Messemagazin 2016

Lieblingsautoren

www.lieblingsautoren.org

Ausgabe 2 | März 2016

Magazin zur Buchmesse

»Inspiration«

Interviews, Hintergründe, Leseproben und mehr von: Elke Bergsma, Marcus Hünnebeck, Babsy Tom, Ella Wünsche, Vanessa Mansini, Hannah Siebern, Eileen Janket, Poppy J. Anderson, Klaus Seibel, Hannah Kaiser, Kirsten Wendt, Marah Woolf, Catherine Shepherd, Katelyn Faith, Melanie Hinz, Petra Röder, Nika Lubitsch, Matthias Matting, B.C. Schiller, David Gray und Bela Bolten.

In dieser Ausgabe 03 EDITORIAL 10 Millionen verkaufte Bücher und die besten Leser der Welt!

04 IMPRESSIONEN 2015 Die Lieblingsautoren auf der Leipziger Buchmesse 08 HANNAH SIEBERN Barfuß im Sand 12 BABSY TOM Avocados und Inspirationen 16 BÉLA BOLTEN Vom Bleiben und vom Gehen 20 ELLA WÜNSCHE Die bewegendsten Geschichten schreibt das Leben 24 POPPY J. ANDERSON Warum mich Autofahrten inspirieren 28 MARAH WOOLF Inspiration, wo bist du?

32 ELKE BERGSMA Lasset die Inspiration zu Euch kommen 36 VANESSA MANSINI / MICHAEL MEISHEIT »Ich klaue aus meinem eigenen Leben« 40 KATELYN FAITH / ALEXANDRA AMBER »Fähigkeit, auch kleine Begebenheiten wahrzunehmen« 44 KIRSTEN WENDT Wie mein Leben zum Liebesroman wurde ...

48 CATHERINE SHEPHERD Ort der Inspiration 52 KLAUS SEIBEL Freiheit für Ideen 56 EILEEN JANKET Inspiration ist Glück 60 MARCUS HÜNNEBECK Musik & Menschen 64 MATTHIAS MATTING Ein Bild machen 68 MELANIE HINZ Die Begeisterung der Leser 72 NIKA LUBITSCH Berliner Weisse mit Schuss 76 PETRA RÖDER ... ganz privat 80 B.C. SCHILLER Inspirations 84 HANNAH KAISER Die Tücken der Inspiration 88 DAVID GRAY Inspiration 92 TERMINE Die Lieblingsautoren auf der Leipziger Buchmesse 2016 Impressum Kontakt: info@lieblingsautoren.org | Redaktion: Kirsten Wendt, Hannah Kaiser, Daniel Morawek Layout: Daniel Morawek | Hintergrundbild: shutterstock.com / Kompaniets Taras Herausgeber: UvR GmbH, Lindenthaler Allee 36, 14163 Berlin

Editorial 10 Millionen verkaufte Bücher - Danke an unsere Leser Liebe Leserin, lieber Leser, lange Zeit haben die Verlage bestimmt, was ihre Leser lesen dürfen – und was eben nicht. Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Dank E-Books und moderner Drucktechnologien ist es heute möglich, dass die Leser selbst bestimmen dürfen, was sie für lesenswert erachten – und worum sie lieber einen Bogen machen möchten.

Der Markt hat sich geändert, ist unmittelbarer und direkter geworden, hat neue Chancen erschlossen, mit all seinen Vor- und Nachteilen.

Die Lieblingsautoren sind zweiundzwanzig unabhängige Autorinnen und Autoren, denen es aus eigener Kraft gelungen ist, diesen Markt für sich zu erschließen – und das mit beachtlichem Erfolg.

Zusammen haben sie mittlerweile rund zehn Millionen E-Books und Printbücher verkauft; dabei reicht ihr Spektrum von Sachbüchern über Thriller, Liebesromane bis hin zu Fantasyliteratur. Dafür möchten wir uns bei all unseren Lesern und Leserinnen von Herzen bedanken.

Schreiben kann ein einsamer Job sein. Umso schöner ist es, dass wir dieses Jahr schon unseren zweiten gemeinsamen Messestand sowie unser zweites gemeinsames Messemagazin präsentieren können.

In diesem Heft wollen wir einen kleinen Einblick in unseren Arbeitsalltag schaffen und die vermutlich meist gestellte Frage von Lesern beantworten: „Wo nehmt ihr nur eure Ideen her?“ Wer die Lieblingsautoren zusätzlich persönlich kennenlernen möchte, sei herzlich eingeladen, auf der Leipziger Buchmesse in Halle 5 an Stand D204 vorbeizukommen. Eine konkrete Terminübersicht haben wir auf Seite 92 zusammengestellt.

Darüber hinaus findet sich aktuelle Informationen unter: www.lieblingsautoren.org Eine inspirierende Messe wünschen Hannah Kaiser Daniel Morawek Kirsten Wendt -Redaktion -

Die Lieblingsautoren im Internet: www.lieblingsautoren.org Lieblingsautoren

3

IMPRESSIONEN 2015

4

Lieblingsautoren

Die Lieblingsautoren auf der Leipziger Buchmesse – Fotos: MICHA RÖDER

Lieblingsautoren

5

6

Lieblingsautoren

www.mrr-photography.de

www.mrr-photography.de

Lieblingsautoren

7

HANNAH SIEBERN

BARFUSS IM SAND Foto: Privat

A

ls Autorin wird man ja häufig gefragt, woher man eigentlich seine Inspiration nimmt. Diese Frage ist natürlich gar nicht so einfach zu beantworten, denn erstens ist es vermutlich bei jedem Autor anders und zweitens können die meisten Leute nichts damit anfangen, wenn man behauptet, das fliege einem einfach so zu. ;) Ich persönlich schreibe in verschiedenen Genres und ziehe meine Inspiration insofern aus unterschiedlichen Quellen.

Erste Inspirationsquelle: Romane Eine Möglichkeit sind bei mir immer Bücher. Ich lese sehr viel und vor allem natürlich in den Genres, die ich auch selber schreibe. Es inspiriert mich immer sehr, ein gutes Buch zu lesen.

Meine Vampirreihe Nubila wurde zum Beispiel durch Twilight inspiriert. Typisch. Ich weiß. Aber mich hat die Geschichte damals fasziniert,

und ich wollte gerne etwas Ähnliches schreiben, ohne dass es ein Abklatsch wird. Daher habe ich zwar Vampire als Thema genommen, mir aber einen völlig anderen Plot und ein ganz neues Setting ausgedacht.

Zweite Inspirationsquelle: Reisen Bei meinen Liebesromanen lasse ich mich sehr viel von meinen Reisen beeinflussen. Bei allem, was ich im Leben mache, überlege ich sofort, ob ich es nicht in einem meiner Bücher mit einbauen kann. Als ich beispielsweise im letzten Jahr auf dem Festival Rock am Ring war, hatte ich sofort das Bedürfnis, diese Erfahrung in einem Buch zu verarbeiten.

Daraus entstand dann „Barfuß durch Scherben“.

Ich reise gerne und viel und habe auch noch Ideen für Australien, Schweden und Kanada in petto. Mal sehen, was sich daraus noch machen lässt. ;)

Dritte Inspirationsquelle: Menschen Vor allem für meine Liebesromane lasse ich mich sehr gerne von echten Menschen inspirieren. Natürlich achte ich darauf, sie zu verfremden und nutze andere Namen, aber trotzdem basieren viele meiner Geschichten auf realen Personen, die ich verändert, optimiert und meiner Geschichte angepasst habe.

Vierte Inspirationsquelle: Bilder und Filme Seitdem ich unter dem Pseudonym Jade McQueen mit einigen Kolleginnen sinnliche Liebesromane schreibe, ist mir klargeworden, dass auch Bilder eine tolle Inspirationsquelle sein können. Ich habe wohl noch nie so viele halbnackte Männerbilder durchgesehen, wie bei der Recherche zu dieser Reihe, und auch das Ansehen von Filmen wie Magic Mike hat mich sehr inspiriert. Keine Bildersuche hat jemals so viel Spaß gemacht.

Die Erlebnisse auf diesen Fotos haben mich alle zu meinem neuen Roman „Barfuß im Sand“ inspiriert.

Lieblingsautoren

9

Aus dem Alltag eines Autors. „Arrrgh! So ein verdammter Mist!“ Mein Freund sah von seinem Laptop hoch, an dem er gerade ein Computerspiel machte und sah mich stirnrunzelnd an. „Alles okay, Süße?“ Ich raufte mir die Haare. „Nein. Nichts ist okay. Ich sitze hier schon seit einer Stunde und muss unbedingt weitermachen. Und was passiert. Nichts. Gar nichts. Ich schreibe ein paar Sätze. Dann lösche ich sie wieder. Als Nächstes gehe ich ins Internet, weil ich etwas recherchieren möchte und landen tue ich bei Facebook. Eigentlich will ich mich da nicht lange aufhalten, aber dann sehe ich, dass jemand etwas Interessantes gepostet hat, das ich mir unbedingt ansehen muss, und schon ist die erste Stunde um. Das ist doch nicht zu fassen.“ Mein Freund grinste. „Soll ich das Internet ausschalten?“ „Nein! Bloß nicht. Das brauche ich doch zum Recherchieren.“ „Worüber musst du denn recherchieren?“ „Na, alles Mögliche. In meinem neuen Roman Barfuß im Sand geht es um Namibia. Ich habe da zwar damals ein Praktikum gemacht, aber das ist alles so ewig lange her, und ich kann mich an kaum noch etwas erinnern. Also muss ich Namen und Orte nachschlagen, damit ich keinen Blödsinn schreibe und noch dazu aufpassen, dass ich mich nicht in meiner Geschichte verheddere. Mann. Manchmal würde ich ja am liebsten alles hinschmeißen.“ Mein Freund kam zu mir und schaute mir über die Schulter. Ich schrieb grundsätzlich auf der Couch, weil ich es bequemer fand. Ich hatte den Laptop auf meinen Beinen liegen und tippte einfach so vor mich hin. Das funktionierte meistens ganz gut, aber heute kam ich einfach nicht voran. Ich hatte mir vorgenommen, an jedem freien Tag mindestens 3.000 Wörter zu schreiben und geschafft hatte ich bisher 150. Und warum? Weil mir einfach die Inspiration fehlte. Ich wusste gerade partout nicht, was ich schreiben sollte. Es war, als hätte ich einen Knoten im Gehirn und wüsste einfach nicht weiter. „Hm. Wenn ich mir diese Buschmänner ansehe, dann ist es kein Wunder, dass du nicht mehr weißt, wie es weitergehen soll“, bemerkte mein Freund und deutete auf den Bildschirm, wo ein Bild des Naturvolkes Sans geöffnet war. „Viel spannender sind doch die tollen Landschaften.“ Er stand auf und kam kurze Zeit später mit einem Fotoalbum von meiner Praktikumszeit aus Namibia wieder. Er setzte sich neben mich und nahm mir den Laptop aus der Hand. „Komm. Wir schauen mal zusammen. Wäre doch ein Wunder, falls dich da nichts inspiriert.“ Ich seufzte, war aber froh über die Pause und kuschelte mich an seinen Arm. Wenn ich Zeit mit meinem Freund verbrachte, hatte ich ein sehr viel weniger schlechtes Gewissen, wenn ich dafür das Schreiben vernachlässigte. Immerhin wollte ich ihn ja nicht verlieren, nur weil ich ständig vor dem Laptop hockte.

Er schlug das erste Bild auf, und ich sah sofort das Projekt vor mir, in dem ich damals gearbeitet hatte. Ich hatte 10

Lieblingsautoren

dabei geholfen, Kindern Nachhilfe zu geben und mit ihnen unterschiedliche Projekte gemacht. Es war mir nicht schwergefallen, mir dieses Setting für mein Buch auszusuchen. Die Arbeit dort war einfach unheimlich spannend gewesen und ein toller Background für mein neues Buch.

Wir blätterten weiter, bis wir von den Bildern der Kinder zu den Naturfotos kamen. An den Wochenenden war ich häufig mit den anderen Praktikanten unterwegs gewesen, und wir hatten uns tolle Naturphänomene sowie Nationalparks angesehen. Auf jedem Bild waren andere Tiere zu sehen: Elefanten, Giraffen, Löwen, Kudus und vieles mehr, und mich packte eine starke Sehnsucht, mal wieder in dieses Land zu fliegen. Die Zeit dort war wirklich faszinierend gewesen. „Schick deine Figuren doch in diesen Nationalpark“, schlug mein Freund vor. „Wie hieß er nochmal?“ „Etosha-Nationalpark“, antwortete ich. „Ja. Das wäre schon toll, aber es muss auch zur Geschichte passen. Ich kann ja nicht einfach sagen: Schwups. Und jetzt sind sie im Nationalpark. So einfach ist das nicht, Schatz.“ Mein Freund nickte und blätterte weiter. Wir kamen zu ein paar Fotos mit einer tollen Felsenlandschaft. „Was war das nochmal?“, fragte er. „Spitzkoppe“, antwortete ich. „Das war gar nicht so weit von uns entfernt. Und die Ameib Ranch auch nicht.

Da könnte ich meine Protas tatsächlich hinschicken. Die Frage ist nur, was sie dort machen sollen.“ „Hast du denn überhaupt keinen Plan?“ Ich hob hilflos die Schultern. „Ich bin einfach schlecht im Plotten. Viele Autoren wissen ja schon vorher ganz genau, was passieren soll, aber bei mir kommen die Ideen beim Schreiben. Normalerweise zumindest.“ „Hm. Was hast du denn damals dort gemacht?“ „Bei Spitzkoppe haben wir den Sonnenaufgang beobachtet. Das war wirklich toll. Vielleicht ...“ Mein Gehirn fing an zu rattern. Vielleicht konnte ich das wirklich in Barfuß im Sand einbauen. Es war ein unheimlich tolles Erlebnis gewesen. Wir waren schon ganz früh aufgestanden, hatten dann aber noch eine halbe Stunde auf unseren Taxifahrer warten müssen, weil die Leute in Namibia chronisch unpünktlich waren. Dann hatten wir uns auch noch verfahren, obwohl der Weg angeblich idiotensicher war. Trotzdem waren wir pünktlich vor Sonnenaufgang an den riesigen rund geformten Steinen angekommen und an einem Seil bis oben auf die Spitze geklettert. Von dort aus hatten wir wunderbar beobachten können, wie die Sonne langsam am Horizont erschienen war.

Der Moment war unglaublich schön und sehr romantisch gewesen, sodass ich in dem Augenblick schmerzlich meinen Freund vermisst hatte, der leider damals arbeiten musste und mich nicht ins Ausland hatte begleiten können. Doch meinen Protas musste es ja nicht zwangsläufig genauso gehen. Vielleicht war dieser Ort ganz weit oben auf den Felsen genau der Richtige, damit die beiden sich endlich mal etwas näherkommen könnten.

Nachdenklich strich ich über das Bild. „Glaubst du, das wäre ein guter Ort für einen ersten Kuss?“, fragte ich meinen Freund. „Keine Ahnung. Ich war ja nicht dort, und ich hoffe ja, dass du das dort oben nicht ausprobiert hast.“ Ich verzog den Mund. Ich war damals nur mit Mädchen dort gewesen. Unser Taxifahrer war unten geblieben, und den hätte ich auch ganz sicher nicht als Kusspartner in Erwägung gezogen. Aber in meinem Buch „Barfuß im Sand“ sah das schon ganz anders aus.

Da gab es sogar gleich mehrere Optionen, wer wen küssen könnte, und vielleicht bekam ich da ja etwas in der Art zustande. Auf einmal sah ich ganz genau vor Augen, wie es weitergehen könnte und strahlte meinen Freund an. „Ich glaube, ich hab‘s“, sagte ich und drückte ihm dankbar einen Kuss auf den Mund. „Du bist ein Schatz.

Vielen lieben Dank für deine Hilfe.“ „Klar. Kein Ding. Dann mach du mal weiter, damit ich mich wieder Age of Empires widmen kann. Aber heute Abend sind wir auf einem Geburtstag eingeladen. Nicht vergessen, ja?“ Ich lächelte breit und nickte. Mein Freund war einfach der Beste. Mit einer Autorin zusammenzuleben, war sicher nicht leicht, da ich ständig in meiner eigenen Welt lebte, aber ich fand, er meisterte das wirklich gut.

Guter Dinge nahm ich meinen Laptop zur Hand und machte mich wieder an die Arbeit. Es war Zeit, etwas mehr Action in die Geschichte zu bringen, um Barfuß im Sand noch spannender zu machen. Ich freute mich schon darauf.

Barfuß im Sand Chrissie will einfach nur weg.

Weg aus Deutschland, weg von ihren Problemen und weg von dem Wahnsinn, der ihr Leben sein soll. Daher kommt ihr ein Praktikum in Namibia gerade recht.

Sonne, Palmen und Strand, so hat Chrissie sich ihren Aufenthalt dort vorgestellt. Stattdessen landet sie mitten in den Slums von Usakos, wo die Menschen kaum zu essen haben und Chrissies komplettes Weltbild auf den Kopf gestellt wird.

Am liebsten würde sie sofort wieder zurückfliegen.

Doch dann trifft sie auf Adam, der eine tiefe Abneigung gegen Deutsche hegt und trotzdem eine große Faszination auf Chrissie ausübt. Aber hat eine solche Beziehung überhaupt eine Zukunft? Immerhin hat Chrissie nicht vor für immer in Namibia zu bleiben ...

Lieblingsautoren

11

BABSY TOM

AVOCADOS UND INSPIRATIONEN

Foto: Barbara Tomczak

Sechs Uhr morgens. Müde schaue ich in den Spiegel, bevor ich mir Wasser ins Gesicht patsche. Am Wochenende musst du dich hinsetzen und endlich mal den Artikel für die Messezeitschrift schreiben, denke ich bei mir. Wie war gleich das Thema? Inspiration?

W

as inspiriert mich eigentlich? Keine Ahnung ... so im Moment. Ich trockne mein Gesicht ab und schaue genauer in den Spiegel. War dieser merkwürdige braune Fleck da gestern schon? Ich ziehe den Spiegel, der fieserweise schon 16-fach vergrößert, noch näher heran und betrachte mein Hautbild. Meine Poren sehen jetzt aus wie kleine Einschusslöcher oder eine Mondkraterlandschaft. Ich finde das extrem unschön. Ich versuche, nicht die Stirn zu runzeln, was angesichts des Anblicks gar nicht so einfach ist. Jetzt bloß nicht noch auf die Oberschenkel schielen … ich sage nur Orangenhaut.

Mensch, apropos Obst, vielleicht sollte ich mir die Avocado einfach mal ins Gesicht schmieren

anstatt aufs Brot. Soll ja Wunder wirken bei trockener Haut. Aber jedes Mal, wenn ich mit den Fingerspitzen über die Schale der Avocado streichle, denke ich: Und wenn du hinterher genauso aussiehst?, und dann lass ich’s.

Und wieder frage ich mich: Was sind eigentlich die sieben Zeichen der Hautalterung? Hm? Falten, Trockenheit, Altersflecken? Das sind drei. Hab ich alle. Was sind die restlichen vier? Ich bin jetzt so alt wie Heidi Klum, Kader Loth, Sonya Kraus oder Jenny Elvers.

Kann ich da eigentlich noch mithalten? Ob die auch Flecken im Gesicht haben? Oder anderswo?

Meine Tochter kommt ins Bad. Ich deute auf den Fleck und frage: „War der schon immer da?“ Sie blinzelt, und ich sehe ihr direkt an, wie es hinter der Stirn arbeitet. Bloß nichts Falsches sagen. Diplomatisch wechselt sie auf ihr Lieblingsthema: „Heute ist Taschengeldtag.“ „Nur, wenn du dein Zimmer putzt“, antworte ich. „Mama, siehste. Der Fleck da, ne? Das ist Karma. Den hättest du nicht, wenn du deiner Tochter wöchentlich bedingungslos die Kohle rüberschieben würdest.“ „Hey“, schnauze ich, „ich bin vielleicht fleckig, aber nicht blöd.“ Und schon fliegt die Kinderzimmertür.

