Der Gesellschafter - Heft 1/2014

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gesrz_01-2014.fm Seite 31 Freitag, 7. Februar 2014 10:11 10

Fruchtgenuss Fruchtnießers erstreckt sich daher weder automatisch noch über einen schuldrechtlichen Anspruch darauf. Vereinbarungen zwischen Gesellschafter und Fruchtnießer über eine Erstreckung des Fruchtgenussrechts auch auf neue Anteile aus ordentlichen Kapitalerhöhungen sind zulässig.140 2. Übertragung des Anteils Bei der Übertragung des Gesellschaftsanteils an einen Dritten bleibt der Fruchtgenuss als dingliche Belastung bestehen.141 Bei Kapitalgesellschaften gilt dies auch für den Fall des Erwerbs eigener Anteile gem § 65 AktG und § 81 GmbHG durch die Gesellschaft.142 Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ist grundsätzlich nicht möglich,143 mangels Eintragung des Fruchtnießers in das Firmenbuch ist der Vertrauensschutz gem § 15 UGB aus der Publizität des Firmenbuchs nicht anwendbar. Bei Inhaberpapieren (Inhaberaktien) ist ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb hingegen gem § 371 ABGB (bzw § 367 ABGB)144 möglich.145 Allerdings ist dies mit dem GesRÄG 2011 und der damit verbundenen Einschränkung der Ausgabe von Inhaberaktien nur noch von geringer praktischer Relevanz.146 3. Untergang des Anteils Bei Untergang des Gesellschaftsanteils erstreckt sich das Fruchtgenussrecht grundsätzlich auf das Surrogat des Gesellschaftsanteils, dh etwa auf die Barabfindung, den Liquidationserlös oder einen anderen Gesellschaftsanteil.147 Dem Fruchtnießer stehen die Früchte (Zinsen) daraus zu. Wird die Gesellschaft aufgelöst, stehen die Liquidationsquote gem § 212 AktG bzw § 91 GmbHG und der Liquidationsanteil gem § 155 UGB dem Gesellschafter zu, der Fruchtgenuss erstreckt sich darauf als Surrogat.148 Kommt es zur Auskehr von Substanz des Gesellschaftsanteils, dh zu einer Auflösung stiller Reserven bei Personengesellschaften oder zu einer ordentlichen Kapitalherabsetzung bei Kapitalgesellschaften,149 setzt sich das Fruchtgenussrecht an den ausgezahlten Beträgen fort. Bei den Umgründungsvorgängen Verschmelzung und Spaltung sowie Umwandlungen nach dem UmwG treten neu erworbene Anteile bzw Barabfindungen an die Stelle des untergegangenen Anteils.150 Scheidet der Gesellschafter durch Kündigung 140 141

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K. Schmidt in MünchKomm HGB3, Vor § 230 Rz 26 und 30. Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 68; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 38; K. Schmidt in MünchKomm HGB3, Vor § 230 Rz 28. Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 39; vgl auch Kalss in Doralt/Nowotny/ Kalss, AktG2, § 65 Rz 155; Löwisch in MünchKomm GmbHG, § 33 Rz 68. Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.00, § 367 Rz 2; Ch. Nowotny in Kalss/ Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht, Rz 4/307; Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 68. Aufgrund der gegenüber § 371 ABGB strengeren Voraussetzungen ohne praktische Bedeutung; vgl dazu Iro, HaRÄG: Irrwege beim lastenfreien Erwerb kraft guten Glaubens, RdW 2006, 675 (677). Schopper in Jabornegg/Strasser, AktG5, § 10 Rz 46; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 371 Rz 3 f und § 367 Rz 2, 11; Spielbüchler in Rummel, ABGB3, § 371 Rz 4; Micheler in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 10 Rz 1. Vgl Micheler in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 10 Rz 6 ff. Frank, MittBayNot 2010, 100; ders in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 69. Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 88, 103 und 112; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 47 und 65; aA Frotz, GesRZ 1990, 40; K. Schmidt in MünchKomm HGB3, Vor § 230 Rz 19, 26 und 30, die die Erstreckung des Fruchtgenussrechts davon abhängig machen, ob dies dem Parteiwillen nach der zugrunde liegenden Fruchtgenussabrede oder den Interessen der Beteiligten entspricht. Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 115. Frank, MittBayNot 2010, 102; ders in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 104 und 115; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 46.

