der DDR in Nikaragua darauf bestand, dass das legendäre Krankenhaus „Karl Marx“, das die DDR gebaut hatte, umbenannt werden musste – sonst wären die Unterstützungsgelder gestrichen wurden. Es ist lächerlich, wenn heute die Gründung von PEGIDA im Osten darauf zurückgeführt wird, dass es angeblich keine internationalen Kontakte in der DDR gegeben hätte – in meiner Dorfschule bei Riesa waren wir schon seit der fünften Klasse mit Asien verbunden. Dank unserer Russischlehrerin hatte jeder eine Briefpartnerin oder einen Briefpartner in Kasachstan. Jugoslawen, Kubaner und Vietnamesen arbeiteten im Rohrwerk Zeithain, Mosambiquaner befanden sich in Riesa, Algerier in Gröditz – und sowjetische Soldatenfamilien waren überall. Inwieweit man auf andere Menschen zugeht oder nicht, hat immer etwas mit der Erziehung durch das Elternhaus, die Schule und der eigenen Persönlichkeit zu tun. Ob aber Ausländer nur mit anderen Ausländern lernen und studieren ist letztlich auch eine Entscheidung „von oben“. In Utrecht waren ERASMUS-Studenten unter sich, in Swansea dagegen waren die ERASMUS-Studenten so wie in Berlin integriert. Eine gemeinsame Konzeption, die für alle EU-Länder galt, gab und gibt es nicht. Wichtig wäre, dass alle jungen Menschen – gleich welchen Bildungsgrades – die Möglichkeit bekommen, Teile ihrer Ausbildung (Schule, Lehre oder Studium) im Ausland zu absolvieren. Wichtig ist es vor allen Dingen den eigenen „Kulturkreis“ zu verlassen, in einer internationalen Sprache zu kommunizieren und wenigstens ein weiteres Land als neue Heimat zu empfinden. Wir alle nutzen heute E-Mail – leider tun die Schulen kaum etwas für den internationalen Austausch, wenn doch, dann wird dieser auf Gruppen wie Gymnasiasten konzentriert. Wir brauchen aber keine „internationalen Eliten“, die auch durch ERASMUS herangezüchtet werden, sondern einen Internationalismus der Völker. ERASMUS verbindet wie die EU nur EU-Europa mit „dem Westen“ – die Zukunft verlangt aber ein harmonisches Zusammenleben mit Afrika und Asien. Darauf sind selbst die „internationalen Eliten“ in EU-Europa unzureichend vorbereitet. Nach wie vor sprechen die meisten Menschen auf der Welt überwiegend ihre Muttersprache. Deshalb wäre es für Sachsen so wichtig, wegen unserer Nachbarn Tschechisch und Polnisch, aber wegen der starken russischsprachigen Minderheit auch Russisch zu lernen – so wie man in NRW oder Berlin viel mehr Türkisch lernen sollte. Die Sprache ist überall der Schlüssel zum Herzen. In diesem Sinne: Tot ziens!


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Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommt – und vielleicht die letzte, die gerade noch rechtzeitig etwas dagegen tun kann, um größere Menschenopfer zu verhindern. Allmählich schließt sich das Zeitfenster, in dem wir noch ohne gravierende soziale Verwerfungen handeln können. Große Umbrüche in der Entwicklung der Menschheit waren in der Vergangenheit immer mit großen Opfern verbunden. Das Wissen rannte den Ereignissen hinterher. Das ist nicht mehr so!

Klimawandel und Wirtschaftsform Ralf Becker meint: Als erste Generation überhaupt wissen wir, was unsere Lebensweise uns antut. Handeln wir danach!

Diesel-Skandal, Atom-EndlagerProblem, Schweinepest, Rinderwahn und Vogelgrippe, Banken- und sind kein „Fortschritt“. Das sind alles Finanzkrise(n), Immobilienblasen, InFehlentwicklungen eines schon gut sider- und andere Spekulations-Ge40 Jahre währenden Politik- und Wirtschäfte sind alle irgendwie Begleiter schaftskurses in der Welt, „Neoliberades „Wachstums“. Wo „Märkte“ zules Modell“ oder Neoliberalismus“ genehmend gesättigt, also mit Warennannt, bluttriefend 1973 in Chile auf Angebot überschwemmt sind, verden Plan praktischer politischer Umschärft sich die Konkurrenz und auch setzung getreten. Was wächst sind die Bereitschaft zu illegalen Praktiken nur die auf solcher Grundlage erzielfür den „Wettbewerbs“-Vorteil wächst. ten LEISTUNGSLOSEN EINKOMMEN Die andere Seite ist die Eroberung neuwie Vorstandsgehälter, Aufsichtsratser „Märkte“. Das sind der Natur nach die Wirtschaftsgebiete anderer Länder. „Entschädigungen“, Dividenden, spekulative Kursgewinne, Gewinne aus Wir sind nicht mehr in Gründerzeiten betrügerischen Privatisierungen (z. B. – deren eigene Wirtschaft muss heute Deutsche Einheit – „Treuhand“), Bozwangsläufig leiden, wenn ausländische Konzerne, Global-Player, anfangen, ni und Abfindungen für Fehlleistungen (Esser, Ackermann, Wiedeking, Zumdort Waren zu verkaufen oder Produkwinkel, Schlecker, Winterkorn, Hoeneß tionsstandorte zu errichten. Denn dieusw.). se haben nicht die Reproduktion dieser nationalen Volkswirtschaften im Sinn, sondern nur ihre Gewinnstrategien mit- Wer der Konkurrenz nicht gewachsen ist, fängt an zu betrügen. Der Betrug tels Nutzung der Ressourcen und der offenen Nachfrage dieser Länder. Nicht um Lohn, an der Steuer, an der Arbeitszeit, an Rechtsvorschriften und eben zu reden von Sondermüllexporten, Exan Umweltnormen (!) usw. wird zu einer port veralteter Technik und Technolo-

Umsatz und Gewinn. Das führt zu Ressourcenverbrauch und (Technik-) Müllbergen. So ist Nachhaltigkeit nicht zu schaffen, so schützt man die natürlichen Ressourcen nicht, so wird die Erde „ausgenommen wie eine Weihnachtsgans“. Erneuerbare Energien und Recycling sind da im gegenwärtigen Zustand nur wenig mehr als der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“. Die Allgemeinheit muss ausbaden, mit gedrücktem Lohn und Steuergeldern, was die Wirtschaftsbosse, was solche „Experten“ versau(t)en. Und doch nimmt deren Reichtum ungerechtfertigt zu – gerade wegen der (künstlich) verkürzten Lebensdauer der Produkte, wegen „erfolgreicher“ Marktstrategien. Damit nimmt auch die ungerechte Polarisierung auf der anderen Seite zu, zeigt sich in Armut, Unsicherheit und (Lebens-) Perspektivlosigkeit für immer mehr Mitglieder der Gesellschaft. Jahres-Boni oder „Abfindungen“ in einer Höhe im Übrigen, die ein ehrlicher Ar-

Auch Schrottberge sind eine Folge des Wachstums um jeden Preis gien, insbesondere auch beim Kraftwerksbau usw. Auch Deutschland hat einen hohen Anteil an der nun schon 25 Jahre währenden Verschleppung des Rio-Prozesses zur Nachhaltigkeit seit 1992.

notwendigen Voraussetzung „betriebswirtschaftlicher Leistungserstellung“. Der schnelle Wechsel der Produktgenerationen führt immer mehr zu unausgereiften, Standards nicht erfüllenden Produkten.

In diesem Konkurrenzkampf sind Umweltauflagen immer lästige Kostenfaktoren, die legal oder eben auch illegal umgangen werden. Die o. g. Probleme sind daher nicht „Auswüchse“, sondern notwendige Erscheinungsformen des grundlegenden Wesens der herrschenden Wirtschaftsweise, aber sie

Es begann eigentlich früher, damals, als amerikanische Unternehmer sich auf eine Begrenzung der Lebensdauer der Glühbirne einigten. Heute nennen wir es Obsoleszenz, auch ein Wesensmerkmal dieser Wirtschaftsweise: die begrenzte Lebensdauer eines Produktes braucht nur der Hersteller, wegen

beiter nicht mal mit akademischem Beruf je in einem vollen Arbeitsleben erreichen kann – das ist Dekadenz, die die Gesellschaft nicht nur gefährdet, sondern sukzessive zerstört. „Wachstum“ und „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard) haben sich schon lange getrennt, stattdessen haften die Beschäftigten und die wirklichen Steuerzahler für die dekadenten Gewinn- und Einkommensstrategien, für Spekulationsgeschäfte, Betrügereien und „Steuersparmodelle“. Die Politiker einer mit scheindemokratischem Parlamentarismus geschützten Oligarchie decken diese „Geschäfte“.

„Wachstum“, „Umsatz“, „Gewinn“ sind wichtiger als Lebenssicherheit, soziale, finanzielle, kulturelle und – biotopische (!), für die Benachteiligten in dieser (Welt-) Gesellschaft, für uns alle und für künftige Generationen. Zum ersten Mal haben wir nun das Wissen rechtzeitig. Papst Franziskus sagt „Diese Wirtschaftsform tötet“, er meint die Verhungernden dieser Welt, Kinder die nicht bekommen, was sie zu gesundem Aufwachsen brauchen. Sie brauchen bestimmt keine Diesel- oder andere Autos, keine importierten Kohle- oder Atomkraftwerke aus den Wirtschaftszentren dieser Welt. Es reichten schon Lebensmittel aus natürlicher Produktion aus ihrer Region und Brunnen – fürs erste. Doch „die Weltwirtschaft“ und „die Politik“ handeln nicht danach, obwohl auch der gesellschaftliche Reichtum dafür ausreicht. Nur seine (Rechts-) Form verhindert dies, und eine Politik, welche die bestehenden Verhältnisse fortschreiben will. Verlässliche Untersuchungen zur Weltnahrungsproduktion belegen, dass mit den gegenwärtig jährlich produzierten Lebensmitteln bis zu 12 Mrd. Menschen ernährt werden können. Warum hungert dann eine von sieben Milliarden Menschen? Wer mit Spekulationsgewinnen auf Lebensmittel seinen Lebensunterhalt verdient, muss ethisch gebrandmarkt werden. Bestimmte Arten von „Wirtschaftstätigkeit“ gehören unterbunden mit allem rechtlich zur Verfügung stehenden Regelwerk. Sollte das nicht reichen, muss dieses Regelwerk geschaffen werden. Opfer sind vermeidbar, aber der Reichtum muss eingesetzt und nicht privatisiert und aus spekulativen Erwägungen zurückgehalten, schon gar nicht als Erpressungsmacht gegen viele Arbeit suchende Menschen verwendet werden. Die Bundesrepublik hat sogar eine Rechtsgrundlage aus der deutschen Nachkriegsgeschichte: Hier hätten wir einen Anlass für ein wirklich gerechtfertigtes neues „Notopfer“, oder auch einen „Soli-Beitrag“. Denn „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll ZUGLEICH dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (GG Art. 14). Brach liegenden Reichtum abgeben oder „sozialisieren“ (GG Art. 15)! Anstatt bei jedem geringsten Steuerüberschuss lauthals „Steuersenkung“ zu brüllen, sollten die für echte Nachhaltigkeit wirklich wichtigen Umsteuerungen von Wirtschaft und Gesellschaft angegangen werden. Ja, dafür wird viel, sehr viel Geld nötig werden. Es müsste von den spekulativen Mühlen runter in Investitionen bei neuen Technologien und geschlossenen Stoffkreisläufen, also in die Zirkulation von Arbeit, Lohn und Lebenssicherung ohne Rückkehr in den spekulativen Kreislauf. Das ist die Aufgabe! Und Deutschland muss endlich ohne Wenn und Aber die Einzahlung von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den UN-Entwicklungshilfefonds erfüllen und die aufgehäuften Schulden hier bezahlen. Wird das Thema der grundlegenden Umwälzung der Wirtschaftsweise nicht in den Mittelpunkt der öffentlichen gesellschaftlichen Debatte und der Politik gestellt, kann es keine wirklich „nachhaltige“ Wirtschaft geben.


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Vor 150 Jahren in Leipzig gedruckt: „Das Kapital Band I“ Dr. Jürgen Leibiger blickt zurück auf ein Kolloquium der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen anlässlich des Werkjubiläums. Was sagt Marx uns heute? Vor 150 Jahren ließ Marx‘ Hamburger Verleger Otto Meissner den ersten Band des „Kapital“ in der Druckerei Wigand in Leipzig drucken. Das Kolloquium aus Anlass dieses Jahrestags widmete sich der Frage, welche Bedeutung dieses Werk für die sozialen Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert hat. Im völlig überfüllten Vortragsraum der Stiftung in Leipzig waren über 50 teils weitgereiste Gäste vertreten, die Diskussionsfreude zu den sechs Referaten war erfreulich groß. Dieter Janke, stellvertretender Vorsitzender der Stiftung, eröffnete mit einer Reminiszenz an wissenschaftliche Konferenzen, die 100 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Band I des „Kapital“ 1967 in Frankfurt a. M. und Leipzig durchgeführt wurden. Die Frankfurter Tagung sei von einer „Aufbruchsstimmung“ gekennzeichnet gewesen. Die Leipziger Konferenz hingegen sei trotz wissenschaftlich wertvoller Beiträge zu einem Politikum stilisiert und ideologisiert worden. Heute sei der Umgang mit Marx – auch im Unterschied zu den „Nachwende-Jahren“ erfreulich sachlich geworden. Natürlich stelle sich die Frage, ob der heutige Kapitalismus mit dem von Marx analysierten noch vergleichbar sei. Was also habe das „Kapital“ noch zu bieten?

Marxschen Textarbeit zutage. Letztlich habe er sein Werk nie vollendet und selbst bezüglich des ersten „Kapital“Bandes sprach er kurz vor seinem Tod davon, es umzuarbeiten, sobald es die Umstände erlaubten.

Im Zusammenhang von Produktion und Austauschs der Waren liege begründet, weshalb auch unter heutigen Bedingungen einer Papier- und Buchgeldzirkulation noch eine Geldware existiere und die Zentralbanken trotz fehlender Deckungs- oder gar Umtauschpflicht die Goldreserven hüteten. Müller ging auch auf einige Kritiken an der Arbeitswerttheorie ein: „Wer das arbeitswerttheoretische Fundament für unbrauchbar hält, schlägt der marxistischen Ökonomie den Boden unter den Füßen weg“.

Ullrich Busch, Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, ging der Frage nach, wie aktuell der Marxsche Kapitalismusbegriff in Zeiten der Digitalisierung ist. Marx habe unter „Kapitalismus“ eine Gesellschaftsordnung verstanden, deren Wesen, ChaGeorg Quaas, Dozent an der Univerrakter und Struktur sich aus der kapisität Leipzig, fragte, ob der Mehrwert, talistischen Produktionsweise als einer also auch der Wert messbar sei, oder historischen Einheit von industriellen ob das „nur“ für deren ErscheinunProduktivkräften und sozialen Verhältgen, Marktpreis und Profit gelte. Damit nissen ergebe, in deren Zentrum das war das Dauerthema der Wert-PreisKapitalverhältnis stehe. Wende man Transformation des Band III des „Kapidieses Herangehen auf die Geschichte tal“ aufgeworfen. Quaas betonte, dass des Kapitalismus an, zeige sich, dass dieser eine Reihe von Transformationen Marx schon im Band I eine Preistheorie entwickelt habe, die sich widerspruchsdurchlaufen habe. Das bisher jüngste frei modellieren lasse. Dies erkläre sei das in den 1970er Jahren sich herauch, warum Marx im Band I des „Kaausbildende Regime des Finanzmarktpital“ Werte stets in Preisen angeben kapitalismus mit der Digitalisierung als kann. Als empirisch forschendem Wirtdessen Basisinnovation. Eine mit der schaftswissenschaftler sei ihm – Quaas Industrialisierung vor 200 Jahren ver– besonders wichtig, dass damit Anagleichbare Wirkung könne der Digitalysen des Kapitalismus auf Basis von lisierung bisher nicht zugeschrieben Preisen werttheoretisch korrekt seiwerden. Vieles spreche dafür, dass diese eine Modifizierung des Kapitalismus, en. Dies erlaube die Verwendung der Ergebnisse der modernen Volkswirtnicht aber dessen Aufhebung bewirke. Bevor darauf eingegangen wurde, erschaftlichen Gesamtrechnungen für die innerte Manfred Neuhaus, Leipziger Analyse und für den Test ökonomischer, Klaus Müller, WirtschaftswissenschaftMarx-Engels-Editor, in einem mit launig darunter auch Marx‘ Theorien. ler aus Chemnitz, sprach über den erzählten Episoden gespickten Vortrag Zusammenhang von Wert- und Geldan die Editionsgeschichte des ersten Stephan Krüger, Berliner Wirtschaftstheorie. Wertformenanalyse und GeldKapital-Bandes. Marx habe zwar über wissenschaftler, entwickelte eine Akbegriff gehörten zu den umstrittensten eine „Verschwörung des Schweigens“ kumulationstheorie des 21. JahrhunProblemen der marxistischen politigeklagt, aber angesichts des schwieriderts. Ausgehend von der historischen schen Ökonomie. Marx leite die Entgen Stoffs sei die Rezeption breit ausEntwicklung der gesellschaftlichen stehung und das Wesen des Geldes gefallen. Selbst akademische Gegner Betriebsweise und der Akkumulatiwie der Leipziger Professor Wilhelm Ro- logisch und historisch aus dem Waonsregimes analysierte er die Besonrentausch ab. Das Geld könne mithin scher hätten ihm in seiner „Geschichderheiten der heutigen Akkumulation nicht, wie oft behauptet werde, histote der Nationalökonomie“ schon 1874 des Kapitals. Kennzeichnend sei eine risch vor der Existenz eines entwickelseinen freilich mit vergifteten Komplimenten versetzten Respekt nicht versa- ten Warenaustauschs entstanden sein. „strukturelle Überakkumulation“, in der gen können. Die UNESCO setzte 2013 auf deutschen Antrag den ersten Band des „Kapital“ (und das „Kommunistische Manifest“) in das Weltregister des Dokumentenerbes. „So viel Marx, meine Damen und Herren, gab es noch nie“, endete Neuhaus.

Nachtrag: Der vom Berichterstatter gemachte Vorschlag zu einer Marx-Exkursion in Leipzig wurde leider nicht aufgegriffen. Marx‘ Kapital wurde in Leipzig bei Wigand gedruckt, woran eine Tafel am Roßplatz erinnert, und eine Schnelldruckmaschine, das damals Modernste auf diesem Gebiet, kann im Leipziger Druckkunst-Museum besichtigt werden. Dies und die „Gelehrsamkeit der Leipziger Korrektoren“ waren der Grund, weshalb der Druck in Leipzig und nicht in Hamburg, dem Sitz des Verlags, erfolgte. Marx war auch selbst mindestens einmal in Leipzig, wo er sich mit Wilhelm Liebknecht (heutiges LiebknechtHaus) traf. Er wohnte damals mit seiner Tochter Eleanor im Hotel „Hochstein“ am Bayrischen Platz, das heute noch ein Marx-Zimmer mit Originaleinrichtung vermietet. Das berühmte Marx-Relief der ehemaligen „Karl-Marx-Universität“ kann in der Jahnallee besichtigt werden. Vielleicht finden sich ja Leipziger Enthusiasten, die den Vorschlag doch realisieren. Alle Referate werden veröffentlicht. Ein ausführlicher Bericht auch über die Diskussion erscheint in der SeptemberAusgabe der Frankfurter „Z – Zeitschrift Marxistische Erneuerung“. Dort wird auch der aus Zeitgründen nicht gehaltene Vortrag des Autors zu „Geschichtliche Tendenz der Akkumulation: Karl Marx und das 20./21. Jahrhundert“ abgedruckt. 1

Foto: ckowalik / flickr.com / CC BY-NC 2.0

Der Wirtschaftshistoriker Thomas Kuczynski verfolgte, welche Textveränderungen Marx in den zu seinen Lebzeiten veröffentlichten und übersetzten „Kapital“-Ausgaben vornahm oder vornehmen wollte. Vor allem in der französischen Ausgabe von 1872 habe er nach seinem eigenen Urteil „manches Neue zugesetzt und vieles wesentlich besser dargestellt“. Ein Vergleich fördere, so Kuczynski, in der Tat manche Erkenntnisfortschritte bezüglich der

keine langfristige Steigerung der Profitmasse und keine weitere Ausdehnung der produktiven Basis mehr stattfinde. Das disponible Geldkapital werde in unproduktive Verwendungen umgeleitet und die für einen Aufschwung erforderliche Entwertung von Kapital werde um den Preis wachsender Finanzblasen und erhöhter Instabilität hinausgeschoben. Krüger hält Lösungen dieses Dilemmas unter den gegenwärtigen Bedingungen für prinzipiell möglich. Entweder es komme zu einer gewaltsamen Entwertung des Kapitals in allen Daseinsformen mit katastrophalen Konsequenzen oder zur Entwertung toxischer Eigentumstitel und uneinbringlicher Kredite mit Übergang zu einer Entkopplung der Investitionen von ihrer kapitalistischen Profitdetermination. Der Einstieg in letztere Alternative könne durch die Ausweitung öffentlicher Investitionen und eine makroökonomische Strukturpolitik zur Steuerung des Marktsektors sein. Dieser Pfad könne letztlich in der Überwindung der Dominanz kapitalistischer Produktionsverhältnisse – der Ablösung der sozialen durch eine „sozialistische Marktwirtschaft“ – münden.1


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Geschichte

07-08/2017 Links!

Die Entnazifizierung in den Köpfen stand noch bevor

Mit dem militärischen Sieg am 8. Mai 1945 war Deutschland zwar von der Herrschaft des Faschismus befreit worden, aber noch nicht von dessen Ideologie. Die Entnazifizierung in den Köpfen, stand noch bevor und war letztlich von den Deutschen selbst zu bewältigen. „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“, schworen die überlebenden Häftlinge von Buchenwald am 19. April 1945. Es war die Zeit, in der die Menschen nach Wegen suchten, um weiterleben zu können. Angesichts der zerstörten Wirtschaft, der städtischen Wohnruinen und des Hungers empfanden viele diese Lage wegen der scheinbaren Aussichtslosigkeit – Eine ‚Stunde Null’ in den Köpfen?“ gehalten worden sind. Von den Herausgeals „Stunde Null“, während die meisten bern als einzige wissenschaftliche KonEuropäer den opferreichen Sieg feierferenz in Deutschland aus Anlass des ten und weit davon entfernt waren, ihre 70. Jahrestages der Befreiung bezeichnicht minder schwere Lage als „Stunnet, hatte sie ausführlich und differende Null“ zu empfinden. Deutschland ziert die geistige Situation in Deutschhatte zum Teil erlitten, was es zuvor auf land bei Kriegsende erörtert. schreckliche Weise den Völkern der Welt angetan hatte. „Stunde Null“ suggerierte gewollt oder ungewollt, wie bei Günter Benser über Bereits Anfang Januar 1944 waren in die Dimension der historischen Zäsur London in deutscher Sprache, herausdes Jahres 1945 zu lesen ist, die Vorgegeben vom „Freien Deutschen Kulstellung, „als ob sich am Ende des Zweiturbund in England“, Erzählungen deutten Weltkrieges und angesichts der scher Emigranten unter dem Titel „Weg durch die Nacht“ erschienen. Jan Petersen hatte im Vorwort vermerkt: „Die Nacht geht zu Ende. Ein neuer Menschheits-Morgen kündet sich an.“ Über 70 Jahre danach berichten in einem Sammelband 18 Autoren von den Hoffnungen, Erwartungen und Vorstellungen jener Menschen, die im Frühjahr 1945 zu den Akteuren dieses „MenschheitsMorgen“ gehörten. Es sind, außer den Herausgebern, größtenteils bekannte Historiker, darunter Günter Benser, Peter Brandt, Jürgen Hofmann, Siegfried Prokop und Jörg Roesler. Ihre Beiträge widerspiegeln die Vorträge, die auf einem vom Berlin-Brandenburger Bildungswerk e.V. und vom Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung e.V. durchgeführten Kolloquium „Der 8. Mai 1945

Prof. Dr. Kurt Schneider erinnert an die „Stunde Null“

Vor 110 Jahren geboren: Erich Jungmann er von 1935 bis 1937 Jugendleiter der KPD-Abschnittsleitung West in Amsterdam und anschließend Mitglied ihres Sekretariats in Paris, bis er wegen des Kriegsausbruchs im September 1939 verhaftet und interniert wurde. Dank einer Intervention Elenore Roosevelts, die er 1938 auf der „Weltjugendkonferenz für den Frieden“ in New York kennengelernt hatte, konnte er im März 1942 nach Mexiko ausreisen, wo er neben Paul Merker und Alexander Abusch zu den wichtigsten Funktionären der deutschen kommunistischen Emigranten gehörte. seine Wahl als ReichstagsabgeordneIm Juli 1946 kehrte Erich Jungmann ter der KPD. 1933/34 gehörte er zur illegalen KJVD-Leitung in Deutschland. nach Deutschland zurück. Im DezemVon Verhaftung durch die Gestapo be- ber 1946 übersiedelte er in die Westzonen und wurde zunächst 2. und spädroht, emigrierte er im Juni 1934 zunächst in die Sowjetunion. Danach war ter 1. Sekretär der KPD-Landesleitung

Foto: ckowalik / flickr.com / CC BY-NC 2.0

katastrophalen Niederlage alle Deutschen als eine Schicksalsgemeinschaft verarmter, hungernder, notleidender und orientierungsloser Menschen empfunden hätten, für die – zumindest vorübergehend – die Klassentrennungen und die politischen Lager keine oder nur eine nebensächliche Rolle gespielt hätten“. Eine derartige Bewertung negierte, wie die Autoren belegen, die sich in allen Gebieten Deutschlands formierenden antifaschistisch-demokratischen Triebkräfte, die sofort zur Tat schritten, um mit den Besatzungsmächten die Überreste des Faschismus

Niedersachsen. Von 1949 bis 1951 trug er im Sekretariat des KPD-Parteivorstandes die Verantwortung für das Ressort Massenorganisation. Wegen seiner Westemigration musste er 1952 in die DDR übersiedeln. Als nunmehriges Mitglied der SED mit jour-

Foto: En-web / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

Geboren am 31. Juli 1907 in Reichenberg/Sachsen als Sohn eines Fabrikarbeiters, absolvierte Erich Jungmann eine kaufmännische Lehre. 1929 trat er der KPD bei und war bald Mitglied und Sekretär des ZK des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland (KJVD). Im November 1932 erfolgte

auf kommunaler Ebene zu überwinden und das Überleben der Bevölkerung zu ermöglichen. Das waren vor allem die aus dem illegalen antifaschistischen Widerstand Kommenden, die befreiten KZund Zuchthaushäftlinge und die aus der Emigration Zurückgekehrten. Die Beiträge behandeln die konkrete Lage und die Rolle unterschiedlicher Kräfte der Arbeiterbewegung im Prozess des Antifaschismus, aber ebenso die politische Situation und die ideologischen Entwicklungstendenzen in der Intelligenz und in anderen sozialen Schichten. Einbezogen ist die umfassende Bewegung antifaschistischer Ausschüsse und des „Nationalkomitee Freies Deutschland“ in ehemaligen Zentren der Arbeiterbewegung, darunter in Leipzig. Gleichfalls wird der Blick gerichtet auf die überparteilichen Frauenausschüsse und die Frauenpolitik nach der Befreiung sowie auf das Erleben der vielfach beschworenen „Stunde Null“ der Ostflüchtlinge und Umsiedler in den einzelnen Besatzungszonen. Weitere Themen sind die politischen Schulungen des Linkssozialisten Wolfgang Abendroth in der ägyptischen „Wüstenuniversität“ und im „Wilton Park“1945/46, das Scheitern der Nachkriegspolitik der demokratischen Sozialisten und die unterschiedlichen Interpretationen des 8. Mai 1945 in der DDR und in der BRD, ergänzt durch die langen Schatten und den Neubeginn der Bildenden Kunst nach der Befreiung, dem persönliche Rückblicke folgen. 70 Jahre nach der Kapitulation war festzustellen, dass bereits mit der Beteiligung am NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 von deutschem Boden wieder Krieg ausging. Seither ist die Teilnahme an Kampfeinsätzen militärische Richtschnur. Unter diesem Gesichtspunkt und neofaschistischer Umtriebe ist der Band höchst aktuell. Rainer Holze, Marga Voigt (Hrsg.): 1945 – Eine „Stunde Null“in den Köpfen? Zur geistigen Situation in Deutschland nach der Befreiung vom Faschismus. Edition bodoni, 2016. 269 Seiten, 18,00 Euro.

nalistischen Aufgaben betraut, wurde Erich Jungmann in Verbindung mit dem Slansky-Prozess in Prag „zionistischer Abweichungen“ im mexikanischen Asyl beschuldigt. Anfang 1953 von allen Parteifunktionen entbunden, erfolgte sein Einsatz zur „Bewährung in der Produktion“. 1956 rehabilitiert, war er bis 1959 stellvertretender Chefredakteur der „Berliner Zeitung“. Danach mit Aufgaben in der „Westarbeit“ der SED beauftragt, erfolgte seine Wahl als Mitglied des ZK, Kandidat des Politbüros und Sekretär des ZK der von der DDR aus agierenden illegalen bundesdeutschen KPD. Mit der Konstituierung der DKP 1968 endete diese Tätigkeit. Von der KPD wieder in die SED übernommen, wurde er Leiter des Auslandsenders Radio Berlin International und blieb bis 1976 Intendant des Senders. Am 29. März 1986 verstarb Erich Jungmann in Berlin. • Prof. Dr. Kurt Schneider Verfasst vor allem nach Angaben von Hermann Weber und Andreas Herbst.


