Fachartikel
Verteilung von Projektrenditen
Verteilung von Projektrenditen Risiko neu interpretiert Frank Lulei Risiken von Einzelprojekten lassen sich nicht exakt einschätzen und vorhersagen – sonst wären es keine! Bei einer Vielzahl ähnlicher Projekte hingegen zeigen sich statistische Muster (!), die im Mittel auch Aussagen über Einzelprojekte zulassen – mit überraschenden Folgen für das Verständnis von Risiko im Projektgeschäft.
Dr.-Ing. Frank Lulei leitet den Bereich Contract Management International im Konzernstabsbereich Contract Management eines österreichischen Baukonzerns.
1. Fehler und Risiken im Projektgeschäft
2. Projektrenditen in einem vollkommenen Markt
Im Projektgeschäft sind Abweichungen von einem wie auch immer geplanten Soll stets auf zwei fundamentale, unterschiedliche Mechanismen zu rückzuführen: Fehler und Risiken. Fehler sind Abweichungen von etablierten Standards oder Konventionen, die auf vergangenen Erfahrungen und Forschungen der Branche oder des Unternehmens basieren. Standards repräsentieren somit den gegenwärtigen state of the art. Solche Standards sind zB Gesetze, technische Normen oder auch bewährte unternehmensinterne Prozesse. Fehler sind daher trotz menschlicher Unzulänglichkeit als grundsätzlich vermeidbar oder zumindest verminderbar einzustufen. Fehler bedeuten, dass der erzielbare state of the art noch nicht erreicht ist. Risiken hingegen bezeichnen Ereignisse, welche sich dem direkten Einfluss und exakter Vorhersagbarkeit entziehen und die daher prinzipiell unvermeidbar sind. Entsprechend der Norm ISO 31000 wird Risiko hierbei als neutraler Oberbegriff für die Gesamtheit sowohl von Wagnissen als auch von Chancen verwendet.1 Quelle von Risiko ist stets ein Mangel an Information, der sich in drei Kategorien unterteilen lässt: ●● Ungewissheit über Art, Auftreten und Ausmaß zukünftiger Ereignisse außerhalb des eigenen Einflussbereichs; ●● Komplexität (vernetztes Zusammenwirken zahlreicher Komponenten in nicht genau vorhersehbarer Weise); ●● Opportunismus (unvorhersagbares Handeln der Beteiligten, die jeweils unterschiedliche Interessen verfolgen). Risiken bezeichnen negative wie auch positive Abweichungen vom geplanten Soll, die auf Einzelprojekten nicht exakt einschätzbar oder gar vorhersagbar sind. Bei einer Vielzahl hinreichend ähnlicher Projekte jedoch sind verwertbare statistische Muster zu erwarten. Um die wirtschaftliche Auswirkung von Projekten auch sehr unterschiedlicher Größenordnung miteinander vergleichen zu können, wird die Projektrendite in Prozent als geeignete Variable untersucht. Dabei wird vorausgesetzt, dass die darin eingeschlossenen Anteile von Fehler- und Risikofolgen über alle Größenordnungen von Projekten ähnlich sind.
Als einfachster und stark idealisierter Fall wird zunächst ein sogenannter vollkommener Markt betrachtet, der in Analogie zur Volkswirtschaftslehre wie folgt charakterisiert ist: ●● Vollkommene Transparenz, das heißt, die Marktteilnehmer haben vollständige Information über alle gehandelten Güter, Dienstleistungen, Preise, Projektbedingungen etc. ●● Homogenität (gleiche genormte Qualität) der erbrachten Bauleistungen. ●● Die Teilnehmer handeln maximal rational und reagieren ohne Zeitverzögerung auf Veränderungen des Markts. In einem solchen Markt mit vollständiger Information gibt es definitionsgemäß keinerlei Risiko (vgl Punkt 1.). Es würde sich eine scharf begrenzte Gleichgewichtsrendite μmax einstellen, die sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer akzeptieren (Jevons’ Gesetz). Diese maximale Rendite μmax wird jedoch nicht immer erreicht. Aufgrund von Fehlern, zu denen auch die nicht ausgeschöpften Optimierungspotenziale interner Prozesse zählen, wird die maximale Rendite nur angenähert. Jeder Anbieter (mit all seinen Beteiligten, Lieferanten und Subunternehmern) erwirtschaftet daher lediglich eine um seinen spezifischen Fehleranteil f reduzierte Rendite μ = μmax – f. Dieser Fehleranteil f wird zunächst als normalverteilt angesetzt. Es zeigt sich jedoch, dass seine Streuung so gering ist, dass er in guter Näherung als konstant angenommen werden kann. Die „Wahrscheinlichkeitsverteilung“ p(x) der Projektrenditen x eines bestimmten Anbieters hat dann in einem solchen vollkommenen Markt ohne Risiko lediglich einen einzelnen scharfen Wert: die Rendite μ < μmax (Abbildung 1).
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ÖNORM ISO 31000 „Risikomanagement“ (2010).
3. Projektrenditen unter Risiko Reale Märkte jedoch sind weit von den idealisierten Annahmen eines vollkommenen Markts entfernt. Insbesondere ist Risiko nun ein entscheidender Faktor. Aufgrund einer Bandbreite von Wagnissen und Chancen bildet sich um die Rendite μ herum eine Verteilung der Projektrenditen heraus. Dabei werden folgende Annahmen gemacht: ●● Ein Wagnis ist eine Zufallsvariable x1, die die wahrscheinlichste Rendite μ senkt. ●● Eine Chance ist eine Zufallsvariable x2, die die wahrscheinlichste Rendite μ erhöht. Jänner 2014