Der Gesellschafter - Heft 1/2014

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gesrz_01-2014.fm Seite 33 Freitag, 7. Februar 2014 10:11 10

Fruchtgenuss 3. Rechtsfolgen Bei der Bevollmächtigung und der Übertragung von Mitverwaltungsrechten auf den Fruchtnießer kommt es zu einer Verlagerung des Einflusses in der Gesellschaft vom Gesellschafter auf den Fruchtnießer, der daher bei Ausübung dieser Rechte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegt.176 Durch die Verschiebung des Einflusses in der Gesellschaft auf den Fruchtnießer kann es auch zu einem Machtwechsel innerhalb der Gesellschaft kommen, der sowohl gesetzliche, zB gem § 12a Abs 3 MRG,177 wie auch vertragliche Rechtsfolgen (Change-of-control-Klauseln) auslösen kann. Hinzuweisen ist auf mögliche ertragsteuerrechtliche Konsequenzen der unterschiedlichen Ausgestaltung des Fruchtgenussrechts. Der Grad an Einfluss des Fruchtnießers entscheidet über die steuerliche Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums und der Einkünfteerzielung, sodass insb die Ausübung des Stimmrechts durch den Fruchtnießer zu einer Zurechnung der Einkünfte bei diesem führen kann.178 VIII. Gestaltungsvarianten Die Praxis hat viele Gestaltungsformen des Fruchtgenussrechts am Gesellschaftsanteil entwickelt. Insb in folgenden Punkten kann der Fruchtgenuss den Anforderungen des Einzelfalles angepasst werden: Abhängig davon, ob der Gesellschafter einem anderen ein Fruchtgenussrecht an seinem Gesellschaftsanteil einräumt oder den Gesellschaftsanteil unter Vorbehalt eines Fruchtgenussrechts an den anderen überträgt, ist zwischen Zuwendungs- und Vorbehaltsfruchtgenuss zu unterscheiden.179 Diese Vorgangsweisen sind in der Praxis jeweils für unterschiedliche Verwendungszwecke heranzuziehen, unterscheiden sich aber nicht in den dadurch begründeten Rechtsverhältnissen zwischen Gesellschafter, Fruchtnießer und Gesellschaft. Beim Vorbehaltsfruchtgenuss ist zu beachten, dass dieser mit einem Gesellschafterwechsel unter Anwendung der entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen (Notariatsakt und Firmenbucheintragung bei GmbHs etc) verbunden ist. Eine mögliche Gestaltungsvariante ist die Kombination des (vorbehaltenen) Fruchtgenussrechts mit einem „Zwerganteil“, mit dem Einflussrechte wie zB Mehrstimmrechte, Vetorechte, Geschäftsführungsrechte etc verbunden werden können.180 Je nach Gesellschaftsform gilt für diese Variante jeweils ein unterschiedlicher Gestaltungsraum (zB keine Mehrstimmrechte in AGs181). Varianz liegt schließlich darin, entweder dem Gesellschafter iSd gesetzlichen Grundmodells den Einfluss in der Gesellschaft zu belassen (vgl Pkt V.) oder den Einfluss dem Fruchtnießer durch Ermächtigung zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte einzuräumen (vgl Pkt VII.).