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Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Schlaglichter auf jüdischchristlich-muslimische Geschichte Am 26. Mai fand in den Räumen des Brückenbauer Chemnitz e.V. in Zusammenarbeit mit der Rosa-LuxemburgStiftung eine besondere Veranstaltung statt. In der Vergangenheit hatte ich bereits religionswissenschaftliche Vorträge und Diskussionen mit der RLS durchgeführt, doch ging es in der Regel um die Themenfelder Islam, Islamismus und Antimuslimischer Rassismus. Das Publikum bestand überwiegend aus weißen Vertreter_innen der Mehrheitsgesellschaft. An diesem Abend jedoch waren die Vorzeichen umgekehrt: Die Veranstalter_innen wollten insbesondere christliche

Geflüchtete aus Iran, bzw. Afghanistan erreichen, mein Inputvortrag sollte vor allem die wechselnden Verhältnisse zwischen den „abrahimitischen Religionen“ in Geschichte und Gegenwart behandeln und für das Problem des Antisemitismus sensibilisieren. Alle Beteiligten standen also vor großen Herausforderungen, schließlich musste der gut besuchte Vortrag auch noch auf Farsi übersetzt werden. Doch aus meiner Sicht haben sich alle Anstrengungen mehr als gelohnt: Historische Beispiele von friedlichem Zusammenleben konnten aufzeigen,

Neuerscheinung Volker Caysa: Rosa Luxemburg – die Philosophin. Rosa-LuxemburgForschungsberichte Bd. 13, Herausgegeben von Klaus Kinner und Manfred Neuhaus, Leipzig 2017. Inhalt: Die Parrhesiastin S. 9-35, Die Lebenskünstlerin S. 36-61, Die Analy-

tikerin des Empire S. 61-85, Personenverzeichnis S. 87-88, Zum Autor S. 89, Die bisher erschienenen Rosa-Luxemburg-Forschungsberichte S. 91 Bestellungen bei der Rosa-LuxemburgStiftung Sachsen unter: info@rosaluxsachsen.de, Tel: 0341-9608531

dass religiöse Toleranz zivilisatorische Fortschritte ermöglichte, Verfolgungen und religiös verbrämte Konflikte jedoch oftmals Angehörige verschiedener religiöser Minderheiten gleichermaßen betraf. Auch die Entwicklungsgeschichte der Judenfeindschaft, von christlich-begründetem Antijudaismus zum modernen Antisemitismus wurde besprochen, Nationalsozialismus und Holocaust an lokalen Beispielen vor Augen geführt und auf den Staat Israel eingegangen. In der Diskussion äußerten mehrere Anwesende Dank dafür, in einer freiheitlichen Gesellschaft auch diese Themen besprechen zu können – in ihren Heimatländern seien aufgrund der Instrumentalisierung des Nahostkonflikts solche Veranstaltungen undenkbar. Voraussetzung für eine freie Gesellschaft ist ihr Umgang mit Minderheiten. Für Antisemitismus und andere Ausprägungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten darf kein Platz sein. Dass dieser Abend nun den Auftakt zu einer Vertiefung des Themas darstellt, freut mich sehr: Die Gruppe wird sich mit Vertreter_innen der jüdischen Gemeinde treffen und plant bereits eine Exkursion zur Gedenkstätte Buchenwald. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftig weitere dieser Diskussionen zur Bekämpfung des Antisemitismus andernorts folgen. Dies wäre eine wichtige Aufgabe, die die Partei DIE LINKE übernehmen sollte – gerne würde ich sie dabei weiter unterstützen. • Florian Illerhaus, Religionswissenschaftler, www.florian-illerhaus.de

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­ lage von 10.950 Explaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Thomas Dudzak, Ralf Richter Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto

Peter Porsch: Linke Dispute. Anregungen, Polemiken und Kopfnüsse aus linker APO-Zeit. 162 S., 12,99 Euro, ISBN 978-3-945187-62-3. Das Büchlein erschien Ende Juni 2016 im verlag am park. Sämtliche Verkaufserlöse fließen auf unser Spendenkonto und helfen so unserem Verein, diese Zeitung zu erhalten. Wir danken herzlich für jegliche Unterstützung!

Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 26.06.2017 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 06.09.2017. Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Konto­daten: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder Telefon 035184389773


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Rezensionen

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Der Mann, der Hitler besiegte René Lindenau hat bei Philipp Ewers nachgelesen, wie Schukow zu Rang und Ehren kam Selbstzensur oder die Parteizensur? Im 76. Jahr nach dem Überfall auf die Letztere hatte auch für den KriegshelSowjetunion eroberte die Biographie den Auswirkungen, denn Material gejener Person die Buchläden, die welangte teils erst posthum in den Druck. sentlich zur Niederlage des Hitlerregimes beitragen sollte. Die Rede ist von Seine Feuertaufe erlebte der spätere Marschall Georgi K. Schukow (1896„Sieger von Berlin“ im Ersten Weltkrieg. 1974). Der britische Publizist und SlaEr diente in der Kavallerie, der er sich wist Philipp Ewers hat sich der Mühe zeitlebens verbunden fühlte (Die Siegeunterzogen, „auf der Basis neuester sparade am 24. Juni 1945 nahm er über geschichtswissenschaftlicher Erkenntden Roten Platz reitend ab, auf einem nisse zu Schukow eine Neubewertung vorgenommen zu haben (wo nötig) und weißen Araberhengst, der ihm von Buddabei seine Verdienste und Schwächen jonny geschenkt worden war.). Weitere Stationen waren die des stellvertretenim Kontext der historischen Situation zu beleuchten(...)“. Das Ergebnis ist das den Inspekteurs der Kavallerie der Roten Armee, das Kommando über eine Portrait einer facettenreichen Persönlichkeit, die die Sowjetunion und insbe- Kavalleriedivision sowie die Schlacht am Chalchin Gol, 1939. Zur Sprache sondere deren Armee über Jahrzehnbringt der Autor auch die „Großen Säute geprägt hat, bis heute prägt. Ist er berungen“, wo tausende Armeeandoch fester Teil der Erinnerungskultur. Aber der Autor betrachtet nicht nur den Militär, sondern auch den Privatmann Schukow. Seiner Frau Alexandra war er bis zur Scheidung Mitte der 60er Jahren häufig untreu, dafür wurde ihm z. B. eine attraktive Ärztin zur „Herzensangelegenheit“, die er nach seinem zweiten Herzanfall in einer Klinik kennenlernte. Was auffällt beim Lesen der Schilderung seiner Kindheit und Jugend, auch im Abschnitt über seine Zeit während des Krieges als stellvertretender Oberbefehlshaber Stalins: Schukow zeigte sich erfinderisch. So war der soziale Status seiner Familie gar nicht so ärmlich wie er behauptete, schreibt Ewers. Und später, als einer der ranghöchsten Soldaten, erklärte Schukow, er sei bei Stalin gewesen, unter anderem um militärische Operationen auszuarbeiten. Laut Ewers findet sich aber kein solcher Eintrag in Stalins Terminkalender. Hatte Schukow so etwas nötig? War es

gehörige ihr Leben verloren. Breiten Raum nehmen das Vorkriegsgeschehen und der trotz Nichtangriffspakt als unvermeidlich betrachtete Krieg mit Hitlerdeutschland ein. Zu Kriegsbeginn war Schukow Generalstabschef. Ewers begleitet den „Rüpel“ (General Pawel Batow) in die Schlachten des Großen Vaterländischen Krieges. Er folgt ihm von den anfänglichen Kesseln, nach Leningrad, Moskau, Stalingrad, von Kursk nach Warschau und schließlich nach Berlin. Immer war Schukow dabei – ob als Entwickler von Operationsideen, als Vertreter des Hauptquartiers oder als Frontoberbefehlshaber. Doch wie groß sein Anteil an sowjetischen Siegen jeweils war, ist fraglich bis umstritten. Denn im Buch erfahren wir: Der vierfache Held der Sowjetunion teilte den Ruhm ungern mit anderen. Stattdessen setzte er viel daran, seine Rolle überzubewerten. Der Höhepunkt in der militärischen Laufbahn des Marschalls dürfte das Amt des Verteidigungsministers gewesen sein, in das Chruschtschow ihn 1955 hievte. Aber schon zwei Jahre später ließ er ihn fallen. Dabei vollbrachte Schukow als Minister Erstaunliches. In dieser Zeit gelang es, insgesamt zwei Millionen Mann zu demobilisieren. Maßgeblich sollte Schukow an der Ausarbeitung des Warschauer Vertragswerkes beteiligt sein. Dabei hatte er dafür gesorgt, dass eine weniger militärisch-aggressive, sondern vielmehr friedensfördernd-defensive Note aufgenommen wurde. Weil der Soldat weiß, was Krieg heißt? Bei der Genfer Abrüstungskonferenz (1955) konnte Chruschtschow nicht mit der Aufmerksamkeit umgehen, die seinem Spitzen-

militär zukam. So landete Schukow auf der Titelseite des TIME-Magazine. Am Ende wurde ihm vorgeworfen, „Partei und Armee auseinander dividieren zu wollen“. So wurde Schukow durch den „Speichellecker“ Marschall Rodion Malinowski ersetzt. Ewers‘ Buch zeigt: Das Leben von Marschall Georgi K. Schukow war geprägt von zahlreichen Erfolgen, Rückschlägen, Brüchen und politischen wie privaten Tragödien, und sicher auch von Momenten des Glücks. Er war eine Gestalt, die polarisierte. Beim BBC-Korrespondenten Alexander Werth zum Beispiel hat er „den Eindruck eines großen Mannes hinterlassen“. Derb, wie er selbst war, äußerte der US-General George Patton: „Schukow sei ihm wie ein Operettenbuffo vorgekommen mit dem ganzen Ordensblech an seiner Brust, zudem sei er ziemlich klein, fett und habe ein Affengebiß, aber gute blaue Augen“. Ein ganz anderes Bild zeichnete der sowjetische Übersetzer zweier Unterredungen, die Eisenhower und Schukow am Rande der Genfer Abrüstungskonferenz führten. Hier habe sich der neue sowjetische Minister sehr würdevoll und diplomatisch verhalten, wobei er nicht wie der gnadenlose Befehlshaber gewirkt habe, als der er oft beschrieben wurde. Eine verbesserte und ergänzte Nachauflage wäre wünschenswert. Der Leser stößt auf manchen Schreibfehler. Zu empfehlen wären ebenso ein Quellenverzeichnis und eine Literaturliste. Philipp Ewers: Marschall Schukow - Der Mann, der Hitler besiegte. edition berolina, 1. Auflage, ISBN 978-3-95841060-2

Sie gehört zur „ersten Reihe“ Die Biografie über die Antifaschistin Judith Auer erschien in erweiterter Auflage. Von Wulf Skaun Stephan Hermlins „Die erste Reihe“ (1951) trug im Bücherschatz meiner Kindheit die Nummer 19. Und obwohl viel Lesestoff nachkam, blieb mir des Dichters Gedächtnis an 30 junge antifaschistische Widerstandskämpfer stets in besonderer Erinnerung. „Dreißig stehen für Tausende“, hatte Hermlin all jenen ein Denkmal gesetzt, die ihr Leben im Ringen um eine friedliche und gerechte Welt gegeben hatten: „Sie waren die erste Reihe ...“ Nicht alle ihre Namen seien öffentlich bekannt gewesen, viele andere würden sein kleines Buch später ergänzen, hoffte er. Ruth und Günter Hortzschanskys Biografie über Leben und Tod der Antifaschistin Judith Auer (1905−1944) erfüllt Hermlins Erwartung. 2004 erstmals erschienen, liegt „Möge alles Schmerzliche nicht umsonst gewesen sein“ nun

in zweiter, erweiterter, Auflage vor. Ich gestehe, bis dahin von Judith Auer nichts gewusst zu haben, obwohl Straßen in Berlin, Leipzig und Jena ihren Namen tragen. Dank Hortzschanskys ist das nun anders: Die aus einer Künstlerfamilie stammende musikalisch Hochbegabte kämpfte eng mit Anton und Aenne Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein gegen Naziherrschaft und Krieg an und gehört füglich zu Hermlins „erster Reihe“. Das Buch mischt sachliche Dokumentation über Judith Auers Entwicklung von der verständnisvollen Gefährtin an der Seite eines Jungkommunisten zur bewussten, aktiven KPD-Widerstandskämpferin mit bewegend-emotionaler Schilderung ihres nicht immer einfachen privaten Alltags als Ehefrau und Mutter einer geliebten Tochter. Dass diese Dramaturgie den Leser über-

zeugt, liegt weitgehend an den biografischen Besonderheiten der beiden Autoren. Ruth Hortzschansky ist die 1929 geborene Tochter der Buchheldin, die Mut und Kraft für ihre illegale Arbeit immer wieder auch aus Liebe zu ihr und für ihre Zukunft schöpfte. Ehemann Günter Hortzschansky machte sich als Historiker mit der Erforschung der deutschen Arbeiterbewegung bis 1945, Schwerpunkt Ernst Thälmann, einen Namen. Diese Sach- und Fachkompetenz beider Verfasser verleihen der Schrift eine Aussagekraft, die weit über das persönliche Schicksal ihrer Hauptgestalt hinausgeht und ein allgemeingültiges Bild von Kampf und Opferbereitschaft, Erfolg und Niederlage, Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod einer antifaschistischen jungen Generation zeichnet. Doch vermittelt das Buch freilich zuallererst die packende

und berührende, bisweilen schmerzliche Bekanntschaft mit der außergewöhnlich sensiblen wie kämpferischen Judith Auer. Die Aufnahme originaler Briefe und Aufzeichnungen der klugen und tapferen Antifaschistin, die so gern ihre musisch-kulturellen Neigungen gelebt hätte, doch durch barbarische Henkerhand sterben musste, mehrt den Wert der Neuauflage durch höchste Authentizität. Sie lässt den aufgewühlten Leser in Judith Auers letzte Worte an ihre Tochter Ruth einstimmen: „Möge alles Schmerzliche nicht umsonst gewesen sein.“ Ruth und Günter Hortzschansky: „Möge alles Schmerzliche nicht umsonst gewesen sein“. Von Leben und Tod der Antifaschistin Judith Auer 1905−1944. 2. Auflage. Berlin: trafo [2017]. 265 S., 38 Ill. EUR 19,80.


Der 11. September, ein ganz gewöhnlicher Spätsommertag, wird heute oft als schwarzer Tag bezeichnet. Er erinnert an die Terroranschläge in New York im Jahr 2001 – dabei wird allerdings in der Regel außer Acht gelassen, dass sich schon einmal an einem 11. September ein blutiges Ereignis ereignete, das hiesige Medien allerdings kaum beachteten. An diesem Tag im Jahr 1973 stürzte das chilenische Militär mit maßgeblicher Rückendeckung der USA die demokratisch gewählte Regierung um Salvador Allende, der dann dem Terror Augusto Pinochets zum Opfer fiel. In dieser Zeit tourte die damals sehr populäre Politfolkgruppe „Inti-Illimani“ quer durch Europa; in Italien erreichte sie die Schreckensnachricht von der Ermordung des Präsidenten durch die Pinochet-Junta. Weil der Band sogleich die Wiedereinreise verboten worden war, zeigten sich die italienischen Behörden solidarisch und boten ein ständiges Wohn- und Bleiberecht. Inti-Illimani fanden in Rom ein neues Zuhause. Die Gruppe hatte sich 1967 gegründet, bestehend aus fünf „Noch-Studenten“ der technischen Hochschule in Santiago de Chile. Die Gruppe wurde rasch populär, da es ihr spielerisch gelang, durch wiederbelebte alte indianische Musik auf sich aufmerksam zu machen. Sie griffen zu den Instrumenten, die der einfachen traditionellen Volkskunst der lateinamerikanischen Ureinwohner entsprachen. Trotz der Ignoranz der öffentlichen Rundfunkanstalten, die die Folkmusik als zweitklassig abwerteten, wagten sie den Weg in die Öffentlichkeit, traten vor Studenten, bei linksorientierten Festivals und in kleineren Konzertsälen auf. Inti-Illimani begannen ihre Karriere ganz unten und ahnten nicht, dass sie alsbald die später „Weltmusik“ genannte Szene gewichtig bereichern würden. 1968 produzierten sie erstmalig Studioaufnahmen für den Folksampler „Voz para el camino“, was so viel bedeutet wie „Sing auf den Steinen der Straße“, und „Por la CUT“, gemeint ist die Gewerkschaft „Central Union de Trabajadores“. Ab 1969 widmeten sich Inti-Illimani zusehends politischen Inhalten. So fanden sich im Repertoire ihrer ersten Langspielplatte mexikanische Lieder der Revolution und spanische Lieder des Widerstands. Auch auf ihrer zweiten LP „Inti Illimani“ von 1969 bewiesen sie Haltung mit einer Huldigung des lateinamerikanischen Freiheitskämpfers Simon Bolivar aus Caracas, und der Hymne des Unidad Popular „Venceremos“ (Wir werden siegen) aus der Feder Claudio Iturras und des Komponisten Sergio Ortega (Diese Platte erschien 1974 auch bei Amiga unter dem Titel „Viva Chile“). Im gleichen Jahr verließ Mitbegründer Pedro Yanéz die Gruppe, um solistische Wege einzuschlagen. Für ihn kam Ernesto Pérez de Arca zum Ensemble, das nun aus folgenden Mitgliedern bestand: Jorge Coulon (Gitarre, Rumbakugeln, Panflöte, Gesang), Horacio Duran (Mandoline, Cuatro, Gesang), Horacio Salinas (Gitarre, Bandurria, Gesang), Max Berru (Bombo, Percussion, Gesang). Pérez de Arca spielte die alte Bambusflöte der Inca und sang ebenfalls abgöttisch. Während des nahenden Wahlkampfs unterstützten Inti-Illimani das linke

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Venceremos! Inti-Illimani und Victor Jara Jens-Paul Wollenberg blickt in die chilenische (Musik)Geschichte Parteienbündnis „Unidad Popular“, und nach dessen Sieg wurde ihr Kandidat Salvador Allende 1970 zum Präsidenten Chiles gewählt. Im gleichen Jahr produzierte die Gruppe die LP „Canto al Programa“ (Lieder für das Parteiprogramm). Ab 1971 erweiterten sie ihr Repertoire, indem sie inhaltlich politisch aktuellere Themen in ihre Andenspezifische Folklore einfließen ließen, ohne deren Authentizität zu beschädigen. Dabei bekamen sie Unterstützung von befreundeten Poeten und Liedermachern wie Patricio Manus oder Victor Jara, auch vertonten sie Gedichte von Pablo Neruda, Ruben Lenno oder Claudio Iturra. 1973 erfuhren sie schließlich von italienischen Kollegen, was sich in ihrer Heimat Chile abspielte. Zurückkehren durften sie nicht. Im Exil begannen die Chilenen, Protestaktionen zu organisieren, um mit ihren Liedern einen kulturellen Beitrag zum Sturz des Militärregimes zu leisten. Doch was sich derweil an Grausamkeiten in Chile abspielte, konnte das Ensemble zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen. Am 11. September bekam ihr Freund, der Poet und Liedermacher Victor Jara, in Valparaiso das Angebot, anlässlich einer Vernissage in der Technischen Universität der Stadt ein Konzert zu geben. Doch während der Vorbereitungen wurde das Objekt von der chilenischen Armee umstellt, und es folgte ein Massaker an etwa sechshundert Studenten und weiteren Teilnehmern, die entweder sofort ermordet oder in das Fußballstadion von Santiago de Chile deportiert wurden. Unter den letzteren war Victor Jara. Als er versuchte, Lieder anzustim-

men, um seine Mitinhaftierten zu ermutigen, wurde er von den Soldaten zusammengeschlagen. Man zertrat seine Gitarre und brach ihm die Handgelenke. Mit letzter Kraft, vom Schmerz geplagt, sang er „Venceremos“. Wie und wann er hernach ermordet wurde, ist unbekannt, jedenfalls wurde er durch Maschinengewehrsalven getötet. Victor Jara galt und gilt als wichtigster Cancionero, also Liedermacher, Chiles. Er war ein leidenschaftlicher, streitbarer Idealist, dessen Herz radikal links schlug, dessen Texte den Verlierern und Unterdrückten dieser Welt, aber auch den Arbeitern gewidmet sind. Persönlich hingegen befand er sich im ständigen Konflikt zwischen seiner Berufung als politisch aktiver Texter und Sänger und jenen Antrieben lyrischer Kreativität. Seine Poesie ist kein vordergründiger Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen und nicht nur Mittel zum Zweck. So erlangten einige seiner Songs Weltruhm. Geboren worden war Victor Jara am 28. September 1938 in Chilán als Sohn eines Landarbeiterehepaars. In Santiago besuchte er eine Priesterschule, mit achtzehn Jahren begann er ein Studieum an der Theaterhochschule. Ab 1963 arbeitete er als Regisseur in mehreren Theatern und begann erste Lieder zu schreiben. Gemeinsam mit der Sängerin Violeta Parra gründete er die Interessensgemeinschaft „Das neue chilenische Lied“ (La Nueva Canción Chilena) mit Init-Illimani, Tiempo Nuevo, Isabel Para, Quilapayún, Angel Pana und Patricio Manns. 1966 erschien seine erste Langspielplatte „Canto o humana“, drei Jahre

lang leitete er die Gruppe „Quilapayún“. 1968 ging Jara für ein Jahr nach Europa, um Theaterwissenschaft zu studieren; nach seiner Rückkehr beschloss er allerdings, dem Theater den Rücken zu kehren, um sich als politischer Liedermacher zu etablieren. 1971 erhielt er den Kulturpreis „Lauro de oro“ (vergoldeter Lorbeer) als bester Komponist und Texter zugesprochen. Das Repertoire von Inti-Illimani enthielt viele Texte Jaras, die sie in ihren späteren Schaffensperioden auch zeitgenössischer musikalisch umsetzten. Wenn die spanischen Texte auch nicht überall in Europa verstanden wurden, stießen doch die bis dahin ungewohnten Klänge lateinamerikanischer Folklore auf beachtliche Resonanz, und die Platten, die hauptsächlich in Italien produziert wurden, verkauften sich sehr gut. IntiIllimani war übrigens das erste Ensemble, das originale indianische Volksinstrumente wie Bambusflöten, Cajones (kastenförmig und aus Peru stammend, inzwischen ein beliebtes Ersatzschlagzeug) oder das ecuadorianische Saiteninstrument Rondadores einsetzte. Während ihres langjährigen Aufenthalts in Italien mit der beinahe vergeblichen Hoffnung, ihre Heimat wiedersehen zu können, entschlossen sich die Bandmitglieder, nicht gänzlich zu verzweifeln, sondern wenigstens den in Europa lebenden lateinamerikanischem Emigranten – meist aus Chile oder Argentinien stammend – einen Hauch von Heimatgefühl zu vermitteln. So fanden sie in den Gedichten Pablo Nerudas von Nicolás Guilléns die passenden Lyrics, die ebenfalls bei linksorientierten Initiativen und deren sehr gut besuchten Folkfestivals auf großes Interesse stießen. In den 80er Jahren wuchs in Chile ein enormer Drang nach Befreiung von der Diktatur. Aktivisten im Untergrund, internationaler Protest und Boykotts trugen dazu bei, dass die Macht Pinochets zu bröckeln begann. 1988 stimmte die Mehrheit in einer Volksabstimmung gegen eine weitere Amtszeit Pinochets, und die politische Situation veränderte sich zusehends. Tausende Exilanten wagten sich auf den langersehnten Rückweg. Auch die Gruppe Inti-Illimani kehrte am 18. September 1988 zurück. Die Nachricht vom Tag ihrer Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und so wurden sie schon am Flughafen wie Popstars gefeiert. Das Pinochetregime musste Stück für Stück den Protestkundgebungen hauptsächlich linksorientierter Parteien und Gewerkschaftsverbände weichen. Bald traten Inti-Illimani beim „Amnesty-International-Konzert“ im argentinischen Mendoza auf, bei dem auch Weltstars wie Tracy Chapman, Yesson N’dour, Bruce Springsteen und Peter Gabriel zugegen waren. Es folgte eine Tournee durch ganz Chile, bevor die Gruppe im Dezember 1989 während der ersten Präsidentschaftswahl nach der Schreckensherrschaft für den Oppositionskandidaten Patricio Aylwin ein Konzert gab. Aylwin gewann. Nach all den politischen Ereignissen konzentrierten sich Inti-Illimani nun mehr denn je auf den unerschöpflichen Kosmos der Weltmusik. Dabei lieferten die Musiker auch als Solisten einen bedeutenden Soundtrack für die jüngste Geschichte Chiles. Venceremos!