Ich weiß, dass sie am Wochenende auf eine Party gehen will. Ob ich sie noch einmal über die Gefahren von zu viel Alkohol aufkläre? Bestimmt wird sie mich daraufhin wieder auf die Gefährdung von Jugendlichen durch zu wenig Taschengeld hinweisen. Kenn ich schon. Eigentlich hat sie mich bezüglich Alkohols ja noch nie enttäuscht, aber schaden kann es trotzdem nicht. Genauso wie Sport treiben, pikst mich mein schlechtes Gewissen. Nun schaue ich doch an mir runter. Der Bauch war auch schon mal flacher. Wollte ich im neuen Jahr nicht wieder joggen gehen? Aber es ist ja so kalt draußen. Heute Nacht hat es obendrein geschneit.

Hoffentlich kommt mein Mann heil zur Arbeit, der muss immer über die Stadtautobahn. Hat der Verkehrsfunk nicht eben einen schlimmen Unfall gemeldet? Muss ich nachher mal genauer hinhören. Oder vielleicht ruf ich ihn gleich an? Lieber nicht, nachher gibt‘s noch ein Unglück, bloß weil er wegen meiner übertriebenen Sorge das Handy sucht, das er mal wieder vergessen hat einzustöpseln. Kohlsuppendiät. Das ist bestimmt nicht so anstrengend wie Sport. Und man kann es »drin-

nen« tun. So vermeidet man ja auch Sportunfälle.

Joggen bei Schnee und Glätte ist super gefährlich.

Vielleicht googel ich nachher mal tolle Rezepte.

Ach nee, lieber doch nicht. Von Kohl werde ich ja immer nicht richtig satt. Und ich hasse Hunger. Ja, aber du hasst den dicken Bauch auch! Aber von zu viel Kohl kriegt man doch auch einen dicken Bauch. Ja sicher, aber doch nur vorübergehend.

Ob Heidi Klum auch Kohl isst? Vielleicht warte ich einfach mal ab, was der Supermarkt hergibt.

Eventuell springt mir ja irgendwas ins Auge. Apropos Auge, zum Augenarzt wollte ich auch mal wieder. Pfff, genau! Damit ich die Einschusslöcher und Flecken im Gesicht auch ohne 16-fach-Vergrößerung sehen kann. Vergiss es! „Mama, hörst du mich heute Abend für Englisch ab?“, ruft mir meine Tochter im Vorbeigehen zu. „Klar, kann ich machen, aber erst schreibe ich den Artikel für die Messezeitschrift. Danach, okay?“ Hm, was schreibe ich da bloß? Was inspiriert mich eigentlich? Eigentlich reicht manchmal schon ein Blick in den Spiegel, denke ich bei mir. „Übrigens …“, säuselt meine Tochter in mein ge-

dankliches Selbstgespräch und umarmt mich von hinten, „… wer dich sehr doll lieb hat, dem fällt der Fleck da überhaupt nicht auf “. „Taschengeld liegt in der Küche“, maule ich und grinse unserem Spiegelbild zu.

Liebe Leserinnen und Leser, wie ihr seht, geht mir schon kurz nach dem Aufwachen jede Menge im Kopf herum. Wenn ich einen Roman schreibe, ist das ähnlich, nur dass sich mein Gedankenkarussell ständig um meine Protagonisten dreht. Inspiriert werde ich praktisch durch alle äußeren Reize. Meine Geschichten liegen quasi auf der Straße. Manchmal ist es ein kurzer Einkauf im Supermarkt oder in der Drogerie.

Bisweilen sind es Eindrücke, die ich beobachte, in der Schlange zur Kasse, beim Spazierengehen oder auch nur vor dem Fernseher. So, wie meine Leser und Leserinnen meine Geschichten in ihren Köp-

fen »weiterspinnen«, so spinne ich meine täglichen Eindrücke weiter. Und so entstehen Geschichten, die meist sehr nah am echten Leben sind. Das größte Lob, das ich kriegen kann, ist, wenn ein Leser schreibt: »Hätte genauso auch im echten Leben passieren können.« Das ist es, was ich möchte.

Geschichten schreiben, die das Leben spielt. Und so schließt sich der Kreis. Im Prinzip bringe ich mein Leben auf Papier, und ihr alle dürft über meinen kleinen persönlichen Gartenzaun schauen. Ich wünsche euch auch zukünftig viel Spaß mit meinen Büchern und hoffe, ihr blättert mal wieder rein. Ich bin dann mal im Supermarkt, Avocados kaufen und mich inspirieren lassen. ;-) Herzliche Grüße, eure Babsy

Erinner dich an Liebe Elena hat es nicht leicht. Um ihren auf die schiefe Bahn geratenen Bruder Stefan zu schützen, musste Elena ihre Karriere als Apothekerin aufgeben und arbeitet nun als Kellnerin. Als sie bei der Arbeit eines Tages zusammenbricht, fällt sie Enrique Martinez, dem charismatischen Eigentümer der Restaurantkette, buchstäblich in die Arme. Enrique bringt sie ins Krankenhaus und denkt über einen Plan nach, um ihr zu helfen. Als es Elena wieder besser geht, unterbreitet der Spanier ihr ein äußerst lukratives, wenn auch unlauteres Angebot. Ein Jahr Mallorca und ein sorgenfreies Leben klingen verlockend, doch kann Elena auch dem Rest des Vertrages zustimmen und ihren Bruder in Deutschland mit seinen Problemen zurücklassen?

Lieblingsautoren

15

BÉLA BOLTEN

VOM BLEIBEN UND VOM GEHEN Foto: Privat

16

Lieblingsautoren

EIN GESPRÄCH MIT BÉLA BOLTEN ÜBER DAS SCHREIBEN, DAS REISEN, DIE LIEBE UND DAS LEBEN.

Ü

ber Inspiration soll ich euch etwas erzählen? Ich hoffe, Ihr habt genug Zeit mitgebracht.« Wir sitzen an einem klaren Herbstnachmittag auf Béla Boltens kleinem Balkon. Auf dem Tisch stehen Espressotassen, aus denen es verführerisch duftet, dazu ein Teller mit Schokolade und Keksen. »Warum reden wir nicht über Essen und Trinken?« Bolten nimmt einen Schluck. «Ich kenne kaum einen Kollegen, der nicht seinen eigenen ›Treibstoff‹ hat, um die Kreativität in Gang zu bringen.« In den nächsten Minuten plaudern wir über dieses und jenes. Der Blick schweift immer wieder über den Bodensee – genauer über den Überlinger See, wie dieser Teil des Sees heißt. Geduldig erklärt Bolten die Sehenswürdigkeiten am anderen Ufer und welche Traube an der Birnauer Kirchhalde am besten gedeiht. Ist der See, der unten in der Nachmittagssonne glitzert, nicht selbst Inspiration etwa für die Krimireihe um die Konstanzer Kommissare Bettina Berg und Alexander Thal? »Natürlich. Die Reihe spielt hier, manche Orte, Cafés und Restaurants

existieren tatsächlich. Aber die Region und der See alleine sind es nicht, die mich bei der Arbeit beflügeln.

Du musst auch offen sein für das, was dich umgibt.« Béla Bolten zog mit seiner Frau vor gut siebzehn Jahren vom Münsterland an den Bodensee. »Das ist eine lange Zeit. Konstanz und der See sind längst Heimat geworden. Und trotzdem haben wir uns das Staunen bewahrt, das manchem Alteingesessenen fehlt. Wir nehmen die großartige Landschaft herum nicht als etwas, das uns selbstverständlich gehört, sondern als etwas, das es immer wieder aufs Neue zu entdecken gilt.« Was ist denn das Besondere an dieser Landschaft, will ich wissen.

Und was für einen Einfluss hat sie auf das Schreiben und die Figuren, die dabei entstehen? »Für viele, die hier geboren sind, ist der See eine Art Hindernis, die Menschen voneinander trennt. Jemand aus dem deutschen Langenargen fährt nicht oft ins Schweizerische Arbon. Das ist Übersee. Weit weg.

Obwohl es Luftlinie nur gut zehn Kilometer sind. Selbst die Schnellfähre zwischen Konstanz und Friedrichshafen, den beiden großen, deutschen

Städten am See, fuhr viele Jahre in den roten Zahlen. Zu groß war die Barriere in den Köpfen der Menschen. Für mich verbindet der See. Wir fahren samstags regelmäßig mit dem Schiff zum Wochenmarkt nach Überlingen, genießen die Bregenzer Festspiele, fahren mit dem Schiff den Rhein hinauf bis Schaffhausen.« Man merkt, wie sehr Béla Bolten die Region liebt, in der er lebt und in der die meisten seiner Kriminalromane spielen. Dabei hat er keinen verklärten Heimatbegriff, sieht die Probleme, die aus der Randlage und dem manchmal nur schwer zu ertragenden Massentourismus entstehen.

Vielleicht betont er deshalb so oft, dass am meisten die Weite des Sees fasziniert, die dem Blick keine Grenzen setzt. »Natürlich ist der Bodensee eine ideale Location für Kriminalromane.

Drei Länder, dazu der See an sich mit der Schifffahrt, viele international bekannte Spots wie die Insel Mainau und das wunderschöne Konstanz, das viele Leute aus den Ferien kennen. So tolle Schauplätze kann man gar nicht erfinden!« Ob er mit Blick auf den See schreibe, will ich wissen. Ja, manchmal setze

Bodensee - eine inspirierende Landschaft.

Lieblingsautoren

17

Bali - Boltens Winterheimat. er sich auf den Balkon. Inzwischen habe er aber keinen festen Arbeitsplatz mehr. In den ersten Jahren als Autor habe er nur in seiner kleinen Schreibstube arbeiten können, durch deren Fenster nichts als der Himmel sichtbar sei. Das sei heute anders.

Er habe sich die gesamte Wohnung erobert, wandere durch die Räume, wechsle manchmal sogar mehrmals am Tag den Arbeitsplatz. »Bewegung und Veränderung, das sind für mich wichtige Inspirationsquellen.« Es ist kühler geworden, und wir ziehen ins Wohnzimmer um. Zeit 18

Lieblingsautoren

für einen Whisky, meint Bolten.

Die Flaschen stehen in einer zur Bar umfunktionierten antiken Truhe. Er wählt mit Bedacht und schenkt uns von einem seiner Lieblingswhiskys ein. »Ich liebe es, an fremden Orten zu schreiben.« Überhaupt sei das einer der größten Vorteile des Schriftstellerberufs.

Man könne überall auf der Welt arbeiten, den Kontakt mit Coverdesignern und Lektoren halte er ohnehin nur über Internet. »Wenn man so will, bin ich ein digitaler

Teilzeitnomade. Ich habe schon an sehr vielen verschiedenen Orten an meinen Krimis gearbeitet.« Er deutet auf das Whiskyglas. »Edinburgh zum Beispiel. Und seit zwölf Jahren entfliehen meine Frau und ich dem tristen Bodenseewinter.« Dann lebt und arbeitet Bolten zwei bis drei Monate auf Bali, in Thailand oder Neuseeland. Aber auch im Sommer hält es ihn nicht lange am Bodensee. »Ich genieße es, an ungewöhnlichen Orten zu schreiben. Auf einem Kreuzfahrtschiff zum Beispiel. Auf dem Meer fliegen einem die Ideen geradezu zu.« Kreuzfahrt, da denkt doch jeder an Ferien, sage ich.

Gar nicht an einem Roman zu arbeiten, das funktioniere nur schwer, sagt Bolten. Natürlich verordne er sich hin und wieder schreibfreie Zeiten, aber die Gedanken ließen sich nun einmal nicht abstellen. »Irgendwo im Hinterkopf strickt man immer an einer Geschichte.« Bali, Kreuzfahrtschiff, das klingt schon sehr nach dem Klischee vom bohemienhaften Leben des Künstlers, werfe ich ein. Bolten lacht schallend auf. »Fragen Sie meine Frau, die wird Ihnen etwas ganz anderes erzählen.« Im Grunde genommen habe er den Arbeitstag eines Beamten – nur dass seiner oft länger als acht Stunden dauere. Auch auf Bali – Tropenparadies hin oder her. Für jedes Projekt setzt er sich ein tägliches Schreibpensum. Normal seien dreibis viertausend Wörter, es könnten aber auch mal mehr werden.

Und Schreibkrisen oder Blockaden gibt es nicht?

Bolten schüttelt energisch den Kopf. »Die kann sich jemand, der vom Schreiben lebt, nicht leisten.« Aber es kann doch nicht sein, dass man jeden Tag gleich gute Qualität abliefert, hake ich nach. »Stimmt«, antwortet Bolten. »Die große Nora Roberts hat mal sinngemäß gesagt: ›Zehn schwache Seiten kann man am nächsten Tag überarbeiten, zehn leere Seiten nicht.‹ Sie hat damit völlig recht. Es kommt darauf an, zu schreiben. Jeden Tag. Ein

Schriftsteller hat vor allem Schwielen am Gesäß.« Klingt nach harter Arbeit, sage ich. »Ist es«, lautet Boltens lapidare Antwort. »Und trotzdem ist es der großartigste Beruf der Welt. Man ist völlig unabhängig.« Ich komme noch einmal zum Thema Inspiration zurück. Ich habe verstanden, dass für Béla Bolten seine Heimat genauso eine kreative Kraftquelle ist, wie das Reisen und das Leben und Arbeiten an fremden Orten.

Was ist mit Menschen? »Sie sind das Wichtigste überhaupt. Allen voran meine Frau.

Ohne sie ginge gar nichts – und das hat bei weitem nicht nur mit dem üblichen ›du brauchst jemanden, der dir den Rücken freihält‹ zu tun. Es geht um Vertrauen und Verlässlichkeit. Und um das Verständnis, das in dreißig Jahren gewachsen ist. Es erscheint kein Text von mir, den meine Frau nicht abgesegnet hat. Jede Idee wird gemeinsam diskutiert. Zu zweit entscheiden wir, was verworfen wird und was es wert ist, weiterverfolgt zu werden.« Und selbstverständlich seien Schriftsteller auch immer Men-

schenbeobachter. Im Café, im Zug, auf dem Flughafen. Wo immer man mit Fremden zusammenkomme, könne man für seine Romane lernen.

Jeder Autor sammle Verhaltensweisen, bestimmte Arten zu sprechen, zu schauen, zu gehen. »Wenn Sie mit einem Schriftsteller zusammen sind, sollten Sie sich bewusst sein, dass Sie möglicherweise in seinem nächsten Roman vorkommen. Vielleicht als Schurke oder als rettender Engel. Sie können auch das Opfer eines grausigen Verbrechens werden.« Keine schöne Vorstellung. Also bringe ich das Gespräch lieber auf die aktuelle Veröffentlichung. »Mal wieder ein Krimi vom Bodensee.« Boltens Augen glänzen, das Projekt scheint ihm Spaß zu machen. »Der Memorymann erscheint pünktlich zur Leipziger Buchmesse. Es ist der zehnte Fall für Berg und Thal.

Und es ist der Beste. Aber das sagt jeder Autor von seinem neuesten Buch.« Béla Boltens Augen blitzen derart fröhlich, als er sein neuestes Werk lobt, dass man gar nicht anders kann, als ihm zu glauben.

Der Memorymann Eine junge Frau liegt tot in einer Badewanne. Es ist nicht ihre Wohnung.

Niemand kennt sie. Niemand weiß, wie sie dort hingekommen ist.

Der Täter hat verstörende Zeichen hinterlassen, die nur eines bedeuten können: Er hat bereits gemordet und er wird es wieder tun.

Die Konstanzer Kriminalpolizisten Bettina Berg und Alexander Thal geraten in einen Wettlauf gegen die Zeit. Es ist ein Spiel gegen einen ganz besonderen Gegner. Der Memorymann ist intelligent. Er ist skrupellos. Er ist brutal. Vor allem aber: Er ist sich seines Sieges sicher.

Als E-Book und Taschenbuch exklusiv bei Amazon

Gedanken brauchen Raum zum Fliegen.

Lieblingsautoren

19

ELLA WÃœNSCHE

DIE BEWEGENDSTEN GESCHICHTEN SCHREIBT DAS LEBEN

20

Lieblingsautoren

Ella Wünsche liebt Geschichten. Die Heidelberger Autorin mit bosnischen Wurzeln findet die Inspirationen häufig im echten Leben. In ihrem neuesten Roman „Der Unsterbliche und die Göttin“ erzählt sie von Annie, die zur strebsamen Tochter erzogen wurde und gerade ihr Studium im Rekordtempo absolviert. Doch was ihr im Leben fehlt, ist Leidenschaft. Als Annie in die bosnische Heimat ihrer Mutter reist, stolpert sie über ein Geheimnis aus deren Jugendzeit – eine große Liebesgeschichte, die sogar den Tod überdauert hat. Es ist eine Geschichte, die Ella Wünsche sehr am Herzen liegt, weil sie sich in ihrem Freundeskreis in den Neunzigern sehr ähnlich zugetragen hat.

EIN BOSNIEN-BESUCH MIT DER AUTORIN. TEXT: DANIEL MORAWEK

E

in schmaler, ausgetretener Trampelpfad, der den Berg hinaufführt. Die Bäume erstrahlen in sattem Grün. Ein paar Senioren in Bademänteln grüßen uns. Ein kleiner Bunker schaut zwischen den Büschen hervor. Und dazu vereinzelte Sonnenstrahlen, die an diesem warmen Herbstnachmittag durch das Blätterdach hindurchbrechen.

Von hier oben hat man den besten Ausblick auf den kleinen Kurort, mit seinen großen Hotelanlagen, die gerade wieder einmal ausgebaut werden. Ausländische Besucher denken bei Bosnien meist an mediterrane Landschaft, so wie etwa in Kroatien.

Wenn sie dann hier ankommen, fällt ihnen auf, dass die bosnischen Berge in Wirklichkeit erstaunlich viel Ähnlichkeit mit dem Schwarzwald haben.

Ella Wünsche ist abwechselnd bei den Eltern in Deutschland aufgewachsen und hier bei Verwandten, im idyllischen Kurort. »Kurz vor Kriegsausbruch hat mein Vater mich zurück nach Deutschland geholt. Meine Schulfreunde sind größtenteils geflohen, manche sind auch geblieben«, sagt Ella Wünsche.

Besonders ein Schicksal hat sie noch jahrelang bewegt, das einer guten Freundin. Im Buch bildet sie die Inspiration für „Marija“, die Anfang der Neunziger von einer Karriere als Sängerin träumt und in einer Nachwuchs-Rockband singt. »Diese Zeit kurz vor dem Krieg, das war auch meine Jugendzeit. Damals hingen wir den ganzen Tag in Cafés herum, tranken Erdbeersaft, haben von Musikern geschwärmt

und unsere Zukunftsträume gesponnen. Dass ausgerechnet in Bosnien ein Krieg ausbrechen könnte, wo damals der Nationalismus kaum ausgeprägt war, das hat lange niemand von uns Jugendlichen glauben wollen.« Die 18-jährige Marija verliebt sich in den Mitdreißiger und Bandleader Keith. Der coolste Typ in der Kleinstadt, der schon die halbe Welt gesehen hatte und ein Kosmopolit war, er passte so gar nicht in das kleinkarierte Provinzleben. »Diese Band gab es wirklich in meiner Jugendzeit. Und den Kerl, den hier alle nur Keith nannten.

Wenn er nicht gerade in Bosnien war, reiste er durch die Welt und trieb sich in Rom und Paris und anderen europäischen Metropolen herum. Die Liebe zu meiner Freundin hat er nie erwidert, obwohl er sie immer nur Göttin nannte. Ich denke, weil seine Lebenserfahrung zwischen ihnen stand. Er nannte sie mal so rein wie Zigarettenpapier. Später hat er sich freiwillig für den Krieg gemeldet, was niemand so recht verstanden hat.« Er hatte die ganze Welt gesehen.

