UFSjournal - Heft 2 2011

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ufs_022011.fm Seite 65 Donnerstag, 3. Februar 2011 1:02 13

Res iudicata nach Bescheidaufhebung mittels Berufungsvorentscheidung

(Sachbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Säumniszuschläge) ein. Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. 2. 2008 wurde dem entsprechenden Berufungsbegehren stattgegeben und die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide sowie auch sämtliche sonstigen im Gefolge der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide aufgehoben. Eine Begründung der Berufungsvorentscheidung erfolgte nicht. Die Berufungsvorentscheidung erwuchs in Rechtskraft. Im August 2008 verfügte das Finanzamt abermals eine Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005, wobei es in der Begründung der entsprechenden Bescheide auf die „Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen“ seien, verwies. Gleichzeitig übermittelte es wiederum den Betriebsprüfungsbericht vom 11. 9. 2007, der außer dem Punkt „Prüfungsabschluss“, in dem nun auf das Erfordernis einer Wiederaufnahme unter Anführung der Abgabenarten, Zeiträume und Textziffern der Feststellungen hingewiesen wurde, völlig (auch hinsichtlich der Auftragsbuchnummer) ident mit dem bereits mit Bescheiden vom September 2007 übersandten Betriebsprüfungsbericht war. Ebenso wurden neue Sachbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 sowie „Haftungs- und Abgabenbescheide“ hinsichtlich Kapitalertragsteuer und Säumniszuschläge – jeweils unter Verweis auf den angeführten Betriebsprüfungsbericht – erlassen. Gegen sämtliche Bescheide erhob die Abgabepflichtige Berufung, wobei verfahrensrechtliche Gründe (keine neuen Tatsachen) und materiellrechtliche Gründe im Hinblick auf die Feststellungen laut Betriebsprüfungsbericht vorgebracht wurden.

2. Die Entscheidung 2.1. Zur Wiederaufnahme der Verfahren 2.1.1. Res iudicata (entschiedene Sache) Wie dem dargestellten Verfahrensablauf zu entnehmen ist, wurde im gegenständlichen Fall nach Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide mittels Berufungsvorentscheidung vom Finanzamt noch einmal eine Wiederaufnahme für dieselben Abgabenarten und dieselben Zeiträume verfügt. Von zentraler Entscheidungsrelevanz war daher im gegebenen Zusammenhang die Beantwortung der Frage, ob die angefochtenen (neuerlichen) Wiederaufnahmebescheide trotz bereits entschiedener Sache (res iudicata) ergangen waren. Der Begriff „res iudicata“ ist wie jener der „Rechtskraftwirkung von Bescheiden“ ein Ausfluss des Grundsatzes „ne bis idem“, einer der grundlegenden Säulen der österreichischen Verfahrensrechtsordnungen, und somit auch im Abgabenverfahrensrecht unbedingt anwendbar (siehe Bichler, ÖStZ 1995, 233; UFS 15. 4. 2009, RV/0686-K/08). Er besagt, dass in ein und derselben Sache nicht zweimal entschieden werden darf (Unwiederholbarkeit, Einmaligkeitswirkung). „Sache“ ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs gebildet hat (Ritz, BAO3, § 289 Tz. 38, m. w. N.). Bei Wiederaufnahmebescheiden stellt die „Sache“ die „Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen“ dar. Demgemäß kann auch im Berufungsverfahren die Berufungsbehörde innerhalb der ihr gemäß § 289 Abs. 2 BAO obliegenden Befugnisse nur über diese Sache bzw. die Berechtigung der im Wiederaufnahmebescheid angeführten Gründe entscheiden. Nach der Rechtsprechung des VwGH darf nach Aufhebung eines Wiederaufnahmebescheids eine weitere Wiederaufnahme für dieselbe Abgabenart und dasselbe Jahr daher nur aus anderen Gründen geschehen, weil diesfalls eine andere und keine entschiedene „Sache“ vorläge (siehe z. B. VwGH 4. 3. 2009, 2008/15/0327; 20. 7. 1999, 97/13/0131; Stoll, BAO, 2954). Februar 2011

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