07-08/2017 Sachsens Linke!

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Juli-August 2017

Sachsens Linke

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Es ist der Kapitalismus!

Zeit, nach vorn zu schauen!

Es hatte viele Ursachen, dass vor zehn Jahren die Neugründung einer Partei gelang. Frauen und Männer bei WASG und PDS brachten den Mut für einen Neuanfang auf. Lothar Bisky entschied sich, für einen neuen Parteinamen zu werben. Die WASGler entschlossen sich, zu den Bundestagswahlen zunächst auf den offenen Listen der Linkspartei.PDS zu kandidieren. Die Bekanntheit von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine war zudem ein wichtiges Pfund für den ganzen Prozess. Die Grundlagen für das Entstehen einer neuen linken Partei wurden jedoch vor allem durch soziale Bewegungen geschaffen. Bei den bundesweiten Protesttagen gegen die Agenda 2010, bei den Montagsdemos gegen Hartz IV, auf den Europäischen Sozialforen. Überall war ein neuer Zeitgeist zu spüren.

Bei allem Stolz darüber sollten wir auch den Blick nach vorn richten und uns fragen: War diese Neugründung ein einmaliger Prozess des Zusammenkommens? Oder bleibt unsere Partei ein Ort, der diesem Gedanken des Aufbruchs und Öffnens die Treue hält? Sind wir weiter ein Prozess, der sich niemals abschließt, eine Art Dauerfusion, die immer wieder von neuen politischen Momenten gefordert wird? Und: Muss nicht jede Vereinigung mit gesellschaftlichen Dynamiken letztlich viel mehr sein als der einmalige Prozess einer Neugründung? Wir können einfach mehr sein als die eine LINKE, wir sollten uns immer wieder fragen: Was denken und reden die, die links sind, ohne Linke zu sein? Wie können sie ihren Punkt bei uns finden,

ohne dafür das Linkssein erlernen zu müssen? Wie öffnen wir uns erneut und werden auch selbst zu Lernenden? Unsere Partei bildet noch längst nicht all das ab, was in der Gesellschaft fortschrittlich links vorliegt.

Ein Anknüpfungspunkt besteht in den neuen Ansprüchen an ein gutes Leben. Zunehmend mehr junge Menschen wissen, dass zu einem guten Leben auch Zeit gehört, Zeit zum Leben jenseits des Hamsterlaufrades. Das begeistert nicht alle: Ein Artikel im Tagesspiegel äußert sich entsetzt darüber, dass die junge Generation kaum noch „Interesse an Konkurrenz, Leistungsdenken und Eroberung“ habe, dass ihr – Zitat – die „Angriffslust“ für den weltweiten Wettbewerb fehle und sie stattdessen lieber auf eine „ausgewogene Work-Life-Balance“ setze. Ich kann da nur sagen: richtig so! Denn offenbar hat sich bei immer mehr jungen Menschen herum gesprochen, dass es sich nicht lohnt, das eigene Leben auf dem Altar der Standortkonkurrenz zu opfern. Zu unseren Alternativen für ein gutes Leben gehört deshalb unbedingt der Kampf um Arbeitszeitverkürzung und um Zeitsouveränität für alle.

schen ein Netzwerk von rebellischen Städten, die sich der Abschottung und der Spaltung verweigern. Während die einzige Antwort der Bundesregierung in Aufrüstung, Abschiebung und Ausgrenzung besteht, hat eine riesige Bürgerbewegung längst Wege zu einer solidarischen Einwanderungsgesellschaft aufgetan. Wo ist ihr zukünftiger Platz in der LINKEN? Wie können wir für sie noch viel mehr die Partei der Freiheit, der Gleichheit und Solidarität werden? Das Versagen der Sozialdemokratie und die grünen Avancen an die Konservativen machen einen großen Platz in der Parteienlandschaft frei. Ein Platz, der noch unbesetzt und nach links offen ist. Jetzt ist es vielleicht an der Zeit zu sagen: Wagen wir den Schritt hin zu einer gesellschaftlichen Gerechtigkeitspartei, zur Partei der neuen linken Mehrheiten. Die Frage, die wir uns stellen sollten, lautet daher weniger, was machen die anderen Parteien alles falsch, sondern vielmehr: Wie werden wir größer, als wir sind? Wie kommen wir raus aus dem 10-Prozent-Ghetto? Wir lieben unsere Vertrautheit in der Partei miteinander. Aber wir sollten nie vergessen, dass unser Wir noch längst nicht das WIR der vielen in der Gesellschaft ist. Wir können noch viel mehr werden als wir gegenwärtig sind. Verwenden wir also nicht all unsere Energie auf das, was in der Gegenwart zu betrauern ist, sondern richten wir den Blick auch nach vorn und trauen wir uns die Zukunft zu.

Ich möchte auch bewusst etwas ansprechen, das gar nicht so neu, aber zuletzt immer mehr aufgefallen ist: das migrantische Moment. Es sind all jene, die schon längst hier leben, ohne von hier zu sein und es sind all jene, die gerade gekommen sind. Sie verändern nicht nur sich, sondern eben auch uns. In den letzten zwei Jahren sind über 15.000 Initiativen entstan• Katja Kipping den. In ganz Europa gibt es inzwi-

CDU-Generalsekretär Peter Tauber war in diesen Tagen verblüffend ehrlich. Eine Anfrage zum CDU-Wahlprogramm kommentierte er auf Twitter: „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“ Damit wiederholt er die Lebenslüge des Neoliberalismus, jeder sei nur seines eigenen Glückes Schmied. Das ist aber grundfalsch. Mal ehrlich: Haben FriseurInnen nichts Ordentliches gelernt? Stehen BäckerInnen zu Niedriglöhnen morgens immer so früh auf, weil sie nichts können? Wer bringt Herrn Tauber täglich seine Zeitung? Wer putzt sein Büro? Nein, es stimmt einfach nicht: In diesem System muss es, wenn es GewinnerInnen geben soll, auch hunderttausende VerliererInnen geben. Und das Problem hat einen Namen: Kapitalismus! Dass ausgerechnet SPD-Fraktionschef Oppermann auf den ausgewachsenen Sturm in den sozialen Netzwerken aufzuspringen versuchte, war dann nur noch die Spitze des Eisberges. Mangelnden Anstand warf er Tauber für seine Äußerung vor. Mangelnden Anstand nenne ich es, ausgerechnet als Fraktionschef der SPD, also jener Partei, die maßgeblich die „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“ –genau diese Verhältnisse des Zwangs, des Drucks und der Niedriglöhne – vorangetrieben hat, Tauber diesen Moment der ideologischen Ehrlichkeit vorzuwerfen. Am Ende gibt es nur eine Partei im Bundestag, die dem realexistierenden Kapitalismus entgegentritt: DIE LINKE. Deshalb brauchen wir am 24. September jede Stimme, um mit einer starken Linksfraktion wieder in den Bundestag einzuziehen und die Verhältnisse ins Wanken zu bringen.


Sachsens Linke! 04/2017

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Leserbriefe Mit Laizismus zurück zum Ursprung Jesus kritisierte die Mächtigen (Matthäus 20, 25, Markus 10, 42): „Die Fürsten halten ihre Völker nieder, und die Mächtigen tun ihnen Gewalt.“ Außerdem erklärte Jesus: „Ihr könnt nicht beiden zugleich dienen: Gott und dem Geld.“ (Matthäus 6, 24; Lukas 16, 13) Laut Apostelgeschichte unterstützten sich die ersten ChristInnen freiwillig gegenseitig (z. B. Apostelgeschichte 2, 45; 4, 34 f.). Im Verhältnis zur Obrigkeit erklärten sie (Apostelgeschichte 5, 29): „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Erst viel später wurden die Kirchen in das Herrschaftssystem eingebunden, bekamen Privilegien, rechtfertigten dafür die Herrschaft und bekamen die Sonderrolle einer moralischen Instanz. Dabei lehnt Jesus Moralpredigten ab (z. B. Matthäus 23). Wer also die Sondervorrechte der Kirchen und das enge Verhältnis zwischen Staat und Kirchen überwinden will, handelt ganz im Sinne Jesu. Deshalb gibt es auch in den Kirchen einige ChristInnen, die das wollen. Es ist somit wichtig zu erklären, dass laizistische Forderungen nicht gegen ChristInnen und die Kirchen gerichtet sind, sondern ihnen helfen sollen, zu ihrem Ursprung zurückzukehren. Und auch aus unserer eigenen Geschichte wissen wir ja, dass die besten Ziele sich in ihr Gegenteil verkehren, wenn sie mit Macht über andere verbunden werden. • Uwe Schnabel, Coswig Zum Interview „Sowjetische Kriegsgefangene werden entschädigt“ mit Jan Korte in „Links!“ 04/2017, S. 4

Jetzt nur nicht stehenbleiben Damit wir uns recht verstehen: Ja, die sowjetischen Kriegsgefangenen endlich aus dem vom postfaschistischen Deutschland jahrzehntelang bewusst praktizierten Vergessen zu reißen, „dass die Welt endlich von ihnen erfahren hat“, ist eine sehr wichtige Sache. „Erinnerungsschatten“ ist mir aber eher ein Ausdruck politischparlamentarischer Anpassung, weil verharmlosend. Viel wichtiger wäre die Anerkennung des maßlosen Unrechts, der Verbrechen und des Völkerrechtsbruchs durch den deutschen Staat. Jan Korte verweist selbst auf die Genfer Konvention, auf die verbrecherischen Befehle zur Vernichtung, auf die Vergasungen und auf die exorbitante Sterblichkeitsrate (wie statistisch!). Dieses Unrecht, diese Verbrechen aber können nicht mit einer „symbolischen Anerkennungsleistung“ an die wenigen noch lebenden ehemaligen Kriegsgefangenen aus der Welt geschaffen werden. Ich betrachte es als eine Schande, wenn ein „linker“ Parlamentsantrag sich auf einen solchen Sprachgebrauch einlässt. Es ist die Denkungsart, die hinter den Ausführungen von Jan Korte (und hinter dem Engagement von Michael Leutert im

Haushaltsausschuss) aufscheint, die „Erlöse“ der Zwangsarbeit wurden von mich mehr als beunruhigt! Ich will wissenschaftlichen Studien mit ca. 20 … stand die Sitzung des Landesvormeine Probleme damit umreißen: Milliarden Reichsmark beziffert. Wenn standes am 16. Juni. Gleich zu Beginn 1. Warum kommen Jan Korte und die dies über die Jahrzehnte kapitalisiert wurden drei Papiere zu den Themen Bundestagsfraktion nicht darauf, mit würde (üblicher Zins und Zinseszins), Wohnungspolitik, Arbeitsmarkt- und der gegebenen Unterstützung der Wis- dann käme eine Summe von etwa 170 Sozialpolitik und Ostdeutschland senschaftler die Verantwortung des Milliarden Euro raus! beschlossen. Vielen Dank an die Nachfolgestaates für eine umfassende 3. Der buchhalterische Umgang mit Autor*innen Caren Lay, Enrico StanWiedergutmachung dieses Unrechts dem Thema bei den Geldbeträgen ge, Sabine Zimmermann und Susanna zu thematisieren? Stattdessen gibt es ist mir unerträglich! Zehn Millionen Karawanskij. Alle drei Papiere werden nur eine „symbolische AnerkennungsEuro sind nicht einmal zwei Euro für für die Bundestagswahl als Argumenleistung“. Hier wird einseitig die „Opjeden sowjetischen Kriegsgefangenen tationsmaterial, Öffentlichkeitsarbeit ferperspektive“ eingenommen. Natüroder drei Euro für jeden ermordeten und zur Produktion von Wahlkampflich müssen Opfer ihre Anerkennung Kriegsgefangenen. Absurd wird die Armaterial genutzt. Der Landesvorstand erfahren. Aber was ist mit den Tätern gumentation durch den Vergleich mit hat sich darauf verständigt, dass das und den nachgeborenen Nutznießern der Binnenkaufkraft des Euro in diesen Papier zu Wohnungspolitik weiter ausdieser Verbrechen, den Schweigern Ländern. Was hat der freie Währungsgearbeitet und bei der gemeinsamen und Verschweigern, gerade auch im kurs von heute mit den Verbrechen Beratung von Landesvorstand, Frakbundesdeutschen Staatswesen (!), die der Vergangenheit zu tun? Doch tionsvorstand, Kreisvorsitzenden und in der Verantwortung für die Wiederhöchstens, die Höhe einer EntschädiLandesrat oder dem Landesparteitag gutmachung standen und stehen? gung nach jahrzehntelanger bewusster 2018 als inhaltlicher Antrag beschlosWas ist mit der Benachteiligung der Verschleppung zu errechnen. sen werden soll. Dazu sind im Vorfeld Nachgeborenen dieser Kriegsgefange- 4. Das „Bundesamt für zentrale außerparlamentarische Akteure aus nen, insbesondere von denjenigen, die Dienste und offene Vermögensfragen“ der Wohnungspolitik hinzuzuziehen. nicht überlebten? prüft und niemandem scheint aufzufal2. Warum fällt Jan Korte nicht auf, wie len, dass hier „der Bock zum GärtWeiterhin wurde der Bundesparteitag sich der deutsche Staat gerade durch ner“ gemacht wird. Abgesehen vom ausgewertet. Der Landesvorstand war diesen „Erfolg“ der „Links“-Fraktion jahrzehntelang wirkenden faschistosich einig, dass der Landesverband aus der Verantwortung verabschieiden und postfaschistischen Geist im sich gut eingebracht hat und wir mit den will? Dies liegt auf der gleichen BRD-Staatsapparat hat jedes Staatsdem Antrag „Republik Europa“ einen Linie wie zur Jahrtausendwende die wesen doch das Interesse, so wenig starken Impuls geliefert haben. Die Entschädigung für Zwangsarbeiter des wie möglich „unproduktive“ Ausgaben Debatte um die Kirchenstaatsverträge Nazistaates: Gucken wir mal, wie viele zu machen. Bei der Zwangsarbeiterhat gezeigt, dass die Partei dringend noch einen Antrag stellen können und entschädigung wurde wenigstens eine eine tiefere Diskussion führen muss. bestimmen wir eine (Peanuts-)Summe. unabhängige Stiftung gegründet. Damals wurden zehn Milliarden Euro 5. An keiner Stelle ist von (Haft-)EntWeitere Themen der Sitzung waren die festgelegt, hälftig vom Staat und der schädigung die Rede. Setzt sich DIE Wahlkampfvorbereitung, das Grund„deutschen Wirtschaft“ aufzubringen. LINKE nun noch weiter für eine Entsatzpapier der LAG Migration, die Be„Die Wirtschaft“ hatte Schwierigkeiten, schädigung ein, die alle sowjetischen ihre fünf Milliarden zusammenzubeKriegsgefangenen betrifft, oder ist das schlüsse zu den Delegiertenschlüssel der Landesseniorenkonferenz und kommen. Welch‘ ein Witz der GeThema für sie erledigt? Jan Korte und des Bundesparteitages, der Bericht schichte, da die Jahresgewinne nur Michael Leutert setz(t)en sich für eine über die Finanzen des Landesverbaneines einzigen Konzerns, der besonwichtige Sache auf eine bisher völlig des sowie der Zwischenstand über die ders gerade an den Zwangsarbeiter unzureichende Art ein. Wenn sie jetzt mitverdiente – die Deutsche Bank –, aufhören, befestigen sie objektiv Herr- Satzungsänderungsanträge. damals solche Größenordnungen schaftsideologie im Bereich Definiti•Sabine Pester hatten. Es war also nicht mehr als ein onsmacht über Geschichte – leider. Konzern-Jahres-Ergebnis. Jedoch die • Ralf Becker

Impressum

Karikattur: Heinrich Ruynat

Zu „Religionen - mehr als nur Opium fürs Volk?!“ (Links! 06/2017, S. 5)

Ganz im Zeichen des Wahlkampfes

Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­lage von 10.950 Explaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 26.06.2017 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 06.09.2017.


07-08/2017 Sachsens Linke!

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Alles im Sack oder ausgerockt? Rene Lindenau kommentiert den jüngsten Bundesparteitag der SPD

Foto: Olaf Kosinsky / kosinsky.eu

Forderungen der Linkspartei nannte er Kein Wunder, dass so wenige die Lust Die Vorband, die den Parteitag der „dubios“. Man könne nur verteilen, was verspüren, SPD zu wählen. SPD einsingen durfte, fragte das Pugeschaffen wurde. Was fordert die blikum nach seiner Stimmung. Müde, LINKE denn Schlimmes? Abschaffung Zudem kann die SPD in ihrem Regiewar die Antwort in der Dortmunder rungsprogramm noch so viel Bildungs- von HARTZ, dafür Bürgerversicherung, Westfalenhalle. Da musste erst gerechtigkeit und anderes fordern. Zu- Vermögensteuer, Kampf gegen AltersManuela Schwesig einen Auftritt als armut, gegen Kinderarmut und Pflenächst sollte sich bei dieser Partei ein Muntermacherin hinlegen. Doch wurgenotstand. Eine sachliche Auseinande es dadurch inhaltlich besser? Leider Lernerfolg einstellen: Es war grunddersetzung war in knapp 22 Minuten legend die falsche Politik! Aber diese nein: Die Wahl sei noch nicht entRedezeit für den Niedersachsen mit Prüfung hat man nicht bestanden. In schieden, die anderen Parteien hätten SPD-Parteibuch nicht zu erwarten. Die nichts bewegt, das Land verdiene eine einem Lied der Puhdys heißt es: „Ist Parteitagsregie hatte anderes mit ihm alles vergessen, was einmal war“. Die bessere Regierung. Letzterem wäre Parteitagsinszenierung vermittelte die- vor: der Partei Mut einzureden. Dabei ja zuzustimmen. Kann das jedoch die sen Eindruck. Doch die Puhdys fordern erinnerte der Kandidat von 2005 an SPD leisten? Kann die Partei ihre Mitin ihrem Text: „Ich will nicht vergessen, seine Aufholjagd gegen Merkel. Am verantwortung für eine in vielen Fällen Ende hat es nicht gereicht. Ob sein was einmal war“. Man wird sehen, wie falschen Politik einfach abstreifen? Nachfolger Schulz nur annähernd dazu Wer am Katzentisch der Macht saß, aß „vergesslich“ der Wähler sein wird. in der Lage wäre? Wichtiger: Wem immer auch aus ihren Näpfen, und hat nützt es? Das für kurze Zeit offene In das Schema passten Schröders Verdorbenes geschluckt. Fenster für eine rot-rot-grüne RegieAussagen zu den Anforderungen an rung im Bund ist wieder zugeschlagen. Sozialpolitik. Die sozialpolitischen Die SPD stehe für ein solidarisches, gerechtes, freiheitliches Deutschland, so Schwesig. Dies wäre eigentlich auch von allen demokratischen Parteien zu unterstützen, allein fehlt mir der Glaube. Das hat maßgeblich mit dem Mann zu tun, der im Anschluss zu Wort kam: Gerhard Schröder. Immerhin der SPD-Kanzler, der mit der Einführung der HARTZ-Gesetze beispiellose „Armut per Gesetz“ zu verantworten hat. Man kann kein solidarisches Miteinander in der Gesellschaft erwarten, wenn man sie ihrer Stützen beraubt. Man kann sich auch nicht für ein freiheitliches Land einbringen, wenn man kein Geld für Qualitätszeitungen (!) hat, oder wenn man sich die Fahrt zu einer Demo nicht leisten kann. Sollten das der „Genosse der Bosse“ und seine SPD noch immer nicht verstanden haben?

Die Hauptverantwortung dafür liegt bei der SPD. So droht ein Kurs des „Weiter so“. Merkel sitzt weiter Probleme aus. Schäuble darf auch künftig auf seiner schwarzen Null bestehen, für einen noch größeren Investitionsstau sorgen, Griechenland erpressen. Nun hat das SPD-Wahlprogramm einige gute Ansätze; schrittweise Abschaffung von Kita-Gebühren, Verbesserung der Mietpreisbremse, Wahlalter 16. Doch wieder blieben die älteste deutsche Partei und ihr Vorsitzender auf halber Strecke stehen. Zu Zeiten von Helmut Kohl galt ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent, die SPD traut sich nur 45 Prozent zu. Die Einführung einer Vermögenssteuer wird in eine Kommission verschoben. Mit der Rente mit 67 scheint man sich abgefunden zu haben. Das Rentenniveau soll auf 48 Prozent des Durchschnittslohnes gehalten und der Beitragssatz bis 2030 bei 22 Prozent gedeckelt werden. Sozialpolitisch verantwortlich und sozial gerecht? Alt-Kanzler Schröder lobte Andrea Nahles dafür, schon deshalb sind Zweifel angebracht. Wird dieses Rentenkonzept armutsfest sein? Zweifel, was die sozialdemokratischen Wurzeln betrifft, konnten aufkommen, als sich eine Delegierte gegen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge stemmte. Ihr Antrag wurde weggestimmt. Aber mit ihren Wurzeln hat es die SPD ja schon lange nicht mehr so, wegen der vermeintlichen Regierungsfähigkeit. Die Union setzt weiter auf lähmenden Stillstand und die SPD ist zu feige für einen Neustart.

Sachsens LINKE setzt Akzente im Wahlprogramm Hannover soll man ja mal gesehen haben – den Delegierten des Bundesparteitags bot sich dazu allerdings wenig Gelegenheit. Drei Tage lang trat der Parteitag im Kongresszentrum zusammen, um ein Bundestagswahlprogramm zu zu verabschieden. Grundlage bildete der Entwurf des Parteivorstandes. Rund 1.200 Änderungsanträge gab es, 133 davon waren entweder vom Landesverband Sachsen eingereicht oder unterstützt worden, etwa zahlreiche Änderungsanträge der BAG Netzpolitik, der Fraktionsvorsitzendenkonferenz oder der Ständigen Kulturkonferenz.

meinsame Interessen mehrheitsfähig gemacht werden, wie die Aufwertung des Kapitels zur Spezifik Ostdeutschlands belegt. Gemeinsam wurden der Schwerpunkt Kinderarmut gesetzt und auch im Kapitel Innenpolitik erhebliche Nachbesserungen erreicht. Im Kapitel Europa wurde die Tonalität durch intensive Verhandlungen und Übernahmen vor den Abstimmungen noch einmal deutlich verschoben. Die Zusammenarbeit der FachpolitikerInnen aus den Parlamenten in Land, Bund und Europaparlament ermöglichte ausgewogene und fachlich fundierte Änderungsanträge.

Ein Fazit sei schon zu Beginn erlaubt: Der Bundesparteitag hat ein Wahlprogramm beschlossen, mit dem wir selbstsicher und mutig in den Wahlkampf ziehen können. Und der Landesverband Sachsen hat wieder gezeigt, dass er gerade in der inhaltlichen Arbeit stark, durchsetzungs-, aber auch kompromissfähig ist. Gerade durch die Zusammenarbeit der (Ost-)Landesverbände konnten ge-

Auch mehrere eigene Anträge hatte der Landesvorstand gestellt, zu Mieten und Wohnen, Soloselbständigen, Ostdeutschland, Kinderarmut und Europa. Diese sind, bis auf die Anträge zu Mieten, aus den drei Regionalkonferenzen entstanden. Diese waren offen und beteiligungsorientiert angelegt. Damit wurden Mitglieder eingebunden, die nicht in Vorständen sitzen oder zum Parteitag delegiert sind.

Auch einige Anträge aus Basisorganisationen und von Mitgliedern hatte der Landesvorstand unterstützt, um sie behandlungspflichtig zu machen. Darunter waren Anträge zur Jugendhilfe oder zum Bleiberecht und Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem Brexit. Dass gerade diese Änderungsanträge vom Parteivorstand über- bzw. vom Parteitag angenommen wurden, unterstreicht, wie wichtig der Input von Einzelpersonen und Parteistrukturen für die Programmarbeit sein kann.

