LIFT Stuttgart - Leseprobe November 2011

Page 14

ENTDECKEN KULTUR

*

180-Grad-Wende im Kunstmuseum: Die Sammlung macht Platz für Michel Majerus

Virtuoser Kunst-DJ

Foto: Kunstmuseum

*

Sowohl die Musik- als auch die Kunstszene haben tragische Schicksale jung verstorbener Künstler zu beklagen. Michel Majerus ist quasi der Kurt Cobain der Kunst. Nicht, weil beide 1967 geboren wurden. Auch nicht, weil auch Majerus ein skandalöses Leben im Drogenund Alkoholsumpf geführt hätte. Nein, beide haben eine ganze Generation Künstler und ihre Szene bis heute nachhaltig beeinflusst. Und beide sind viel zu früh gestorben. Majerus kommt 2002 im Alter von 35 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Trotz seiner jungen Jahre hat er ein außergewöhnlich umfangreiches Werk hinterlassen. Typisch für seine Arbeiten sind die großen Formate und der installative Charakter, daher konnten bisher nur wenige Museen Majerus in all seinen Facetten zeigen. Diese Lücke schließt jetzt das Kunstmuseum und zeigt mit über 100 Gemälden und Installationen eine umfassende Werkschau. Diese große Bühne bekommt Majerus völlig zurecht: 1986 beginnt der Luxemburger sein Studium der Malerei an der Kunstakademie Stuttgart, diese vergibt ihm 1993 sein erstes Stipendium. „Als ich entdeckte, dass er von 1986 bis 1992 an der Staatlichen Akademie der Bil-

denden Künste in Stuttgart studiert hatte, stand für mich fest, eine große Werkschau auszurichten“, erzählt Museumsdirektorin Ulrike Groos. Majerus zieht 1992 nach Berlin, verkauft seine Werke weltweit, doch der Kontakt nach Stuttgart bricht nicht ab. Seit Mitte der 90er finden sich einige Bilder in der Sammlung der Landesbank Baden-Württemberg. Und auch Groos verbindet mit Majerus persönliche Erinnerungen: „Ich habe mit ihm 1998 auf der Manifesta in Luxemburg gearbeitet. Seitdem fasziniert mich der Facettenreichtum seines Werkes.“

Inspiriert von Super Mario Dieser Facettenreichtum ist tatsächlich enorm. Um seine Ideen umzusetzen, nutzt Majerus verschiedenste Techniken. Neben der klassischen Malerei auf Leinwand entwirft er Arbeiten auf Aluminium oder Holz sowie Wandgemälde. Auf seinen poppigen Werken lassen sich neben wilden Pinselstrichen oft Motive aus Pop-Art, Computerspielen – Majerus war begeisterter Spieler von „Super Mario“ – Comics, Werbung und Fernsehserien finden. Dieses Ne-

beneinander verschiedener Elemente ergibt einen ganz eigenen dynamischen Mix. Er selbst verglich seine Arbeitsweise mit der virtuosen Samplingtechnik der Techno-Musik: „Am Techno interessieren mich die erweiterten Produktionsmöglichkeiten. Alle möglichen Einflüsse sind dafür verwendbar und können darin verschmolzen werden.“ Große Kunst braucht viel Platz, den man für Majerus im Kunstmuseum geschaffen hat. Da seine raumgreifenden Arbeiten besser in die großzügig geschnittenen Räume im Erd- und Untergeschoss passen, wird die Sonderausstellung erstmals hier und nicht im Kubus präsentiert. Das bedeutet gleichzeitig, dass die ständige Sammlung nach oben in den Kubus umziehen muss. Unter dem Namen „180°: Die Sammlung im Kubus“ wird diese dort in ein neues Licht gerückt. „Das Projekt ist mir so wichtig, dass wir dafür das komplette Museum auf den Franziska Schuppert Kopf stellen“, so Groos. 180°: Die Sammlung im Kubus 19.11.* 14.10.2012 * Michel Majerus 25.11.-9.4.2012, Kunstmuseum, S-Mitte, Di-So 10-18, Mi+Fr 10-21 Uhr, www.kunstmuseum-stuttgart.de

73

LIFT 1111................

Fotos: Schönebaum (li.), Dieter Roth (mi.), Carsten Höller (ob. re.), Daniel Spoerri (u.re.)

Für früh verstorbenen Ausnahmekünstler Michel Majerus stellt das Kunstmuseum das komplette Haus auf den Kopf. Zurecht: Denn Majerus Werke sind in jeder Hinsicht groß.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.