Holzbulletin 70/2004

Page 21

Cristallina-Hütte, Bedretto

Im südlichen Gotthardgebiet liegt auf rund 2570 Meter über dem Meeresspiegel die Cristallina-Hütte. Die neue Unterkunft des SAC steht auf einem lawinensicheren Plateau auf dem Cristallina-Pass. Zwei frühere Hütten am Cristallina-Pass fielen Lawinen zum Opfer, zuletzt im Februar 1999. Für die neue Hütte kam nur ein Standort ohne Lawinengefahr in Frage. Nach einer genauen Analyse baute man sie 200 Meter über dem früheren Standort auf der Wasserscheide zwischen dem Val Bedretto und dem Val Bavona. Für die neue Hütte des SAC wurde zusammen mit dem Bund Schweizer Architekten Tessin ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben. Die namhafte Jury entschied sich unter den 142 Teilnehmern für das Projekt unter dem Namen ‹Barchessa›. Die Bezeichnung spielt auf die alten länglichen, flachen Gebirgsställe an, an welchen sich das Projekt orientiert. Die neue Hütte des SAC ist ein schlichter, zweigeschossiger, nach Süden ausgerichteter und quer zum Hang liegender Flachdach-Baukörper aus Holz auf einem steinernen Terrassensockel. Die Bedingungen in der grossen Höhe des Standorts sind hart. Das Gebäude muss sich im Sommer auf kargen Felsen ebenso ins natürliche Umfeld integrieren können wie im Winter unter einer meterhohen

Schneedecke. Zwar sind auf dem gewählten Plateau keine Lawinen zu erwarten, doch ist mit enormen Schneeverwehungen zu rechnen. Und die Konstruktion muss enormsten Ansprüchen wie Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h und Schneelasten von 26 kN/m2 (rund 2600 kg/m2) gerecht werden. Das realisierte Projekt schlug einen 30 Meter langen, zweigeschossigen Baukörper in Holzbauweise über einem betonierten Fundamentsockel vor. Die Nordwand besteht bis zur Brüstung des zweiten Geschosses aus Beton. Die aufgesetzte Holzrahmenkonstruktion ist mit Lärchenholz vertikal verschalt. Die Holzverschalung wird bald verwittert sein und wie die Felsen der Umgebung silbern schimmern. Die Dachkonstruktion besteht aus massiven Holzelementen, welche die Eigenschaften einer Betondecke aufweisen. Das Dach wurde mit Granitplatten gedeckt. Sie sind auf eine Schutzlage aus Gummigranulat verlegt, was eine gute Sicherung gegen Windsog, Schneeverwehungen und Eisdruck ergibt. Das Gefälle wurde in der Wärmedämmebene ausgebildet. Abschottungen und Kontrollelemente sorgen für zusätzliche Flachdachsicherheit. Bei der Vergabe der Aufträge wurde das Baugewerbe im Einzugsgebiet des Gotthard berücksichtigt. Insgesamt waren mehr als 2000 Flüge für den Transport der Baumate-

rialien mit Hubschraubern nötig. Um nicht die Transportkosten um ein Vielfaches zu erhöhen, wurde Beton sowenig wie möglich eingesetzt. Nach der Sprengung des Granits wurden das Kellergeschoss als Wanne, der Sockel und eine bergseitige Schutzwand betoniert. Gleichzeitig entstand ein Schacht für die Wasser- und Energieversorgung. Im darauffolgenden Winter wurden die Elemente für Wände, Böden, Decke und Dach vorgefertigt und im nächsten Sommer mittels der Hubschrauber in nur drei Tagen montiert. Aussengestaltung, Installationen und Inneneinrichtungen beanspruchten den ganzen Sommer. Die im Juli 2003 eingeweihte CristallinaHütte ist als moderne Grosshütte konzipiert. Es gibt keinen riesengrossen Schlafsaal; den Besucher erwarten kleinere Räume, was in der Hüttenarchitektur relativ neu ist. Die 120 Plätze sind in Vierer-, Achter- und Zwölferzimmer aufgeteilt. Nach einem anstrengenden Tag bietet die Hütte jedem Alpinisten ein Refugium zur Erholung. Der Blick aus dem Hüttenfenster geht über den Lago Sfundau hinweg auf den Basodino.

1245


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.