Prozent sind abgelehnt worden. Der Landesverband ist seiner Aufgabe, als größter Landesverband Impulse zu setzen, also wieder nachgekommen. Insgesamt war der Parteitag getragen von einer solidarischen Debattenkultur. Anträge wurden zumeist fair debattiert und nicht gleich abgelehnt, weil ein bestimmter Landesverband oder eine Strömung sie gestellt hatte. Das war früher manchmal anders. Auch hat es der Parteitag erstmals seit Jahren wieder gewagt, Debatten zu führen und nicht jedem noch so schlechten vorher ausgehandelten Kompromiss zuzustimmen. Hannover war für die Partei also nicht nur ein Programmparteitag, sondern auch ein großer Sprung in die richtige Richtung, wenn es darum geht, wie wir zukünftig gemeinsam solidarisch Debatten führen wollen – ergebnisoffen und fair, solidarisch und auf Augenhöhe.

Der Landesverband kann auf eine beachtliche Antragsbilanz schauen: Von 133 Änderungsanträgen aus Sachsen hatte bereits der Parteivorstand 53 ganz und 31 teilübernommen. Zwei weitere Anträge nahm das Plenum des Parteitages an. Zehn Anträge wurden abgelehnt. 44 Anträge hatten sich entweder durch andere Übernahmen erledigt oder waren durch den Landesverband zurückgezogen worden. • Thomas Dudzak Das heißt: Zwei Drittel der Anträge des Landesverbandes finden sich nun Wahlprogramm: www.gleft.de/1MI im Wahlprogramm wieder, nur sieben


Sachsens Linke! 07-08/2017

ALEKSA: Lasst uns diskutieren!

Aus dem Kreistag Schülerverbundkarte bleibt

Um im Erzgebirge dazu ins Gespräch Was wir hier zum Leben brauchen, zu kommen, laden wir am 29. Juli, spielt auch im Bundestagswahlkampf eine Rolle. Wir LINKEN arbeiten schon 11:00 Uhr in das Gartenheim „Glück Auf/Kürbisschänke“ in Aue, Glückseit einer Weile an einem alternativen Auf-Weg 22 herzlich ein. Unser LanLandesentwicklungskonzept (ALEKdes- und Fraktionschef Rico Gebhardt SA), das 2018 fertig werden soll. Dawird zu Gast sein. Im ersten Teil mafür reisen wir in die Regionen und chen wir einen Problemaufriss, im diskutieren, welche Probleme am zweiten Teil diskutieren wir Lösungen. dringendsten sind und welche LösunAlle Punkte wollen wir auch in unseren gen wir schon sehen. Dabei wird imWahlkampf einfließen lassen, aber vor mer deutlicher: Auch für Sachsen gibt allem auf den verschiedenen Ebenen es nicht das eine Konzept. Die dränanpacken. Wir freuen uns auf einen gendsten Probleme in Nordsachsen, der Lausitz oder bei uns im Erzgebirge debattenreichen Tag und viele Ideen. Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle! haben teilweise gar nichts miteinander zu tun. Entsprechend differenziert muss ein solches Konzept aussehen. • Klaus Tischendorf, Kreisvorsitzender

Auch im Schuljahr 17/18 können berechtigte Schüler_innen von den Vorteilen der Schülerverbundkarte profitieren. Sie gilt im gesamten Einzugsbereich des Verkehrsverbundes Mittelsachsen, an jedem Tag und alle 24 Stunden (sofern eine Beförderungsmöglichkeit besteht), allerdings nicht während der Sommerferien. Der Landkreis bezuschusst auf Antrag den Elternanteil als freiwillige Leistung mit 95 € von 110 € für die 1. bis 4. Klasse und 32,50 € von 145 € ab der 5. Klasse. Wer an einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung lernt, erhält eine vollständige Erstattung. Es wäre gut, wenn sich die drei Landkreise des VMS auf eine einheitliche Lösung einigen könnten, wie es jetzt der LK Zwickau vorschlägt. Auch wenn wir damit noch meilenweit von einer kostenlosen Beförderung von Kindern und Jugendlichen entfernt sind, ist die Verbundkarte gerade im Freizeitbereich eine immense Entlastung des elterlichen Geldbeutels. • Dr. Barbara Drechsel

Termine Foto: lichtdefekte / flickr.com / CC BY-NC 2.0

Landkreistour

AG Soziales sucht MitstreiterInnen Der Kreisvorstand hat auf Anregung von Renate Acksel eine AG Soziales ins Leben gerufen. Renate Acksel, Susann Schöniger und Annett Börner haben erste Ziele definiert und eine Struktur für die Arbeit entwickelt. „Ausgehend von den sozialen Zielen unserer Partei wollen wir speziell auf die Probleme der Erzgebirgsregion eingehen“, so Annett Börner. Arbeit, Gesundheit, Wohnen, Kinderbetreuung, Behindertenpolitik, Rente, Hartz IV sind einige Themen, mit denen sich die AG Soziales beschäftigen will. Die Arbeitsgruppe möchte zunächst Aktivitäten bündeln, Verantwortungsträger zusammenführen und über Öffentlichkeitsarbeit eine Außenwirkung erzielen. Später sollen Unterarbeitsgruppen entstehen, da die einzelnen Themengebiete sehr umfangreich sind. „Wir möchten den Menschen zuhören, ihnen Hilfe zur Selbsthilfe geben und Ansprechpartner für Hilfsangebote vermitteln. Auch Aktionen, um an Menschen heranzukommen, die sich mit ihren Problemen oft allein gelas-

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DIE LINKE im Erzgebirge

sen fühlen, sind angedacht. Ich habe da viele Ideen, die ich gern einbringen möchte“, so Renate Acksel. „,Sozial‘ darf kein Etikett sein, sas wir vor uns hertragen, sondern es muss mit Leben gefüllt werden“, so Susann Schöniger. Dabei sollen in der Arbeitsgruppe auch ein Erfahrungsaustausch und ein Voneinander-Lernen stattfinden. Zunächst bitten wir alle GenossInnen und SympathisantInnen, die bereits im Erzgebirgskreis in den o. g. Tätigkeitsfeldern ehrenamtliche Arbeit leisten oder berufliches Fachwissen einbringen können und/oder in der AG Soziales mitarbeiten möchten, sich bei uns unter ag.soziales@dielinkeerzgebirge.de oder telefonisch bzw. schriftlich bei DIE LINKE. Erzgebirge, Geschäftsstelle Aue, Wettinerstraße 2, 08280 Aue zu melden (Tel. 03771 22217, Fax 03771 22218). Erfahrungsberichte aus benachbarten Kreisverbänden sowie den Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften sind ebenfalls sehr willkommen.

12.7., 10-13 Uhr, Wochenmarkt Olbernhau: Straßencafé mit Klaus Tischendorf 27.7., 10-13:30 Uhr, Markt Lößnitz: Infostand mit Klaus Tischendorf 28.7., 10-13 Uhr, Wochenmarkt Marienberg: Straßencafé mit Klaus Tischendorf

4.8., 10-15 Uhr, Markt AnnabergBuchholz: Straßencafé mit Klaus Tischendorf 18.8., 10-15 Uhr, Wochenmarkt Marienberg: Straßencafé mit Klaus Tischendorf 23.8., 10-14 Uhr, Wochenmarkt Olbernhau: Straßencafé und Kochtour mit Klaus Tischendorf 4.9., 10-16 Uhr, Markt Aue: Straßencafé mit Klaus Tischendorf 22.9., 10-14 Uhr, Markt Schneeberg: Straßencafé mit Klaus Tischendorf

Besuche vor Ort 27.7., 14:30 Uhr: Gesprächsrunde in der Curt Bauer GmbH Aue, mit Klaus Tischendorf und Marco Böhme 14.8., 14:30 Uhr: Gesprächsrunde zum Tourismus in Eibenstock, Klaus Tischendorf und Caren Lay 31.8., 13 Uhr: Gesprächsrunde mit Katja Kipping und Bürgermeister Harald Wendler im Rathaus Geyer

Abendveranstaltungen / Bürgerforen 14.8., 18 Uhr: Eibenstock, Gast: Caren Lay 31.8., 18 Uhr: Schwarzenberg, Ritter-Georg-Halle Schwarzenberg, Gast: Katja Kipping 31.8., 18 Uhr: Stollberg, Kulturbahnhof, DGB-Gesprächsrunde mit den Direktkandidat*innen im Bundestagswahlkreis 163

Vielen Dank! darauf konzentrieren, die in meinen Nachdem die Bürgermeisterwahl in Wahlaussagen getroffenen Vorschläge Niederwürschnitz durchgeführt ist, umzusetzen. Ich würde mich freuen, möchte ich mich bei allen, die mich wenn wir LINKE zu den Bundestagsbei meiner Kandidatur unterstützt wahlen viele Wählerstimmen erhalten. haben, herzlichst bedanken. Mein besonderer Dank gilt jenen Nieder• Steffen Kaddereit würschnitzerinnen und Niederwürschnitzern, die mich gewählt haben. Mit dem Gesamtwahlergebnis wurde ein eindeutiges Votum für die Eigenständigkeit unseres Ortes im Rahmen der Verwaltungsgemeinschaft – gegen die Eingemeindung nach Stollberg – erzielt. Als Gemeinderat hatte ich bereits vor der Wahl den Antrag an den Gemeinderat gestellt, den Ratsbeschluss auf Eingemeindung nach Stollberg aufzuheben. Am Tag nach der Bürgermeisterwahl hat sich der Gemeinderat leider dagegen ausgesprochen. Meine Arbeit als Gemeinderat wird sich in den nächsten Monaten


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DIE LINKE. Kreisverband Zwickau

07-08/2017 Sachsens Linke!

12. Kinderfest der LINKEN in Werdau Schon seit PDS-Zeiten feiern Kinder, Eltern, Großeltern und die LINKE in Werdau ihr traditionelles Fest. Von Simone Hock

Am 9. Juni fand mit großem Zuspruch der Kinder, Eltern und Großeltern das traditionelle Kinderfest im RichardWagner-Park Werdau statt. Noch von der Stadtorganisation der PDS erstmalig veranstaltet, erwies sich das Kinderfest schon damals als erfolgreiches Unternehmen. So wurde beschlossen, es unabhängig von Wahlen immer um den Internationalen Kindertag herum zu begehen. Das hat sich ausgezahlt. Die Zahl der Kinder, die bei Spiel und Attraktionen Freude erlebten, wuchs von Jahr zu

Jahr. Und mit manchem Erwachsenen ergaben sich Gespräche. Info-Materialien wurden auch gern genommen, so wie die Kinder gern unsere LINKELuftballons mitnahmen. Auch in diesem Jahr gab es wieder Hüpfburgen, Kinderschminken, Zuckerwatte und Ponywagenfahrten. Besonders gut kam das von der Verkehrswacht veranstaltete Minielektromotorradfahren an. Weiterhin unterstützten uns das DRK mit einer Station zur Übung der Ersten Hilfe, einem Rettungswagen und einem Notarztwagen „zum Anfassen und Einsteigen“. Das Freizeit- und

Kreativzentrum Werdau war mit einer Kinderschminkstation vertreten. Auch die Kindereinrichtung der Volkssolidarität unterstützte in dankenswerter Weise. Fast alles war kostenfrei. Die Finanzierung erfolgte durch Spenden der Werdauer Parteimitglieder und Sympathisanten sowie von Sabine Zimmermann und Horst Wehner. Auch ein traditionelles Fest braucht Werbung. So wurden an Verkehrsknotenpunkten im Stadtgebiet Plakate geklebt und 6.000 Flyer in Briefkästen verteilt. Der Erfolg gab uns Recht. Vie-

le Kinder kamen, darunter zahlreiche Asylbewerberkinder. Sabine Zimmerman, der Kreisvorsitzende Sandro Tröger und sein Stellvertreter Thomas Koutzky nahmen als gern gesehene Gäste teil. Schließlich freuen wir uns auch darüber, dass die Regionalausgabe Werdau/Crimmitschau der Freien Presse mit großem Bild auf Seite 1 über das Kinderfest berichtete. Auf jeden Fall sind wir ermutigt, weiter mit erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit einem guten Wahlergebnis beizutragen.

Schülerbeförderung Thema im Kreistag Der Kreistag Zwickau hat am 14. Juni 2017 im Rahmen der Umstellung auf doppischeHaushaltsführung seine Eröffnungsbilanz zum Stichtag 1. Januar 2013 festgestellt. Seit diesem Stichtag sind viereinhalb Jahre vergangen! Gefühlt ebenso lang dauert das Ringen um eine Entlastung von Eltern und Erziehungsberechtigten bei den Kosten der Schülerbeförderung. Auf Grund des Antrags der Fraktion DIE LINKE zur „Erstattung von Elternanteilen an den Kosten der Schülerbeförderung“ wurde ein überarbeiteter Antrag der Verwaltung zur „Reduzierung des Eigenanteils an den Kosten der Schülerbeförderung“ beschlossen. Dazu Dr. Jürgen Blume, Fraktionsvorsitzender: „Das Thema Schülerbeförderungskosten, insbesondere die Beschränkung des Elternanteils bewegt uns seit Jahren. Die Schülerbeförderungskosten sind nicht vom Himmel gefallen – und ihre wachsende Höhe hat sehr konkrete Gründe. Bekanntlich wurden in den 90er Jahren durch den Freistaat massiv Schulen geschlossen. Die Konsequenz war ein stark steigender Bedarf

an Beförderung und ein wachsender Kreis an Eltern, die ungewollt und ungefragt einen Anteil an diesen Schülerbeförderungskosten tragen müssen. Dazu kommt, dass 2004 der Freistaat praktisch über Nacht seinen Beitrag an den Schülerbeförderungskosten um die Hälfte gekürzt hat und die Landkreise diesen Anteil zusätzlich aufbringen mussten, also Mehrausgaben entstanden und infolgedessen die Kreisumlage stieg.

chen im Bereich der Rennsportarena „Am Sachsenring“ zur Gründung einer

Grundstücksgesellschaft. • DIE LINKE Kreistagsfraktion Zwickau

Fazit: Das Land zog sich aus seiner gesetzlichen Verantwortung zurück, bezahlen müssen dies die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis. Das fanden und finden wir ungerecht. Darum freuen wir uns, dass jetzt Bewegung in die Sache gekommen ist und im Dialog mit und durch den Landrat und anderen Fraktionen ein annehmbares Ergebnis vorliegt, dem wir zustimmen werden.“ Weitere Beschlüsse des Kreistages beinhalteten u.a. die Errichtung einer stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlage an der AS zur BAB A72 Zwickau-West und den Verkauf der landkreiseigenen Flä-

Rund 600 Menschen kamen am 28. Juni auf den Zwickauer Kornmarkt, um Sahra Wagenknecht zu hören. Schwerpunkt ihrer Rede waren die sozialen Verwerfungen und die sich daraus ableitenden Schlussfolderungen und Forderungen aus LINKER Sicht. Foto: Ralph Köhler


Sachsens Linke! 07-08/2017

DIE LINKE. Kreisverband Meißen

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Wahlen dringend erwünscht

Reinhard Heinrich hat mit einer Freundin, die in Venezuela lebt, über die aktuelle Lage dort gesprochen – und weiß nun auch, was davon bei uns ankommt und was nicht Den alten Spruch: „Linke vermehren sich durch Zellteilung“ konnte man schon lange vor facebook zumindest im Westen bestätigt finden. Und so ist es vernünftig und verdienstvoll, dass es hier parteiübergreifende linke Diskussionsgruppen gibt, in denen man zumindest die Standpunkte und Überzeugungen der anderen erfährt und seine Meinung selbst sagen kann. Doch auch an diesem „linken runden Tisch“ bei facebook gibt es Streit. Was dabei trotzdem auffällt, ist neben einer gewissen eingeübten Verbissenheit hier und da die Verwendung von Schubladen für Andersdenkende. Schnell wird man als „Putinist“, „Querfrontler“, „Israelfreund“ oder „Antisemit“ eingetütet, gern auch abwechselnd, wenn man nur die zweite Seite eines dialektischen Widerspruches zur Sprache bringt. Aber immerhin: Sie lassen jeden reden, wie ihm der linke Schnabel gewachsen ist. Allgegenwärtig ist dabei die kritiklose Einbettung „linken“ Denkens in die Datenbasis, die von den Nachrichtenagenturen geliefert wird. Ein Psychologieprofessor der Universität Kiel macht darauf aufmerksam, dass unsere öffentlich-rechtlichen Medien hauptsächlich von Nachrichtenagenturen leben, die ihrerseits zu 80 Prozent von kommerziellen PR-Agenturen beliefert werden. Das bedeutet im Klartext: Was uns als Nachricht erreicht, wird von Geldgebern entschieden, die sich die Vertretung ihrer Interessen etwas kosten lassen. Von Venezuela erfährt man also, was „dienlich“ ist. An diesem Land ökonomisch interessierte Kreise lassen uns wissen, was wir wissen sollen. Man kann das aber unterlaufen – in Zeiten des Internets. Wenn man will, und Kontakte auf die andere Seite des Erdballs hat. So konnte ich meine Freundin Regina erreichen, die seit geraumer Zeit in Venezuela lebt und die politischen Vorgänge aus der Nähe beobachtet.

Ein Interview über sechs Stunden Zeitdifferenz Regina, wenn wir die regelmäßigen Proteste der Opposition gegen die Regierung Maduro über unsere Medien präsentiert bekommen, dann fühlen sich zumindest ältere Semester an Chile 1973 erinnert. Damals fanden „Hungermärsche“ wohlgenährter Bürgerfrauen statt, die mit nagelneuen Töpfen klappernd durch die Straßen Santiagos zogen, um gegen die Regierung Allende zu protestieren. Am Ende stand die Pinochet-Diktatur. Was läuft gegenwärtig bei Euch? Auch hier sind die Leute von der Opposition mit Töpfen ausgestattet worden, dazu wurden auch hier seit Jahren – seit der Wahl von Maduro – die Leute

von den Führern der ultrarechten Parteien über das Fernsehen aufgerufen, mit Töpfen auf die Straße zu gehen. Im Reichenviertel sind die Faschisten unterwegs, überschütten Leute mit Benzin und zünden sie an (Foto). Geführt werden sie von Capriles, der sich selbst offen Faschist nennt, und dem Parteiführer der Primero Justicia, einer ultrarechten Partei, mit seinen Leibwächtern. Darüber wird natürlich nicht berichtet. Die USA führen gerade vor der Küste Venezuelas militärische Übungen durch und drohen mit Invasion, Trump will es jetzt wissen und hier eine Parallelregierung installieren, das ist seine Idee. Da sind aber noch Putin und die Chinesen. Empfinden die Leute auf der Straße die Herrschaft Maduros nun als Diktatur, wie das Fernsehen bei uns behauptet?

wozu man Mehl braucht, in Hülle und Fülle. Aber nur Produkte, deren Preise eben nicht vorgeschrieben sind. Es gibt auch alles, aber verteuert auf dem

ran an den dicken fetten Kuchen Erdöl, Gas, Gold, Uran und und … Im Moment gibt es keine Transporte, aber auch damit geht man hier geduldig um. Es soll auf Biegen und Brechen ein Bürgerkrieg provoziert werden. Noch kann Maduro die Menschen immer wieder davon abhalten und ruft zu Frieden auf. Vor ein paar Tagen wurde sogar das „Justiz- und FriedensMinisterium“ angegriffen, mit einem gestohlenen Hubschrauber und Granaten aus Kolumbien. Maduros höchstes Ziel heißt „Frieden“. Deswegen gibt es das „Friedens-Ministerium“ und der Angriff soll die Kriegserklärung sein. Abschließend noch ein schönes Beispiel für den „runden linken Tisch“ (Foto): Ein Hummer-Geländewagen, damit werden auch die bezahlten Terroristen angeliefert. Du weißt sicher, was so ein Auto kostet, oder? Die Botschaft auf der Heckscheibe heißt übersetzt: „Maduro, uns plagt der Hunger“. Gut, dass der Besitzer deswegen aber noch nicht sein Auto verkaufen muss!

Das kommt darauf an. Die Opposition nennt es Diktatur, die Regierungsanhänger nennen es Demokratie. Maduro wurde demokratisch gewählt. Proteste sind von der USA organisiert, gesteuert von der CIA.

Schwarzmarkt. Das alles gehört aber zu dem Programm der USA, das Land in die Knie zu zwingen. Man will eben

Die Fotos sind Handy-Aufnahmen von Regina und ihren Freunden und Bekannten.

Wie ist es denn mit dem Hunger? Hungern muss keiner, weil Grundnahrungsmittel, die für den Venezolaner wichtig sind, vom Staat subventioniert sind. Sie werden jedoch im großen Stil nach Kolumbien gebracht und dort teuer verkauft. Das betrifft hauptsächlich Speiseöl und Pan Harina (Maismehl, aus denen Arepa gemacht werden, das sind runde Maisfladen), sozusagen das Frühstücksbrötchen der Venezolaner. Brot zu bekommen ist im Moment wieder etwas schwierig, weil Brot vorgeschriebene Preise hat und auch das Mehl subventioniert ist. So wird gesagt, es gebe kein Mehl, was mich zur täglichen Diskussion im Bäckerladen provoziert, weil es alles gibt,


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DIE LINKE. Kreisverband Bautzen

07-08/2017 Sachsens Linke!

Interkulturelles Friedensfest am 1. September Am 1. September vor 78 Jahren entfesselte Deutschland mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen den Zweiten Weltkrieg und brachte damit unermessliches Leid über die Menschheit. Dieser Tag soll uns immerwährende Mahnung sein, dass Kriege immer nur Leid, Tod und Zerstörung über die Menschen bringen – das gilt heute und auch zukünftig. Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht – vor Hunger, Krieg und Terror in ihrer Heimat. Gemeinsam mit der Friedensbewegung und vielen Menschen müssen wir entschlossen für Frieden, Abrüstung und gegen Krieg kämpfen.

DIE LINKE. Kamenz lädt zum interkulturellen Friedensfest am 1. September 2017, 15-18 Uhr im Neubaugebiet Kamenz herzlich ein. Die Teilnahme und weitere Vorbereitung steht allen Einwohnern, demokratischen Organisationen und Parteien offen. Gemeinsam wollen wir aktiv für Frieden, Toleranz und Weltoffenheit eintreten und rufen die Einwohner*innen auf, sich kreativ, bunt und zahlreich an dem Friedensfest zu beteiligen. Die nächste Beratung der AG Weltfriedenstag findet am 19. Juli, um 18 Uhr, im Bürgerbüro Kamenz statt.

Der Wahlkampf naht So, Genossinnen und Genossen – es geht los. Der Bundesparteitag ist Geschichte und wir haben ein Wahlprogramm für die Menschen beschlossen. Soziale Gerechtigkeit und Frieden sind bei uns nicht nur leere Worthülsen. Jetzt werden uns die Organisationfragen beschäftigen. Und es wird viele Abstimmungsrunden geben. Mich treibt etwas anderes um: Das beste Wahlprogramm aller Parteien nützt ja nichts, wenn wir es den Menschen nicht vermitteln. Die Massenmedien werden uns kaum helfent. Wir müssen es selber tun. Viel Papier verteilen ist sicher die ein Möglichkeit, eine andere, aber viel wichtiger ist das Gespräch. Nun bin ich kein Freund von Fremden vor der Wohnungstür, aber

wer sagt denn, dass es Fremde sein müssen? Wir wohnen ja alle in einem Umfeld und meistens kennt man sich im Kiez oder Eigenheimgebiet. Lasst uns also unser Wahlprogramm in einfachen Worten zu den Menschen tragen. Die Wählerinnen und Wähler wollen angesprochen werden und sind aufgeschlossener als wir manchmal denken. Zwei Dinge sollten wir vorher aber tun. 1. Das Wahlprogramm lesen und mit klaren Worten rüberbringen. Nichts ist schlimmer als Schachtelsätze und Unwissenheit. 2. Wir haben unser Programm finanziell untersetzt. Wenigstens die Grundzüge unserer Steuer- und Finanzpolitik sollten wir kennen. Mit Handreichungen werden wir euch unterstützen. Aber machen

müssen wir es alle gemeinsam. Darüber hinaus werden wir natürlich einen Wahlkampf mit Infoständen, Veranstaltungen und vielem mehr im Kreisverband machen. Ich freue mich auf einen interessanten Wahlkampf und lade euch alle dazu ein. Wer in seinem Orts- oder im Kreisverband mitmachen will, meldet sich bitte beim Geschäftsführer Felix Muster, Schülerstr. 10, 02625 Bautzen, Telefon: 03591 - 49 09 76, kontakt@dielinke-bautzen.de – oder bei seinem Ortsverband. Das Wahlprogramm findet ihr unter: www. gleft.de/1Ll, die Finanzierung unter: www.gleft.de/1Lm • Ralph Büchner, Mitglied des Kreisvorstandes

Seiteneinsteiger nicht vergraulen! Am 2. Juni luden der Bautzener Landtagsabgeordnete Heiko Kosel und die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Falken, nach Bautzen zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung für Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf ein. Ziel war es, Interessierte zu informieren, aber auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch zu bieten. Dabei wurden starke Versäumnisse der Staatsregierung deutlich: Seiteneinsteiger beklagten, dass sie nicht gut betreut würden. Für Cornelia Falken ist klar: „Der Lehrermangel kam nicht überraschend, sondern seit über einem Jahrzehnt wurde unter anderem auch durch die LINKE auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht, die das stets CDU-geführte Kultusministerium zu verantworten hat. Umso skandalöser,

wie nun mit den Seiteneinsteigern umgegangen wird. So häufen sich Berichte über Weiterbildungschaos, unklare Entwicklungsperspektiven, willkürlich anmutende Einsätze an verschiedenen Schulen und nicht zuletzt fehlerhafte Eingruppierungen bis an den Rand der Lohndrückerei – trotz ungenutzter Finanzmittel in Millionenhöhe im vergangenen Jahr. Bei der Überbelastung der Lehrerschaft wäre eine höhere Vergütung für alle Lehrer, einschließlich Seiteneinsteiger, wie in anderen Bundesländern üblich, angemessen!“ Der Sprecher der Linksfraktion für Angelegenheiten des sorbischen Volkes, Heiko Kosel, pflichtet bei: „Schilderungen der Seiteneinsteiger an sorbischen Schulen haben die Brisanz des Lehrermangels im Minderheitenschulwesen

deutlich gemacht, wo es um Sprachund Kulturverlust geht. Die zielgerichtete Gewinnung der sorbischen Seiteneinsteiger ist ein dringendes Gebot. Die auch verfassungsrechtliche Verpflichtung des Freistaates gebietet es, die Einstellung sorbischer Seiteneinsteiger auf der Basis eines durchdachten Konzeptes durchzuführen. Es wäre sinnvoll, sich mit einem konkreten Angebot an alle ehemaligen Studierenden des früheren Sorbischen Instituts für Lehrerbildung zu wenden. Verbesserungsbedürftig ist der Umgang mit sorbischen Seiteneinsteigern seitens der Kultusverwaltung. Hier fehlt wohl das nötige Maß an fachlicher Betreuung und Willkommensbereitschaft. Nachrichten über das Abwandern sorbischer Seiteneinsteiger aus Sachsen nach Brandenburg lassen aufhorchen.“

Termine im Bürgerbüro 10.07., 18.30 Uhr Sitzung der Stadtratsfraktion DIE LINKE. Kamenz 11.07., 16 Uhr Beratung der Basisgruppen des Ortsverbandes DIE LINKE. Bautzen 13.07., 9 -11 Uhr Infostand Gesundbrunnen Bautzen, Platz der Völkerfreundschaft 15.07., 10 Uhr Volleyball-Turnier für Frieden und Toleranz im Alten Stadtbad Kamenz; Goethestraße 17.07., 16-18 Uhr Bürgersprechstunde mit Marion Junge im Bürgerbüro Kamenz 18.07., 09-11 Uhr Infostand Marktplatz Radeberg 19.07. , 18 Uhr AG Weltfriedenstag - Vorbereitung Friedensfest Kamenz 20.07., 9-11 Uhr Infostand Allendeviertel Bautzen, Dr. Salvator- Allendestraße 20.07., 17.30 Uhr Vorstandsberatung des Kreisverbandes DIE LINKE. Bautzen 25.07., 17.30 Uhr Treffen der Basisgruppe Bautzen Zentrum


Sachsens Linke! 07-08/2017 Vor wenigen Wochen bekam ich einen Anruf von meinem Kreisverband (Zwickau). Unsere Geschäftsführerin Gudrun fragte mich, ob ich Lust und Zeit hätte, mit einem weiteren Delegierten des Landesverbandes Sachsen nach Berlin zum Neumitgliedertreffen zu fahren. Ich fühlte mich „geehrt“ und sagte natürlich zu.