Doch die wahre Liebe hat er zu Hause gefunden, in der Provinz. Auch wenn er diese Liebe nicht mehr ausgelebt hat. »Die Leute, die mit ihm zusammen im Krieg waren, erzählen, dass er irgendwann immer mehr von seiner Marija erzählt hat. Doch er ist im Krieg geblieben.« Auch die echte „Marija“, die heute wieder hobbymäßig in einer Band singt, beschäftigt die Geschichte immer noch so sehr, dass sie vor ein paar Jahren einen Song

über den Unsterblichen geschrieben hat. »Zum Glück geht es ihr heute gut.

Sie führt ein glückliches Leben mit ihrer Familie und arbeitet in Den Haag als Dolmetscherin«, sagt Ella Wünsche, als wir den Berg hinab steigen und uns in eins der zahlreichen Cafés um das Kurgelände setzen. Überall sitzen junge Leute herum, mitten am Tag, trinken ihren Mokka, essen Baklava und rauchen viel. Die Arbeitslosigkeit ist hoch in Bosnien, aber die meisten Menschen schaffen es, sich mit der Situation zu arrangieren. Mit schwarzem Humor und Kaffeebesuchen. So ist das echte Leben in Bosnien.

Warum sie häufig auf Begebenheiten zurückgreift, will ich von Ella Wünsche wissen. »Es gibt Geschichten, die es wert sind, dass man sie nicht vergisst«, sagt die Autorin. »Es sind immer Begebenheiten, die mich selbst berühren oder auch zum Lachen bringen, die ich aufgreife.« Auch in ihrem ersten Roman »Das Leben ist (k)ein Brautstrauß«, kam die Inspiration für Miriam, die als Bedienung bei einem Caterer für ausländische Hochzeiten arbeitet und dabei selbst von der großen Liebe träumt, aus dem Bekanntenkreis.

Lieblingsautoren

21

»Eine Freundin von mir hat lange Zeit in einem ähnlichen Umfeld gearbeitet. Sie hat mir immer wieder gesagt: Das ist so verrückt, darüber musst du man mal ein Buch schreiben. Und irgendwann habe ich das auch getan.« Neben großen Gefühlen kommt auch der Humor bei Ella Wünsche nicht zu kurz. »Bei der Geschichte der Hochzeitsbedienung, die ihren Traumprinz sucht, während sie kuriose Dinge bei Hochzeiten erlebt, war das einfach. Bei meinem neuen Roman sieht das natürlich anders aus.

Trotzdem versuche ich immer, eine gewisse Leichtigkeit in meinen Geschichten herzustellen. Dabei helfen mir tatsächlich Figuren aus dem echten Leben. Menschen und Typen, die ich beobachte, und die nicht selten eine Rolle als Nebenfigur in einem Roman erhalten.« Wir bezahlen und gehen noch ein bisschen spazieren. Am Nachmittag fahren wir in die Berge. Hinter sie-

22

Lieblingsautoren

ben Hügeln gelangen wir zu einer kleinen, unscheinbaren Hütte, die tief im dichten Wald versteckt, an einem Bach liegt. Hier verbirgt sich eine der besten Forellen-Bratereien im großen Umkreis. Eigentlich hat der Imbiss Winterpause eingelegt. Es gibt nur eine Terrasse mit provisorischem Dach für die Gäste. Doch für den Besuch aus Deutschland haben die Besitzer den Grill noch einmal angeschmissen. Und so lassen wir unsere Mäntel eben an beim Essen.

Nachdem der Raki und die Fische in großen Mengen auf dem Tisch stehen, setzen sich die Hausherren zu uns und erzählen Geschichten aus ihrem Leben.

Lauert hier schon die nächste Inspiration für einen Ella Wünsche Roman, will ich von der Autorin wissen? »Vielleicht. Man kann nie wissen.

Aber für den Moment genieße ich erst einmal das Essen. Die Forelle hier ist wirklich einmalig, nicht?«

DER NEUE ROMAN VON ELLA WÜNSCHE:

Der Unsterbliche und die Göttin Annie reist zum ersten Mal seit ihrer Kindheit in die Heimat ihrer Familie. In Bosnien stößt sie auf Geheimnisse aus der Jugendzeit ihrer Mutter. Bei der Suche nach weiteren Informationen taucht Annie in eine Welt zerplatzter Rock’n’Roll-Träume und einer großen Liebesgeschichte ein, die sogar der Tod nicht besiegen kann.

Und dann ist da noch Milos, ein Einsiedler, dessen dunkle Augen ihr den Schlaf rauben. Milos scheint ein Geheimnis zu haben. Wird er Annies wohlgeordnetes Leben auf den Kopf stellen?

Oder holen ihn die Schatten seiner eigenen Vergangenheit ein ...

Erhältlich als eBook & Taschenbuch.

Jetzt Fan werden bei Facebook und immer auf dem Laufenden bleiben: bit.ly/EllaWuenscheFacebook www.ella-wuensche.de

Lieblingsautoren

23

POPPY J. ANDERSON

WARUM MICH AUTOFAHRTEN INSPIRIEREN

Foto: Privat

»... während ich über dieses Phänomen nachdachte, wusste ich, dass ich eine Beauty Bloggerin in meinen nächsten Roman einfließen lassen musste.«

D

ie Frauen unter Ihnen werden folgendes Problem kennen: Man fährt in die Stadt zum Einkaufen, weil man unbedingt ein neues Paar Schuhe oder ein neues Kleid braucht, und kommt mit nichts zurück, da man nichts finden konnte.

Fährt man jedoch mit der Absicht in die Stadt, einfach nur zur Post zu gehen oder seine Kontoauszüge abzuholen, fallen einem beinahe die Arme ab, weil man die vielen Einkaufstaschen kaum tragen kann.

Ungefähr so verhält es sich mit der Inspiration.

An manchen Tagen sitzt man geradezu verzweifelt vor seinem Computer, rauft sich die Haare und stopft sich vor lauter Frustration mit Schokolade voll, während man die leere Seite anstarrt und partout keine gute Idee hat.

Wenn man jedoch gerade an keinem Buch schreibt und sich vorgenommen hat, das Haus auf Vordermann zu bringen, endlich die

Winterreifen abziehen zu lassen und sich auf die verhasste Buchhaltung zu konzentrieren, überfallen einen die Inspirationen.

Komischerweise finden diese Überfälle bei mir meistens während längerer Autofahrten statt.

Beispielsweise hatte ich die zündende Idee für meinen Roman „Küss mich, du Vollidiot“ während einer zweistündigen Fahrt. In dieser Zeit plottete ich den kompletten Roman vom Prolog bis zum Epilog durch und sprach sogar ganze Dialoge in mein Handy hinein.

Auch für den Roman „Gleich und gleich küsst sich gern“ kam mir die zündende Idee während einer Autofahrt, die ich im Sommer 2015 quer durch Schottland unternahm. Damals saß ich – sehr geschlaucht von einem anstrengenden Tough Mudder – mit Muskelkater in meinem Mietwagen und lauschte zusammen mit meinen Freundinnen einem schottischen Radiosender.

Während ich mich auf den Linksverkehr konzentrierte, erzählte der Radiomoderator davon, dass laut einer Statistik so und so viele Singles diverse Partnerbörsen im Internet besuchten.

In meinem Kopf formte sich die Vorstellung von einer Verwechslungskomödie, bei der sich zwei Menschen auf einer Datingseite kennenlernen, obwohl beide nur durch Zufall bei dieser Partnerbörse gelandet sind, und beide ihre Identitäten verheimlichen. Somit war die Grundidee für „Gleich und gleich küsst sich gern“ geboren.

Die weiteren Inspirationen zu diesem Roman kamen nach und nach und meistens durch sonderliche Zufälle, die ich wie eine kurvige Autofahrt mit erwähnenswerten Stationen beschreiben würde. Ein paar dieser Inspirationen würde ich Ihnen gerne vorstellen.

Lieblingsautoren

25

Station 1: Die bereits beschriebene Autofahrt durch die schottischen Highlands lieferte die zündende Idee für den Roman, von dem ich damals noch nicht wusste, in welcher Buchreihe er spielen sollte und wie die Protagonisten sein sollten.

Ich wusste nur, dass eine Verwechslungskomödie auf einer Datingseite im Internet mit diversen sexuellen Anspielungen Raum für einige komische Situationen liefern würde.

Der Ausschlag dazu war eine einfache Radiomeldung.

Station 2: Zurück in Deutschland stand ich Monate nach meiner Schottlandreise in der Küche, kochte Spaghetti Bolognese und ließ im Hintergrund den Fernseher laufen, während neben mir meine Hunde den Herd bewachten.

Während ich also eine wirklich köstliche Sauce zubereitete, hörte ich im Musiksender das wohl bekannteste Lied der Spice Girls.

Wannabe dudelte unglaublich laut durch die ganze Wohnung, während ich das Musikvideo vor Augen hatte und an Ginger Spice dachte, die ich schon als Teenager super cool gefun26

Lieblingsautoren

den hatte. Geri Halliwell mit den roten Haaren, der großen Klappe und der frechen Art war einfach so anders als die typisch mädchenhaften Frauen gewesen.

Von ganz allein stand mit einem Mal meine Protagonistin vor meinem inneren Auge, die ebenfalls frech, rothaarig und mit einer großen Klappe gesegnet war. Ähnlich wie Geri Halliwell sollte auch meine Protagonistin nichts auf das geben, was andere Leute dachten, und stattdessen Astrid Lindgren nacheifern, die schon sagte: Sei frech und wild und wunderbar.

Station 3: Eines Tages rief mich eine alte Schulfreundin aufgeregt an, um mir zu berichten, dass jemand für das nächste Jahr ein Klassentreffen planen wolle. Mein Schreck war groß, schließlich würde ich für ein solches Ereignis mindestens zwanzig Kilo abnehmen wollen.

Nach diesem Telefonat durchkramte ich alle Regale und fand schließlich meine alte Abizeitung.

Während ich durch die Zeitung schmökerte, mir ausrechnete, wie viele Kilos ich pro Monat verlieren

müsste, um mein Ziel zu erreichen, stach mir das Foto eines alten Schulfreundes ins Auge. Eine Begebenheit unserer Abiparty hatte ich beinahe vergessen, da ich damals – ja, ich gebe es zu – ziemlich alkoholisiert war.

Und zwar verwechselte ich in meinem damaligen Zustand das FrauenWC mit dem der Herren und platzte in den Raum hinein, als besagter Klassenkamerad in aller Seelenruhe pinkelte. Weder ihm noch mir hatte die Situation viel ausgemacht, schließlich waren wir beide betrunken und kannten uns bereits seit der ersten Klasse. Doch die Erinnerung an diese Episode brachte mich zu der Idee, das Kennenlernen meiner beiden Protagonisten ganz ähnlich zu gestalten – sozusagen auf dem Klo. Station 4: Einen Tag nach einem Treffen mit meinen Lieblingskollegen in Berlin saß ich in der U-Bahn und wurde unfreiwillig Zeuge, wie drei Teenager ihrer Bewunderung für eine junge Frau Ausdruck verliehen, die allem Anschein nach Videos ins Netz stellte, auf denen sie sich schminkte. Tatsächlich wa-

ren die drei Mädels völlig begeistert davon, wie besagte Beauty Bloggerin mit ihrer Zahnseide umgehen konnte und mit welcher Perfektion sie ihre Nägel lackierte. Meine Neugierde war geweckt, also sah ich mir ihre Videos an und war tatsächlich gefesselt, was jedoch nicht daran lag, dass besagte Beauty Bloggerin besonders eloquent darüber sprach, wie sie sich die Wimpern tuschte, sondern was damit zu tun hatte, dass sie dermaßen viele Follower hatte. Seien wir ehrlich: Die Videos waren ein Grauen!

Und während ich über dieses Phänomen nachdachte, wusste ich, dass ich eine Beauty Bloggerin in meinen nächsten Roman einfließen lassen musste. Die Figur der Tiffy war geboren.

Station 5: Im September des letzten Jahres besuchte ich eine meiner Lieblingsstädte und konnte im Vorfeld tatsächlich Karten für ein NFL-Spiel ergattern. Bei schönstem Sonnenschein saß ich an einem Sonntagnachmittag im Meadowland Stadium und beobachtete die New York Giants und die Atlanta Falcons.

Begeistert von der wahnsinnigen Stimmung war sogar mein grauenvoller Sonnenbrand vergessen, den ich mir zwei Tage zuvor an der Küste zugezogen hatte.

Da ein Footballspiel ziemlich lange dauern kann und ich schon sehr früh nach New Jersey gefahren war, um so viel Atmosphäre wie möglich aufzunehmen, hing ich meinen Gedanken nach, während ich die beiden Teams beobachtete, die sich auf dem Feld warm machten. Das ganze Drumherum war der Wahnsinn, schließlich lagen in bestimmten Reihen Geschenke von großen Firmen, die Spieler machten Mätzchen und auf der Großleinwand wurden in einer Tour Filmausschnitte und Überraschungsvideos gezeigt. Da ich bislang beinahe ausschließlich Bücher über aktive Spieler geschrieben hatte, musste ich plötzlich daran denken, doch einmal einen Protagonisten zu nehmen, der hinter den Kulissen für den reibungslosen Ablauf zuständig

war. Angesichts des wahnsinnigen Marketings, dem ich verfiel, als ich mich im Fanshop mit allen möglichen Produkten zudeckte, sollte mein nächster Titans-Protagonist kein Spieler, sondern ein PR-Mensch sein.

Station 6: Auf dem Rückweg von New York nach Deutschland musste ich natürlich durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen, die für mich ein Horror ist, nachdem ich vor Jahren am Flughafen von Tel Aviv in die peinliche Situation kam, eine Schachtel Tampons im Handgepäck mitzuführen, die leider Gottes hinausfiel. Damals verteilten sich gut drei Dutzend Tampons auf dem gesamten Boden der Sicherheitskontrolle, während der wahrscheinlich schönste Mann, den ich jemals gesehen hatte, meinen Pass mit dem grauenvollen Foto kontrollierte und das ganze Drama mitansehen durfte.

Dieses Mal hatte ich vorgesorgt und war sozusagen auf alles gefeit, als vor mir ein älterer Herr durch die Sicherheitskontrolle ging, die wie wahnsinnig zu piepen begann.

Dies wiederholte sich einige Male, während die Schlange hinter mir immer länger wurde. Geduldig sah ich zu, wie der arme Mann Schuhe, Gürtel und sogar die Socken ausziehen musste, und fragte mich, was Menschen machten, die Titanplatten oder Schrauben unter der Haut tragen. Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich die Idee, dass mein Protagonist ein ehemaliger CollegeFootballspieler war, der wegen einer Verletzung mit dem Sport aufhören musste und stattdessen als PR-Berater für den Verein arbeitete.

Ich nannte ihn Matt, weil der süße Sicherheitskontrolleur am Flughafen so hieß.

Komisch, dass es so viele gut aussehende Flughafenangestellte gibt, oder?

Verewigt wurden diese Ideen in folgendem Roman:

Willow Fielding hat ein Problem: Sie ist New Yorkerin und lässt sich daher weder von gegen Schaufenster urinierenden Obdachlosen abschrecken noch lässt sie sich gerne herumkommandieren – von triebgesteuerten Chefs, die ihr an die Wäsche gehen und nach einem grandiosen Wochenende die Kündigung ins Postfach legen wollen schon einmal gar nicht!

Sowieso hält sie die Männerwelt für ziemlich eigenartig, schließlich scheint es so, als begnügten sich selbst intelligente Männer nur noch mit Frauen, die den IQ eines aufgetauten Toastbrots besitzen und den eigenen Namen nur mit einem Rechtschreibprogramm schreiben können.

Matt Willis, den Willow durch ihren zukünftigen Footballschwager Eddie kennenlernt und der an Überheblichkeit nicht zu überbieten ist, gehört eindeutig zu dieser Sorte Mann. Schließlich führt er bei jeder Gelegenheit ein anderes Dummchen am Arm spazieren, das an seinen Lippen hängt.

Frustriert beschließt Willow, genau dieses Thema in ihrer nächsten Kolumne zu verarbeiten. Dass sie damit in ein Wespennest sticht und sich ausgerechnet Matts Aufmerksamkeit sichert, führt zu einigen interessanten Begebenheiten.

Lieblingsautoren

27

Inspiration, wo bist du? »We will walk with our feet on the ground, and we will talk with our head in the clouds.« Was mich inspiriert? Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht so genau. Ich blinzele in die Wolken, höre einen Schnipsel Musik, raschele mit nackten Füßen im Sand und schon sind sie da - die Ideen und Geschichten.

Manchmal bleiben sie und manchmal verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen. Viele beißen sich an mir fest und lassen mich nicht schlafen, bis ich sie nicht wenigstens in Grundzügen notiert habe. Welche Ideen irgendwann zu Büchern werden, weiß ich selbst noch nicht. Aber ich hoffe sehr viele. Allerdings bin ich nicht besonders ordentlich und meine Handschrift kann ich selbst schon nach fünf Minuten nicht mehr lesen. Es bleibt also spannend.

Inspirieren mich andere Bücher? Ganz sicher. Bilder?

In jedem Fall. Wenn ich über Schottland schreibe, und das mache ich eigentlich ständig, krame ich in meiner Fotobox, suche mir die schönsten Fotos heraus und

dann stelle ich mir vor, wie Emma und Calum durchs Meer schwimmen oder Cassian und Eliza durch den Ewigen Wald laufen.

Traurigerweise reicht Inspiration nicht aus, um ein gutes Buch zu schreiben. Dafür braucht es viel mehr als nur Gedankenbruchstücke. Eine Geschichte im Kopf zu spinnen und dann auf ein Stück Papier zu bannen, ist fast ein bisschen wie Zauberei, verbunden mit sehr viel harter Arbeit. Da bleibt die Inspiration so manches Mal auf der Strecke und man muss ewig nach ihr suchen, weil das Biest sich gern versteckt.

Das ist der große Auftritt für Madame Zweifel. Ständig fragt man sich, ob man auch nichts vergessen hat? Ob man irgendeine Figur zu stiefmütterlich behandelt? Ob die Geschichte ausreicht, um die Leser zu fesseln, oder ob alles nur Leberwurst ist. Zweifel gehören dazu und je öfter man seine Geschichte liest,

Marah Woolf

wurde 1971 in Sachsen-Anhalt geboren, wo sie heute noch mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt. Sie studierte Geschichte und Politik und erfüllte sich mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans 2011 einen großen Traum. Seitdem haben sich ihre Bücher als E-Book und Taschenbuch mehr als 412.000 Mal verkauft. Der erste Teil der MondLichtSaga »MondSilberLicht« wurde auf der Leipziger Buchmesse 2013 mit dem ersten Indie-Autoren-Preis ausgezeichnet. »BookLess. Ewiglich unverges-

sen« erhielt von Deutschlands größter Leseplattform Lovelybooks den beliebten 1. Platz des Leserpreises in der Kategorie Fantasy 2014.

Die internationalen Rechte für die MondLichtSaga hat der renommierte französische Verlag Michel Lafon erworben. Gerade ist der erste Teil der MondLichtSaga unter dem Titel »Les brumes d‘Avallach« erschienen.

In 2015 folgt die Veröffentlichung in koreanischer Sprache. Die englische Übersetzung ist bereits seit

Februar 2014 erhältlich. Für alle Hörbuchfans gibt es die MondLichtSaga exklusiv bei audible.

Am 15. Dezember erschien mit »FederLeicht. Wie fallender Schnee« der Auftakt zu einer neuen Saga, die die Leser zurückbringt in die Welt der Elfen nach Leylin. Aufgrund des vielfachen Leserwunsches geht im Mai 2015 auch die MondLichtSaga mit dem vierten Teil weiter.

umso vehementer drängelt die Dame sich in den Vordergrund. Wenn das Buchbaby dann das Licht der Welt erblickt, sieht alles wieder ganz anders aus, und die schönste Inspiration für neue Geschichten, sind sowieso die Reaktionen der Leser. Dafür lohnen sich durchwachte Nächte sowie eingeklemmte und brachliegende Nerven.