Zum Zweck der Aufteilung des aufgrund des Gesellschaftsanteils zustehenden Gewinns kann ein Quotenfruchtgenuss bzw „geteilter Fruchtgenuss“182 begründet werden. Das Fruchtgenussrecht bezieht sich in diesem Fall kraft Vereinbarung nur auf eine Quote des belasteten Gesellschaftsanteils. Dies bedarf – auch bei Unteilbarkeit des Anteils – keiner besonderen Genehmigung.183 Das Fruchtgenussrecht erlischt gem § 529 Satz 1 ABGB grundsätzlich mit dem Tod des Berechtigten.184 Die Beendigung kann aber dem verfolgten Zweck angepasst und das Fruchtgenussrecht daher als „abreifendes“185 Recht ausgestaltet werden, das bei Erreichen eines bestimmten Ausschüttungswerts, einer sonstigen auflösenden Bedingung oder Befristung erlischt.186 Das Fruchtgenussrecht kann gem § 529 Satz 2 ABGB ausdrücklich auf die Erben oder die Familie des Berechtigten ausgedehnt werden.187 Die Ausdehnung auf die Erben bezieht sich aber nur auf die ersten gesetzlichen Erben188 und bei der Ausdehnung auf die Familie ist die Grenze des analog anzuwendenden § 612 ABGB zu beachten.189 Daher kann das Fruchtgenussrecht an einem Gesellschaftsanteil, der wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung gewährt, nur an einen, das Fruchtgenussrecht an sonstigen Gesellschaftsanteilen nur an höchstens zwei zum Anordnungszeitpunkt noch nicht Gezeugte gehen. Wird das Fruchtgenussrecht mehreren Berechtigten (zB Geschwistern) eingeräumt, kommt es beim Tod eines Einzelnen im Zweifel nicht zum Erlöschen, sondern zur Anwachsung des Fruchtgenussrechts an die übrigen Berechtigten.190 IX. Einsatzbereiche In der Praxis wird der Fruchtgenuss insb als wichtiges Element einer geordneten Unternehmensnachfolge verwendet. Zu diesem Zweck kann ein Fruchtgenussrecht zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen dienen.191 Das Fruchtgenussrecht kann entweder bereits zu Lebzeiten des Übergebers als Vorschuss oder Vorempfang gem §§ 788 f ABGB oder als sonstige Schenkung gem § 785 ABGB eingeräumt und dann auf den Pflichtteil angerechnet werden, oder von Todes wegen als Vermächtnis oder als Schenkung auf den Todesfall gem § 956 Satz 2 ABGB auf den Pflichtteil gem § 787 Abs 1 ABGB eingerechnet werden. Das Fruchtgenussrecht kann – im Gegensatz zum dinglichen Gebrauchsrecht192 – vom Berechtigten an einen Dritten ohne Zustimmung des Gesellschafters übertra182 183 184 185 186

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Kalss/Probst, Familienunternehmen, § 21 Rz 101; vgl Doralt/Winner in Doralt/ Nowotny/Kalss, AktG2, § 47a Rz 35; Cahn/v. Spannenberg in Spindler/Stilz, AktG2, § 53a Rz 47. OGH 10.2.2004, 5 Ob 262/02v. Im Detail J. Lehner/Ph. Gruber, Ertragsteuerliche Behandlung von Fruchtgenussrechten, ecolex 2013, 65; Haslinger, ecolex 1996, 622 ff. Haslinger, ecolex 1996, 622; Kalss in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht, § 32 Rz 45. Kalss/Probst, Familienunternehmen, § 21 Rz 111. Schmidt-Pachinger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 12 Rz 4 und 36; Schopper in Jabornegg/Strasser, AktG5, § 12 Rz 45 f.

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Kalss/Probst, Familienunternehmen, § 21 Rz 110. Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 94. Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 529 Rz 3. Kalss in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht, § 32 Rz 47. Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 527 Rz 3; Koch in Koziol/Bydlinski/ Bollenberger, ABGB3, §§ 527, 528 Rz 1. Hofmann in Rummel, ABGB3, § 529 Rz 1; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3, § 529 Rz 2. Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 529 Rz 8. Hofmann in Rummel, ABGB3, § 529 Rz 1; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGBON1.01, § 529 Rz 8. Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 529 Rz 6; Hofmann in Rummel, ABGB3, § 529 Rz 1; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3, § 529 Rz 2. OGH 15.10.1998, 6 Ob 189/98g (für Unterbeteiligung zur Pflichtteilsdeckung); Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 774 Rz 2; Giller in Gruber/Kalss/ Müller/Schauer, Erbrecht, § 19 Rz 31; Kalss/Probst, Familienunternehmen, § 21 Rz 192; Schauer, Ist das Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß? (Teil II), NZ 2001, 77 (80); siehe auch Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 774 Rz 3 (unter der Bedingung der Verfügbarkeit über das Fruchtgenussrecht); aA Welser in Rummel, ABGB3, § 774 Rz 4. Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 485 Rz 10.

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