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Ein aufregendes Wochenende in Berlin

Voller Euphorie und freudiger Erwartung packte ich also „meine sieben Sachen“ und fuhr mit der Deutschen Bahn nach Berlin. Nachdem ich im Hotel eingecheckt hatte, lief ich schnurstracks rüber zum Karl-Liebknecht-Haus. Dort traf ich auf Tanju und Inke, unsere Betreuer und Organisatoren, und setzte mich intuitiv direkt an den großen runden „O-Tisch“ neben Holger Hartmann, den anderen sächsischen Delegierten. Er kam aus Freiberg. Der Saal war voll, jeweils zwei Neumitglieder aus jedem Bundesland waren da. Wir hielten Smalltalk und machten uns gegenseitig Gesine, Bernd, Klaus hielten großartige Reden oder gaben Interviews. Dazwiund mit dem weiteren Ablauf der beiden kommenden spannenden Tage ver- schen gab es kulturelle Einlagen von AnniKa von Trier. Es war ein interessantraut. Die Stimmung war locker und es ter, wenn auch ziemlich langer Abend. herrschte eine offene Atmosphäre. „Belohnt“ haben wir uns anschließend Danach gingen wir auf den Festplatz, gemeinsam „Im roten Salon“, wo bei wo wir mit einer „Geburtstagstorte“ kubanischen Rhythmen Samba getanzt, und mit einem Getränk herzlich empfangen wurden. Zahlreiche prominente diskutiert (und getrunken) wurde. Ausschlafen war allerdings nicht ange„Linke“ waren genauso dabei wie Altsagt, denn nach dem Frühstück ging es und (wir) Neumitglieder. Gegen 19 Uhr halb zehn in die erste Gesprächsrunbegann der Festakt „10 Jahre DIE LINde mit Matthias Höhn und Bernd RieKE“ in der nahegelegenen „Volksbühxinger. Hier hatten wir zum ersten Mal ne“, wohin wir gemeinsam – Seit‘ an Gelegenheit, konkrete Fragen zu stelSeit‘ – „marschierten“. len. Es ging um unsere Forderungen im Wahlprogramm, also: Mindestlohn, Matthias Höhn moderierte den Abend Mindestrente, Mindestexistenzsatz(und begrüßte auch uns Neumitglieder absicherung) aber auch um europäipersönlich. Holger und ich schätzten, sche und kommunal-politische Fragen, dass so um die fünfhundert Gäste da die uns kompetent und detailliert bewaren. Volker Lösch, Stuttgarter Theaantwortet wurden. Also kein „Um-denterregisseur, brachte uns „sein Ständheißen-Brei-Gerede“, wie wir es von chen“ als kritischer Parteifreund. Vieden neoliberalistischen Parteien kenle „Legenden“ unserer historischen nen! Klare, umsetzbare Ziele, die auch Vergangenheit und Gegenwart folgten: finanzierbar sind! Katja, Gregor, Oskar, Sahra, Dietmar,

Es wurde wieder spät, aber alle waren pünktlich am Sonntagmorgen wieder wach. Denn zum „Abschluss“ erwartete uns noch (m)ein besonderes „Highlight“: Der Besuch des Reichstags, also des Deutschen Bundestages mit Führung durch alle Fraktionsräume. Manfred, der das natürlich ehrenamtlich „ran hing“ begrüßte uns auf das Herzlichste. Petra Pau (Vizepräsidentin des deutschen Bundestages) und Gesine Lötzsch (Vorsitzende des Haushaltsausschusses) empfingen uns, genauso ihre Freizeit opfernd im Fraktionssaal, der mir noch am besten von allen gefiel, im „Clara-Zetkin-Saal“. Er heißt so, weil die Straße davor kurz vor Fertigstellung des neuen Parlaments-Gebäudes und des Umzugs von Bonn nach Berlin in „Dorotheen-Str.“ umbenannt wurde. Die beiden erzählten von ihrem schweren Kampf mit zwei „hinzugestellten“ Sitzen im Parlament vor fünfzehn Jahren, als damalige DirektkandiNach dem Mittagessen gab es einen datinnen der PDS. Beide mussten sich Vortrag zur Geschichte des Karl-Liebviele „dumme Sprüche“ der anderen knecht-Hauses mit anschließender Be- Abgeordneten und natürlich auch der gehung des „geheimen Tunnels“, der Fraktionsvorsitzenden gefallen lassen damals einige KPD-Mitglieder und in... Heute habe sie sich etabliert, entgeterne Akten schützte – und auch mangen jeder damaligen Prognose „ihrer ches Leben vor der „Gestapo“. Konkurrenten“. Französische, russiDas „Fest der Linken“ war derweil sche, amerikanische und viele andere schon in vollem Gange, weitflächig und Künstler haben den Bundestag mitgezahlreich besucht auf dem Festgelände staltet und zum meistbesuchten Parlavor „unserem“ Haus bis hin zur „Volksments-Gebäude der Welt gemacht. Es bühne“. Hier traten natürlich nicht nur war so beeindruckend, dass ich nur jeunsere „Promis“ auf, sondern alles dem empfehlen kann, so eine Führung wurde musikalisch und satirisch von zu machen. guten Künstlern mitgestaltet. Es war ein tolles Fest mit zahlreichen Infostän- Weitere Eindrücke würden den Rahden und kulinarischen Bereicherungen. men sprengen. Nur so viel noch: Nach Auch ich durfte auf der Talkbühne mit dem Mittagessen fiel uns der Abschied vier anderen Neumitgliedern über die sehr schwer. Unser Dank gilt Dietmar Motive unseres Eintritts sprechen. Bartsch, dem Initiator jenes Treffens, Nach dem gemeinsamen Abendessen natürlich Tanju und Inke, die sich sehr in einer voll besuchten Pizzeria machfürsorglich um uns gekümmert haben ten wir es uns nochmal auf der „Festund mein persönlicher Dank gilt auch wiese“ gemütlich und diskutierten, Manfred, mit dem ich bei der einen nicht immer ganz so ernst, denn es oder anderen Zigarette noch mehr erwurde auch viel gelacht. fahren durfte ...

Winnie Ludwig ist seit April Mitglied der Partei DIE LINKE – und war unlängst in Berlin beim Treffen der Neumitglieder.


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Revolutionäre Parlamentsarbeit in der Weimarer Republik und heute René Lindenau war beim diesjährigen MARX IS MUSS-Kongress Der Gebrauch von Zitaten ist so eine Sache. Oft werden sie genutzt, um die eigene Meinung zu untermauern; oft erscheinen sie aber auch abgenutzt. So verhält es sich auch mit dem Wort: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie verboten“ – weil die Entscheidungen außerhalb von Parlamenten getroffen würden. Um diese Auffassung ging es am 26. Mai in einer der zahlreichen Veranstaltungen des MARX IS MUSS Kongresses. Die historische Flanke bediente der Historiker Dr. Marcel Bois, der über die Parlamentsarbeit der KPD in der Weimarer Republik referierte. Den Teil der heutigen real-politischen Arena „bespielte“ die Politikerin Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im hessischen Landtag.

Auch wenn man sich mit einer großen Portion Kritik in den parlamentarischen Betrieb begab, war man doch die fleißigste Fraktion. Keine andere hatte so viel Anträge und Anfragen vorzuweisen. Und das eingedenk der Mei-

besserungen, Kampf gegen Rassismus, Ablehnung des Paragraphen § 218. Für die hessische CDU scheint die LINKE ziemlich bruchlos an die KPD anzuschließen, glaubt man einem Papier, das ihrer Partei und Fraktion eine Nähe zur KPD von 1918 unterstellt – verkündete Janine Wissler: Gelächter im Saal! Konservativ sein heißt bewahren, warum nicht auch alte Feindbilder! Die Herstellung von Öffentlichkeit, die Funktion als Frühwarnsystem und das Formulieren von Alternativen hält die Fraktionsvorsitzende für wichtige Punkte linker Parlamentsarbeit. Ferner ist ihr die Frage wichtig, wie man außerparlamentarische und gewerkschaftliche Bewegungen unterstützen und ihre Anliegen stärken kann. Ein Grundsatz der Arbeit ihrer hessischen Linksfraktion ist es, die Betroffenen mit einzuladen – wie zuletzt bei den Streiks der Post und der Busfahrer. Man ging im Plenum des Landtages ganz anders mit dem Thema um, da man die Postler und Busfahrer unter den Zuschauern wusste. Sich einmischen bringt doch was! Dazu gehöre auch, dass die Abgeordne-

Foto: m21 e.V.

Bois begann mit einem historischen Exkurs zur Parlamentsgeschichte der KPD, die von zahlreichen Widersprüchen geprägt war. Einerseits trat man zu den Wahlen an, anderseits erschien man mit Trillerpfeifen im Reichstag, schimpfte auf das „Hohe Haus“. Zudem wusste man gewisse Privilegien (Freifahrtschein bei der Reichsbahn

so etwas? Auf dem KPD-Gründungsparteitag habe sich die Strömung durchgesetzt, sich nicht an Wahlen zu beteiligen. Dem widersprach Rosa Luxemburg, denn viele dieser Werktätigen setzten entsprechende Hoffnungen in die neue Partei. In Lenin fand sie für ihre Position einen Fürsprecher. Schließlich setzte auf dem Heidelberger Parteitag (1919) einer der Mitbegründer der KPD, Paul Levi, die Beteiligung der Partei an Wahlen durch. Im Jahr vor dem Ende der Weimarer ZeitRechnung (1932) erreichte die KPD mit circa 16 Prozent ihr bestes Ergebnis und wurde drittstärkste Partei. Als Levi 1930 starb, verweigerten sich NSDAP und KPD-Abgeordnete einer Schweigeminute und verließen demonstrativ den Saal. Saß bei letzteren die Wunde noch zu tief, da der Verstorbene wieder in der SPD gewesen war? Für mich eine unverständliche, nicht tolerierbare, schreckliche Parallelität.

und die Immunität) zu nutzen. Ein Sozialdemokrat wurde gleich mal in einen „Faschisten-Block“ gesteckt. Es ging ziemlich radauhaft zu – so berichtete er von der Reichstagseröffnung 1924. Wie man es heute nennen würde, „unparlamentarisches Verhalten“, war ja im Grunde gar nicht verwunderlich, taucht man in die programmatische Debatte der KPD in jenen Jahren zum Parlamentarismus ein. Die vorherrschende Meinung war, dass die Arbeit im Parlament nicht im Interesse der Werktätigen liege. Wer bestimmt

nung, dass „wirkliche Veränderungen nicht durch das Parlament, sondern durch die Arbeiterbewegung zu erreichen seien“. Aber wo war sie, wo ist sie, die Arbeiterbewegung? Im Biergarten, auf der Couch, oder saisonbedingt in der Sauna beziehungsweise je nach Gehaltsstufe im warmen Süden – doch nicht sich in die andauernden Klassenkämpfe einmischend. Dann sähe die Welt doch anders aus! Dabei hatte die Vorgängerpartei der LINKEN, die KPD damals unverändert aktuelle Forderungen in ihrem Arbeitsplan: soziale Ver-

tenbüros immer offen zugänglich seien. So gedacht und praktiziert kann eine linke Partei auch ein Korrektiv in der kapitalistischen Gesellschaft sein. Der Erfolg gibt der hessischen Landespartei und ihr persönlich, mit konstanten bis steigenden Wahlergebnissen, noch dazu im Westen, Recht. Es macht schon etwas aus, wenn man sich nicht mit „Sitzungssozialismus“ zufrieden gibt, sondern stets nahe bei den Menschen ist. Man wünschte sich dies auch von anderen Landes- und Kreisverbänden ... Die LINKE, und hier hörte

man die stellvertretende Bundesvorsitzende heraus, müsse eine aktive Mitglieder- und Mitmachpartei sein. Sie gab auch zu bedenken: Vor einem „parlamentarischen Anpassungsprozess“ ist niemand gefeit. Dennoch: (Parlamentarische) Verweigerung bringt nichts.

Auf zur Fiesta de Solidaridad Am 22. Juli 2017 feiertdie AG Cuba Sí wieder ihre traditionelle „Fiesta de Solidaridad“ in Berlin Größer, bunter und vielfältiger wird die „Fiesta de Solidaridad“ in der Lichtenberger Parkaue in diesem Jahr werden. Das große Solidaritätsfest, organisiert von der AG Cuba Sí, ist zu einem Treffen der Soligruppen und Kubafreunde aus der gesamten Bundesrepublik geworden. Neu in diesem Jahr ist das „Internationales Dorf“, in dem sich die ALBA-Staaten vorstellen und die europäischen Solidaritätsgruppen ihre Projekte präsentieren. Ebenfalls neu ist eine zweite Bühne, die vor allem für Junge und Junggebliebene Anziehungspunkt sein soll. Hier berichten u.a. Studierende über ihr Semester an der Technischen Universität in Havanna. Den ganzen Tag wird es Vorträge, Ausstellungen, Diskussionen und jede Menge Musik geben. Live dabei sind u.a. Damion Davis, Tapete, Boxi Total, Calum Baird (Schottland), DJ Usnavi – und am Abend spielen Conexión und Banda Bassotti (Italien). Bei der Soli-Tombola kann man wieder einen Flug nach Kuba gewinnen. Nos vemos – wir sehen uns zur Fiesta de Solidaridad! Fiesta de Solidaridad 22. Juli 2017, 14 – 22 Uhr Parkaue Berlin-Lichtenberg Wer die Fiesta unterstützen möchte, kann für 5 Euro unseren Solibutton kaufen. Infos unter: gleft.de/1MH


Sachsens Linke! 07-08/2017 Drei Landtagswahlen fanden in diesem Jahr bisher statt. Inzwischen zeichnet sich ein klares Bild ab. 1. Der Höhenflug der SPD zu Jahresbeginn ist definitiv vorbei und von allen drei Landtagswahlen deutlich widerlegt. Die SPD hat nicht nur im Saarland nicht die Rückkehr in die Regierung erreicht, sondern nach jeweils zwei Wahlperioden die Regierungsführung in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verloren. (Theoretisch waren zwar in beiden Ländern Ampelkoalitionen aus SPD, FDP und Grünen möglich, aber damit rechnete niemand ernsthaft.) 2. Der allgemeine Rechtstrend hält an. Alle relevanten Parteien rechts der virtuellen Mitte (CDU, FDP, AfD) gewannen deutlich an Stimmen hinzu. Die Parteien links der Mitte verloren in der Summe genauso deutlich. 3. In allen Wahlen nahm die Wahlbeteiligung deutlich zu. 4. DIE LINKE konnte sich im Saarland gegenüber 2012 auf vergleichsweise hohem Niveau stabil halten, in Schleswig-Holstein und NRW auf niedrigem Niveau ihre Ergebnisse etwa verdoppeln. Das eigentliche Wahlziel, die Rückkehr in die Landtage von Schleswig-Holstein und NRW, wurde jedoch verfehlt, wenngleich in NRW nur um Haaresbreite. An Erklärungen für diese Ergebnisse mangelt es nicht. Insbesondere wird auf die Popularität der bestätigten CDU-Ministerpräsidentin an der Saar und auf das (vermeintliche) Versagen der SPD-geführten Landesregierungen in den beiden anderen Ländern verwiesen. Angeführt werden auch mögliche Auswirkungen von positiven (Saarland) oder aber negativen (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) Koalitionsaussagen hinsichtlich einer möglichen rot-rot-grünen Regierung. Aus meiner Sicht greifen diese Erklärungen aber zu kurz. Weiten wir also unseren Blick über das Wahljahr 2017 hinaus und schauen uns die Entwicklung der letzten zwölf Jahre an. In den Jahren 2004/2005 stand die rot-grüne Bundesregierung kurz vor ihrem Ende. insbesondere die SPD hatte nach der Hartz-IV-Gesetzgebung in ihrer angestammten Klientel enorm an Unterstützung verloren. DIE LINKE gab es noch nicht, die PDS war in den westlichen Bundesländern weitgehend bedeutungslos. Vor diesem Hintergrund konnten CDU und FDP große Erfolge einfahren, NRW bekam das erste Mal seit fast 40 Jahren eine CDU-geführte Regierung und im Saarland reichte es sogar zu einer CDU-Alleinregierung. In Schleswig-Holstein gab es zwar eine knappe Mehrheit von einer Stimme für SPD, Grüne und SSW, diese scheiterte aber bei der beabsichtigten Wahl der Ministerpräsidentin und am Ende stand eine Große Koalition. Bekannt ist, dass es infolge des Regierungswechsels in Düsseldorf auch zu vorgezogenen Neuwahlen auf Bundesebene kam, die als Katalysator für die Formierung der LINKEN aus PDS und WASG wirkten.

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Nicht der AfD überlassen Saarland, Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen: Jens Matthis analysiert die jüngsten Landtagswahlen. In den Jahren 2009/10 konnte diese neugegründete LINKE dann erstmals in alle drei Landesparlamente einziehen. Da dies mit der Mobilisierung zusätzlicher Wähler*innen verbunden war, kam es zu einer klar erkennbaren Linksverschiebung. 2012, in allen drei Ländern gab es vorgezogene Neuwahlen, konnte erneut eine neue Partei zusätzliche Stimmen mobilisieren und in alle drei Landesparlamente einziehen – die PIRATEN. Das ging zwar auch zu Lasten der noch nicht gefestigten LINKEN, die nur im Saarland ihre Landtagspräsenz verteidigen konnte. Da gleichzeitig CDU und FDP jedoch massiv an Unterstützung verloren, gab es in der Summe dennoch eine Linksentwicklung. Doch 2015 sieht es ganz anders aus. Die vielgelobte steigende Wahlbeteiligung ist vorrangig einer erheblichen Mobilisierung auf der rechten Seite des politischen Spektrums geschuldet. Neben dem Aufstieg der AfD, gegenüber den Vorjahren leicht gebremst, konnten auch CDU und FDP wieder erhebliche Stimmengewinne erzielen. Demgegenüber verlor die gesamte politische Linke bei unterschiedlichen internen Verschiebungen in den einzelnen Ländern, insbesondere durch den völligen Niedergang der Piraten, erheblich an Wählerunterstützung. Schaut man über alle Wahlen, fällt eines auf: Bei jeder neuen Wahl bindet eine neue Par-

tei die unzufriedenen, so genannten Protestwähler*innen, verliert aber bei der jeweils nächsten Wahl einen guten Teil davon an die nächste Protestpartei: 2009/10 DIE LINKE, 2012 die linkslibertären PIRATEN und 2017 schließlich die rechtspopulistische AfD. Aber auch etwas Zweites fällt auf. Anders als 2009/10, als der Aufstieg der LINKEN mit entsprechenden Verlusten der SPD einher ging , gewinnt 2017 trotz des Aufstiegs der AfD und trotz des Comebacks der FDP auch die CDU deutlich an Stimmen. Deshalb ist der Rechtsruck in NRW auch besonders erdrückend. Einen möglichen Erklärungsansatz findet man in der aktuellen internationalen Diskussion über die Ursachen des ansteigenden Rechtspopulismus in Europa und den USA: Die linken Parteien (und damit sind in diesem Fall vor allen die sozialdemokratischen Parteien gemeint) haben in den letzten zwanzig Jahren die neoliberale Politik des Sozialabbaus und der Deregulierung nicht nur mitgetragen, sondern selbst aktiv vorangetrieben. Damit haben sie sich von ihrer klassischen Klientel (vereinfacht gesagt: der Arbeiterklasse) weitgehend entfremdet. Zugleich waren ihre Bemühungen um Wähler*innen aus den sogenannten Mittelschichten (Akademiker*innen, hochqualifizier-

te Facharbeiter*innen, Beamte und Angestellte usw.) nicht ganz erfolglos. Diese wurden aber nie eine zuverlässige Wählerklientel, sondern blieben als Wechselwähler*innen auch für die „moderaten“ und „liberalen“ „bürgerlichen Kräfte“ erreichbar. Im besten Falle konnten die Sozialdemokraten die neuen Mittelschichten und (wegen fehlender Alternativen) auch noch einen Teil des traditionellen Arbeitermilieu erreichen. In den schlechteren Fällen, und die scheinen gegenwärtig in Europa einzutreten, verliert sie ihre traditionelle Klientel zu größeren Teil an die rechtspopulistischen Parteien, zum kleineren Teil an die Linksparteien. Die Mittelschichten wiederum wandern zu den liberalen Parteien und dem liberaleren Flügel der Konservativen ab. Nun hatte dies bei den drei Landtagswahlen alles noch nicht die Ausmaße wie in unseren europäischen Nachbarländern. In Polen hat sich das Parteiensystem schon vor Jahren neu gepolt zwischen einer (neo-)liberalen „proeuropäischen“ Partei einerseits und einer rechtspopulistischen „europakritischen“ Partei andererseits. Die polnische Sozialdemokratie läuft nur noch unter „Ferner liefen“. Der gleiche erschreckende Trend war jüngst bei den niederländischen Parlamentswahlen und, begünstigt durch das Wahlsystem, insbesondere bei den französischen Präsidentschaftswahlen zu beobachten. Mit den Landtagswahlen dürften sich alle mit dem Schulz-Hype aufgekeimten Rot-Rot-Grün-Hoffnungen bezogen auf die Bundestagswahl stark relativiert haben. Die wichtigere Aufgabe besteht jetzt wohl darin, all diejenigen, die ihre sozialen Interessen nicht mehr vertreten sehen, nicht den Rechtspopulist*innen der AfD zu überlassen, sondern für eine starke LINKE zu sorgen. Darauf sollten sich unsere Wahlkampfaktivitäten fokussieren. Erstabdruck: DIE LINKE – Sozialistische Monatsschrift für Dresden.


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

Das gefährliche Spiel mit dem Terrorismus

07-08/2017 Sachsens Linke!

European United Left /  Nordic Green Left European Parliamentary Group

Im EU-Parlament sind Law-and-Order-Fanatiker im Aufwind. Dr. Cornelia Ernst berichtet von ausufernden Überwachungsphantasien der Rechten In den letzten Jahren stieg mit jedem Terrorangriff der Druck, Maßnahmen aus der Kategorie „Was wir schon immer durchboxen wollten“ zu beschließen. Diese Maßnahmen sind im Kern mit der Massenüberwachung unschuldiger Menschen verbunden, als Rechtfertigung dafür, Schuldige zu ermitteln. Riesige Massendateien werden immer umfänglicher. Alle bisher unmöglichen Instrumente, wie Fluggastdatennutzung, Videototalüberwachung, Gefährderlogik und ethnisches Profiling sowie der Ausbau der Befugnisse von Geheimdiensten sind aus dem Kasten geholt worden. Alles Mögliche gilt als Terrorangriff, der Ruf „allahu akbar“ reicht völlig. Noch schlimmer ist, dass Migrant*innen kriminalisiert und in die Kategorie „Gefährder“(ein Begriff, der eher denunziert als klarstellt – und das soll er ja auch) eingeordnet werden. Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich muss Terrorismus bekämpft werden. Dazu ist es erforderlich, klarzustellen, was das wirklich ist und was nicht. Und es ist erforderlich, die Instrumente zu schärfen, die als Gegenmacht geeignet sind. Das sind zweifellos Polizei und Justiz. Dazu gehört es auch, darüber nachzudenken, wie es zu den Attacken kommt, was deren Ursachen sind und wir vor Ort ändern müssen, da viele Attentäter aus den Mitgliedsstaaten selbst kommen. Und wie wir Kriege und Konflikte beenden helfen. Da nützen Fluggastdaten aller Einund Ausreisenden nur selten. Vielmehr ist zu fragen, wie es zur Radikalisierung gekommen und wie diese künftig zu verhindern ist. Allein mit Repressionsmaßnahmen kommen wir nicht voran.

Dazu haben wir als Linke im Europaparlament ein Konzept entwickelt, das erste linke Konzept zur Terrorismusbekämpfung. Wir haben uns dafür entschieden, weil das Thema ernst zu nehmen ist und wir Antworten nicht der rechten Seite überlassen wollen. Dieses Konzept versteht sich nicht als reines Polizeikonzept, sondern zielt auch darauf, gesellschaftliche Grundanforderungen zu formulieren. Gemeinsam mit linken Kolleg*innen haben wir diesen ersten Aufschlag gewagt. Wer es nachlesen will, kann den abgedruckten QR-Code verfolgen.