Ich habe nie damit gerechnet irgendwann mal ein Buch zu schreiben. Manche Leute haben Löffellisten, wo so etwas draufsteht. Ich habe keine, und mir fällt so spontan auch nichts ein, was ich unbedingt mal noch tun möchte, außer vielleicht im Chor zu singen.

Ich singe nämlich gern. Aber meine Kinder wollen nicht einmal mehr LaLeLu zum Einschlafen von mir hören. Das ist ziemlich schade. Eine weitere Inspirationsquelle ist für mich nämlich laut singend Auto zu fahren - vornehmlich natürlich allein. Leider habe ich das Vergnügen nicht allzu oft, weil ich meistens am Schreibtisch sitze und schreibe, und da muss es wirklich still sein. Mit Musik kann ich mich nicht konzentrieren. Ich brauche absolute Ruhe und meine Kinder finden das sehr merkwürdig. Sie entstammen allerdings der Generation »Stöpsel im Ohr« und brauchen mit spätestens 30 ein Hörgerät. Aber ich darf ja nichts sagen.

Jedenfalls (um zum Thema zurückzukommen) hatte ich vor ein paar Jahren die Idee zu »MondSilberLicht«. Das Buch hieß damals natürlich noch nicht so, sondern es trug Hunderte unterschiedliche Namen.

Bis wir bei einem Sonntagsfrühstück auf der Terrasse endlich den perfekten Titel fanden, der sich, oh Wunder, auch noch für eine Reihe eignete. Die MondLicht-

Saga war geboren und veränderte mein Leben. Sie inspirierte mich zu vielen neuen Ideen und Geschichten und zeigte mir, dass ich eine Fähigkeit besaß, von der ich bis dahin nichts gewusst, ja nicht einmal etwas geahnt hatte. Aber so spielt das Leben eben. Das Schicksal überfällt einen aus Ecken, die rund sind.

Zu meiner BookLessSaga inspirierte mich übrigens ein Spaziergang auf einem kleinen Friedhof, gar nicht weit weg von meinem Zuhause. Was wäre, wenn Bücher sterben könnten und vergessen werden?

Inspiration lauert eben überall und meistens dort, wo wir es am wenigsten erwarten. Cassian muss in der FederLeichtSaga auf sein Augenlicht verzichten, weil ich den Trickfilm »Das magische Schwert« so liebe, und gefühlte hundertmal mit meinen Mädels geschaut habe. Zur Inspiration natürlich und weil man so schön mitsingen kann. Auch hier ist der Held blind und trotzdem einfach zum Verlieben. An Letzterem arbeite ich mich bei Cassian noch ab, aber ich bin sicher, fast jede Frau würde sich unsterblich in meinen blinden Elfen verlieben.

So und nun habe ich vergessen, die Wäsche abzunehmen und es regnet. So geht mir das ständig. Ich habe die Idee zu einem Text und vergesse alles um mich herum. Dumm nur, wenn irgendwann die Kinder aus der Schule kommen und nach Essen schreien.

Kochen inspiriert mich leider so gar nicht. Aber ich arbeite dran.

Prolog Lied der Elfen Schnee sinkt zur Erde federleicht,

ein Ort durch die Kugel dem anderen weicht.

Uhr die Zeit verstummen lässt,

Vergangenes – es wird zum Fest.

Flöte jeden Wunsch erfüllt,

Unglück sich in Schweigen hüllt.

Spiegel nichts vor dir verbirgt, Lüge keinen Zauber wirkt.

Zauberkraft in der Feder sitzt, nützt nur dem, der sie besitzt.

Ring dich jederzeit versteckt,

bestimme selbst, wer dich entdeckt.

Schlüssel immer dich beschützt, wenn vorsichtig du ihn benützt.

Ich hatte mir verboten, an ihn zu denken. Wieder einmal. Ich war gespannt, wie lange ich dieses Mal durchhielt. Eine Sekunde, zwei, drei … ich könnte wetten, dass Cassian mir keine Träne nachweinte.

Oder vielleicht doch? Die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Ob das je aufhörte? Bisher hatte ich nicht gewusst, dass sich in meinem Kopf ein Karussell befand. Eins, das auch ohne Alkohol funktionierte. Eins, das nie stillstand, egal, womit ich mich abzulenken versuchte. Es gab so vieles, was ich unbedingt wissen wollte. Wohin war Larimar verschwunden? Suchte Elisien nach ihr? Wie ging es Jade, Raven und Quirin.

Und vor allem – starb Cassian gerade wegen unerfüllter Liebe?

Ich lachte auf, was mir einen strafenden Blick von Mr Roth einbrachte. Ich seufzte. Nur noch zwei Wochen bis zu den Sommerferien. Was sollte ich bloß sechs Wochen lang anstellen. Na gut, vier Wochen.

Zwei Wochen würden wir meinen Dad in Peru besuchen. Noch vor einem Jahr hätte ich mich kaputt gefreut, der Enge meines schottischen Kleinstadtlebens zu entkommen. Jetzt hatte ich jedes Mal Angst, wenn ich mich zu weit vom Haus entfernte. Was, wenn Cassian ausgerechnet dann nach mir suchte?

Im Dschungel von Peru würde er mich niemals finden.

Ich hatte meine Mum angefleht, zu Hause bleiben zu können, aber sie war nicht umzustimmen. Leider konnte ich ihr schlecht sagen, dass ich unsterblich in einen Elfen verknallt war und darauf wartete, dass er zu mir zurückkam. Das hätte irgendwie zu unschönen Diskussionen über meinen Geisteszustand geführt.

Musste ja nicht unbedingt sein.

ELKE BERGSMA

LASSET DIE INSPIRATION ZU EUCH KOMMEN

Foto Autorin: Oliver Schepp

32

Lieblingsautoren

© okalinichenko - Fotolia.com

S

iehste, da haben wir es schon.

Mir fehlt gerade genau das, worüber ich hier schreiben soll: Die Inspiration, um das zu schreiben, was ich hier schreiben soll. Aber – so scheint es mir nach längerem Nachdenken, bei dem ich in der Wohnung herumsprang, den Kühlschrank nach Essbarem durchwühlte, Wäsche zusammenlegte – eigentlich ist es wohl das Wesen der Inspiration, selten da zu sein, wenn man sie braucht.

Oder?

Als Autorin, so heißt es, steht man schlecht da, wenn einem genau diese fehlt. Stimmt. Nach meinem mehr als zweijährigen Dasein als hauptberufliche Autorin kann ich das ohne Weiteres unterschreiben.

Ohne Inspiration keine Geschichte, ohne Geschichte kein Buch. Blöd.

Also muss sie her, die Inspiration, so oder so. Nützt ja nichts. Doch woher nehmen und nicht stehlen?

Tja, das mit dem Stehlen wäre so `n Ding, wenn einem selber nichts einfällt. Soll das eine oder andere Mal ja schon vorgekommen sein.

Selbst bei Autoren.

Ist aber nicht mein Ding. Sich die Inspiration von anderen Leuten zu klauen, macht nicht besonders viel Spaß. Zumal, weil es irgendwann ja doch rauskommt. Wahrscheinlich wäre aber die bis dahin so sehr vermisste Inspiration, die alte Verräterin, genau in diesem Moment da; genau dann nämlich, wenn es darum geht, so zu tun, als sei nichts gewesen, als sei man es vor allem nicht selbst gewesen, der die Inspiration geklaut hat. Not macht eben erfinderisch. Doch – auch blöd! – genau in diesem Moment des Erfindens kreativ anmutender Ausreden richtet die Inspiration gemeinhin mehr

Schaden an, als dass sie nutzt. Was wiederum zur Folge hat, dass man sie hinterher zumindest für seine eigentlich noch zu erzählenden Geschichten nicht mehr braucht, weil diese Geschichten dann niemand mehr lesen will.

Alles klar?

Also heißt es, nichts zu übereilen, sondern zu warten, zu warten, zu warten … und an etwas anderes zu denken.

Ja, genau das ist es, was ich in der ersten Zeit meiner Autorentätigkeit lernen musste: Warten. Geduld. Vertrauen, vor allem in die eigenen Fähigkeiten.

Das ist aber nicht leicht, sagst du?

Richtig. Ist es auch nicht. Aber man lernt, damit umzugehen, und das ist auch gut so. Alles andere zerrt an den Nerven und schadet – richtig! – der Inspiration.

© alexskopje - Fotolia.com

So wie heute. Woher, bitte schön, sollen die revolutionären Ideen für das nächste Meisterwerk der Literatur kommen, wenn man in den ersten Stunden des Tages mit Gewerbeanmeldungen, Umsatzsteuererklärungen oder Zettel abheften beschäftigt ist?

Keine Chance. Also schreibt man eben Texte wie diesen hier, zu dem einem auch nicht so richtig was einfallen will. Aber na ja, vielleicht merkt`s ja keiner.

Zurück zum literarischen Schaffen.

Bei so manchen meiner Bücher kam es tatsächlich vor, dass ich zwischendurch vierzehn Tage überhaupt nicht am Text gearbeitet habe. Nicht, weil ich keine Zeit gehabt hätte.

Nein. Einzig und allein deshalb, weil ich nicht die Spur einer Ahnung hatte, wie ich die so vielversprechend angefangene Story zu einem guten Ende bringen könnte.

Früher hat mich solch eine Schaffenskrise (die nicht wirklich eine ist) psychisch unter Druck gesetzt.

Den lieben langen Tag und oft auch in der Nacht habe ich mir den Kopf zermartert, ohne dass irgendetwas passierte. Jedenfalls nichts Inspirierendes.

Erst, wenn ich dann anfing, mich nach Jobangeboten umzuschauen oder einfach nur über meine demnächst anstehende Umsatzsteuererklärung (ja, die schon wieder!) nachzudenken, war sie plötzlich da, die Inspiration. Wie ein Dieb schlich sie sich in meine Gedanken, schob Jobangebote und Umsatzsteuererklärung beiseite, nistete sich zunächst in der hintersten Gehirnzelle ein – um mich dann wie ein Raubtier anzuspringen und sich in meiner Gedankenwelt festzukrallen.

Juchuuu! Kein neuer Job, kein Hartz IV, kein Das-war-mir-jasowieso-klar-dass-du-das-nicht© slonme - Fotolia.com

Lieblingsautoren

33

kannst von wohlmeinenden Freunden und Verwandten.

Stattdessen: Ein fertiggestelltes Buch. Quasi über Nacht war der nächste Krimi geboren, und noch dazu einer, bei dem sogar das Ende überzeugte, obwohl es dieses doch über so eine elend lange Zeit überhaupt nicht gab und es scheinbar auch niemals vorhatte, zu kommen.

Was du zum Schreiben brauchst, ist also ein gewisses Maß an Istdoch-scheißegal-Autor-sein-istsowieso-völlig-überbewertet. Doch das alleine reicht nicht. Nein. Was du außerdem brauchst, ist ein hohes Maß an Boah-wie-geil-Autor-seinist-der-coolste-Job-der-Welt.

Wie ich soeben versucht habe zu erklären, gehören diese beiden, hm, nennen wir sie mal Stimmungsbilder, zum Autorenalltag wie Markklößchen in die Markklößchensuppe.

Gut, womöglich gibt es Ausnahmen. Womöglich gibt es unter den Autorenkollegen solche, die vor Ideen und Inspiration geradezu strotzen. Kollegen, die ein Buch einfach so herunterschreiben. Prolog – Mittelteil – Epilog – zack, boom, bonjour!

Ja, bestimmt gibt es die.

Was mich jetzt schon wieder an meiner Berufung zweifeln lässt.

Oder doch nicht?

Womit wir wieder beim Thema wären.

© okalinichenko - Fotolia.com

34

Lieblingsautoren

Eisige Spuren - Leseprobe In schwungvollen Schüben glitt Klaas auf Kufen in vorgeneigter Haltung über das Eis und nutzte dabei die volle Breite des Kanals. Wie sehr er dieses schabende Geräusch liebte!

Er geriet wie in einen Rausch, nahm die Menschen, die ihm begegneten, kaum noch war. Komm, Edzard, lass uns bis ans Ende der Welt schöfeln, hörte er sich in seiner Erinnerung sagen. Nur wir beide, Edzard, du und ich. „Mama! Hilf mir, Mama! Hilf mir!? Iiiiiiiiiiiih!“, bohrte sich plötzlich eine vor Panik schrille Kinderstimme in seine Erinnerungen. Wie aus einem Reflex heraus drehte er die Beine quer zur Fahrtrichtung und kam mit einem kreischenden Geräusch zum Stehen. Eine Ansammlung von sechs Menschen gruppierte sich gerade um irgendetwas in der Mitte des Kanals. Er glitt zu ihnen hinüber. „Oh shit!“, entfuhr es ihm, als er ein kleines Mädchen sah, das einige Meter weiter im eiskalten Wasser zappelte. Nur mit Mühe krallte sie ihre Finger in die Oberfläche des Eises. Ihre Zähne klapperten, ihre Lippen waren blau angelaufen, sie wimmerte. Ihre Mutter stand hilflos auf dem Eis und schrie immer wieder:„Klara, oh Gott, Klara!“ (…)

Klaas zögerte nicht lange und legte sich der Länge nach aufs Eis. Langsam robbte er auf dem Bauch zur Einbruchstelle vor. Ein anderer tat es ihm gleich und ergriff, als Klaas nach quälend langen Sekunden endlich die Hände des Mädchens zu fassen bekam, seine Füße. Die so entstandene Schlange wurde schließlich von zwei weiteren Männern langsam vom Loch weggezogen. „Hab keine Angst, gleich bist du draußen“, keuchte Klaas angestrengt, als er das Gewicht des Kindes spürte, das sich Zentimeter für Zentimeter aus dem Loch hervorarbeitete. „Bleib ganz ruhig, Klara. Wenn du nicht zappelst, geht es leichter.“ Als das Kind bis zu den Beinen aus dem Wasser ragte, glaubte Klaas

schon, es geschafft zu haben. Auch von den Umstehenden war ein erleichtertes Seufzen zu hören.

Doch plötzlich tat es einen Ruck. „Aaaaaaah!“, schrie das Mädchen panisch aus. „Mich hält was fest!

Mama! Hilf mir! Mich hält was am Bein fest!“ (…) „Nun machen Sie doch was!“, hörte er die Mutter kreischen, als Klara wie von einer unsichtbaren Hand gezogen wieder ein gutes Stück in das Loch zurückglitt und einen spitzen Schrei ausstieß. „Bitte, bitte, machen Sie doch was!“ Zwei auf Schlittschuhen hinzugeeilte Frauen hatten Mühe, sie daran zu hindern, sich kopflos zu ihrer Tochter zu stürzen. „Einer muss gucken, was sie da unten festhält“, keuchte Klaas, doch dann sah er, dass sich bereits ein weiterer Mann aus entgegengesetzter Richtung auf dem Bauch liegend dem Loch näherte. „Ich bin Feuerwehrmann“, rief er dem Mädchen zu, „gleich haben wir dich da raus, Klara, vertrau mir!“ Kaum, dass er diesen Satz gesagt hatte, tauchte sein Arm auch schon ins Wasser hinab und tastete eine scheinbare Ewigkeit darin herum. „Ich hab’s gelöst“, rief er schließlich, „ihr könnt jetzt wieder ziehen!“ Das ließen sich die Männer nicht zweimal sagen, und die ganze Prozedur begann wieder von vorne. Der Feuerwehrmann selbst hielt Klara am Gürtel ihrer Hose fest und zog sie nach oben, wodurch er das Rettungsmanöver deutlich erleichterte.

Diesmal gelang es, das Mädchen in einem Rutsch aus dem Loch herauszubugsieren. (…)

Klaas wollte sich gerade erheben, als der Feuerwehrmann, der offenbar in großer Eile ans Ufer gekrabbelt war, einen erstickten Schrei ausstieß und aufs Loch deutete.

Der Anblick, der sich ihm jetzt bot, war mit Sicherheit das Gruseligste, was er je hatte erleben müssen.

Aus dem Loch im Eis ragte der blutleere Kopf einer Frau hervor, die ihn aus gebrochenen Augen anklagend anstierte.

Lieblingsautoren

35

VANESSA MANSINI / MICHAEL MEISHEIT Für meine Bücher klaue ich ganz schamlos aus meinem eigenem Leben Das Pseudonym Vanessa Mansini steht für spannende und witzige Liebesromane. Für ungewöhnliche, fast schon ins Phantastische gehende Geschichten. Aber auch für weibliche Hauptfiguren, die in der Realität des heutigen Berlin-Kreuzbergs verankert sind und ganz alltägliche Probleme mit Liebe und Familie haben. Es ist gerade die Verbindung aus Fiktion und Alltag, die die Geschichten von Vanessa, Trixi, Annika und dem Paar Undine und Erik ausmacht. Während ich für die Geschichten meine Phantasie bemühe, muss für den Alltag mein eigenes Leben herhalten. Denn natürlich lebe auch ich in Berlin-Kreuzberg. In dem Haus, in dem auch meine Hauptfiguren leben. Und vor allem habe ich eine Frau, die in vielen Dingen als Inspiration für Eigenheiten und Erlebnisse meiner Heldinnen herhalten muss. So ist es auch kein Zufall, dass die Kinder in den Romanen immer exakt so alt wie meine Kinder sind, während ich die Bücher geschrieben habe. Hier enthülle ich erstmals exklusiv, wie dies im Einzelnen aussah:

NICHT VON DIESER WELT Die Geschichte handelt von Vanessa. Sie lebt in Kreuzberg, wohnt noch nicht allzu lange in einer nach wie vor nicht richtig fertiggestellten Wohnung und ist mit Konstantin verheiratet. Sie haben einen zwei Jahre alten Sohn und Vanessa ist erneut schwanger.

Den 2013 erschienenen Roman „Nicht von dieser Welt“ hatte ich bereits 2011 als Blog veröffentlicht. Damals lebte ich mit meiner Frau Yeşim noch nicht allzu lange in Kreuzberg – in einer nicht richtig fertiggestellten Wohnung. Unser Sohn war zwei Jahre alt und meine Frau erneut schwanger.

Meine Frau trinkt auf dem Bild übrigens alkoholfreies Bier. Und sie ist auch diejenige, die sich in der Schwangerschaft angewöhnt hatte, Apfelschorle aus Sekt- oder Weingläsern zu trinken, damit zumindest das Gefühl stimmt. Genau wie Vanessa in „Nicht von dieser Welt.“

36

Lieblingsautoren

Und genau wie Vanessa und Konstantin waren wir mit unserem Sohn dann auch in Antalya am Strand. Eine Flugreise mit schwangerer Frau brachte viel weitere Inspirationen für das aufregende Leben meiner Romanheldin. So wie auch viele andere Ereignisse in unserem Leben: Die ersten Tage im Kindergarten, ein Besuch im Fußballstadion, ein kleines Verdauungsproblem unseres Sohnes in einem Restaurant, eine Reise zum Fichtelberg und vieles mehr bis hin zur Geburt der kleinen Schwester. Allerdings gab es in unserem Leben keine Affäre mit einem vermeintlichen Außerirdischen ...

IM FALSCHEN FILM

Die drei Bände der Roman-Reihe „Im falschen Film“ erschienen zwischen Dezember 2013 und Dezember 2014. Die Handlung spielte ebenfalls in diesem Zeitraum. In dieser Zeit versucht meine Hauptfigur Trixi, ihre Erinnerungen zurückgewinnen, die sie nach einem Unfall verloren hat. Dabei verliebt sie sich in Tom, der in einem modernen Neubau in Kreuzberg wohnt. Später zieht sie mit ihm gemeinsam zwei Häuser weiter in eine MaisonetteWohnung in einem Altbau. Er bringt zwei Kinder mit: Den vierjährigen Aiden und die zweijährige Ava.

