Bau aktuell - Heft 1/2014

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Fachartikel

Die Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Projektentwicklungsprozess

Die Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Projektentwicklungsprozess Wilhelm Brugger / Werner Gächter Dieser Beitrag1 stellt einen Ansatz dar, die Aspekte der Nachhaltigkeit in die einzelnen Projektentwicklungsphasen bzw in die Prozesse einer Immobilienentwicklung zu implementieren. Dabei werden die Steckbriefe einer Zertifizierung nach ÖGNI2 am Beispiel von Büro- und Verwaltungsgebäuden unter Berücksichtigung von bereits vorliegenden Arbeiten3 auf Zusammenhänge zwischen den Steckbriefen überprüft und analysiert. Darauf aufbauend wird der idealtypische Projektentwicklungsprozess hinsichtlich der Implementierbarkeit der Nachhaltigkeitskriterien überprüft und mittels einer Matrix werden zeitliche sowie kausale Abhängigkeiten zur Zertifizierung im Projektentwicklungsprozess aufgezeigt. Abschließend wird ein adaptierter, idealtypischer Projektentwicklungsprozess formuliert, welcher die notwendigen Aspekte der Zertifizierung unter besonderer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten für Büro- und Verwaltungsgebäude nach ÖGNI/DGNB beinhaltet.

1. Einleitung123

Dipl.-Ing. Wilhelm Brugger ist Universitätsassistent am Arbeitsbereich Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bau­ management am Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften der Univer­ sität Innsbruck.

Nachhaltigkeit als Megatrend hat auch in die Immobilienwirtschaft Einzug gehalten. Nach einer Umfrage von Jones Lang LaSalle (2010) wird von 83 % der befragten Immobilienfachleute der nachhaltigen Konzeption von Immobilien in den nächsten 10 Jahren höchste strategische Priorität eingeräumt. Das wird verständlich, wenn man die Immobilienwirtschaft als eine der großen Branchen der Wirtschaft im Allgemeinen versteht, der durch den hohen Ressourcenverbrauch beim Bau und Betrieb einer Immobilie eine maßgebliche Verantwortung zur Verbesserung der vorherrschenden Situation zugeschrieben werden muss. Dementsprechend ergibt sich für die Immobilienwirtschaft ein großes Potenzial hinsichtlich des Beitrags zum „nachhaltigen Wirtschaften“.4 Eine sinnvolle Umsetzung aller Aspekte der Nachhaltigkeit kann aus Sicht der Autoren aber nur über eine Sensibilisierung in den Unternehmensorganisationen sowie durch eine frühzeitige Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsanforderungen in den Entwicklungsprozessen der Immobilienunternehmen erfolgen. Green and blue buildings benötigen auch green and blue processes and organizations.

2. Grundlagen 2.1. Projektentwicklung Dipl.-Ing. Werner Gächter ist Senior Lecturer am Arbeitsbereich Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bau­ management am Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften der Univer­ sität Innsbruck.

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In der Bau- und Immobilienwirtschaft bestehen unterschiedlichste Interpretationen hinsichtlich des Begriffs und der Funktion der Projektentwicklung. 1

Überarbeitete und aktualisierte Fassung einer Veröffentlichung der Autoren anlässlich des SB13-Kongresses 2013 in Graz (Brugger/Gächter/Tautschnig, Einfluss von Nachhaltigkeits­ aspekten auf die Projektentwicklungsprozesse, in Sustainable Buildings Construction Products & Technologies, Proceedings SB13-Graz [2013]). 2 Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft. 3 Hogge, Sensitivitätsanalyse des ÖGNI-Nachhaltigkeitszertifizierungssystems unter Berücksichtigung der internen Zusammenhänge der Bewertungskriterien, in Series Bauwirtschaft und Projektmanagement, Band 24, LFU-Innsbruck. 4 Vgl Deutsche Hypobank AG, Deutsche Hypo Markt Analyse (2011) 4.

Eine eindeutige Abgrenzung zu anderen Berufsfeldern ist auch aufgrund der hohen Interdisziplinarität nicht klar erkennbar bzw nicht möglich.5 Es existieren verschiedene Einordnungen des Begriffs „Projektentwicklung“ in zeitliche Phasen sowie eine Strukturierung in Betrachtungszeiträume der Projektumsetzung. Nach Brauer können an dieser Stelle drei wesentliche Zeiträume definiert werden: ●● Projektentwicklung einer Immobilie im engeren Sinn: Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von der Projekteidee bis zur Entwurfsphase. ●● Projektentwicklung im mittleren Sinn: Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von der Projektidee bis zum Ende der Bauausführungsphase. ●● Projektentwicklung im weiteren Sinn: Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von der Projektidee bis zum Ende des Abbruchs bzw zur Generalsanierung/-adaptierung des Projekts.6 Die Definition von Diederichs für Projektentwicklung im Allgemeinen lautet wie folgt: „Durch Projektentwicklung (im weiteren Sinne) sind die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander zu kombinieren, dass einzelwirtschaftlich wettbewerbsfähige, arbeitsplatz­ schaffende und -sichernde sowie gesamtwirtschaftlich sozial- und umweltverträgliche Immobilienprojekte geschaffen und dauerhaft rentabel genutzt werden können.“7 Daraus lässt sich die Forderung ableiten, dass die aus einem Projektentwicklungsprozess resultierende Immobilie nicht nur einzelne Interessen des Auftraggebers (Bauherren, Investoren), sondern auch die Interessen der betroffenen Öffentlichkeit und der Umwelt miteinbeziehen und diesen Rechnung tragen muss.8 Insofern sollte – oder besser: muss – also jede Projektentwicklung auch den Ansprüchen der Nachhaltigkeit genügen. 5 Vgl Diederichs, Immobilienmanagement im Lebenszyklus2 (2006) 5. 6 Vgl Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft7 (2011) 585. 7 Diederichs, Immobilienmanagement2, 5. 8 Vgl Diederichs, Immobilienmanagement2, 5.

Jänner 2014


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