Im Europaparlament drängt die rechte Seite nun darauf, einen speziellen AntiTerrorismus-Ausschuss zu bilden, und das noch in dieser Legislaturperiode. Seit Monaten spielt sich hinter den Kulissen eine Art Stellungskrieg ab. Ziel ist es, den weithin progressiven Aus-

schuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der sehr stark an Grundrechten orientiert ist, zu schwächen. In den letzten Jahren konnten über eine Mitte-Links-Kooperation viele Versuche, repressive Massenüberwachungsinstrumente drastisch auszuweiten, verhindert oder abgeschwächt werden. In der vorherigen Wahlperiode lagen die Mehrheiten so, dass wir gemeinsam mit Sozialisten & Sozialdemokraten (S&D), Grünen und großen Teilen der Liberalen ein EU-Fluggastdatensystem verhindern konnten. Nach 2014 gelang das nicht, es hielten aber progressive Mehrheiten beim personenbezogenen Datenschutz. Hauptforderung war immer: Erst alle Anti-Terrorismus-Maßnahmen evaluieren, bevor neue eingeführt werden! Das spielte sich unter der Hand der Großen Koalition ab. Mit der Wahl des neuen EP-Präsidenten Tanjani wurde diese Koalition aufgekündigt und die liberale Fraktion auf die rechte Seite des Hauses gezogen. Die Debatte um einen Extra-Anti-Terrorismus-Ausschuss kam wieder auf. Die Liberalen, die im EP Zünglein an der Waage sind, wurden von der rechten Seite gekauft, indem ihnen der Vorsitz für diesen Ausschuss versprochen wurde. Insbesondere CDU und CSU drängen auf ein Special Committee, für das sich jede und jeder Abgeordnete faktisch bewerben kann. Das hieße, dass sich hier die rechtspopulistischen Kräfte tummeln könnten, dazu die „kalten Krieger“ aus dem Außenpolitischen Ausschuss, so dass Grundrechtsfragen keine Rolle spielen würden. S&D, Grü-

ne und Linke Fraktion haben sich von Anfang an gegen einen solchen Ausschuss stark gemacht. Damit scheiterten wir und forderten deshalb einen Untersuchungsausschuss, mit dem Ziel, alle Anti-Terror-Instrumente zu evaluieren. Mitglieder dieses Ausschusses wären dann nur Abgeordnete aus dem LIBE-Ausschuss. Auch das ist gescheitert. Nun versuchen wir, die Anzahl der Mitglieder eines solchen Ausschusses zahlenmäßig zu begrenzen. Es ist gut möglich, dass wir auch das verlieren. Fakt ist, mit der neuen Koalition im Europaparlament sind solche Fehlentscheidungen schwerer zu verhindern. Seit dem Weggang von Martin Schulz gibt es auf Fraktionsebene zwar eine echte Kooperation von Rot-Rot-Grün. Doch der Wechsel der liberalen Fraktion zur rechten Seite hat uns die Mehrheit im EP gekostet. All das reiht sich ein in den Kampf um ein neues Kräfteverhältnis im EP und in der Union.

Ein eigenes Bild machen: Reise in die Ukraine Nachrichten zur Ukraine und zur dortigen Situation sind größtenteils einseitig und tendenziös verfasst – egal welche „Seite“ darüber berichtet. Darum ist es nötig, sich ein eigenes Bild zu machen. Cornelia Ernst und ein drei köpfiges Team werden das vom 6. bis zum 20. Juli in Kiew tun. Die Tage werden prall mit Terminen gefüllt sein. Von Gesprächen mit dem Deutschen Botschafter, freien Gewerkschafter*innen und linken Aktivist*innen soll sich eine konkrete Einschätzung der politischen Lage des Landes ergeben. Kiew als eines der politischen Zentren des Landes ist der richtige Ort dafür. Auch wird uns die Rosa-Luxemburg-Stiftung, in Person von Nelia Vakohvska, organisatorisch unterstützen und uns mit Rat und Tat beiseite stehen.

Vom Besuch des Botschafters erhoffen wir uns einen Überblick in die Arbeit der Bundesrepublik und der deutschen Stiftungen, die gerade in der Ukraine aktiv sind. Es steht ein Termin zur Informationslage über die Ostukraine an, denn der Krieg dort tobt immer noch und befeuert nationale Tendenzen innerhalb des Landes. In den kommenden Gesprächen und Workshops wird versucht, eine linke Einschätzung des Konfliktes zu treffen, außerhalb des staatlichen Apparates. Freie, somit nicht staatliche, Gewerkschaften werden uns ihre Sicht der Dinge um den ständigen Kampf um Löhne und Gehälter schildern, und wie es dort allgemein um den Arbeitskampf bestellt ist. Auch werden die Rechte der Minderheiten und auch der Frauen* näher un-

ter die Lupe genommen. Dazu wurden diverse Gespräche mit Aktivist*innen organisiert, die uns über die aktuelle Problemlage und Kämpfe Auskunft geben sollen.

Es ist angedacht, die gesamte Reise filmisch zu dokumentieren, aufzuarbeiten und in Veranstaltungen zu präsentieren. Denn die möglicherweise daraus erwachsenen Kooperationen sollen nicht nur in Hinterzimmern besprochen und beschlossen werden. Transparenz ist ein Anliegen, das wir ernst nehmen.

Weiterhin wird es einige Treffen mit der NGO „Soziale Bewegung“ geben, von jungen Aktivist*innen sowie sogenannten „Graswurzelbewegungen“ gegrünSo wird schon die erste Veranstaltung det worden ist und sich gerade im Pardazu im Rahmen der CSD Woche in teigründungsprozess befindet. Deren Leipzig, am 14. Juli 2017, im offenen schon beschlossenes Parteiprogramm Abgeordnetenbüro INTERIM (Demmegleicht zu einem Großteil dem unserer ringstraße 32, 04177 Leipzig) stattfinPartei und könnte somit Hoffnung geden. Mit dem Fokus auf die queere und ben, einen zukünftigen Kooperationsfeministische Perspektive wird Cornepartner in der Ukraine zu bekommen. lia Ernst ihre Eindrücke darlegen. Inwieweit wir dort Hilfestellungen anbieten können, wird von den Gesprä• Björn Reichel chen vor Ort abhängen.


Sachsens Linke! 07-08/2017

DIE LINKE im Bundestag

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Ein starkes Konzept gegen steigende Mieten Von Caren Lay, MdB

Die Krise auf dem Wohnungsmarkt ist längst auch in Sachsen angekommen: In den Innenstädten von Dresden und Leipzig stiegen die Mieten zwischen 2010 und 2015 im Durchschnitt um 20 Prozent. Selbst Durchschnittsverdienerinnen haben es schwer, eine bezahlbare Wohnung in der Innenstadt zu finden. Außerhalb der Großstädte gibt es hingegen immer noch viel Leerstand durch Abwanderung und den demografischen Wandel. Dadurch kommen neue Herausforderungen für barrierefreies- und altersgerechtes Wohnen auf uns zu, Orts- und Dorfkerne verfallen. Und selbstverständlich müssen Geflüchtete auch dezentral und würdig untergebracht werden. Wir stehen vor einem Berg wohnungspolitischer Probleme.

haupt nicht anwendbar ist. All das führt dazu, dass Sachsen seit Jahren die rote Laterne in der Wohnungspolitik trägt. Gemeinsam mit Enrico Stange habe ich ein wohnungspolitisches Konzept verfasst: DIE LINKE ist die Partei der Mieterinnen und Mieter! Das Hauptziel ist der Neustart im Sozialen Wohnungsbau. Dazu gehört aber auch die Abschaffung der Belegungsbindung. Es muss gelten: Einmal Sozialwoh-

nung – immer Sozialwohnung! Sozialwohnungen fehlen aber nicht nur in Dresden und Leipzig, sondern auch in Mittel- und Kleinstädten. Die Förderrichtlinie des Landes muss dementsprechend überarbeitet werden. Und natürlich muss der Privatisierungswahn endlich beendet werden. Auch gibt es noch zu viele Orte, in denen kommunale Wohnungen privatisiert werden. Auch die Mietpreisbremse muss, trotz aller Kritik an ihrer Umsetzung, eingeführt werden. Ebenso wie

viele andere mieterschützende Gesetze und Verordnungen wie der Milieuschutz oder zur Zweckentfremdung bei Leerstand. Das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“ war bisher in Sachsen ein Abrissprogramm. Abriss mag in einzelnen Fällen gerechtfertigt sein. Angesichts der sich verschärfenden Lage auf dem Wohnungsmarkt muss man diese Einzelfälle aber genau prüfen. Stärken sollten wir auch alternative Wohnformen, kommunale Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften oder das Mietshäuser-Syndikat. Bessere Gesetze sollten vor Zwangsräumungen und „Raussanierungen“ schützen sowie Wohngeld- und ALG II-Bezieher stärken. Ein weiteres wichtiges Thema, an das wir ran müssen, sind die Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Betroffene. Sie sind zu niedrig angesetzt und kommen dem Mietenanstieg nicht hinterher!

Foto: txmx 2 / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

Diese Probleme sind nicht über Nacht entstanden. Die CDU-geführten Regierungen haben in den vergangenen Jahrzehnten vor allem den sozialen Wohnungsbau auf null gefahren: Seit dem Jahr 2000 wurde in Sachsen keine einzige Sozialwohnung mehr gebaut. Nach letzten offiziellen Zahlen gab es im Jahr 2013 im Freistaat gerade einmal noch 7.000 Sozialwohnungen. Da viele Belegungsbindungen zwischenzeitlich weggefallen sind, sind es jetzt wohl noch deutlich weniger. Auch die kürzlich in Kraft getretene Förderrichtlinie für den sozialen Wohnungsbau wird es nicht richten, da sie in weiten Teilen Sachsens über-

Wenn wir nicht bald Verhältnisse wie in München, Frankfurt oder Hamburg haben wollen und das Wohnen in Sachsen morgen noch bezahlbar sein soll, müssen wir handeln. Deswegen hoffen wir, dass das Wohnungspolitische Konzept schon bald Thema auf einem Landesparteitag wird. DIE LINKE kämpft für bezahlbares Wohnen in Sachsen!

Alle Kinder sollen das Schwimmen erlernen können

Dabei ist das Thema nicht neu. In seiner Antwort auf meine Anfrage teilte InnenStaatssekretär Günter Krings (CDU) am 18. März 2015 mit: „Auch die Bundesregierung nimmt die Untersuchungen zur schwindenden Schwimmkompetenz

von Kindern mit Besorgnis zur Kenntnis.“ Und: „Für die Verbesserung der Schwimmkompetenz von Kindern und die Förderung des Schwimmunterrichts

Foto: eNriKeFotO / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

Deutschland war einmal eine Schwimmnation. Das Land bietet mit seinen Seen und Flüssen, mit der Ost- und Nordsee, mit Freibädern und Schwimmhallen hervorragende Möglichkeiten, sich im Wasser zu erholen und zu betätigen. Dazu muss man aber schwimmen können. Vor 25 Jahren konnten noch über 90 Prozent der Bevölkerung schwimmen – heute nicht einmal mehr die Hälfte. Das ist höchst alarmierend. „Deutschland wird zum Nichtschwimmerland“, titelte „zeit-online“ am 9. Juni. Laut einer Studie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) können fast 60 Prozent der 10-Jährigen nicht richtig schwimmen. In den letzten Jahren ertranken immer mehr Menschen, allein 2016 waren es 537. Weitere 1.200 konnten in letzter Minute gerettet werden. Das sind dramatische Entwicklungen, die zum Handeln zwingen.

im Allgemeinen gibt es seitens der Bundesregierung keine Zuständigkeit.“ Die Besorgnis teile ich, nicht aber den Verweis auf die angebliche Nicht-Zuständigkeit. Schon gar nicht will ich die Untätigkeit der Bundesregierung hinnehmen. Deshalb schlug ich vor mehr als zwei Jahren eine Anhörung im Sportausschuss vor, um die Probleme gemeinsam anzugehen. Diesen Vorschlag lehnten CDU/CSU und SPD mehrfach ab. Erst am 21. Juni, kurz vor dem Ende der Wahlperiode, gab es nun endlich diese Debatte im Sportausschuss, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach Auffassung der LINKEN ist das Problem aber so gravierend, dass wir auch eine Aktuelle Stunde im Plenum durchgesetzt haben. Fakt ist: In den 60er Jahren hatte fast jede größere westdeutsche Kommune ein eigenes Schwimmbad, auch durch staatliche Förderprogramme. Zuletzt waren aufgrund unzureichender Finanzausstattung immer weniger Städte in der Lage, ihre Bäder zu sanieren und zu betreiben. Viele wurden privatisiert und in Spaßbäder umgewandelt. Jedes Jahr

werden etwa 100 Bäder geschlossen. Das hat auch Folgen für den Schwimmunterricht, der an vielen Schulen, vor allem im ländlichen Raum, gar nicht mehr angeboten werden kann, auch weil die Anfahrtswege für die Schüler immer länger und teurer werden. Das Ganze offenbart auch eine soziale Schieflage, denn Einkommensschwächere und deren Kinder sind laut Statistik deutlich weniger schwimmfähig als der Landesdurchschnitt. Viele können sich die Eintrittsgelder für Schwimmhallen oder private Schwimmkurse nicht leisten. DIE LINKE hat Vorschläge vorgelegt. Dazu gehören neben der Wiederaufnahme des Goldenen Plans für Sportstätten und Schwimmhallen auch die Förderung des Schwimmunterrichtes und die Stärkung des Vereinssports. Aus Sicht der LINKEN ist es dringend geboten, dass sich auch der nächste Bundestag mit dem Thema unzureichender Schwimmkompetenz befasst und endlich etwas dagegen unternimmt. • Dr. André Hahn, MdB


Kommunal-Info 6-2017 4. Juli 2017 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

KFS

Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Vergaberecht Bericht über eine öffentliche Anhörung im Landtag unter dem Thema „Quo vadis Sächsisches Vergaberecht?“ Seite 3

Baugesetznovelle Neue BauGB-Novelle ist mit dem 13. Mai in Kraft getreten Seite 4

Horst-Dieter Brähmig verstorben

Der langjährige Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda ist am 27. Juni verstorben Seite 4

Informationsrecht und Anfragerecht im Gemeinderat Nach § 27 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) 1 ist der Gemeinderat als Vertretung der Bürger auch das Hauptorgan der Gemeinde. In dieser Eigenschaft legt er die Grundsätze der Verwaltung fest und überwacht er die Ausführung der von ihm gefassten Beschlüsse. Dazu gehören nach § 28 Abs. 5 und 6 auch das Informationsrecht des Gemeinderats und das Anfragerecht einzelner Gemeinderäte.2 Damit korrespondiert die Pflicht des Bürgermeisters nach § 52 Abs. 53, den Gemeinderat über alle wichtigen, die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten zu informieren. „Durch das umfassend ausgebildete Informationsrecht des Gemeinderats bzw. die Informationspflicht des Bürgermeisters wird sichergestellt, dass der Gemeinderat sein Kontrollrecht ausüben und seiner Verantwortung für die von ihm getroffenen Sachentscheidungen nachkommen kann.“4

Minderheitenrecht des Gemeinderats

Streng zu unterscheiden sind das Informationsrecht des Gemeinderats als Gesamtorgan nach § 28 Abs. 5 und das Anfragerecht eines einzelnen Gemeinderats nach § 28 Abs. 6. Für die Durchsetzung des Informationsrechts bedarf es keines Mehrheitsbeschlusses des Gemeinderats; es genügt, wenn ein Fünftel der Gemeinderäte danach verlangen. Für die Bestimmung dieses Fünftels ist die Stimme des Bürgermeisters nicht mitzuzählen. Bei der Berechnung des Fünftels ist von der tatsächlichen Zahl

der Gemeinderatssitze auszugehen, nicht von der zufällig in der Sitzung anwesenden Gemeindräte. Sollten aus dem Gemeinderat einzelne Gemeinderäte ausgeschieden sein, ohne dass die Sitze durch Nachrücker besetzt werden konnten, ist von der entsprechend verringerten Sitzzahl auszugehen. Das Recht auf Information durch ein Fünftel der Gemeindräte gilt als ein unantastbares Minderheitenrecht, was weder durch den Bürgermeister noch eine Gemeinderatsmehrheit ausgehebelt werden kann. Unzulässig wäre auch, in der Geschäftsordnung ein höheres oder niedrigeres Quorum zu bestimmen. Das mündliche Informationsverlangen durch mindestens ein Fünftel der Gemeinderäte kann nur in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung gestellt werden.

Umfang des Informationsrechts

Das Informationsrecht erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der Gemeinde und ist nicht auf den Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats beschränkt, sondern umfasst auch die Angelegenheiten, die der Bürgermeister in eigener Zuständigkeit erledigt. Insbesondere gehören dazu die Erledigung der Aufgaben der Gemeindeverwaltung nach § 53 Abs. 1, die Geschäfte der laufenden Verwaltung nach § 53 Abs. 2 Satz 1 und die Weisungsaufgaben nach § 53 Abs. 3, alles Angelegenheiten, in denen dem Gemeinderat keine Entscheidungskompetenz zukommt. In Einzelfällen kann das Informationsrecht mit dem Vertraulichkeits-

schutz (öffentliches Wohl oder berechtigte Interessen einzelner) oder dem Datenschutz (z.B. Personalakten oder Steuerakten) kollidieren. „Sachgerechterweise löst sich dieser Konflikt nach dem Prinzip der Erforderlichkeit. Der Gemeinderat kann alle Informationen verlangen, die er zur effektiven Ausübung seines Informationsrechts benötigt. Andernfalls wäre ein bedeutender Teil des Verwaltungshandelns einer Kontrolle durch den Gemeinderat entzogen.“5 Ggf. ist durch die Behandlung in einer nichtöffentlichen Sitzung nach § 37 Abs. 1 die Ausübung des Informationsrechts sicherzustellen. Vom Informationsrecht ausgeschlossen sind jene Weisungsaufgaben sowie alle anderen Angelegenheiten, die aufgrund einer Anordnung der zuständigen Behörde geheim zu halten sind. In diesen Fällen kann sich jedoch der nach § 46 zu bildende Beirat für geheimzuhaltende Angelegenheiten unterrichten lassen.

Ausübung des Informationsrechts

Da das Begehren auf Information nach § 28 Abs. 5 an den Bürgermeister adressiert ist, sind folglich Anträge nur an ihn zu richten, im Falle seiner Verhinderung an den allgemeinen Stellvertreter. Dem Gemeinderat steht es nicht zu, unter Umgehung des Bürgermeisters sich direkt an einzelne Gemeindebedienstete wenden. Gleichwohl kann der Bürgermeister nach § 44 Abs. 6 den Vortrag in der Sitzung einem Bediensteten der Gemeinde übertragen; ebenso kann der Gemeinderat die Hinzuziehung eines Bediensteten für sach-

verständige Auskünfte verlangen. Der Bürgermeister kann „nach seinem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, in welcher Weise er das Informationsverlangen erfüllt. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im Normalfall wird ein mündlicher Bericht als ausreichend anzusehen sein. In Fällen, die rechtlich oder tatsächlich schwierig sind, kann eine sachgerechte Information nur schriftlich erfolgen. Die Information kann auch auf andere Weise, z.B. durch Ortstermine mit entsprechender sachkundiger Erläuterung erfolgen.“6

Recht auf Akteneinsicht

Das Recht auf Akteneinsicht ist ein besonderer Fall und das äußerste Mittel, wie der Gemeinderat an Informationen über Gemeindeangelegenheiten gelangen kann. Das Recht auf Akteneinsicht steht nicht dem einzelnen Gemeinderat zu, sondern ein Fünftel der Gemeinderäte kann hier verlangen, dass der Bürgermeister dem Gemeinderat oder einem vom Gemeinderat bestellten Ausschuss die Akteneinsicht gewährt. Bei der Berechnung des Fünftels gelten die Bestimmungen, auf die bereits unter dem Minderheitenrecht verwiesen wurde (s.o.). Anträge können innerhalb oder außerhalb von Sitzungen gestellt werden. Außerhalb von Sitzungen gestellte Anträge sind wegen des Nachweises des erforderlichen Quorums schriftlich zu stellen und von den Antragstellern zu unterzeichnen, die Unterschrift von Fraktionsvorsitzenden genügt daFortsetzung auf folgender Seite


Kommunal-Info 6/2017 zu nicht. Der Antrag ist an den Bürgermeister zu stellen, dabei sind die Angelegenheit der Akteneinsicht bzw. der Umfang der verlangten Akteneinsichtnahme zu benennen. Der Akteneinsichtsausschuss muss einen fest umrissenen Auftrag erhalten und sich auf eine bestimmte Angelegenheit beschränken. Eine dauernde oder inhaltlich nicht beschränkte Einsichtnahme bzw. die Bestellung eines Ausschusses für „allgemeine Akteneinsicht“ wäre unzulässig.7 In der Angelegenheit befangene Gemeinderäte dürfen einen Antrag auf Akteneinsicht nicht stellen und dabei auch nicht mitwirken. Die Bestellung des Ausschusses liegt nicht in den Händen der Antrag stellenden Minderheit, sondern muss vom Gemeinderat durch Beschluss herbeigeführt werden. Bei dieser Beschlussfassung hat der Bürgermeister das Stimmrecht, sofern bei ihm nicht Ausschlussgründe wegen Befangenheit nach § 20 vorliegen. Die Einsichtnahme in die Akten steht nicht nur dem Quorum der Antrag stellenden Gemeinderäte zu, sondern dem gesamten Gemeinderat. Wenn der Gemeinderat jedoch beschließt, dafür einen besonderen Ausschuss zu bestellen oder einen bestehenden Ausschuss damit zu betrauen, dann nimmt dieser das Akteneinsichtsrecht für den gesamten Gemeinderat wahr. Ist ein Antrag auf Akteneinsicht mit dem erforderlichen Mindestquorum gestellt worden, dann steht der Bürgermeister in der Pflicht, zu der betreffenden Angelegenheit die entsprechende Einsicht zu gewähren und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen; er ist nicht berechtigt, den Gemeinderat auf eine Berichterstattung zu verweisen. Die Akteneinsicht kann nicht im Umlaufverfahren erfolgen. Der Bürgermeister entscheidet darüber, wo die Akten eingesehen werden, in der Regel wird das in den Räumen der Gemeindeverwaltung geschehen. Das Herstellen und Überlassen von Fotokopien, Abschriften oder Auszügen gehört nicht zum Akteneinsichtsrecht, jedoch ist den Einsichtnehmenden gestattet, sich insoweit Notizen zu machen, als dies für ihre spätere Berichterstattung dem Gemeinderat gegenüber erforderlich ist. Wird ein besonderer Ausschuss bestellt, handelt es sich um einen zeitweiligen beratenden Ausschuss, auf den die Bestimmungen für Beratende Ausschüsse nach § 43 Anwendung finden. Die Sitzungen dieses Ausschusses sind deshalb nichtöffentlich. In dem Ausschuss müssen die Antragssteller zumindest mit einer Person vertreten sein, damit die Minderheitenrechte gewahrt bleiben. Das gilt auch dann, wenn ein bereits bestehender Ausschuss mit der Akteneinsicht betraut wird. Die Bildung eines besonderen (zeitweiligen beratenden) Ausschusses kann durch einfachen Beschluss ohne Hauptsatzungsregelung erfolgen. Die Zusammensetzung des Akteneinsichtsausschusses erfolgt nach § 42 wie für beschließende Ausschüsse. Der Vorsitzende des Akteneinsichtsausschusses kann aus seiner Mitte gewählt werden. Mitunter tragen kommunale Akteneinsichtsausschüsse die missverständ-

Seite 2 liche Bezeichnung „Untersuchungsausschuss“. Dieser Terminus sollte in diesem Zusammenhang vermieden werden, denn zwischen einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und einem kommunalen Ausschuss auf Akteneinsicht bestehen gravierende Unterschiede. Der kommunale Akteneinsichtsausschuss kann nur das Verhältnis zwischen Gemeinderat und der Verwaltung zum Gegenstand haben. Dem Ausschuss stehen nur die Akten der jeweiligen Gemeindeverwaltung zu. Andere Behörden oder Gerichte sind nicht verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder Beweiserhebungsersuchen nachzukommen. Ebenso stehen dem Akteneinsichtsausschuss keine Befugnisse nach Strafprozessordnung zu, er kann z.B. keine Zeugeneinvernahme durchführen oder gar Sanktionen oder Strafmaßnahmen gegen Personen verhängen. Die Akteneinsicht umfasst alle Aufgabenbereiche der Gemeinde, darunter auch die der Gemeindeverwaltung, die Geschäfte der laufenden Verwaltung sowie die Weisungsaufgaben. Ausgeschlossen von der Akteneinsicht sind aber alle Angelegenheiten, die aufgrund einer Anordnung der zuständigen Behörde der Geheimhaltung unterliegen. „Auch Ausschüsse selbst können Informationen und Akteneinsicht verlan-

zumeist am Ende der Sitzung. Die Beantwortung der Anfragen kann unmittelbar mündlich in den Sitzungen erfolgen, kann aber auch schriftlich vorgenommen werden, jedoch muss sie nicht nur gegenüber den Antragstellern, sondern gegenüber dem Gemeinderat als solchem geschehen.9 „Die Antwort hat sachlich richtig und ausreichend zu sein. Der Gemeinderat hat einen Anspruch, all das zu erfahren, was er für die sachgerechte Ausübung des Mandats wissen muss.“10 Andererseits ist die Antwortpflicht des Bürgermeisters auf solche Informationen begrenzt, zu denen er tatsächlich Zugang hat oder die mit zumutbarem Aufwand beschafft werden können. „Zudem besteht ein Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme von Rat und Verwaltung, die auch die Respektierung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Gemeindeverwaltung gebietet.“11 Der Auskunftsanspruch des einzelnen Gemeinderatsmitglieds ist auf einzelne Angelegenheiten der Gemeinde eingegrenzt. Die Fragen müssen einen konkreten, aktuellen Sachverhalt zum Gegenstand haben. Zulässig sind dabei wohl kurze erklärende Bemerkungen zur Anfrage, hingegen gehören Vorschläge und Wertungen nicht dazu. Gegen das Anfragerecht verstößt auch, Behauptungen, Unterstellungen, An-

gen, soweit dies im Rahmen des ihnen übertragenen Aufgabenbereichs erforderlich ist. Sie können hiermit ihrerseits einen (Unter)ausschuss beauftragen. Dies ist in der SächsGemO zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Dies ergibt sich aber aus Sinn und Zweck. Soweit ein Ausschuss an die Stelle des Gemeinderates tritt, müssen ihm auch die entsprechenden Informationsrechte zustehen, weil sie andernfalls die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht sachgerecht erfüllen können, und weil die dort behandelten Gebiete andernfalls einer Kontrolle durch die gewählten Vertreter des Volkes entzogen wären.“8

träge oder allgemeine Ausführungen in Frageform zu kleiden. Die Frage muss nach Form und Inhalt tatsächlich als eine Frage gestellt werden. Handelt es sich um Angelegenheiten, die nach § 53 Absatz 3 auf Grund einer Anordnung der zuständigen Behörde des Freistaates Sachsen geheim zu halten sind, ist keine Auskunft zu erteilen. Im Übrigen ist der Bürgermeister jedoch zur Offenlegung verpflichtet. Das gilt auch für vertrauliche Informationen, wenn das zur sachgerechten Meinungsbildung erforderlich ist. Gegebenenfalls hat die Auskunft in nichtöffentlicher Sitzung zu erfolgen. Grenzen des Anfragerechts ergeben sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. So kann die Beantwortung in Fällen von Rechtsmissbrauch verweigert werden. „Dies liegt z.B. vor, wenn eine bestimmte Frage dem Inhalt nach von demselben oder anderen Fragestellern innerhalb kurzer Zeit wiederholt gestellt wird, obwohl sie bereits ordnungsgemäß beantwortet worden ist und die Sach- und Rechtslage sich in dieser Zeit nicht geändert hat. Ob ein Missbrauchsfall vorliegt, bedarf jedoch einer genauen Prüfung im Einzelfall.“12 Die Beantwortung soll, soweit nicht