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oder Ausschluss aus einer Personengesellschaft bzw durch Ausschluss nach dem GesAusG aus einer AG oder GmbH aus, erstreckt sich das Fruchtgenussrecht auf die Abfindung.151 Gleiches gilt für das Einziehungsentgelt152 bei der Einziehung von Aktien gem § 192 AktG.153 Umstritten ist, ob sich der Fruchtgenuss in dinglicher Surrogation automatisch an dem Surrogat fortsetzt oder ob der Fruchtnießer nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Einräumung des Fruchtgenussrechts am Surrogat hat.154 Für eine automatische Erstreckung des Fruchtgenussrechts spricht, dass sich die Ansprüche auf den Liquidationserlös, die ausgekehrte Substanz etc unmittelbar aus der belasteten Mitgliedschaft ergeben und daher unmittelbar vom Fruchtgenuss umfasst sind.155 Zu einer dinglichen Surrogation kommt es jedenfalls, wenn diese durch eine besondere gesetzliche Regelung angeordnet ist.156 Für Verschmelzungen, Spaltungen und formwechselnde Umwandlungen zwischen AG und GmbH ist in § 14 Abs 2 Z 3 Satz 2 SpaltG, der auf Verschmelzungen analog anzuwenden ist,157 und in §§ 241, 250 AktG die dingliche Surrogation geregelt, sodass das Fruchtgenussrecht in diesen Fällen an den neu erworbenen bzw umgewandelten Anteilen und möglichen Zuzahlungen automatisch weiterbesteht.158 Bei einer Kaduzierung gem § 58 AktG und § 66 GmbHG geht der Gesellschaftsanteil zwar nicht unter, da die Gesellschaft aber für diesen Fall der Einlagensäumnis ein gesetzlich begründetes, ursprüngliches Verwertungsrecht an dem Gesellschaftsanteil hat, erlischt das Fruchtgenussrecht mangels Surrogat sogar ersatzlos.159 Abweichende Vereinbarungen zwischen Gesellschafter und Fruchtnießer können für diese gesellschaftsrechtlichen Vorgänge auch andere Rechtsfolgen, zB einen Anspruch auf Abfindung gegen den Gesellschafter, vorsehen. Aufgrund der Unsicherheit über die dingliche Surrogation ist eine Regelung der Rechtsfolgen in der Fruchtgenussabrede zu empfehlen. VII. Gestaltungsmöglichkeiten für eine stärkere Mitwirkung des Fruchtnießers Für einen stärkeren Einfluss des Fruchtnießers auf die Mitverwaltung in der Gesellschaft stehen Gestaltungsmöglichkei151

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Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 88; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 40; Hüffer, AktG10 (2012) § 327e Rz 4; Singhof in Spindler/Stilz, AktG2, § 327e Rz 8. Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 192 Rz 9. Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 104; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 41 und 66. Vgl Ebbing in Michalski, GmbHG2, § 15 Rz 196; Frank in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz 88 und 104; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 40 f, 47 und 65; Reichert/Weller in MünchKomm GmbHG, § 15 Rz 345; K. Schmidt in MünchKomm HGB3, Vor § 230 Rz 19, 26 und 30 – jeweils mwN. Die Diskussion in Deutschland dreht sich primär um die analoge Anwendung von § 1075 BGB (automatische Erstreckung) oder von § 1079 BGB (schuldrechtlicher Anspruch), wobei das ABGB keine entsprechenden Regelungen hat. So Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 47; siehe auch Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 636 (zum Pfandrecht). Vgl zum Pfandrecht allgemein Hofmann in Rummel, ABGB3, § 457 Rz 6; Hinteregger in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 457 Rz 14; Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts I13 (2006) 403: Ohne besondere gesetzliche Anordnung keine dingliche Surrogation, sondern nur Anspruch auf Neubestellung des Pfandrechts; siehe auch Rauter in Straube, GmbHG, § 76 Rz 270 ff. Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 (2010) § 225a AktG Rz 109; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5, § 225a Rz 33. Kalss, Verschmelzung2, § 225a AktG Rz 109 und § 14 SpaltG Rz 87 f; Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 241 Rz 14 f und § 250 Rz 13. Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5, § 58 Rz 16; Csoklich in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2, § 58 Rz 10; Schopper in Straube, GmbHG, § 66 Rz 50; Pohlmann in MünchKomm BGB6, § 1068 Rz 41.

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