Meine Kinder waren zu dem Zeitpunkt ebenfalls zwei und vier Jahre alt. Wir lebten in einer Maisonette-Wohnung in einem Kreuzberger Altbau zwei Häuser neben einem modernen Neubau.

Im zweiten Band der Reihe spielt die Fußballweltmeisterschaft eine wichtige Rolle. Während dieser sammelt der kleine Aiden engagiert Fußballbilder. Wieder nur eins von vielen realen Erlebnissen, die Einzug in die Geschichte gehalten haben.

Lieblingsautoren

37

Und als in Band 3 Trixi für eine entscheidende Wendung der Geschichte nach Istanbul fahren musste, folgte sie auch wieder den Fußstapfen meiner Frau. Yeşim steht hier genau wie Trixi am berühmten Taksim-Platz ...

ALS ICH EINES MORGENS MICH SELBST TRAF

In dem Anfang 2015 erschienen Roman hat zur Abwechslung wieder die Hauptfigur Annika selbst zwei Kinder: Den fünfjährigen Lukas und die dreijährige Lene. Auch wenn Annika anders als meine Frau alleinerziehend ist, teilen sie sich denselben Beruf: Sie sind beide Sprecherin. Und haben beide in ihren eigenen vier Wänden eine kleine Sprecherkabine, in der sie Werbungen, Computerspiele, Dokumentationen und vieles mehr besprechen.

Schon bei PR-Aktionen für den Roman musste damals das Zimmer meiner Kinder als Motiv herhalten.

38

Lieblingsautoren

Und als es im Roman für Annika an die Atlantikküste von Portugal ging, war auch dies nicht ohne realen Bezug. Kurz zuvor hatten wir dorthin eine Reise unternommen. Anders als Annika aber mit den Kindern. Natürlich waren auch sie drei und fünf – wie die Kinder in der Geschichte.

L.I.E.B.E. Die im Herbst 2015 gestartete Serie „L.I.E.B.E.“, deren vierter Fall „Trixis Hochzeit“ zur Buchmesse erschienen ist, fällt ein wenig aus der Reihe: Erstmals gibt es keine weibliche Hauptfigur. Und (bisher) auch keine Kinder. Aber auch hier wird verwendet, was mir bekannt ist. Zum Beispiel wohnt die Liebesagentin Undine in der heruntergekommenen Villa am Kreuzberg, in der ich selbst für eine Weile mein Büro hatte. Und ihr Partner Erik wohnt in unserer früheren Wohnung am Potsdamer Platz ...

Für dieses Jahr ist neben weiteren Fällen für L.I.E.B.E. auch wieder ein längerer Roman mit einer ungewöhnlichen Geschichte und einer weiblichen Hauptfigur geplant. Es sollte niemanden verwundern, wenn in deren Leben dann auch wieder zwei kleine Kinder eine Rolle spielen. Vermutlich sind sie dann vier und sechs. Aber auch alles andere aus der Welt der kleinen Familie Meisheit ist zu keiner Zeit sicher davor, schöne, berührende oder einfach nur heitere Situationen in den Romanen von Vanessa Mansini zu inspirieren ...

Lieblingsautoren

39

KATELYN FAITH / ALEXANDRA AMBER Autorenfoto: Guido Karp / www.p41d.com

40

Lieblingsautoren

Ein wahrer Künstler lässt sich nicht inspirieren, sondern inspiriert andere ...

(Salvador Dalí)

W

elche Frage hasse ich als Autorin am meisten? Die Frage danach, wer oder was mich zu dieser Geschichte oder jener Figur inspiriert hat.

Meistens weiß ich das nämlich selbst nicht, weil Inspiration mich in jeder Sekunde meines Lebens und ständig überfällt. Nachts im Schlaf. Beim Spaziergang am Regent’s Canal in meiner Lieblingsstadt London. Beim Gespräch mit einem unbekannten Reisebegleiter im Zugabteil. In einer fehlgeleiteten E-Mail. Beim Hören eines neuen Songs. Bei einer kurzen Begegnung auf der Straße. Inspiration steckt überall, in jeder noch so kleinen Ecke des Lebens.

Zu der Fähigkeit, auch eigentlich unspektakuläre, kleine Begebenheiten spannend und unterhaltsam erzählen zu können, gehört für Schriftsteller auch die Fähigkeit, eben diese

Augenblicke ganz besonders intensiv wahrzunehmen. Vielleicht ist es das, was uns von „normalen“ Menschen unterscheidet – wir vergessen zwar gern, Rechnungen pünktlich zu bezahlen oder was wir eigentlich gerade einkaufen wollten, dafür erinnern wir uns an die Grübchen im Mundwinkel des netten Kellners im Café, an die Farbe des Pullovers, den ein besonderer Mensch in einem besonderen Moment getragen hat, oder an die Farbe des Himmels an jenem Abend, als wir leicht angeheitert aus einem Restaurant kamen und beschwingt von einer tiefen Unterhaltung den Heimweg angetreten sind.

Jeder Einkauf, jeder Cappuccino im Café, jede Reise wird so zu einer Geschichte, die man erzählen kann. Weil man auch die Kleinigkeiten des Lebens spürt und wahrnimmt und daraus noch während des Erlebens wei-

Lieblingsautoren 41 © shutterstock / 119794141 M.Photos

tere Geschichten spinnt, die aus einem solchen Moment entstehen könnten.

Es ist also Vorsicht angesagt beim Gespräch mit einem Autor – nicht alle Geschichten, die er zu erzählen hat, sind wahr. Denn Fantasie ist grenzenlos und reduziert sich bei den meisten Schriftstellern nicht auf das Schreiben. Aber vielleicht sind die meisten von uns deshalb auf Partys so gern gesehene Gäste.

Und am Ende ist es ja auch egal, ob eine unterhaltsame Anekdote nun wirklich erlebt oder nur erfunden ist.

Viel wichtiger, als selbst inspiriert zu werden aber finde ich es, andere Menschen zu inspirieren. Im normalen Leben genauso wie als Schriftstellerin. Die größte Freude ist es für mich, wenn jemand auf mich zukommt und mir sagt, dass er etwas Neues ausprobiert oder etwas in seinem Leben geändert hat wegen eines meiner Bücher. So ist es mir zum Beispiel mit meinem Herzblutbuch „Wir beide und Er“ häufig ergangen, denn viele LeserInnen haben mir anschließend mitgeteilt, dass sie ihre Meinung über Dinge wie Polyamorie, also die Liebe zu mehr als einem Partner, nach der Lektüre geändert haben.

Lieblingsautoren

© shutterstock / 363297671 PattyMa

42

Oder über Sterbehilfe. Über die Wichtigkeit, jeden schönen Moment im Leben als genau den zu genießen und nicht einfach darüber hinwegzugehen. Weil jeder schöne Moment im Leben auch leicht der letzte gewesen sein kann. Niemand von uns weiß, wie viele Tage uns geschenkt wurden. Daher sollten wir jeden einzelnen davon schätzen und genießen.

Worte haben die Macht, Menschen zu verändern. Lesen macht uns geistig offener und umtriebiger. Leser lassen andere Meinungen eher zu als Nichtleser, verurteilen nicht so schnell und machen sich Gedanken über das Leben, die Liebe, den Himmel und alles, was sich darunter so befindet. Deshalb ist es für mich ein wichtiges Anliegen, Leser in eine womöglich noch unbekannte Welt zu entführen, die vielleicht ihren Horizont erweitert und manchmal auch Toleranz und Geduld herausfordert. Ich empfinde das Schreiben solcher Geschichten daher auch als Verantwortung, und ich bin glücklich und dankbar über jeden Leser, den ich damit erreiche und vielleicht ein wenig zum Nachdenken bringen kann.

Emmas kleiner Sexshop im Covent Garden ist in Gefahr, denn leider hat Emma zwar ein großes Herz und eine Leidenschaft für ansprechende Sextoys, aber so gar kein Händchen für Geld. Da soll der von ihrer Bank geschickte Jonathan Berkeley Abhilfe schaffen und Emma in wenigen Wochen das Einmaleins der Betriebswirtschaft nahebringen, damit sie den gewünschten Kredit bekommt. Wenn es nach ihm ginge, würde er der drallen Sexshop-Besitzerin allerdings gerne auch noch etwas ganz anderes nahebringen ...

Doch der spröde Jonathan beißt bei der quirligen Emma auf Granit, denn sie ist auf der Suche nach ihrem zukünftigen Ehemann und hat belanglosen Sexaffären abgeschworen. Und der arrogante Jonathan ist nun ganz und gar nicht der Typ Mann, von dem Emma sich Kinder wünschen würde. Allerdings ist sie nicht immun gegen seine optischen Reize, und auch seine hartnäckigen Versuche, Emma zu verführen, sind nicht von schlechten Eltern ... wie soll man da standhaft bleiben?

Ein humorvoller, erotischer Liebesroman Erscheint Ende April 2016

Lieblingsautoren

43

KIRSTEN WENDT

WIE MEIN LEBEN ZUM LIEBESROMAN WURDE ...

Fotos: Igor Tรถpfer

44

Lieblingsautoren

M

enschen anzugucken fand ich schon als kleines Mädchen spannend. Oft hockte ich stundenlang am Fenster meines Kinderzimmers und beobachtete Leute. Sie aßen Eis, spielten Federball, saßen auf Bänken oder unterhielten sich. Mein Standort war ideal; vom ersten Stock des Rathauses auf der Nordseeinsel Baltrum hatte ich perfekte Sicht auf den Dorfplatz. Ich dachte mir dabei keine Geschichten aus, sondern studierte einfach nur Gesichter, Bewegungen und Tätigkeiten. So etwas konnte man schlecht im Steckbrief als Hobby angeben, aber tatsächlich war es neben dem Lesen meine große Leidenschaft. Ich liebe Menschen.

Was meinen Freundinnen an „Hanni und Nanni“ gefiel, erschloss sich mir nicht wirklich. Zwar las ich die typischen Mädchenbücher auch, wenn ich keinen anderen Lesestoff zur Verfügung hatte, aber echte Begeisterung entwickelte sich bei mir nur, sobald ich Biografien in die Finger bekam. Dass ich als Grundschuldkind Carl Zuckmayers Autobiografie „Als wär’s ein Stück von mir“ mehrmals nacheinander verschlang, wirkt auf mich heute etwas schräg. Damals machte es mich glücklich.

Immer hatte ich zu wenige Bücher – sie waren so schnell ausgelesen, dass ich frustriert war, wenn ich schon wieder nichts zu lesen hatte. So schmökerte ich in allem, was ich finden konnte: in Telefonbüchern, Lexika, Zeitschriften für Erwachsene, Rezeptheften.

Die Sucht hielt an und fand ihren Höhepunkt in der Zeit, als meine Kinder noch klein waren. Von dem Geld, das ich in gebundene Neuausgaben steckte, wäre auch eine Weltreise drin gewesen.

Meine größten Schätze sind bis heute gute Biografien. Allerdings lese ich auch schlechte Biografien, weil ich Promi-Enthüllungen nicht widerstehen kann. Genauso verhält es sich mit Krimis. Zur Entspannung darf es

gern auch mal ein übler True-Crime-Schinken sein. Hauptsache, es ist wirklich passiert.

Den Großteil eines Urlaubs in den USA habe ich vor vielen Jahren vorm Fernseher verbracht, weil dort der Prozess gegen O. J. Simpson live ausgestrahlt wurde. Anschließend zog ich mir jedes miese Buch zur Tat rein.

Vielleicht verfüge ich deshalb über relativ wenig Fantasie, wenn es darum geht, mir Geschichten für meine eigenen Bücher auszudenken. Zwar fallen mir unzählige Charaktere ein und ich zeichne im Kopf von früh bis spät Menschen und ihre Eigenschaften.

Buchtitel denke ich mir mit Vorliebe aus, und Protagonisten mit Namen zu versehen, ist eine meiner leichtesten Übungen. Diesen Personen spannende Abenteuer auf den Leib zu schneidern, gehört aber nicht zu meinen Stärken. In meinen Romanen gelange ich immer wieder an einen Punkt, an dem ich nicht weiß, wie es weitergehen könnte. Wen soll ich umbringen, wer könnte sich in wen verlieben und welche überraschende Wendung soll eintreten? Es wäre von Vorteil, zu Beginn einen ordentlichen Plot anzulegen, aber … ich schaue lieber nach einem Cover und hoffe dabei auf die nötige Inspiration.

Meine Rettung fand ich erstmalig bei der Entstehung unseres Gemeinschaftsbuchs „24 Stunden – 24 Autoren“. Zusammen mit meinen Lieblingsautoren-Kollegen schrieb ich unter Zuhilfenahme eines Plots, den drei der Mitstreiter entwickelt hatten, an einem Buch.

Und stellte fest: Das ist genau mein Ding! Ich schmücke unheimlich gerne aus, ich fabuliere weiter, ich feile an Formulierungen – aber ich benötige einen roten Faden. Hilfe, kann mal jemand für mich plotten, bitte? Ich besprach das Problem mit meiner Literaturagentin, die mir sagte, dass es bei Verlagen durchaus so was gibt. Doch bevor ich mit der Suche tätig wurde, weil ich erst einmal eine bereits angefangene Serie zu Ende bringen wollte, schrieb mich ein Kollege an. Marcus Lieblingsautoren

45

Marcus & ich.

Manchmal schreibt das Leben die besten Liebesromane.

46

Lieblingsautoren

Hünnebeck hatte ich im Rahmen des 24erProjekts kennengelernt, und wir waren uns auf der Leipziger Buchmesse das erste Mal über den Weg gelaufen. Er fragte mich, ob wir nicht zusammen einen Liebesroman schreiben wollen, denn sowohl er als auch ich kamen mit unseren Projekten im RomanceBereich nicht vernünftig von der Stelle. Ich sagte sofort begeistert zu, ahnte aber zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich meinen ganz persönlichen Plotgott gefunden hatte.

Eigentlich wollten wir uns nämlich zusammen eine Story ausdenken, aber ich ließ ihm großzügig den Vortritt – heraus kam der Plot von „Mein Nachbar und ich“.

Marcus und ich brachten in Windeseile unseren ersten gemeinsamen Roman zu Papier, der zum Bestseller wurde. Endlich konnte ich auf die Art und Weise arbeiten, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Mir sagt jemand, wo es langgeht, ich feile und schreibe.

Herrlich! Weil es so schön war, produzierten wir weitere Bücher. „Mein Nachbar und ich – Das erste Mal“, „Pimp My Dad“ und „Unsere Nachbarn und wir“ wurden geboren. Von Anfang an harmonierten wir hervorragend miteinander und ergänzten uns. Sowohl die weibliche als auch die männliche Sicht zu Wort kommen zu lassen und dabei trotzdem eine Sprachmelodie zu bedienen, gelingt uns wohl recht gut. Auch sonst passt es – wir verliebten uns ineinander und wurden ein Paar.

Und siehe da: Jetzt ist auch die Inspiration für Liebesromane bei mir angekommen!

Unsere Nachbarn & wir Vicky und Simon lieben sich wie am ersten Tag, nur der turbulente Alltag mit zwei Kindergartenkindern macht der Patchworkfamilie zu schaffen. Trotzdem wünscht Vicky sich nichts sehnlicher als ein Kind von Simon, und es zerrt an ihren Nerven, dass sie nicht schwanger wird. Und dann ist da auch noch Pascal, der neue Nachbar: groß, durchtrainiert und immer mit einem lockeren Spruch auf den Lippen. Während Vicky von ihm begeistert ist, findet Simon seine Sprüche dämlich. Vicky kommen Zweifel. Warum ist Simon in letzter Zeit so abweisend? Verbirgt er ein Geheimnis vor ihr?

Lieblingsautoren

47

Ort der Inspiration: Das mittelalterliche Städtchen Zons.

48

Lieblingsautoren

CATHERINE SHEPHERD Die Thriller-Autorin Catherine Shepherd (Künstlername) wurde 1972 geboren und lebt mit ihrer Familie in Zons am Rhein. Catherine Shepherd hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Gießen studiert und nach ihrem Abschluss als Diplom-Ökonomin in einer Düsseldorfer Bank gearbeitet. Catherine Shepherds Thriller haben sich mittlerweile über 550.000 mal verkauft.

Ihren ersten Bestseller-Thriller veröffentlichte sie im April 2012. Als E-Book erreichte „Der Puzzlemörder von Zons“ bereits nach kurzer Zeit die Nr. 1 der deutschen Amazon Bestsellerliste. Ihr zweiter Kriminalroman „Der Sichelmörder von Zons“ folgte im März 2013. Beide Bücher gehörten zu den Jahresbestsellern 2012 und 2013. Am 01.12.2013 folgte ihr drittes Buch mit dem Titel „Kalter Zwilling“. Der Thriller erreichte ebenfalls die Nr. 1 der Kindle Charts und gewann Platz Nr. 2 des Indie-Autoren-Preises 2014 auf der Leipziger Buchmesse. Der vierte Thriller „Auf den Flügeln der Angst“ erschien im August 2014 und Band 5 „Tiefschwarze Melodie“ (Jahresbestseller 2015) am 01.05.2015.

Im November 2015 wurde der erste Band einer neuen Reihe um die Berliner Spezialermittlerin Laura Kern veröffentlicht. Der Titel „Krähenmutter“ war wochenlang Nr. 1 der Kindle Bestseller Charts.

Am 01.04.2016 wird Catherine Shepherd ihren 6. Zons-Thriller „Seelenblind“ präsentieren.

Diverse Print- und Onlinemedien berichteten über Catherine Shepherd`s Bestseller, z.B. BILD, BILD.de, ZDF heute.de, ZEIT Online, das FOCUS Magazin, die BILD am Sonntag, die Westdeutsche Zeitung oder die FÜR SIE. Homepage: http://www.catherine-shepherd.com Facebook: http://www.facebook.com/Puzzlemoerder und http://www.facebook.com/catherine. shepherd.zons Twitter: http://www.twitter.com/shepherd_tweets

Lieblingsautoren

49

Exklusive Leseprobe „SEELENBLIND“ (6. Zons-Thriller, erhältlich ab 01.04.2016) „Michelle öffnete die Augen. Rabenschwarze Dunkelheit umfing sie. Die Luft strömte kalt und feucht in ihre Nase. Ihre Lippen waren spröde und an einigen Stellen aufgerissen. Sie fuhr langsam mit der Zungenspitze über die ausgetrocknete Haut, doch es half nichts. Michelles Schleimhäute waren ausgedörrt. Sie hatte schrecklichen Durst. Aber das war im Augenblick nicht ihr vordringlichstes Problem. Viel schlimmer waren die Schritte, die sie deutlich hören konnte. Es waren seine Schritte, die unaufhörlich näher kamen.

Sie zitterte am ganzen Leib, als er die schwere Eisentür aufschob. Das Metall schürfte mit einem unheilvollen Kreischen über den nackten Betonboden und verhieß nichts Gutes. Michelle hatte gehofft, dass er nicht so schnell wiederkommen würde. Seit er sie auf der harten Unterlage festgebunden hatte, rieb sie unablässig das Seil um ihre Handgelenke an der scharfen Kante der Liege. Michelle spürte, wie das Seil immer dünner wurde. Dennoch konnte sie es nicht auseinanderreißen. Sie verlangsamte ihre Bewegungen, damit er nicht auf sie aufmerksam wurde. Mit klopfendem Herzen hörte sie in den Raum hinein. Neben ihr lag jemand. Sie konnte den unregelmäßigen Atem hören, der an das Röcheln eines Asthmakranken erinnerte. Mitunter glaubte sie auch, noch ein weiteres Atemgeräusch zu hören. Doch dieses schien sehr schwach und unter dem lauten Rasseln ihres Nachbarn kaum wahrnehmbar. Sie hatte die Orientierung verloren, ebenso wie jedes Zeitgefühl. Michelle konnte sich nur vage daran erinnern, wie sie überhaupt in diese Situation geraten war.