Anfragerecht einzelner Gemeinderäte

Nach § 28 Abs. 6 steht es einem einzelnen Gemeinderat zu, „an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Gemeinde richten, die binnen angemessener Frist, die grundsätzlich vier Wochen beträgt, zu beantworten sind.“ Erfolgen Anfragen in der Sitzung, geschieht das zweckmäßigerweise unter einem gesonderten Tagesordnungspunkt „Anfragen der Gemeinderäte“,

schon mündlich in der Sitzung geschehen, grundsätzlich innerhalb von vier Wochen erfolgen. Ist ein längerer Zeitraum notwendig, ist der Gemeinderat davon zu unterrichten. Da die SächsGemO nichts Näheres über die Art der Beantwortung sagt, sind Einzelheiten in der Geschäftsordnung zu regeln. Jedoch darf die Geschäftsordnung nicht dazu ermächtigen, das Anfragerecht auszuhöhlen und etwa mündliche Anfragen durch einen Geschäftsordnungsbeschluss abwürgen zu können. Zulässig wäre aber, je Fragesteller die Zahl der Anfragen zu beschränken oder die Zeit für jede Frage zu begrenzen bzw. den Zeitrahmen für den Tagesordnungspunkt „Anfragen der Gemeinderäte“ einzuengen. Ebenso können die Zulässigkeit und der Umfang von Unterfragen, Nachfragen oder Zusatzfragen geregelt werden. AG — 1 Die nachfolgenden Verweisungen auf Paragrafen beziehen sich stets auf die Sächsische Gemeindeordnung 2 Für den Kreistag und die Kreisräte finden sich sinngleiche Bestimmungen in §§ 23 u. 24 der Sächsischen Landkreisordnung. 3 § 48 Abs. 5 der Sächsischen Landkreisordnung enthält eine entsprechende Bestimmung zum Landrat. 4 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar mit weiterführenden Vorschriften, G § 28, Randnummer (Rn) 55. 5 Ebenda, Rn 57. 6 Ebenda, Rn 59. 7 Vgl. ebenda, Rn 62. Im Unterschied dazu wird in Sächsische Gemeindeordnung. Kommentar, Hrsg. Binus/Sponer/Koolmann, Kommunal- und Schulverlag 2016, S.121 festgestellt: „Dieser Ausschuss für Akteneinsicht kann ständig oder für den Einzelfall gebildet werden“. 8 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar…, Rn 63. 9 Vgl. Sächsische Gemeindeordnung. Kommentar, Hrsg. Binus/Sponer/Koolmann, Kommunal- und Schulverlag 2016, S.122. 10 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar…, Rn 65. 11 Sächsische Gemeindeordnung. Kommentar, Hrsg. Binus/Sponer/Koolmann, Kommunal- und Schulverlag 2016, S.122. 12 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar…, Rn 66.

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts finanziert.


Kommunal-Info 6/2017

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Quo vadis Sächsisches Vergaberecht? Die Europäische Union hatte 2014 mehrere Vergaberichtlinien für ihre Mitgliedstaaten erlassen, was diese bis 2016 in nationales Recht zu übertragen hatten. Um dem Rechnung zu tragen, wurde 2016 durch den Bundestag das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz verabschiedet. In der Nachfolge müssten jetzt auch entsprechende Anpassungen im erst 2013 beschlossenen Sächsischen Vergabegesetz erfolgen. Aus diesem Grunde hatte die Linksfraktion im Sächsischen Landtag einen Antrag unter dem Thema „Quo Vadis? Sächsisches Vergaberecht“ in den Sächsischen Landtag eingebracht, zu dem am 18. April 2017 eine öffentliche Anhörung im Innenausschuss des Landtags stattfand. Dazu waren 7 Sachverständige eingeladen worden, die zu ausgewählten Fragen ihre Stellungnahme abgaben. Die Sachverständigen kamen aus verschiedenen Institutionen (Jury Umweltzeichen, Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen [ENS], der ehemalige Leiter einer VOB/VOL-Nachprüfstelle, Bauindustrieverband Sachsen/Sachsen-Anhalt e. V., Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft [EVG], ein Rechtsanwalt für Vergaberecht, Vergabe- und Beschaffungszentrum der Stadt Dortmund) und ließen in ihren Statements ihre Erfahrungen und auch die Interessenlagen erkennen, für die sie sprachen.

Soziale und ökologische Aspekte

Mehrere Sachverständige sprachen sich dafür aus, soziale und ökologische Aspekte in das Landesvergabegesetz als zwingende „Muss-Vorschrift“ aufzunehmen. Denn seit der Richtlinie 24/2014 der EU und dem darauf fußenden Vergaberechtsmodernisierungsgesetz vom April 2016 könnten die sozialen oder ökologischen Kriterien nicht mehr als vergabefremd abqualifiziert werden. Die Einbeziehung dieser Kriterien bei der Auftragsvergabe würde der Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung der öffentlichen Hand gut tun. Schließlich könne der Staat schlecht von den Bürgern verlangen, dass sie beim Einkauf auf eine einigermaßen faire Produktion oder einen hohen Umweltstandard des Produktes achten sollen, aber er selbst diesen Aspekten bei der Beschaffung keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung zumesse. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gehe es um die nachhaltige Verwendung von Steuergeldern. Das gelte in mehrfacher Hinsicht, sowohl hinsichtlich Umweltkriterien, Energieeffizienz u.ä., aber auch für soziale Kriterien. Wenn etwa die öffentliche Hand Aufträge vergibt, wo durch Lohnsenkungsspiralen die Löhne am Ende so niedrig sind, dass sie durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, sei es aktuell oder später in der Rente, dann wäre das keine nachhaltige Verwendung von Steuergeldern. Aber der Staat habe gerade hier eine Vorbildfunktion, nachhaltige Ökonomie zu erreichen. Nicht nur der günstigste Preis sollte bei der Auftragsvergabe ein Kriterium sein. Es dürfe nicht übersehen werden, dass ein Produkt auch andere

Lebenszyklen durchlebt. Die Herstellung, Rohstoffgewinnung oder die spätere Entsorgung oder Verwertung sind wichtige Bestandteile eines Produktes. Wenn vom Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ die Rede ist, dürfe nicht nur der augenblickliche Vorteil eine Rolle spielen, sondern alle Folgekosten, auch die sozialen, müssten bei einer Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung mit berücksichtigt werden. Die Nichtbeachtung sozialer Kriterien bei der Auftragsvergabe, hier

telstandsfreundlich. Grundsatz sollte deshalb sein, so wenig wie nur möglich zu ändern, damit die Anwenderfreundlichkeit erhalten bliebe. Mit etwas Skepsis wurde dabei die Aufnahme sozialer und umweltpolitischer Aspekte gesehen, die früher als vergabefremd galten. Es habe sich gezeigt, dass das in allen anderen Landesvergabegesetzen nicht funktioniert habe. Deshalb sei hier Vorsicht geboten. Soweit im sächsischen Vergaberecht auf die Bundesgesetzgebung Bezug

gitimiert sei, um strategische Ziele zu erreichen oder zumindest zu unterstützen. Ziel einer „Vergabepolitik“ müsse es sein, die Marktteilnehmer vor Preisunterbietung durch Lohndumping und Unterlaufen von Standards zu schützen, die Tarifautonomie zu stärken, die ein Verfassungsziel sei, das Ziel gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Verhinderung von Schwarzarbeit und den Schutz des Sozialstaates zu verfolgen. Auf der UNO-Generalversammlung wurden 2015 die „Sustainable Deve-

u.a. der ILO-Kernarbeitsnormen, habe auch globale Auswirkungen. Armut, Hunger, Verödung sind Fluchtursachen, und die schlagen, das konnte in den letzten Jahren ja jeder beobachten, am Ende wieder auf die Haushalte der Kommunen zurück. Für die Gewerkschaften ist Tariftreue eine ganz wesentliche Forderung. Es treffe leider nicht zu, dass das jetzt bereits in den Vergaben beachtet werden muss. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind und mit entsprechend niedrigen Löhnen anbieten, gegen andere Bieter durchsetzen können, die tarifgebunden sind. Durch die Tariftreue, die in 14 von 16 Bundesländern (außer Bayern und Sachsen!) bei der öffentlichen Vergabe gilt, kann das Qualifikations- und Dienstleistungsniveau erhalten bleiben. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass es nicht nur um Lohnhöhe, Arbeitszeit und Urlaub geht, sondern häufig eine ganze Reihe von anderen Punkten in Tarifverträgen geregelt werden, die die Qualität von Beschäftigung, Ausbildung usw. betreffen. Die Unternehmen, die sich hier oft auf Druck der Gewerkschaften engagieren, sollten im öffentlichen Wettbewerb nicht auch noch benachteiligt werden.

genommen wird, bedarf es einiger Nachbesserungen. Grundsätzlich sei es da auch möglich, die im Bundesgesetz ausgewiesenen qualitativen, sozialen, umweltbezogenen oder innovativen (nachhaltigen) Aspekte, die hier für den Oberschwellenbereich gelten, auch sinnvollerweise in das Landesgesetz für den Unterschwellenbereich aufzunehmen. Aber das mache nur Sinn, wenn auch die Einhaltung kontrolliert und die Nichteinhaltung sanktioniert werden könne. Deshalb sollte die Anwendung von sozialen, ökologischen und innovativen Aspekten im Landesgesetz nur als „Kann-Vorschrift“ aufgenommen werden und mit dem Zusatz, diese Aspekte immer auftragsbezogen und nicht allgemein anzuwenden. Von einem Sachverständigen kam der Kompromissvorschlag, soziale, ökologische und innovative Aspekte ins Landesgesetz wenigstens als „Soll-Vorschrift“ zu normieren. Bei einer „Kann-Bestimmung“ bestehe ein freies Ermessen, das müsse dann nicht weiter begründet werden. Aber bei einer Sollbestimmung muss die Begründung gut und fundiert sein, warum denn von der Einbeziehung solcher Aspekte abgewichen werde.

lopment Goals“ verabschiedet, die globalen Nachhaltigkeitsziele, unter anderem als „Agenda 2030“ bekannt. Daraufhin hat die Bundesregierung ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet, darunter als eine der eigenen Maßnahmen die nachhaltige Beschaffung des Bundes. Nun müsse auch auf Länderebene nachgezogen werden. Es könne nicht sein, so einer der Sachverständigen, dass durch das Sächsische Vergabegesetz immer noch eine Hintertür offenstehe, wonach es möglich bleibe, sich nicht um die Entsorgung von Produkten zu kümmern, wo weiterhin anhaltende Ausbeutung von Mensch und Natur toleriert werde. Dies ist nicht der internationalen Rechtsetzung und Nachhaltigkeitsentwicklung vereinbar und entspreche auch nicht einem komplexen Wirtschaftsverständnis. Mit ihrer Marktmacht (jährlich 300 Milliarden Euro für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen) könne die öffentliche Hand auch zu einer erhöhten Nachfrage nach innovativen und umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen beitragen. Und aus den Erfahrungen der Hansestadt Bremen zeige sich, dass die konsequente Berücksichtigung sozialökologischer Kriterien auch nicht zu messbaren Kostensteigerungen bei der Beschaffung geführt habe. AG

Für ein praktikables Gesetz

Andere Sachverständige sprachen sich dafür aus, das Landesvergabegesetz möglichst einfach, praktikabel, und überschaubar zu halten. Das bestehende Sächsische Vergabegesetz sei das anwenderfreundlichste Landesvergabegesetz in Deutschland. Es habe sich sehr bewährt, sei sehr schlank und umfasse nur ganze elf Paragrafen. Und es sei vor allem durch und durch mit-

Politisches Lenkungsinstrument

Da die Anwendung sozialer, ökologischer und innovativer Aspekte bei der Auftragsvergabe nicht aus freien Stücken und einfach nach gesundem Menschenverstand geschehe, kann es nicht hoch genug geschätzt werden, diese Aspekte als politisches Lenkungsinstrument ins Gesetz aufzunehmen. Das Vergaberecht sei ein Lenkungsinstrument, das auch demokratisch le-


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Neue Baugesetznovelle Die BauGB-Novelle und damit das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenhalts in der Stadt“ ist am 13. Mai 2017, in Kraft

vor, künftig den Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung der Bauleitpläne und die auszulegenden Unterlagen auch in das Internet der Gemeinde einzustellen und über ein zentrales In-

bane Gebiet“ geschaffen (§ 6a BauNVO). Das „Urbane Gebiet“ kommt primär für dicht besiedelte Großstädte in städtebaulichen Umbruchsituationen zur Anwendung, weniger für ländlich

(TA Lärm). Der zulässige Lärmwert ist im Urbanen Gebiet auf 63 dB(A) (Bisher: 60) angehoben werden. Nachts bleibt der zulässige Grenzwert von 45 dB(A) bestehen.

Lärmschutzprivilegierung bei Sportanlagen

Um den Sport auch in verdichteten Gebieten zu fördern, wurden durch Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) die zulässigen Immissionsrichtwerte am Tag in der Nähe von Sportplätzen erhöht.

Absicherung der Einheimischenmodelle

§ 11 BauGB („Städtebaulicher Vertrag) sieht nunmehr vor, dass u. a. „Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags der Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwache und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung“ sein kann. Damit werden die von der EU-Kommission gegenüber Deutschland beanstandeten „Einheimischenmodelle“ auf eine rechtssichere Basis gestellt. Die jetzige Regelung ist mit der EU-Kommission abgestimmt. getreten. Anlass dafür war die bis zum 16. Mai 2017 umzusetzende EU-UVP-Änd-RL 2014. Zusätzlich will die Novelle aber das Zusammenleben in Städten und Gemeinden stärken. Die wesentlichen Neuerungen sind:

ternetportal des Landes (s. Art. 6 Abs. 5 UVP-Richtlinie) zugänglich zu machen. Zur Einstellung in das Gemeinde-Internet genügt, wenn die Unterlagen für die Öffentlichkeit auffindbar und abrufbar sind.

Internetveröffentlichung

Mit dem Ziel der Nachverdichtung wurde ein neuer Gebietstyp, das „Ur-

Ein neuer § 4a Abs. 4 BauGB gibt

Urbanes Gebiet und neue Lärmwerte

geprägte Gemeinden. Städte können in diesen innerstädtischen Gebieten zum Zwecke der verstärkten Nutzungsmischung Wohnen und Gewerbe mit dem Ziel, mehr Wohnungen auf der gleichen Fläche wie bisher schaffen zu können, enger zusammen bringen. Parallel zur Einführung des Urbanen Gebiets erfolgte die Änderung der Verwaltungsvorschrift zum Lärmschutz

In memoriam

Horst-Dieter Brähmig * 23. Oktober 1938 in Hoyerswerda † 27. Juni 2017 in Hoyerswerda 1994 eine Wahl als PDS-Oberbürgermeister zu gewinnen, galt damals als eine Sensation. Horst-Dieter Brähmig gelang dieser Coup. Er war der erste PDS-Oberbürgermeister in der Bundesrepublik und übte dieses Amt als Oberbürgermeister der Linkspartei.PDS bis 2006 aus. Danach trat er mit 68 Jahren in den Ruhestand. 1938 wurde er als Sohn des späteren Mitgründers und Chefarztes des städtischen Klinikums in Hoyerswerda geboren. Nach Ablegen des Abiturs 1956 erlernte er zunächst den Beruf eines Medizinisch-Technischen Assistenten und wollte anschließend Labortechnik studieren. Doch 1969 wechselte er zum Rat des Kreises Hoyerswerda, wo er Funktionen im Gesundheitswesen und im Energiebereich ausübte und auch Mitglied der SED wurde. Von 1972 bis 1976 studierte er Staats- und Rechtswissenschaften und schloss das Studium als Diplom-Staatswissenschaftler ab. Danach wurde er im Rat des Kreises Abteilungsleiter im Gesundheitswesen und später Ratsmitglied für den Bereich Energie. Nach 1990 übernahm er zunächst Leitungsfunktionen im Gewerbe- und dann im Straßenverkehrsamt des Landratsamts Hoyerswerda. Gleichzeitig war er bis 1994 Fraktionsvorsitzender der PDS im Stadtrat Hoyerswerda. Seine Verwurzelung mit der Stadt Hoyerswerda war 1994 wohl ein nicht unbedeutender Erfolgsfaktor für seine Wahl zum Oberbürgermeister. In diesem Amt galt sein ganzes Bemühen, seine Heimatstadt aus den Wirrnissen der Wendezeit herauszuführen. Er war ein Kommunalpolitiker mit Herz und Verstand, er war ein Bürgermeister zum Anfassen, dem es wichtig war zu wissen, was die Leute in seiner Stadt so bewegt, welche Sorgen sie haben. Horst-Dieter Brähmig gehörte der evangelischen Kirche an und hat diese auch in seiner Zeit als SED-Mitglied nicht verlassen. Er war ein aufmerksamer Gesprächspartner, gebildet und belesen, tolerant, aber auch mit einer eigenen festen Meinung. Am Dienstag, dem 27. Juni, erlag Horst-Dieter Brähmig einem Krebsleiden im Alter von 78 Jahren im Seenland-Klinikum Hoyerswerda. Nach seinem unermüdlichen Wirken als linker Kommunalpolitiker wäre es ihm zu wünschen gewesen, noch etliche Jahre mehr aktiv am Geschehen seiner Heimatstadt teilhaben zu können.

Beschleunigtes Verfahren für die Einbeziehung von Außenbereichsflächen

Ein neuer § 13b BauGB ermöglicht Städten und Gemeinden ein beschleunigtes Verfahren zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen für den Wohnungsbau. Gemeinden können künftig Bebauungspläne mit einer Grundfläche bis zu einem Hektar für Wohnnutzung im beschleunigten Verfahren aufstellen. Die Grundstücke müssen an bebaute Ortsteile anschließen. Die neue Regel ist bis Ende 2019 befristet.

Bessere Steuerung von Ferienwohnungen in Wohngebieten

Zur Ausräumung einer bestehenden Rechtsunsicherheit, ob insbesondere in Wohngebieten Ferienwohnungen zulässig sind, werden Ferienwohnungen künftig mit nicht störenden Gewerbebetrieben und kleinen Beherbungsbetrieben gleichgesetzt und in Wohngebieten als zulässig angesehen (§ 13a BauNVO). Auch die Handhabe von Kommunen gegen sogenannte Rollladensiedlungen, also Siedlungen in Tourismusgebieten, deren Wohnungen als Nebenwohnsitz nur wenige Wochen im Jahr genutzt werden und sonst leer stehen, wurde verbessert. Künftig kann auch die Begründung von Bruchteilseigentum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Damit erhalten touristisch geprägte Gemeinden, etwa an Nord- und Ostsee, eine bessere städtebaurechtliche Steuerungsmöglichkeit. Das neue Städtebaurecht beinhaltet eine moderate und in vielen Punkten sinnvolle Ergänzung bestehender Regeln. Es erweitert Gestaltungsspielräume der Städte und Gemeinden und ist aus kommunaler Sicht insgesamt zu begrüßen. DStGB, Berlin, 10.05.2017


Juni 2017

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

ParlamentsReport Treten Sie zurück, Frau Kurth!

ein „Gerechtigkeitsfonds“ – klingt gut, oder? Dahinter steckt eine neue Idee, mit der die SPD auf Stimmenfang geht. Auf Betreiben von Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Köpping fordert die Partei nun Entschädigungszahlungen an Menschen, die wegen der „Rentenangleichung“ nach 1990 auf Teile ihrer Rente verzichten mussten. Das betrifft viele ehemalige DDRBeschäftigte: Eisenbahner, Postler, Bergleute, … Wie der Entschädigungsfonds konkret aussieht, wie viel Geld er unter welchen Voraussetzungen an wen ausschütten soll, ist unklar. Das macht Symbolpolitik aus: Sie soll nur ein wohliges Gefühl vermitteln. Keine Frage – es ist gut, dass endlich auch eine SPD-Ministerin die Benachteiligung Ostdeutscher thematisiert. Es hat auch lange genug gedauert. Glaubwürdig ist es aber nicht. Denn auch die Sozialdemokraten stimmen alle Vorschläge, die wir im Landtag zum Thema Rentengerechtigkeit machen, nieder. Schwerer noch wiegt der Umstand, dass es keineswegs um Einzelfälle geht – schon die lassen sich mit ein paar Euro Schmerzensgeld nicht „heilen“. Es geht vielmehr darum, dass Ostdeutsche mit jeder Rentenzahlung weiter systematisch benachteiligt werden. Strukturelles Unrecht durch falsche Gesetzgebung kann nur der Gesetzgeber aus der Welt schaffen. Manche Rentenansprüche mögen auf der Basis des geltenden Rechts nicht mehr einklagbar sein. Wer es als Politikerin oder Politiker ernst meint, sollte aber wenigstens Wege suchen, das Recht zu ändern – das ist nun mal die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern. Wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen! Sonst bleibt‘s bei der Symbolpolitik. Also, Frau Köpping, wir sind dazu bereit. Sie auch?

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

Der Unterricht ist immer noch nicht abgesichert, Stunden fallen in Größenordnungen aus – etwa an der 117. Grundschule in Dresden: Dort werden nur noch Deutsch, Mathe und Sachkunde unterrichtet, alle anderen Stunden fallen weg. Der Grund: Zwei Lehrer scheiden aus, und die neuen Seiteneinsteiger kommen erst im Dezember. Sachsen stellt Seiteneinsteiger zum 1. Juli und zum 1. September ein. Sie durchlaufen eine dreimonatige Notqualifizierung, fehlen also im September, Oktober und November, im August sowieso. An den Leipziger Grundschulen ist nicht einmal jede dritte (!) Grundschullehrkraft, die in diesem Jahr eingestellt wird, für diese Arbeit ausgebildet. Gleichzeitig wachsen die Klassen, die stellenweise sogar wieder zusammengelegt werden – so geschehen etwa in Pirna, Niesky oder Eilenburg. Dort gehen Eltern auf die Barrikaden. Die Kultusministerin betont, dass es an Geld und Stellen nicht fehle, wohl aber an Bewerberinnen und Bewerbern. 1.400 Stellen sind bis Anfang August zu besetzen. Obwohl jede qualifizierte oder qualifizierbare Kraft

Bild: WorldSkills/flirckr.com/CC BY-NC-ND 2.0

Liebe Leserinnen und Leser,

Sachsen startet chaotisch ins Schuljahr – wieder einmal. Vor fünf Jahren kam Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) ins Amt, mit dem großen Ziel, den Lehrkräftemangel zu beseitigen. Sie ist noch nicht einmal auf die Zielgerade eingebogen. Nicht nur die Einstellungspraxis bleibt mangelhaft – das können wir uns nicht leisten. Denn unsere Kinder und Jugendlichen haben das Recht, von qualifiziertem Personal unterrichtet zu werden. Sie besuchen die Schule nur einmal, eine zweite Chance haben sie nicht.

gebraucht wird, macht die Kultusbürokratie Fehler. Bewerber, die einmalig ein Einstellungsangebot ausschlagen, lässt man ziehen, ohne zu klären, ob sie vielleicht an einer anderen Schule arbeiten wollen. Manche Lehrerinnen und Lehrer, die sich im März beworben hatten, erhielten noch immer kein Angebot. Gymnasiallehrkräfte werden weggeschickt, weil zu wenige Stellen im Gymnasiallehramt ausgeschrieben sind, obwohl diese Pädagogen auch an Grund- und Oberschulen unterrichten könnten. Wenn sie dazu bereit sind, müssen sie vor der Bildungsagentur in Gruppengesprächen begründen, weshalb sie für die Oberschule geeignet sind. Einigen wird am Ende ein Arbeitsvertag angeboten, der nicht ausweist, welche Schule und welche Fächerkombination vorgesehen ist. Wer würde unterschreiben? Das alles geschieht, während die Bundesländer um Lehrkräftenachwuchs ringen. Die Linksfraktion hat im Landtag eine solide Schuljahresvorbereitung eingefordert (Drucksache 6/9752). Das Einstellungsverfahren soll „schulscharf“ erfolgen, damit sich die Bewerberinnen und Bewerber gezielt melden können. Zudem sollen mehr Gymnasiallehrkräfte eingestellt werden, als in dieser Schulart unmittelbar gebraucht werden. Seiteneinsteiger sollen berufsbegleitend über vier Semester weitergebildet werden. Auf Klassenzusammenlegungen soll verzichtet, die Stundentafel nicht zusammengestrichen werden. Für Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, ist klar: Kultusministerin Kurth versagt auf ganzer Linie – das sehe man an jeder einzelnen Schule.