Sie konnte den Weg vor sich sehen, der sie wie jeden Tag nach Hause führte. Gutgelaunt und auch ein wenig müde lief sie die Straße entlang.

Ihr Tag war ein einziger Erfolg gewesen, bis sie die Schritte hinter sich hörte. Beschwingt lief sie über den

Bürgersteig und malte sich aus, wie sie in wenigen Minuten mit einem Glas Wein in ihrer Badewanne liegen und ihren Durchbruch feiern würde.

Aber dann waren die Schritte immer näher gekommen. Etwas an ihrem Klang hatte ihr Angst gemacht. Genau wie jetzt. Der Mann hatte die Tür hinter sich geschlossen und lief durch die Dunkelheit. Der feste Tritt seiner Stiefel hallte an den Wänden ihres Gefängnisses wider und rief unwillkürlich das Bild eines marschierenden Soldaten in ihr wach.

Die Präzision seiner Schritte war wie die eines Uhrwerkes oder einer tickenden Bombe, deren Auslöser unwiderruflich getätigt worden war.

Irgendwo raschelte es und Michelle rieb ihre Fesseln immer schneller über die scharfe Kante. Der Mann hatte irgendetwas vor. Das spürte sie genau.

Ein lautes Pochen trieb ihren Puls weiter in die Höhe. Michelle hatte keine Erklärung für dieses Geräusch.

Was um Himmels willen hatte der Mann vor? Unverständliche Worte drangen plötzlich aus seinem Mund.

Eine dumpfe Erinnerung stieg in ihr auf. Der Singsang war lateinisch. Sie konnte ihn nicht verstehen, denn mit dieser Sprache hatte sie lange nichts mehr zu tun gehabt. Ein unterdrücktes Stöhnen durchbrach die Predigt des Mannes. Es kam eindeutig nicht von ihrem Nachbarn mit dem rasselnden Atem. Also waren sie doch mindestens zu dritt an diesem kalten dunklen Ort gefangen. Michelle schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Seil an ihren Handgelenken. Nur noch ein paar Mal musste sie über die Kante schaben, dann war sie die Fesseln los. Der Mann kam unterdessen immer näher. Seine Stimme schien nur noch ein oder zwei Meter von ihr entfernt. Sie rieb weiter und versuchte dabei möglichst lautlos zu bleiben. Als sein heißer Atem mit einem Mal an ihrem Ohr brannte, raubte die Panik ihr fast die Sinne. Wieder murmelte er in lateinischer Sprache. Es klang wie eine Art Beschwörungsformel.

Kaltes Metall presste sich auf ihre Stirn. Schon sah sie die Mündung

einer Pistole aufblitzen, doch dann erkannte sie, dass es ein Kreuz war.

Sie hatte aufgehört, die Hände zu bewegen, denn sie wollte ihn glauben machen, dass sie schlief oder ohnmächtig war. Seine Hände wanderten über ihren Körper und Michelle hielt mühsam den Atem an. Sie wollte schreien, diesen Mistkerl verfluchen - doch das hätte ihr Ende sein können. Sie war immer noch gefesselt und ihm hilflos ausgeliefert. Also tat sie das, was sie jahrelang trainiert hatte. Sie beruhigte sich und regulierte ihren Atem. Mucksmäuschenstill lag sie da. Es war fast so wie im Vorfeld eines Wettkampfs. Der komplette Fokus lag auf dem Moment vor dem Start. Die Konzentration bündelte die Kraft zum entscheidenden Schlag.

Der Mann nahm das Kreuz von ihrer Stirn und entfernte sich wieder.

Sofort begann Michelle ihre Fesseln weiter zu bearbeiten. Ein Zischen fuhr durch den Raum. Der Mann hatte ein Streichholz entzündet. Obwohl das Feuer kaum die Kraft hatte, auch nur einen Bruchteil des Raumes zu erhellen, musste Michelle die Augen zusammenkneifen. Sie hatte zu lange in der Dunkelheit gelegen. Sie wartete einen Moment und spähte dann zu dem Mann hinüber, der gerade damit beschäftigt war, eine Kerze anzuzünden. Die Helligkeit nahm zu und Michelle konnte endlich ein paar Konturen erkennen. Neben ihr lag eine Frau auf einer Liege. Das kalte Edelstahl reflektierte den Kerzenschein und sie zuckte unwillkürlich zusammen. Die Liege erinnerte sie an einen Obduktionssaal oder ein Leichenschauhaus. Sie hatte mehr als einen Horrorfilm gesehen und sich stets vor der eisigen Dunkelheit dieser Räumlichkeiten gegruselt. Der Atem ihrer Nachbarin rasselte nach wie vor. Ansonsten lag sie völlig reglos da. Daneben bemerkte Michelle eine weitere Frau. Der Mann ging mit der Kerze in der einen Hand auf sie zu. Auch diese Frau rührte sich nicht. In der anderen Hand hielt er etwas, was Michelle zunächst nicht deuten konnte. Er warf es unter die Liege und schüttete Flüssigkeit

darüber. Sein Gesang erfüllte den muffigen Raum. Beißender Gestank breitete sich aus. Der Mann ging hinüber zu der Frau mit dem rasselnden Atem und wiederholte den Vorgang.

Michelle beobachtete ihn mit fast geschlossenen Lidern. Erneut erhob sich eine stechende Dampfwolke.

Ihre Nachbarin hustete heftig. Ihr geschwächter Körper bäumte sich unter dem Anfall auf und der Mann drückte sie zurück auf die Liege.

Genau in diesem Augenblick sah er auf und blickte direkt in Michelles Augen. Er wusste, dass sie ihn mit Blicken verfolgte. Wie ein Raubtier stand er regungslos da und starrte sie an. Panisch schloss sie die Augen.“

52

Lieblingsautoren

KLAUS SEIBEL

Freiheit für Ideen Was inspiriert Sie mehr? Ein Vogel im Käfig oder ein Adler, der sich in die Lüfte erhebt?

Ziemlich leicht zu beantworten: der Adler. Er weckt unsere Phantasie, lässt uns in Gedanken mitfliegen, Neues entdecken, Bekanntes aus neuer Perspektive sehen. Er ist frei und voller Kraft, und wenn wir ihm zusehen, tut uns das gut.

Der Weg zur Inspiration ist für mich, wenn ich die Stangen meines Gedankenkäfigs weglasse, wenn ich mich nicht begrenzen lasse von Konventionen und dem, was „normal“ ist. Ein Satz, den ich in meiner Kindheit oft gehört habe und nie leiden konnte: „Das macht man nicht. Was sollen die Leute denken?“

Ja, was sollen sie denken? Und was denken sie am Ende wirklich? Zu den berühmtesten und meistbesuchten Touristenattraktionen Deutschlands zählen nicht die vielen „vernünftigen“ Bauten des neunzehnten Jahrhunderts, sondern Schloss Neuschwanstein. Bau Ludwigs II., den man am Ende seines Lebens für verrückt erklärt hat. Dieses Schloss hat viele Menschen inspiriert, unter anderem Walt Disney, der dann selbst daraus viele Märchen und Geschichten entwickelt hat.

Ich liebe es, ab und zu einen Standpunkt einzunehmen, der aus dem Normalen herausgerückt ist, eben „ver-rückt“. Und oft wächst daraus eine Inspiration.

Wissen Sie, wie mein erstes Buch entstanden ist? Wie ich überhaupt mit dem Schreiben angefangen habe? Ich habe ein Buch gelesen (passiert schon mal ;). Das Thema fand ich sehr spannend, aber beim Lesen habe ich mich gelangweilt.

Plötzlich kam mir die Idee: Mach es doch mal andersherum: Such dir ein langweiliges Thema und mache eine spannende Geschichte daraus.

Okay. Ich habe also überlegt, was langweilig ist. Eine Schraube. Die ist langweilig, und einen Roman hat es meines Wissens noch nicht darüber gegeben. Das Langweilige stand also fest, fehlte die spannende Geschichte.

Was könnte spannend sein? Der Ort. Ein Ort, mit dem niemand rechnet.

Ein „verrückter“ Ort. Eine Schraube auf dem Mond. Klingt schon besser.

Die Schraube ist kaputt. Noch besser. Warum ist sie kaputt? Und wie kommt sie überhaupt dorthin? Wird immer spannender.

Und dann die ultimative Frage, um aus herkömmlichen Gedanken auszubrechen: Was wäre, wenn …? Was

wäre, wenn die Menschen so eine kaputte Schraube tatsächlich finden würden? Die Welt würde kopfstehen.

Das habe ich beschrieben – und Sie können es lesen in „Krieg um den Mond“.

Der Funke sprang auf die Leser über.

Zehntausende haben sich anstecken lassen und wollten wissen, wie es weitergeht. Der Adler der Inspiration hatte abgehoben, aber die Reise sollte noch nicht zu Ende sein. Ich stand vor der Herausforderung, eine phantastische Geschichte zu entwickeln, die nicht in ferner Zukunft in den unendlichen Weiten des Universums stattfindet, sondern heute und hier auf unserer guten, alten Erde.

Dazu war wieder ein „verrückter“ Gedanke nötig. Was wäre, wenn … vor uns schon einmal eine Zivilisation auf unserem Planeten gelebt hätte? Wirklich unmöglich? In den Jahrmillionen, in denen es Leben gibt, könnte man sogar mehrere unterbringen. Und wenn uns diese Zivilisation ein Erbe hinterlassen hätte? Eine unglaublich faszinieLieblingsautoren

53

rende und inspirierende Idee. Die Geschichte um „Das Erbe der ersten Menschheit“ war geboren. Das Besondere daran ist: Es könnte alles tatsächlich so sein! Und wieder haben sich Leser inspirieren lassen. Sie haben selbst weitergedacht. Und gefragt: Wenn es solch eine Zivilisation wirklich gegeben hätte, müsste man doch Spuren davon finden?

Und mit diesem Gedanken liegen sie vollkommen richtig. Die Geschichte um „Die erste Menschheit“ ist noch nicht zu Ende. Wer sie mit-liest, darf sich noch auf viele Überraschungen gefasst machen, die unseren Gedanken Flügel verleihen werden.

Eine langweilige Schraube wird zu einer Geschichte, die einmal mehr als 2.000 Seiten zählen wird und über alle Plattformen zusammen schon eintausend 4- und 5-SterneRezensionen eingesammelt hat. Das ist schon eine „verrückte“ Entwicklung – und macht Lust auf mehr.

Noch mehr Bücher. Noch mehr Geschichten. Nach „Krieg um den Mond“ habe ich „Schwarze Energie“ geschrieben. Darin geht es um das größte Experiment, das die Menschen jemals gebaut haben: Eine gigantische Maschine mit einem Umfang von 27 Kilometern, eingegraben unter den Bergen am Genfer See: CERN. 54

Lieblingsautoren

ich es mit Krimi versucht. Aber inspiriert hat mich nur die Vorstellung, wieder eine Stange aus dem Käfig des Konventionellen herauszubrechen.

Die Herausforderung, die ich mir gesetzt hatte: Schaffst du es, einen Krimi zu schreiben, in dem es keinen Mord gibt, wo keine Ermittlungen stattfinden und in dem es am Ende keine Verhaftung gibt? Der aber so spannend ist, dass man nicht mehr mit Lesen aufhören kann, wenn man einmal angefangen hat? Zu schräg?

Viele Menschen hatten Angst, sie könnte mit ihren vollkommen neuen Möglichkeiten riesiges Unheil anrichten. Die Wissenschaftler sagten (und sagen immer noch): „Es kann unmöglich etwas passieren!“ – Aber da haben sie nicht mit einer verrückten Phantasie gerechnet.

Dieses „unmöglich“ hat mich zu einer Geschichte inspiriert, an die die Wissenschaftler ganz bestimmt nicht gedacht haben.

Kurz bevor das Buch erschienen ist, gab es für mich eine besondere Überraschung: Ein wichtiger Teil der Geschichte geht um einen Tsunami auf dem Genfer See. Ein wirklich schräger Gedanke, dachte ich: ein Tsunami in der Schweiz. Aber ich hielt es für möglich. Wenige Wochen vor Erscheinen des Buchs ging es dann durch die Presse: Forscher warnen vor Tsunami im Genfer See! Den hat es schon gegeben, und er könnte jederzeit wieder passieren.

Wenn Sie es nicht glauben, googeln Sie danach. Manchmal werden phantastische Gedanken schneller wahr, als man es für möglich hält. (Hoffentlich aber nicht bei den anderen phantastischen Gedanken, die ich zu den Experimenten in CERN hatte.)

Die Faszination, das Unmögliche zu versuchen, hat bei mir auch nicht vor den Krimis haltgemacht. Das war noch zu Zeiten, als man einen Verlag brauchte, um veröffentlicht zu werden. Die vorigen Ideen waren den Verlagen zu schräg, also habe

In „Zehntausend Augen“ finden Sie die Antwort. Auch hier waren die Leser so inspiriert, dass sie nach einer Fortsetzung verlangt haben. Welche Herausforderung könnte es darin geben, die mich geistig in Lüfte erheben lässt? Gelingt es mir, die Kommissarin, die von einem Mann erpresst und vor aller Welt bloßgestellt wurde, dazu zu bringen, genau mit diesem Mann zusammenarbeiten zu lassen? Als ich die Idee meiner Literaturagentin vorgestellt habe, hat sie gesagt: „Das geht unmöglich!“ – Sie ahnen es schon: Das war genau das richtige Stichwort für mich. „Zehntausend Fallen“ ist der Beweis, dass es doch möglich ist. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie :).

Was ich eigentlich nie schreiben wollte, waren blutige Sachen. Aber … in einem vertraulichen Gespräch mit einer anderen Agentin musste ich mir anhören: „Wenn man heute noch bei einem Verlag landen will, muss man schon mit einem Serienmörder kommen.“ Zu der Zeit wollte ich noch einen Verlag, und da habe ich mir gedacht: „Na gut. Wenn ihr es unbedingt blutig wollt, kriegt ihr euren Serienmörder.“ Aber intelligent muss es trotzdem sein. Und – egal, was ihr sagt – etwas „Unmögliches“ oder „Verrücktes“ gehört dazu, sonst passt es nicht zu mir. Entstanden sind „STRAFE – Alte Sünden“ und „STRAFE – Kein Vergessen“.

Ungesühnte Schuld von Kirchenleuten wird mit „kirchlichen“ Mitteln geahndet. Mittelalterliche Rechtsprechung (Folter) platzt in unsere moderne Zeit. Nebenbei: Sie werden staunen, wie viel sich aus dieser Zeit bis heute bis in unsere Sprache herübergerettet hat. Und wo bleibt das Unmögliche? Hier ist es: Halten Sie es für möglich, dass Sie am Ende der Geschichte den Serienmörder lieben werden? Oder zumindest mitfiebern, wie es ihm ergeht? Wenn dann eine Leserin schreibt ‚Diese Geschichte geht unter die Haut, besonders der Schluss hat mich tief berührt und wird mich so schnell nicht mehr loslassen‘ , ist das eine wundervolle Belohnung, wie sie schöner kaum sein kann.

den alle haben. Wenn Sie sich erlauben, das Unmögliche zu denken.

Wenn Sie ihren Gedanken gestatten, sich ungehindert in die Lüfte zu erheben. Dann kommen auch die ungewöhnlichen, die besonderen Gedanken. Dann sehen die herkömmlichen Dinge plötzlich anders aus, oder Sie entdecken Dinge, die Sie nie für möglich gehalten haben.

Und wenn Ihnen die Zeit und die Muße dazu fehlt? Oder wenn es doch nicht gelingen will? Dann haben Sie uns! Dafür sind wir Autoren doch da. Um Ihnen zu helfen, sich in die Lüfte zu erheben. Um Sie in andere Welten zu entführen. Um Sie in Liebe zerschmelzen zu lassen oder Ihnen einen Schauer über den Rücken zu jagen. Lassen Sie sich von einem guten Buch aus Ihrem Alltag entführen – und vielleicht bekommen Ihre Gefühle und Gedanken Flügel. Ganz bestimmt sogar.

Klaus Seibel www.kseibel.de

„Alle sagten: Das geht nicht.

Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat’s gemacht.“ Das ist eins meiner Lieblingszitate.

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, verstehen Sie, warum. Aus diesem Grund suche ich keinen Verlag mehr. Dann sagt mir niemand „Das geht nicht“. Dann kann ich es einfach tun – und meine Leser mit auf eine inspirierende Reise nehmen.

Inspiration kommt, wenn Sie den gewohnten Standpunkt verlassen, Lieblingsautoren

55

EILEEN JANKET

INSPIRATION IST GLÜCK (Alle Namen sind fiktiv.)

Berlin 2011

I

ch will keinen weiteren Fall!

Mit verdrossener Miene sitze ich meinem Teamleiter Sebastian gegenüber und muss ihm dabei zusehen, wie er sein DiätMüsli in sich hineinschaufelt. Schmatzend und spuckend erklärt er mir, dass Herr Lietsch vom Jugendamt ausdrücklich nach mir gefragt habe. »Ich hab zurzeit fünf Familienhilfen, von denen drei Kinderschutzfälle sind!«, knalle ich Basti an den Kopf, obwohl er genau weiß, wie viele Fälle jeder seiner Mitarbeiter hat.

56

Lieblingsautoren

Die Koordination der Arbeitsaufträge des Jugendamts ist ja schließlich seine Hauptaufgabe. Die Verteilung der Fälle geht allein über seinen Tisch. »Ich kann unseren Neuen keine Multiproblem-Familien anvertrauen«, argumentiert er, und wie es so seine Art ist, eher jammervoll als streng. Als ob das mein Problem wäre!

Dabei sind die jungen Kollegen, die taufrisch von der Uni kommen, immerhin noch Idealisten. Gerade weil sie so wenig Erfahrung haben und glauben, wer Hilfe angeboten bekommt, nimmt sie automatisch an. Alle anderen aus unserem Team hat Basti mit Fällen so vollgepackt, dass nichts mehr geht.

Aber das ist das Paradoxe an Sozialarbeitern

– sie können schlecht Nein sagen, obwohl sie anderen empfehlen, die eigenen Grenzen zu respektieren. Weder Basti schafft es, dem Jugendamt eine Abfuhr zu erteilen, noch wagt es einer meiner Kollegen, eine Fallanfrage abzulehnen. Und ich auch nicht.

Mit einem vorwurfsvollen Blick seufze ich und knicke ein. »Na gut …« Der Druck ist einfach zu groß. Wenn Basti jetzt bei Herrn Lietsch absagen müsste, ginge eine Kettenreaktion los, die dazu führt, dass er von der Geschäftsleitung eins auf den Deckel bekommt. Die interessiert sich nämlich nicht für pädagogische Abwägungen bei der Verteilung der Fälle! Für die ist nur entscheidend, dass wir möglichst viele Familien betreuen. Schließlich sind wir nicht der einzige freie Träger der Jugendhilfe im Bezirk, und müssen zeigen, dass eine Kooperation mit uns stets reibungslos abläuft.

Basti legt seine Müsli-Schale endlich weg und drückt mir ein Formular in die Hand, auf dem er Notizen zum Fall und die Kontaktdaten der Familie draufgekritzelt hat.

Schnell rattert er runter, was er bereits weiß: »Alleinerziehende Mutter mit drei Kindern …

Serbischer Migrationshintergrund … Vater der Kinder unbekannt bzw. nicht auffindbar ...

Mutter hat das alleinige Sorgerecht … Es geht um den ältesten Sohn … Underachiever …

Häufige Fehlzeiten … Letzte Woche meldete die Schule seine Beteiligung an einer Prügelei in der Mensa … Der Jugendliche schweigt dazu.« Ich starre auf das Blatt und spüre schon, wie sich alles in mir auflehnt. Die Fälle mit schuldistanzierten Teenagern, die auch noch gewalttätig sind, gehören nach den Kindesmissbrauchsfällen zu den unbeliebtesten. Das können alle meine Kollegen bestätigen. Nicht nur das gesamte Spektrum an fachlichem Wissen ist hier gefragt, sondern auch Toughness und Durchhaltevermögen. »Danke, Eileen! Ich gebe Lietsch Bescheid, dass wir den Fall übernehmen«, höre ich Bastis freudvolle Stimme, während ich zerknirscht sein Büro verlasse.

Die Last auf meinen Schultern ist schwerer geworden, weil ich jetzt weitere Termine in meinem Arbeitsplan unterbringen muss. Obwohl ich »nur« in Teilzeit arbeite, fühlt es sich seit Jahren wie Vollzeit an, und mein Fahrweg zum Job dauert auch fast zwei Stunden. Ich habe das Gefühl, mich mangels Zeit nicht genügend um meine eigenen Kinder kümmern zu können. Folglich sitzt mir das schlechte Gewissen ständig im Nacken und lässt sich nicht abschütteln.

Es vergehen drei Tage, bis ich Frau Lovic auf dem Handy erreichen kann und ihr mitteile, dass ich ihre zuständige Familienhelferin bin. Die Km (Kindesmutter) klingt nicht erfreut, aber kooperiert. Wir einigen uns auf einen Termin, bei dem ich sie und ihre Kinder kennenlernen und alles Weitere besprechen möchte. Im Anschluss werden wir einen Termin mit dem Jugendamt vereinbaren, wo wir gemeinsam mit Herrn Lietsch einen Hilfeplan aufstellen und die Familienhilfe sozusagen »eintüten«.

Inzwischen habe ich mich mental berappelt und mir erfolgreich eingeredet, dass ich auch sechs Fälle schaffe. Tschakka! Die Hoffnung, dass sich eines Tages an meiner Arbeitssituation etwas grundlegend ändern wird, hat mich wieder aufgebaut, und ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Gut so, denn man sollte auf keinen Fall seinen Klienten gegenübersitzen und genauso betrübt aussehen wie sie.

Als ich vor der Wohnungstür stehe, schaue ich ein letztes Mal auf das Formular, das ich von Basti habe: Mein »Index-Klient« ist sechzehn Jahre alt, männlich und heißt Sergio. Ich stecke das Blatt wieder weg, atme tief durch und setze schon mal ein freundliches Lächeln für die Mutter auf. Nein, ich will Ihre Kinder nicht wegnehmen!, soll es heißen. Niemand will das, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Denn eine Fremdunterbringung kostet den Staat weitaus mehr als die ambulanten Hilfen zur Erziehung.

Lieblingsautoren

57

Ich drücke mehrmals auf die Klingel und warte geduldig. Ins Gebäude bin ich problemlos gelangt, weil anscheinend das Schloss der Eingangstür defekt ist und sie sich nicht schließen lässt. Das Treppenhaus riecht ein wenig nach Urin und Müll. Die Sommerhitze dieser Tage verschlimmert solche Zustände.

Aber um ehrlich zu sein, bin ich, was Gerüche angeht, schon abgehärtet. Das ist das Geringste der Probleme, mit denen unsereins zu tun hat.

Etwas zögerlich geht die Wohnungstür endlich auf, und eine schwarzhaarige, sehr attraktive Frau steht mir beklommen gegenüber. Sie ist höchstens Mitte dreißig. In ihrem Gesicht liegt ein Ausdruck, den ich kenne. Er ist eine Mischung aus Widerwillen, Scham und Angst.

Sie bemüht sich um Freundlichkeit und bittet mich herein. Das Ergebnis meines sekundenschnellen Scans der Wohnung ist beruhigend. Ich kann sogar behaupten, dass ich angesichts der Tatsache, dass die Familie von Hartz 4 lebt, über die ausgesprochen schöne Inneneinrichtung überrascht bin. Prima, denke ich, Frau Lovic kann offenbar gut haushalten. (Den wahren Grund für die entspannte materielle Situation der Familie sollte ich allerdings erst später erfahren …)

Wir betreten das Wohnzimmer, und ich werde mit einer männlichen Person konfrontiert, bei der ich im ersten Moment an einen jugendlichen Liebhaber der Km denke. Doch dafür ist dieser dunkelhaarige Typ dann arg jung.

Das ist Sergio Lovic? Nie im Leben ist der sechzehn! Er ist gebaut wie ein junger Stallone. Vielleicht kann er mit diesem Aussehen später mal was anfangen, denke ich. Diesen Reflex muss ich erklären: Wir suchen bei unseren Klienten nach Ressourcen wie Verdurstende nach einem Tropfen Wasser! Der junge Herr Lovic trägt allerdings einen Nasengips.

Ach ja, er hatte sich in der Mensa mit einem Mitschüler geprügelt. Ich habe einen echten 58

Lieblingsautoren

Bad Boy vor mir. Am liebsten würde ich gleich wieder umkehren und den Fall Basti um die Ohren hauen.

Sergio hält es nicht für notwendig, mich zu begrüßen. Stattdessen starrt er demonstrativ missmutig zum Fernseher. Es läuft der Kinderkanal! Irgendeine Animation mit LegoFiguren. »Sergio!«, ermahnt ihn seine Mutter mit einer unterschwelligen Bitte im Tonfall. Ihr Sohn scheint zu verstehen, denn jetzt stellt er das Bein, das er die ganze Zeit über der Armlehne baumeln ließ, auf den Boden und setzt sich ordentlich hin. Scheinbar unbeeindruckt mache ich ein paar Schritte auf ihn zu und reiche ihm zur Begrüßung die Hand. Das ist auch irgendwie ein Test: Wenn er nicht auf die Geste eingeht, kann ich mich auf eine lange und wenig erfreuliche Beziehungsaufbau-Phase gefasst machen. Plötzlich klappert es aus dem Hinterzimmer, und im nächsten Moment steht ein kleiner, dünner Junge in der Türschwelle und starrt uns ausdruckslos an. Schnell reicht mir Sergio die Hand, murmelt ein schüchternes Hallo und springt auf. Ich hätte nicht gedacht, dass er so groß ist. Noch bevor ich die Bewegung mitkriege, hat er den Kleinen geschnappt und ihn sich auf die Schultern gesetzt. Zusammen verschwinden sie aus meinem Blickfeld, und das war es für diesen Tag. Ich sehe die beiden nicht wieder.

Die Km hätte sie zum Bleiben auffordern müssen, damit wir uns kennenlernen können, aber sie scheint müde und antriebslos zu sein.

Die allgemeine Stimmung sagt mir, dass wir die Dinge langsam angehen sollten …

Wenige Wochen später habe ich einen relativ guten Einblick in die Familie, habe mit Sergios Lehrern gesprochen, und es geschafft, dass er sich mir gegenüber öffnet. Sein Nasengips ist ab, und ich habe inzwischen erfahren, dass er sich die Verletzung bei einem illegalen Kampf zugezogen hat. Er hatte gewonnen und eine Menge Geld kassiert. Wie viel wollte er mir nicht verraten – trotz meiner Schweigepflicht.

Seine Ängste, dass das Jugendamt den kleinen Bruder »wegnehmen« will, konnte ich ihm nehmen. Er geht wieder regelmäßig zur Schule, und die Sache mit der Prügelei in der Mensa hat er mir haargenau erklärt. »Meinen Abschluss setz ich nicht in den Sand!«, versichert er der übergewichtigen Schulsozialarbeiterin beim gemeinsamen Termin. »Das hoffe ich, Sergio«, gibt die Frau stirnrunzelnd zurück. Dann mustert sie ihn mit einem beinah aufdringlichen Blick, der ihn verlegen die Arme vor der Brust verschränken lässt. »Du bist doch ein gutaussehender und kluger Junge! Verbau dir nicht die Zukunft!«, sagt sie, und ich denke mir, jetzt ist aber gut!

Sergio sieht mich hilfesuchend an. Also bedanke ich mich bei Frau Schmiedelwank für das Gespräch, und Sergio und ich verlassen den Raum.

Ich kann den Fall bereits nach dem ersten Hilfezeitraum, der sechs Monate dauert, mit guter Prognose und einem optimistischen Gefühl beenden.

Im Anschluss habe ich Urlaub und unternehme eine langersehnte Reise nach Irland.

Als ich wieder zurück in Berlin bin, setze ich mich an den Computer und schreibe »Crazy Love – verrückt verliebt«. Mein erster Jugendroman fließt mit einer Leichtigkeit aus mir heraus wie Wasser aus dem Hahn …

Ich bin im höchsten Maße inspiriert, und ich weiß auch durch wen!

Am Ende wurde aus der Geschichte sogar eine Trilogie!

Mein Dank dafür geht an einen serbischen jungen Mann mit dem Herz am rechten Fleck … (»Crazy love - Trilogie« als E-Book und Taschenbuch exklusiv bei Amazon erhältlich sowie weitere Bücher von Eileen Janket.)

Neuer Roman:

Schottland, wie es keiner kennt!

Die Geschichte von Skye und Rory ...

In einer geheimnisvollen Höhle in den schottischen Highlands verliert die junge Historikerin Skye Leonard nach einem Sturz das Bewusstsein.

Als sie wieder zu sich kommt und ins Freie tritt, befindet sie sich inmitten einer fremden Wildnis.

Skye wird von seltsam gekleideten Kriegern gefangen genommen und in eine archaische Siedlung verschleppt.

Ihr Anführer Rory MacRae behauptet, sie befänden sich in Caledonia ... im Jahr 3016! »Eine mystische, spannende und romantische Saga.«

Lieblingsautoren

59

MARCUS Hร NNEBECK Foto Autor: Igor Tรถpfer

60

Lieblingsautoren

S

eitdem ich mich erinnern kann, war Musik ein ständiger Begleiter meines Lebens. Meine Eltern mochten Musik von Udo Jürgens, Howard Carpendale, Roland Kaiser etc.. Ich entsinne mich an Urlaubsfahrten im Auto, nach denen ich »Griechischer Wein« auswendig kannte. Nur meinem Geschmack entsprach das leider nicht. Als typischer Jugendlicher der Achtziger wuchs ich mit der Neuen Deutschen Welle auf. NenaPoster pflasterten meine Kinderzimmerwände. NDW flaute ab, und mein Musikgeschmack wurde nach einem kurzen Ausflug ins Pop-Genre härter. Bon Jovi war 1988 mein allererstes Konzert, und ich blieb dem Hardrockgenre sehr verbunden. Dann kam der Grunge. Pearl Jam waren meine Helden, und hätte sich Kurt Cobain nicht erschossen, hätte ich ihn ein paar Wochen später live erlebt. Schließlich entdeckte ich Nine Inch Nails für mich, und die Musikrichtung blieb erhalten. Auch heute sind sie noch meine Lieblingsband; wobei ich inzwischen guter Popmusik ebenfalls mein Gehör leihe. Das macht wohl das Alter.

Doch erstaunlicherweise höre ich beim Schreiben nichts von dieser Musik. Zum einen lenkt es mich ab, wenn ich einen Text höre – und mich gleichzeitig selbst auf einen zu schreibenden Text konzentrieren muss. Außerdem benötige ich als »Hintergrundrauschen« meistens etwas Dramatischeres. Egal, ob ich eine Liebesszene schreibe oder an einem Thriller arbeite – wenn ich mich beschallen lasse, höre ich am liebsten Streicher, Klavier, klassische Klänge.

Ideal empfinde ich Soundtrackmusik. Hans Zimmer ist grandios. Sein »Inception«-Soundtrack ist einer der besten aller Zeiten. Aber auch die Batman-Trilogie ist wunderbar geeignet, um in die richtige Stimmung zu kommen.

In einem Namensbedeutungslexikon steht für Marcus folgendes: aus dem Lateinischen »marinus« = zum Meer gehörend.

Einen besseren Vornamen hätten mir meine Eltern nicht geben kön-

nen. Sobald ich am Meer bin, bin ich glücklich, und mein Geist kann sich frei entfalten. Im Oktober 2015 habe ich beispielsweise mit meinem Sohn einen einwöchigen Badeurlaub auf Gran Canaria verbracht. Unser Balkon war zum Atlantik ausgerichtet, und der Blick war von nichts verbaut. Ich habe jeden Tag mittags (sobald mein Sohn eine HandyzockPause eingelegt hat) ein bis zwei Stunden auf dem Balkon gesessen und mir die komplette Handlung eines Romans ausgedacht. Herausgekommen ist dabei »Unsere Nachbarn und ich«, den ich gemeinsam mit Kirsten Wendt im Februar veröffentlicht habe. Sollten mir jemals die Ideen ausgehen, ziehe ich ans Meer. Zu meinem Glück (und zur Erleichterung meines Reisebudgets) hat der Rhein die gleiche Auswirkung. Ich lebe in einer kleinen Stadt, die den mächtigen Fluss im Namen trägt. Monheim am Rhein. Herrlich!

In meinem Keller steht ein Fahrrad, mit dem ich gerne stundenlange Radtouren entlang der Deiche unternehme. Und das Schönste: Innerhalb von fünf Minuten erreiche ich das Wasser. Sobald ich dort entlangfahre, geht meine Kreativität wiederum auf Wanderschaft. Oft kommt sie anschließend mit schönen Ideen zu mir zurück.

Menschen inspirieren mich ebenfalls. 2010 erschien unter dem Pseudonym ein Kinderbuch. »Der weltbeste Erfinder«. Hauptfigur ist der zehnjährige Joshie, der davon träumt, Erfinder zu werden. Außerdem hat er eine Menge Quatsch im Kopf. Wie soll ich sagen: Es ist kein Zufall, dass mein Sohn Joshua heißt und die Widmung des Buches »Für meinen Sohn. Ohne dich würde es dieses Buch nicht geben« lautet.

2014/2015 durfte ich dann feststellen, dass auch Kollegen sehr inspirierend sein können. Für die Leipziger Buchmesse gehörte ich zu den Autoren, die gemeinsam das Buch »24 Stunden - 24 Autoren« verfassten.

Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich erst einmal mit jemand anderem zusammengeschrieben; was viele Jahre her

war und nie zu einem Abschluss gekommen ist. Während mein Kapitel entstand, stellte ich fest, wie sehr es mich motiviert, in einer Gemeinschaft zu schreiben. Allerdings ahnte ich damals noch nicht, nur Monate später Teil eines Autorenduos zu sein, was mich seitdem jeden Tag inspiriert.

Ein Highlight der Messe 2015 war sicherlich die Lesung aus dem »24er Buch«. Vor hundert geladenen Gästen trugen ein paar der beteiligten Schriftsteller fünfminütige Abschnitte ihrer Kapitel vor. Ich hatte das Glück, zu den auserwählten Autoren zu gehören. Der Text, den ich damals vorgetragen habe, spukt noch immer in meinem Kopf herum.

Tatsächlich überlege ich, die Grundidee in einem Thriller zu verarbeiten, weswegen ich ihn nun – sozusagen als kurze Stilprobe meiner Schreibe – ans Ende dieser kleinen Ausführung stellen möchte.

*

M

arks in der Hosentasche steckendes Handy vibrierte. Er zog das Smartphone heraus. Der Name Beate stand im Display. „Hallo, Schatz. Kannst du nicht einschlafen?“ Sie litt schon länger unter Schlaflosigkeit. Vor allem dann, wenn er unterwegs und sie allein mit Anastasia zu Hause war. „Hier ist jemand in der Wohnung“, flüsterte sie. „Was hast du gesagt?“ Instinktiv hielt er sich das freie Ohr zu.

Hatte er sie richtig verstanden? „Ein Einbrecher! Ist es Hill?“ Nein! Das konnte nicht sein.

Norbert Hill hatte einige Jahre zuvor Beates Ehemann Sebastian getötet und sie in seine Gewalt gebracht. Davon hatte sie sich nie völlig erholt. „Was soll ich bloß machen?

Die Polizei wird nicht rechtLieblingsautoren

61

zeitig hier sein“, wimmerte sie. „Warum musstest du bloß zu diesem verdammten Kongress fahren?“ „Wäre Hill aus dem Gefängnis ausgebrochen, hätten sie uns informiert“, beruhigte Mark sie. „Sie hätten Beamte zu deinem Schutz abgestellt.“ „Wer soll es denn sonst sein?“ Er dachte an Johanna Jenning, doch auch das erschien ihm zu weit hergeholt. „Hilf mir!“, flehte Beate. „In welchem Zimmer bist du?“ „Im Schlafzimmer.“ „Hast du die Tür abgeschlossen?“ „Ana ist ihm schutzlos ausgeliefert“, erwiderte sie, statt seine Frage zu beantworten.

Anastasia war die fünf Jahre alte Tochter von Beate und dem ermordeten Sebastian Bauer. Ein Kind, um das sich Mark kümmerte, als wäre es sein eigenes – wann immer es seine Zeit zuließ. „Hast du die Tür abgeschlossen?“, wiederholte er. „Ja. Aber das wird ihn nicht aufhalten!“ „Erzähl mir, wieso du glaubst, es sei jemand eingebrochen.“ „Ich glaube das nicht, ich weiß es!“, kreischte Beate. „Beruhige dich! Bist du von einem Geräusch wach geworden?“ „Genau! Ein Scharren!“ „An der Schlafzimmertür?“ „Wahrscheinlich! Ich bin aufgesprungen und habe leise den Schlüssel umgedreht. Durch die Ritze unter der Tür kann ich Licht sehen. Ich habe es nicht angelassen!“ Innerlich verzweifelte er, denn mindestens dreimal pro Woche vergaß sie, die Lampen auszuschalten.

62

Lieblingsautoren

„Hast du den Notruf gewählt?“ „Nein! Ich habe sofort an dich gedacht.“ „Das ist gut.“ So würden ihre Ex-Kollegen diesmal nicht mitbekommen, wie es um die ehemalige Kommissarin bestellt war. „Rufst du sie an? Dir werden sie eher glauben.“ Offensichtlich erinnerte sie sich an die von ihr ausgelösten drei Fehlalarme seit dem Umzug in die Eigentumswohnung. „Du überprüfst jetzt jeden Raum“, schlug er vor. „Ich bleibe am Telefon. Es kann dir nichts passieren.“ „Das traue ich mich nicht!“, entfuhr es ihr panisch.

Die nächsten Worte musste er sehr sorgfältig wählen. „Vielleicht hast du schlecht geträumt.“ „Ich war schon wach, als ich das Geräusch gehört habe“, widersprach sie. „Mir geht das manchmal ähnlich“, behauptete er. „Obwohl ich bereits aufgewacht bin, klingt der Traum nach.“ Sie schwieg, während er geduldig wartete. „Okay“, wisperte sie schließlich. „Aber was ist, wenn er vor der Tür lauert? Ich habe keine Waffe.“ „Falls er Ana in seine Gewalt gebracht hat, musst du dich ihm eh stellen.“ Für einen kurzen Moment schämte er sich, ein solches Scheinargument zu benutzen. Hätte einem Psychologen nicht etwas Besseres einfallen müssen? „Du hast recht“, erwiderte sie. „Ich darf ihm die Kleine nicht kampflos überlassen.“ Verzweifelt schloss Mark die Augen. Beate schien tatsächlich

zu glauben, dass Hill einen Weg zu ihr gefunden hatte.

Noch einmal meldete sich eine nagende Stimme des Zweifels. Hatte Jenning von seinen Ermittlungen erfahren? Immerhin hatte er in ihrer Vergangenheit herumgestochert. Hatte sie das herausgefunden? Die Serienmörderin liebte die Herausforderung. Und ein Einbruch in seine Wohnung wäre eine mächtige Kampfansage.

Trotzdem hielt er diese Variante für unwahrscheinlich. „Hast du deine Schusswaffe mitgenommen?“, wollte sie wissen. „Zu dem Kongress? Nein.“ „Nenn mir die Kombination zum Safe!“ Er hatte unten in den Kleiderschrank einen Safe eingebaut, in dem er seine Pistole aufbewahrte. Bislang kannte Beate die Zahlenkombination nicht. Er stellte sich lieber nicht vor, welchen Schaden sie in ihrer Panik anrichten könnte. „Das ist unnötig.“ „Bitte!“, flehte sie.