„Von Jahr zu Jahr wird die Situation komplizierter, sie führt in die Katastrophe.“ Falken schilderte beispielreich das Chaos bei den Einstellungen, die Arroganz gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern, die schlimme Lage der Seiteneinsteiger, das zu späte Reagieren der Staatsregierung. Auch deren Maßnahmepaket zur Sicherung der Lehrerversorgung helfe nicht wirklich; Zulagen würden nicht gerecht verteilt, es gebe noch immer keine klaren Regelungen. Eine Ausgleichszahlung zum Beamtenverhältnis – von der Linksfraktion lange gefordert, damit Sachsen im Wettbewerb um den Nachwuchs bestehen kann – werde erst jetzt in Betracht gezogen, und das auch nur für aus Bayern abgeworbene Pädagoginnen und Pädagogen. Falkens Fazit: „Das Kultusministerium und die sächsischen Bildungsagenturen sind nicht mehr handlungsfähig. Frau Staatsministerin Kurth, Sie sind nicht die geeignete Person, die diese Aufgabe bewältigen kann. Wir fordern Sie hier und heute auf, von diesem Amt zurückzutreten und einen neuen Start zu ermöglichen.“ Das provozierte wütende Reaktionen der CDU, während sich die SPD demütig gab. CDU-Bildungspolitiker Patrick Schreiber warf Cornelia Falken „Frechheit“ vor – und den Bewerberinnen und Bewerbern, sie seien dem Freistaat gegenüber nicht loyal, sondern nur auf‘s Gehalt bedacht, wenn sie abwandern. Schwierigkeiten bei den Einstellungen gebe es nur in „Einzelfällen“. Wenn solches Denken weiter das Regierungslager dominiert, wird es noch lange dauern, bis Sachsens Schulkinder und ihre Lehrkräfte in den Genuss geordneter Verhältnisse kommen.


PARLAMENTSREPORT

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Juni 2017

Wollen wir eine andere Republik? Sie wollen Videoüberwachung mit Gesichtserkennung im öffentlichen Raum durchsetzen. Sie wollen unsere Handys ausspähen dürfen. Sie wollen die Fingerabdrücke von Sechsjährigen erfassen. Bei ihrer Konferenz in Dresden haben sich die Innenminister mit Vorstößen überboten, die angeblich Sicherheit schaffen, aber gleichzeitig tief in Grundrechte einschneiden. Ihr Vorbild ist offenbar die britische Premierministerin Theresa May, die meint: Wenn der Kampf gegen den Terror es erfordert, die Menschenrechte zu beschneiden, dann sollten wir das tun. Was aber haben wir dann noch zu verteidigen? Und leben wir wirklich sicherer, wenn wir schon diesen hohen Preis zahlen sollen?

Die Linksfraktion ist skeptisch und hat die Innenministerkonferenz deshalb zum Thema einer Aktuellen Debatte gemacht. Klaus Bartl, Rechtsexperte der Linksfraktion und als Jugendlicher für die Staatssicherheit tätig, hat offenbar mehr gelernt als manche CDU-Politiker: „Das Herangehen, alles in Stellung zu bringen, was der Sicherheit dienen könnte, erinnert mich an mein ,erstes Leben‘ in der DDR“. Zudem werde mittels eines bundesweiten Musterpolizeigesetzes am Grundsatz gerüttelt, dass die öffentliche Sicherheit Ländersache ist. „Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten den Missbrauch einer zentralisierten Polizei durch die Nazis noch lebhaft vor Augen“. Auch ein

weiteres Beispiel zeige, dass rechtsstaatliche Errungenschaften leichtsinnig entsorgt werden sollen. So gelte die Unschuldsvermutung offenbar nicht mehr für Menschen, die – ohne gesetzliche Definition – als „Gefährder“ eingestuft und in Haft genommen werden sollen, obwohl sie keine Straftat begangen haben. Bartls Fazit: „Der Zeitgeist, Herr Staatsminister, der all dem unterlegt ist, ist abenteuerlich. Was Sie damit tun, ist im Grunde genommen, dem Terrorismus, den Sie bekämpfen wollen, Beihilfe zu leisten. Denn was hassen, was bekämpfen denn die Terroristen? Sie bekämpfen den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Sie hassen und bekämpfen die Freiheit des Einzelnen.“

Das Sicherheitsversprechen, das die meist christdemokratischen Ressortchefs in großer Pose geben, ist trügerisch. Sachsens CDU-geführte Regierung ist auch selbst ein Sicherheitsrisiko. Finanzminister Georg Unland etwa ruft nach weiterem Stellenabbau, mehr Polizisten soll es nicht geben. Ministerpräsident Tillich widerspricht nicht. Das bringt den Innenpolitiker der Linksfraktion Enrico Stange auf die Palme. Man solle endlich die Behörden besser ausstatten – und Defizite im Gesetzesvollzug beheben. „Der Fall Anis Amri ist nicht an Gesetzen gescheitert, sondern daran, dass die Einschätzungen unterschiedlich waren und die Informationen im Terrorabwehrzentrum nicht übertragen wurden.“

Bild: stoha/flickrcom/ CC BY-NC 2.0

Die Grundrechte hätten die Aufgabe, den Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen. „Ich darf Sie an Artikel 1 des Grundgesetzes erinnern: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das umfasst seine Privatsphäre, das umfasst seine Persönlichkeitsrechte an erster Stelle!“ Die deutschen Innenminister wollen eine andere Republik – eine, in der Menschenrechte leichtfertig geopfert werden können, ohne das Leben wirklich sicherer zu machen, zumal es den Zustand echter Sicherheit ohnehin nicht geben kann. Die Linksfraktion will hingegen die Freiheit verteidigen – und den Terrorismus bei den Wurzeln packen. Denn wer stets nur auf den Terrorismus reagiert und an Symptomen operiert, nimmt hin, dass Terrorismus immer wieder neu entsteht.

Dem Feuertod keine Chance!

Mirko Schultze, Sprecher der Linksfraktion für Feuerwehr, Rettungs-

wesen und Katastrophenschutz, verwies auf den Brand in einem Wilhelmshavener Altersheim. Der forderte wohl nur deshalb keine Todesopfer, weil die meisten Bewohner noch nicht im Bett lagen; Personal und Rettungskräfte reagierten schnell. Dennoch erlitten sieben Menschen eine Rauchgasvergiftung. „Meine Partei kritisiert seit Jahren den Kosten-

Bild: Brandon Leon/ Wikimedia Commons/ CC BY-SA 2.0

Ein Hausbrand ist eine Horrorvorstellung – am meisten wohl für jene, die nicht mehr mobil genug sind, um ihre vier Wände schnell verlassen zu können. Immer wieder brennt es in Krankenhäusern oder Pflegeheimen; deren Bewohner sind stärker als andere vom Feuertod bedroht. Trotzdem sind Brandschutzeinrichtungen in solchen Gebäuden nicht vorgeschrieben. Im „Gesetz zur Verbesserung des Brandschutzes in Sonderbauten“ (Drucksache 6/9753) fordert die Linksfraktion deshalb: Eine Baugenehmigung soll nur erteilt werden, wenn für automatische Feuerlöschanlagen, Brandmelde- und Rauchableiteanlagen, Brandschutzkonzepte sowie Brandschutzbeauftragte gesorgt ist. „Sonderbauten“ meint dabei vor allem Krankenhäuser und Pflegeheime, aber auch Tageseinrichtungen für Kinder, behinderte sowie alte Menschen, außerdem Schulen, Hochschulen und Gefängnisse. Der Entwurf liegt dem Landtag vor, die Koalitionsfraktionen werden sich dazu verhalten müssen.

druck im Bereich der Pflege und in den Krankenhäusern. Immer weniger Personal muss sich um meist immer schwerere Fälle kümmern. Wo schon im Normalbetrieb Personal knapp ist, da ist es im Notfall eben auch knapp“, mahnte Schultze. Deshalb sei wenigstens der bestmögliche technische Schutz nötig. „Wer sich heute weigert, Sonderbauten mit aktiven Schutzein-

richtungen zu versehen, kommt der unterlassenen Hilfeleistung sehr nah.“ Wenn die Regierung glaube, dass sich das Problem durch Freiwilligkeit lösen lasse, dann irre sie: „Seit Jahren haben Sie den Kostendruck auf die Einrichtungen erhöht oder dessen Erhöhung zugelassen.“ Gleichzeitig schwinde die Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehren. „Geben Sie den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Pflegerinnen und Pflegern, den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, den Rettungsärzten und Sanitätern die Chance zu überleben und ihren Job zu machen, wenn der Fall eintritt, der hoffentlich nie eintreten wird!“ Susanne Schaper, Sprecherin für Gesundheitspolitik, unterstrich das Recht, „auch in einer schwierigen persönlichen Lage sicher in seinen vier Wänden leben zu können“. Es sei gut, dass immer mehr ältere Menschen in Wohngemeinschaften und häuslicher Betreuung statt im Heim lebten. Allerdings lebten so in den stationären Einrichtungen immer mehr Senioren, die auf Hilfe angewiesen sind – besonders im Brandfall.


Juni 2017

PARLAMENTSREPORT

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Gesund leben durch Vorsorge

Die Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation fordert die Regierungen auf, „soziale Unterschiede des Gesundheitszustandes zu verringern sowie gleiche Möglichkeiten und Voraussetzungen zu schaffen, damit alle Menschen befähigt werden, ihr größtmögliches Gesundheitspotential zu verwirklichen.“ Damit steht nicht das Verhalten des Einzelnen im Vordergrund, sondern die politische Pflicht, Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu zählen das Wohnumfeld, planbare Arbeit mit vernünftigem Einkommen, gute Bildung, eine saubere Umwelt. Sachsens Regierung sieht das anders – im Präventionsgesetz geht es vor allem um das Verhalten des Einzelnen. Auch die Bundesregierung definiert Gesundheitsförderung unzureichend als „Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten“. Da ist es kein Wunder, dass nur die Versicherten für Präventionsleistungen zahlen, in Form von Zusatzbeiträgen.

Prävention bedeute Verzicht. „Wir Menschen treffen nicht immer vernünftige Entscheidungen. Jeder kennt die Folgen des Tabakkonsums – ich, nebenbei bemerkt, auch –, ebenso die des Alkoholkonsums. Sie wissen so gut wie ich, dass gerade die leckeren Speisen oft nicht die gesündesten sind.“ Menschen konsumierten oft Dinge, die momentane Bedürfnisse befriedigen, obwohl sie darüber Bescheid wissen, was gesund ist und was nicht. Das sei genetisch bedingt und – glücklicherweise – nicht zu ändern. Umso wichtiger sei staatliche Gesundheitsförderung. Die obliege vor allem dem öffentlichen Gesundheitsdienst, der Schuleingangssowie Kindervorsorgeuntersuchungen durchführt, Impfungen anbietet oder sich um die Kinder- und Jugendzahnpflege kümmert. Prävention und Gesundheitsförderung sollten dort angesiedelt und ausgebaut werden, so Schaper. Allerdings müsse dazu der Personalmangel überwunden werden. Janina Pfau, in der Linksfraktion zuständig für Kinder- und Jugendpolitik, verwies auf die Bedeutung von Kitas und Schulen. „Dort ver-

bringen Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit. Gesundes Aufwachsen muss ein Querschnittsthema sein.“ Freistaat und Kommunen könnten viel für gesunde Lebensbedingungen tun – etwa Projekte zur gesunden Ernährung anstoßen, für ein gesundes und kostenfreies Mittagessen sorgen, Sportmöglichkeiten einräumen, ergonomisch korrekte Möbel anschaffen oder mit flächendeckender Schulsozialarbeit gegen psychische Belastungen vorgehen. Das gehe nur mit genug Personal – und dauerhafter Finanzierung: „Bei der Prävention sind flächendeckende und dauerhafte Angebote besonders wichtig, die an den Lebenswelten der Menschen ansetzen, sie dort abholen, wo sie wohnen, spielen oder lernen.“ Die Gesundheitsvorsorge komplett auf die und den Einzelnen abzuschieben, mag politisch bequem sein. Der Gesellschaft schadet es allerdings. Denn Prävention ist die einzige Chance, Erkrankungen und damit Folgekosten zu vermeiden. Schließlich geht es nicht nur darum, gut auszusehen, sondern vor allem darum, gut und gesund leben zu können.

Bild: HAT Triathlon/flickr.com/ CC BY-ND 2.0

Der Sommer erinnert uns daran, wie wichtig eine gesunde Lebensweise ist. Das gilt nicht nur alle, die an einer Strandfigur arbeiten. Die sozialen Netzwerke überschütten uns mit Ratschlägen zu gesunder Ernährung, Fitness oder Stressabbau. Eigentlich wissen wir, was gut für uns ist. Dennoch leben wir oft nicht gesund genug. Die Regierenden sagen: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Das ist klar. Aber trotzdem ist beim Thema Gesundheitsvorsorge auch der Staat gefragt, schon weil eine gesunde Lebensweise Geld kostet, das nicht alle haben.

Die Linksfraktion will mit dieser Logik brechen und die persönliche Vorsorge um staatliche Vorsorge ergänzen (Drucksache 6/6576). Denn es bleibt schwierig, Menschen vom Sinn der Prävention zu überzeugen, so Susanne Schaper, die Gesundheitspolitikerin der Landtags-LINKEN.

Linksfraktion für Recht auf Weiterbildung Die Linksfraktion hat nach einjähriger Diskussion ein modernes Weiterbildungsgesetz vorgelegt. Wir haben zahlreiche Anregungen, Wünsche und Vorschläge von den Weiterbildungsträgern aufgenommen – anders als weiland die CDU-geführte Kultusbürokratie beim Schulgesetz. Wir wollen, dass jede und jeder das Recht auf Weiterbildung nutzen und lebenslang lernen kann. Denn Lebenschancen hängen maßgeblich von guter Bildung ab. Die Gesellschaft entwickelt sich immer schneller, Technik und Wissenschaft rasen voran. Deshalb müssen Bildung und Weiterbildung ebenfalls lebensbegleitende Prozesse sein. Wenn unser Gesetzentwurf umgesetzt wird, darf sich jeder Beschäftigte im Freistaat von der Arbeit freistellen lassen, um anerkannte Weiterbildungsveranstaltungen zu besuchen.

Dieser Anspruch auf Bildungsfreistellung bei vollem Arbeitsentgelt umfasst fünf Arbeitstage im Kalenderjahr. Arbeitgeber*innen mit bis zu 50 Beschäftigten erhalten einen finanziellen Ausgleich. Die Teilnahme an einer Weiterbildungsveranstaltung unterliegt der freien Wahl der Beschäftigten und muss sechs Wochen vor Beginn dem Arbeitgeber*in mitgeteilt werden. Die sächsischen Volkshochschulen und weitere anerkannte Träger der Weiterbildung sollen ihr Bildungsangebot durch eine verdoppelte Grundförderung flächendeckend ausbauen können. Sie erhalten zur Absicherung des Förderauftrags Zuschüsse zu den Personal- und Betriebskosten in Höhe von mindestens 14 Millionen Euro pro Jahr. Die Grundförderung soll zukünftig alle zwei Jahre an die Entwicklung angepasst werden. Hinzu kommt ein

Landesbeirat für Weiterbildung, dessen Mitspracherecht wir gesetzlich bestimmen und stärken wollen. Der Landesbeirat erhält das Recht, Unterausschüsse zu bilden, die sich verstärkt mit Fachthemen befassen. Unser Weiterbildungsgesetz gewährt jeder Bürgerin und jedem Bürger das Recht auf Weiterbildung. Das Bildungsangebot wird qualitativ und flexibel ausgebaut. Es umfasst die allgemeine, berufliche, politische, soziale, kulturelle und interkulturelle Weiterbildung und schließt den Erwerb von Schulabschlüssen sowie Eltern- und Familienbildung ein. Damit erhielte die Erwachsenenbildung eine Priorität in der Bildungspolitik. Lebenslanges Lernen als Bildungsprozess soll in Sachsen umgesetzt werden! Marion Junge, MdL

Einsprüche abgewiesen – Neuwahl des Landtages abgewendet? Immer wieder geistert eine Frage durch die Gazetten: War die sächsische Landtagswahl 2014 ungültig, muss neu gewählt werden? Hintergrund waren Wahleinsprüche, unter anderem der des ehemaligen AfD-Kandidaten Arvid Samtleben. Er war durch die nach Parteisatzung zuständige Landesvertreter*innenkonferenz der sächsischen AfD auf Platz 14 der Landesliste gewählt worden und säße heute im Landtag, wenn ihn die AfD-Vertrauensleute nach einem Beschluss des AfD-Landesvorstandes nicht von der Liste gestrichen hätten – übrigens ohne jede Anhörung. Der Wahlprüfungsausschuss des Landtages hat fast zweieinhalb Jahre lang geprüft, ob das rechtmäßig war. Ein so komplexes und langwieriges Verfahren gab es bisher noch nicht – die Verzögerung beruht maßgeblich auf der Verweigerungshaltung der AfD. Das Ergebnis allerdings wurde nun einstimmig im Parlament bestätigt: Die Wahleinsprüche geben keinen Anlass, die Wahl für ungültig zu erklären. Die Gesetzeslage erlaubte es den Vertrauensleuten, Samtleben zu streichen. Klaus Bartl, der als Rechtspolitiker der Linksfraktion eine Erklärung für dieselbe abgab, stellt der AfD dennoch keinen Persilschein aus. Zwar liege kein Wahlfehler vor, der die Zusammensetzung des Parlaments – gemeint ist das Stärkeverhältnis der Fraktionen – hätte beeinflussen können. Allerdings erkenne er im Vorgehen der AfD eine „subjektive Wahlrechtsverletzung“. „Wir sehen einen Verstoß gegen demokratische Wahlgrundsätze, die auch im Stadium der parteiinternen Kandidatenaufstellung gelten.“ Um so etwas künftig auszuschließen, plädiere seine Fraktion für Gesetzesänderungen. Die Handlungskompetenzen der Vertrauenspersonen müssten eingegrenzt werden. Vorbild könne das Berliner Wahlrecht sein: Dort dürfen die Vertrauensleute einen Wahlvorschlag nur noch ändern, „wenn eine neue Aufstellungsversammlung stattgefunden hat“. Samtleben hat seinen Fall bereits zum Sächsischen Verfassungsgerichtshof getragen. Wir sind gespannt, wie dort entschieden werden wird. Erfahrungsgemäß kann bis dahin ein Jahr vergehen. Die Spekulationen dürften also anhalten.


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PARLAMENTSREPORT

Juni 2017

„Du kommst aus dem Gefängnis frei“

Plenarspiegel

Juni 2017

Die 56. und 57. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages fanden am 21. und 22. Juni 2017 statt.Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parlamentarischen Initiativen vertreten: Aktuelle Debatte „Von allen guten Geistern verlassen – Innenminister auf dem Weg in eine andere Republik?“ Gesetzentwürfe „Gesetz zur Verbesserung des Brandschutzes in Sonderbauten im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/9753) Anträge „Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention in Sachsen“ (Drs 6/6576) „Reibungslosen Start ins Schuljahr sichern durch eine solide Schuljahresvorbereitung“ (Drs 6/9752) Sammeldrucksache 6/9834 mit den Anträgen der Fraktion DIE LINKE „Finanzierung der Braunkohlesanierung in den Ländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auch nach 2017 sichern – Verwaltungsabkommen mit dem Bund voranbringen“ (Drs 6/5367) „Parlamentarische und haushaltswirtschaftliche Kontrolle der Imagekampagne ‚So geht sächsisch.‘ sichern – Transparenz schaffen!“ (Drs 6/5456) „Beteiligung von Ausbildungseinrichtungen im Freistaat Sachsen an Pilotvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Ausbildung junger Vietnamesinnen und Vietnamesen als Fachkräfte für die Pflegewirtschaft in Deutschland“ (Drs 6/6602) Alle Drucksachen unter www.edas.landtag.sachsen.de

Kurz vor Pfingsten hat der Freistaat auf Anweisung von Innenminister Ulbig (CDU) einen 24-jährigen Marokkaner abgeschoben. Die Liste der Vorwürfe, die ihm gemacht werden, ist lang: Bedrohung, Beleidigung, Diebstahl, Körperverletzung, und schließlich: Terrorismus. Der Verdächtige soll einen Anschlag auf die russische Botschaft in Berlin geplant haben; im April hatte man ihn geschnappt, in einer Geflüchtetenunterkunft in Borsdorf bei Leipzig. Über Rheinland-Pfalz wurde er dann – wohl so schnell wie möglich – nach Marokko geflogen. Der Innenminister jubilierte in einer Pressemitteilung: „Im Sinne der Sicherheit unseres Landes ist es außerordentlich wichtig, gegen mutmaßliche Terroristen zielstrebig vorzugehen.“ Dem kann sich auch der LINKENInnenpolitiker Enrico Stange anschließen. Zu den Hintergründen des Falls hat er eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Der erschreckende Befund: Mit der Abschiebung hat Sachsen dem Ter-

rorverdächtigen die „Du kommst aus dem Gefängnis frei“-Karte ausgestellt. Alle Ermittlungsverfahren werden eingestellt, da der Betroffene nun nicht mehr im Geltungsbereich des bundesdeutschen Rechts lebt. So bleibt seine Schuld ebenso ungeklärt wie die Frage, ob er hier Komplizen hatte. Im Dunkeln bleibt auch, welchen marokkanischen Behörden er übergeben worden ist, welche Akten gegebenenfalls weitergereicht wurden, wer weiter gegen ihn ermittelt und ihn – falls er schuldig ist – zur Rechenschaft zieht. Zu all diesen wichtigen Fragen hebt der Innenminister die Hände. Die „Leipziger Zeitung“ befand mit Recht: „Hat sich der marokkanische Bürger schlauer angestellt, als die Polizei

Bild: redronafets / flckr.com / CC BY-NC-ND 2.0

Straftäter abschieben! Das sagt sich leicht, das hört man oft. Aber bringt uns das mehr Sicherheit? Und was ist mit dem Grundsatz, dass sich verantworten muss, wer Gesetze verletzt?

erlaubt und die Staatsanwaltschaft weiß, dann hat Markus Ulbig einen ,mutmaßlichen islamistischen Terroristen‘ ausfliegen lassen, der den Weg nach Chemnitz, Leipzig und Borsdorf bereits kennt.“ Sollte der Abgeschobene tatsächlich einen Terrorakt vorbereitet haben, könnte er seine Pläne womöglich doch umsetzen, oder woanders einen Anschlag begehen – beispielsweise auf deutsche Touristen in Marokko. Stange stellt klar: „Das Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsinteresse des Staates darf nicht in einer Abwägungsentscheidung geopfert werden, vor allem nicht, wenn ein Terrorverdacht vorliegt. Sonst werden Gefährdungen möglicherweise nur scheinbar gebannt oder allenfalls aufgeschoben.“ Das scheint Sachsens Innenminister Ulbig allerdings hinzunehmen, wenn er Härte zeigt, damit aber nicht einmal gefühlte Sicherheit erreicht – und gleichzeitig am Fundament des Rechtsstaats bohrt. Straftäter dürfen nicht davonkommen. Strafverfolgung vor Abschiebung! Probleme wegschieben scheint eine einfache und gute Lösung zu sein. Die Annahme, dass wir dadurch sicherer leben, ist allerdings zweifelhaft.

Preis „Willkommenskultur und Weltoffenheit“ verliehen Zum dritten Mal hat die Linksfraktion den Preis „Gelebte Willkommenskultur und Weltoffenheit“ verliehen – diesmal im Rahmen des Sommerempfangs in Radebeul. Die Preisgelder wurden von den Abgeordneten gespendet. Wieder fiel die Entscheidung schwer. Denn alle Nominierten hätten den Preis verdient. Der Preis für die „Etablierte Initiative“ ging an die Initiative für ein weltoffenes Geithain. Dieses Bündnis ehrenamtlich tätiger Bürgerinnen und Bürgern kämpft gegen rechte Umtriebe, mit Publikationen, Veranstaltungen, Opferberatung und Präventionsarbeit. So engagiert sich die Initiative auch mit Geflüchteten für Geflüchtete, knüpft Bande zwischen ihnen und der Stadtgesellschaft, um Angst und Intoleranz durch Dialog und Begegnung zu zerstreuen.

In der Kategorie „Junge Initiative“ wurde die in Leipzig tätige Kontaktstelle Wohnen ausgezeichnet. Dort setzen sich wenige Hauptamtliche – darunter zwei Geflüchtete – und viele Ehrenamtliche für selbstbestimmtes Wohnen in Leipzig und im Umland ein. Sie bringen Geflüchtete, Patinnen und Paten sowie Vermieterinnen und Vermieter zusammen, vermitteln geeignete Wohnungen und Wohngemeinschaften. Das hilft bei der Integration. Der Sonderpreis „Engagierte Persönlichkeit“ ging an Kirsten Erlebach. Sie leistet am Internationalen Begegnungszentrum Pirna Einzelfallhilfe für Geflüchtete, erteilt regelmäßig Sprachunterricht, hilft bei Behördengängen und der Kinderbetreuung. Sie unterstützt zudem politische Projekte des IBZ, wie eine Veranstaltung zur Ideologie des Daesh.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Rico Gebhardt, erklärte: „Im Gegensatz zu einem landläufigen Vorurteil sind wir LINKEN mitnichten der Meinung, dass der Staat alles richten soll. Wir sehen ihn vielmehr als Dienstleister für eine starke Gesellschaft. So ist das auch mit der Willkommenskultur: Man kann sie nicht verordnen, aber man kann diejenigen anerkennen und unterstützen, die sie leben. Wir wollen jenen beistehen, die anderen beistehen. Sie erweisen uns allen einen großen Dienst, indem sie schutzsuchenden Menschen Wege in unsere Gesellschaft ebnen. So treten Solidarität und Nähe an die Stelle von Ausgrenzung und Hass. Das ist übrigens auch das beste Mittel, um dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen.“ Herzlichen Glückwunsch an alle Ausgezeichneten!

Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig


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