Der Name Jenning geisterte in seinem Kopf herum. Durfte er dieses minimale Risiko außer Acht lassen? „Sieben, zwei, neun, fünf, drei, null“, murmelte er mit schlechtem Gewissen. „Sieben, zwei, neun, fünf, drei, null“, wiederholte sie die Zahlen. „Ich schalte den Lautsprecher an und lege das Telefon beiseite.“ Sekunden später hörte er, wie sie die Schranktür aufschob. Ein Piepsen untermalte jede Zahleneingabe akustisch.

Dann erklang ein Dreierton, der ihm signalisierte, dass ihr eine schussbereite Waffe zur Verfügung stand. „Da bin ich wieder!“

„Denk dran, den Pistolenlauf auf den Boden zu richten“, erinnerte er sie. „Ich bin ausgebildete Polizistin!“, entgegnete sie scharf. „Aber du bist seit Jahren nicht mehr schießen gewesen. Mir wäre es…“ „Oh Gott!“, unterbrach sie ihn. „Was ist?“ „Ich sehe einen Schatten durch die Türritze. Und jetzt – und jetzt.“ „Red mit mir!“, schrie er. „Die Türklinke bewegt sich“, flüsterte sie. „Soll ich ihn durch die Tür erschießen?“ Mark vernahm ein leises Wort.

Sein Herzschlag setzte aus. Oder hatte er sich das nur eingebildet? „Mami?“, konnte er nun deutlicher vernehmen. „Lass die Waffe los!“, brüllte er. „Wirf sie aufs Bett! In der Diele steht Anastasia! Deine Tochter! Kein Einbrecher! Nicht schießen!“

Lieblingsautoren

63

MATTHIAS MATTING

EIN BILD MACHEN Foto Autor: Birgit-Cathrin Duval

B

evor ich die erste Zeile geschrieben habe, versuche ich, die Bilder in meinem Kopf in leuchtenden Farben zu Papier zu bringen – mit Hilfe begabter Grafiker.

Es ist ein Grundproblem des Schreibens: Der Autor hat viele Bilder im Kopf, die er auf Papier bringen will. Sie lassen sich aber oft nicht komplett in Sprache übersetzen, weil dabei etwas Wichtiges verloren geht: die Erinnerungen und Gefühle, die im Gehirn des Autors daran geknüpft sind. Sie fehlen dem Leser, das ist unabänderlich. Mit viel Geschick kann es der Schreibende erreichen, dass seine Worte trotzdem ein Bild malen, das dem in seiner Vorstellung entspricht – obwohl man sich dessen nicht einmal dann sicher sein kann, wenn der Lektor als erster Leser die „richtigen“ Assoziationen hat.

Mir hilft es deshalb sehr, im allerersten Schritt einen Grafiker einzuschalten. Oft noch bevor ich die erste Zeile verfasst habe, versuche ich, einem anderen Menschen „mein“ Bild nahezubringen. Nun sind Grafiker, die regelmäßig im Auftrag anderer arbeiten, durchaus geübt darin, ihre Intentionen zu erraten. Doch

64

Lieblingsautoren

auch dann ist es immer noch ein herausfordernder Prozess. Was habe ich davon? Ich stelle fest, ob das Bild in meinem Kopf einprägsam ist, ob es auch anderen Menschen etwas sagt. Durch das Ausformulieren bekommt das Bild aber auch bessere Konturen, die mir später eine bessere Umsetzung in das Buch erlauben. Das funktioniert übrigens bei Krimis oder Fantasy genauso wie bei Büchern über Quantenphysik und Relativitätstheorie.

Und schließlich kann ich die Bilder dann auch im Buch selbst verwenden, beginnend mit dem Cover. Der Umschlag für mein neues Buch „Die Frau, die zu viel träumte“ ist denn auch längst fertig, obwohl ich beim Text noch nicht über das erste Kapitel hinausgekommen bin.

Eine Auswahl der schönsten Bilder zu meinen Büchern finden Sie gleich nebenan.

Ihr Matthias Matting

„Die Frau, die zu viel träumte“ - erscheint Mitte 2016 Nachfolgetitel zu http://www.amazon.de/dp/B0151VRIJS/ (Bild: Alex Tsatsos)

Lieblingsautoren

65

Beisha - GetĂśtet www.beisha-getoetet.de (Bild: Jason Spencer)

Die faszinierende Welt von Relativität, Standardmodell und Stringtheorie https://www.amazon.de/dp/B00QVK47KM/ (Bild: Daniel Kombakov) 66

Lieblingsautoren

Die faszinierende Welt der Quanten http://www.amazon.de/dp/B008GNA7HO/ (Bild: Anna Putnikov)

Die neue Biografie des Sonnensystems http://www.amazon.de/dp/B00DE1QUMO/ (Bild: Teodora Olaru) Lieblingsautoren

67

MELANIE HINZ

DIE BEGEISTERUNG DER LESER

A

uf der Suche nach Inspiration habe ich mich in den letzten Jahren schon so manches Mal verlaufen. Was gestern noch funktionierte, kann heute genau das Gegenteil bewirken. Ich beneide Kollegen, die diese eine Sache haben, die sie jederzeit zuverlässig in einen kreativen Schreibmodus versetzt. Leider konnte ich das nie für mich eingrenzen.

Als ich meinen ersten Roman schrieb, hatte ich immer brüllend laute, aggressive Musik auf den Ohren. Das war der beste Weg, um die Welt auszublenden. Heute wirft mich oft schon das kleinste Geräusch zuverlässig aus jeder Konzentration – von Inspiration gar nicht zu reden.

Die Ideen für vollständige Romane entspringen allerdings ganz oft aus mehr oder weniger banalen Alltagsbeobachtungen. Ein belausch68

Lieblingsautoren

tes Gespräch an der Supermarktkasse oder eine beiläufige Szene in einer meiner Lieblingsserien, die sich in meinem Kopf sofort zu einer eigenständigen Story entwickelt – gemischt mit eigenen Erfahrungen und denen meines Umfelds. Die Geschichten sind immer um uns herum, wenn man nur genau hinschaut.

Bei meinen Protagonisten gibt es oft eine reale Vorlage, die allerdings nur optisch herhalten muss. Manchmal sind es Schauspieler, die mich inspiriert haben, mitunter auch reale Personen. Doch den dazugehörigen Charakter übernehme ich nie, zudem der sich im Laufe der Geschichte immer erst richtig entwickelt.

Die größte Inspiration und der Treibstoff, um weiterzumachen, ist jedoch immer noch die Begeisterung der Leser.

Die Erzieherin Nina verbringt eine Nacht mit dem Footballspieler Eric. Sie hält es für eine einmalige Sache, denn sie möchte eigentlich keine von »denen« sein.

Doch Eric lässt nicht locker und zeigt ernsthaftes Interesse. Als Nina endlich bereit ist, ihn an sich ranzulassen, entdeckt sie ein großes Detail seines Lebens, welches ihre ganze Sichtweise über ihn auf den Kopf stellt.

Kann er ihr Vertrauen wiedergewinnen?

Ist sie trotz ihrer Vergangenheit gewillt, sich auf eine Zukunft mit ihm einzulassen?

Lieblingsautoren

69

Mark wird sterben. Als er mit dieser traurigen Wahrheit herausrückt, ist es für eine Behandlung zu spät.

Doch Mark hat einen letzten Wunsch. Wenn er nicht mehr da ist, soll für seine Frau Ella und seinen besten Freund Nick gesorgt sein. Dafür hat er jedes Detail durchgeplant.

Nur einen Aspekt hat er dabei außer Acht gelassen - Gefühle kann man nicht planen.

70

Lieblingsautoren

Als Mia nach Jahren auf ihre erste Liebe Joe trifft, flammen sofort alte Gefühle auf. Doch da gibt es auch noch ihren Ehemann und den Kinderwunsch.

In der Euphorie über das Wiedersehen reißt ihr eine üble Entdeckung den Boden unter den Füßen weg, und plötzlich wacht sie in Joes Bett auf – am Morgen danach?

Realität und Fantasie scheinen zu verschmelzen und führen zu immensen Verwirrungen, bis Mia erkennt, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen muss, um eine Chance auf eine glückliche Zukunft zu haben.

Vielleicht mit Joe? Lieblingsautoren

71

NIKA LUBITSCH

BERLINER WEISSE MIT SCHUSS

I

ch lebe in dem schönsten Bezirk in der aufregendsten Stadt Deutschlands“, sagt die Krimiautorin Nika Lubitsch, wenn man sie fragt, warum ihre Romane in Berlin spielen. Die gebürtige Berlinerin siedelt ihre Protagonisten immer in ihrer unmittelbaren Nähe an, ihre Heldinnen leben in Häusern oder Wohnungen, in denen sie selbst einmal gewohnt hat. So schrieb sie „Der 7. Tag“ in der alten Villa, in der sie damals selbst wohnte und ließ ihre Vicky aus „Das 5. Gebot“ schon mal in ihrer neuen Wohnung probewohnen, während sie den Umzug nach nebenan plante.

Links die alte Villa von Sybille, rechts die Wohnung von Vicky) 72

Lieblingsautoren

Auch die Häuser, in denen eine Leiche gefunden wird, kennt Nika Lubitsch sehr gut von innen. So wird ein Mord in „Der 1. Mann“ in dem Haus begangen, in das sie vor 20 Jahren zu ihrem Mann nach Dahlem zog. Der zweite Mord in diesem Roman findet in einem Haus statt, in dem auch in Wirklichkeit ein Verbrechen geplant wurde. Es ist das Haus ihrer Schulfreundin, die wegen Anstiftung zum Mord rechtskräftig verurteilt wurde. Sogar in den Häusern in fremden Ländern hat Nika Lubitsch gelebt. Ihre Vicky wuchs in Branksome/ England in dem Haus auf, in dem Nika ein Jahr als Au Pair-Mädchen arbeitete, und sie landet in Lyon im Haus von Nikas ehemaligen Schwiegereltern.

„Wenn ich einen Roman schreibe, dann lebe ich ein paar Monate mit einer Protagonistin, da muss ich genau wissen, wohin sie geht und was sie wo macht. Ab einem bestimmten Punkt in einem Roman bekommen meine Figuren ein Eigenleben, sie handeln dann, ohne dass ich

darüber nachdenke, machen manchmal etwas, was mich überrascht, und mitunter verändern sie sogar den Plot, den ich im Kopf habe. Deshalb ist es für mich wichtig, dass ich ihre Umgebung genau kenne, dann kann ich sie einfach agieren lassen und brauche ihnen nur zu folgen.

stark man dort von den allgegenwärtigen Kameras überwacht wird. Da ist es schon sehr schwierig, das perfekte Verbrechen zu begehen.“ Halb in Berlin, halb in Cape Coral, Florida, spielt ihr dystopisches Familiendrama „Alligator Valley – Krokodile weinen nicht“.

Hier erholen sich ihre Protagonistinnen, der Berliner Schlachtensee Wenn ich in einem Roman schreibe, an der Ecke steht eine Telefon-Säule, dann können meine Leser sich darauf verlassen, dass die da auch steht.“ Neben ihrer Berliner Heimat Zehlendorf ist Nika Lubitsch auch in Florida zu Hause.

„Macht’s gut, Schwestern!“ – Sonnenuntergang vor Sanibel.

Zuhause in Florida. Ihre floridianische Heimat lernen die Leser in „Das 2. Gesicht“ kennen.

Mord im Paradies

Natürlich durch die Augen von Julia, einer Berlinerin, die – genau wie Nika – in Las Vegas ihren Traummann heiratet und mit ihm dann in den USA in einem Albtraum landet. „Das 2. Gesicht ist ein Krimi, wie ich ihn nur in Amerika schreiben konnte. Ich war bei der Recherche entsetzt, wie transparent der Mensch in den Staaten tatsächlich ist und wie

Vom Leben in ihrer zweiten Heimat und den täglichen Widrigkeiten berichtet Nika Lubitsch humorvoll in „Snowbirds – mein Winter in Florida“.

Lieblingsautoren

73

„Kudamm 216“ Aber nicht nur die Orte, sondern auch ein Teil ihrer Protagonisten haben reale Vorbilder. In ihrer Reihe „Kudamm 216“ hat Nika Lubitsch gleich ein ganzes Arsenal von Freunden versammelt. Allen voran Alice von Kaldenberg, genannt Lady Kaa. Die alte Krimiautorin mit ihrem bemerkenswert vielschichtigen Charakter ist eine Hommage an ihre verstorbene, beste Freundin Regine von Ramin. „Regine war die erste Ehefrau meines heutigen Ehemannes. Obwohl sie schon seit über zehn Jahren tot ist, ist sie noch heute bei uns so lebendig wie zu ihren Lebzeiten. Mit ihren vielen liebenswerten Seiten, aber auch mit ihren Macken und Marotten, über die wir heute lachen können.“

Elke ist einer Freundin nachempfunden, die tatsächlich am Kudamm 216 aufgewachsen ist.; der Maler Hüseyin, einem ehemaligen Mitarbeiter in der Galerie ihres Ehemannes, der ein begnadeter Maler und sehr sympathischer Mensch ist. Auch Frau Dr. Porn gehört zum Freundeskreis von Nika, und Judith ist einer ehemaligen Mitarbeiterin gewidmet. Wie Lady Kaa hat auch Nika viele Jahre ein Büro am Kurfürstendamm gehabt, allerdings hat sie dort eine Kommunikationsagentur geführt. „Das Haus Kudamm 216 habe ich ausgewählt, weil es das wohl West-Berlinerischste Haus ist, das ich kenne“, sagt Nika.

Dort hat sie während ihres Jura-Studiums bei einem Anwalt gearbeitet, während ihr heutiger Ehemann eine Etage über ihr als Geschäftsführer eine Firma leitete. „Allerdings haben wir uns damals nicht gekannt“. Es war Nikas Traum, eine Krimireihe in ihrem Berlin zu installieren, in das die Leser immer wieder genau so zu Besuch kommen können, wie sie selbst immer wieder gern bei Nero Wolfe in New York oder bei Spenser in Boston vorbeikommt.

Aber Nika wäre nicht Nika, wenn ihre Romane nur in Berlin oder Florida spielen würden. „Am anderen Ende der Welt ist es immer spannender“, charakterisiert die

74

Lieblingsautoren

Im Dschungel von Guyana

Atlas Gebirge: Schauplatz des ungewöhnlichsten Mordes seit Roald Dahl. im Sternzeichen Schütze Geborene zutreffend. Ob der Dschungel von Guyana, das San Remo in New York oder die Weiten des Atlas Gebirges, auch die Eindrücke ihrer vielen Reisen werden immer wieder zu Schauplätzen ihrer Romane. „Der Vorteil, nicht mehr jung zu sein, ist der reiche Schatz an Erfahrungen, aus dem man beim Schreiben einfach schöpfen kann“. Zu diesen Erfahrungen zählen ihre jahrlangen Auslandsaufenthalte, ihre Kindheit, in der sie mit ihren Eltern von Bundesland zu Bundesland gezogen ist, ihre Arbeit als Reiseleiterin in den europäischen Hauptstädten und ihre beruflichen Tätigkeiten, die Nika so beschreibt: „Ich war immer da, wo was los war. Ich durfte gestalten, was andere Menschen im Fernsehen sahen oder in der Zeitung lasen, ich habe die Menschen ins Kino gelockt, ich habe beeinflusst, was für Musik sie hören, ich bin mit ihren Stars quer durch die Welt gegondelt. Meine Inspiration ist mein Leben. “

San Remo: Hier wohnt Bernie, Lady Kaas große Liebe.

Lieblingsautoren

75

PETRA Rร DER ...

... GANZ PRIVAT Fotos: Micha Rรถder / mrr-photography.de

76

Lieblingsautoren

W

er hier nun den üblichen Vorstellungstext erwartet à la „Wie bin ich zum Schreiben gekommen? Was inspiriert mich? Wie sieht mein Autorenalltag aus?“, den muss ich leider enttäuschen, denn davon gibt es mittlerweile wirklich genug. Deshalb möchte ich euch in diesem Bericht die ganz „private Petra“ ein wenig näherbringen.

Ich bin ein extrem lebenslustiger Mensch und liebe nichts mehr, als herzhaft zu lachen. Da ich mich nicht allzu ernst nehme, lache ich besonders gerne über mich selbst, was man wohl gut auf einigen Fotos erkennen kann.

Natürlich habe ich auch etliche Macken, wie zum Beispiel die sehr innige Beziehung zu meiner Badewanne. Mindestens zweimal pro Woche versinke ich in einem entspannenden Vollbad und schalte komplett ab. Im Sommer ist es dann der Pool auf dem Balkon. In einem meiner letzten Leben war ich vermutlich eine Wasserratte.

Aber mal ehrlich: Was gibt es Schöneres, als in eine heiße Wanne zu steigen, wenn es draußen kalt ist? Dabei probiere ich alle möglichen Substanzen, wie Badebomben oder ausgefallene Zusätze, aus. Da ich durch verschleppte Erkältungen nichts mehr rieche (nicht mal Nagellackentferner), muss ich mir laufend das Gemecker meines Göttergatten anhören, der einen neuen Duft gerne mal als „Klostein“ oder „Chemieunfall“ bezeichnet. Aber so lange ich nicht ohnmächtig werde, ist er in meinen Augen völlig okay.

Außerdem bin ich ein sehr häuslicher Typ und mag es, einfach in unserer gemütlichen Wohnung zu faulenzen.

Das liegt sicher auch an unseren sechs Katern, die ich vergöttere. Deshalb fällt es mir ungemein schwer, Urlaub zu machen. Es genügt schon ein zweistündiger Stadtbummel, und ich vermisse meine Fellgurken.

Ich habe zudem ein absolutes Faible für Duftkerzen, was bei euch jetzt sicher verwirrtes Kopfschütteln hervorruft, denn schließlich rieche ich nichts. Aber allein der Gedanke, dass unsere Wohnung gut duftet, macht mich Lieblingsautoren

77

glücklich. Natürlich bekommen mein Mann und ich uns deshalb regelmäßig in die Haare. Er meint, es sei ungefähr so, als würde ein Blinder die Mona Lisa kaufen und sie in seiner Wohnung aufhängen.

Ach ja, ich bin ein Chaot. Wenn ihr gerade meinen Schreibtisch sehen könntet, würdet ihr zustimmend nicken. Das hier abgedruckte Bild hat nichts mit der Realität zu tun, das war gestellt! Ich wäre gerne einer der Menschen, deren Wohnung immer blitzblank sauber ist, aber leider bin ich nicht so. Bei mir bleibt schon gerne mal was liegen, und der Wäscheberg wächst täglich an, bis ich mich endlich erbarme und die Waschmaschine anschalte.

Mein innigster Dank gilt der Person, die die Spülmaschine erfunden hat. Ich wüsste nicht, was ich ohne dieses Gerät machen würde. Und seit einem Jahr besitze ich einen Saug- und einen Wischroboter, die ich beide nicht mehr missen möchte. Im Notfall würde ich sie sogar mit körperlicher Gewalt verteidigen, sollte man versuchen, sie mir zu entwenden.

Zwischen meinen Romanen hänge ich tagelang vor dem Fernseher. Habe ich erst mal eine Serie gefunden, die mir gefällt, dann bekommt mich so schnell keiner von der Glotze weg. Dank Amazon-Prime, Netflix und Maxdome kann das schon mal ein paar Wochen dauern.

Ganz besonders hat es mir „The Walking Dead“ angetan. Deshalb veranstalten wir einmal im Jahr ein Zombie-Fotoshooting, bei dem ich die Models schminke und natürlich auch selbst teilnehme. Es gibt nichts Schöneres als ein Shooting, wo man nicht hübsch in die Kamera lächeln muss, sondern richtig fies aussehen darf.

78

Lieblingsautoren

Ich esse für mein Leben gern, was mich einmal im Jahr dazu zwingt, eine Hauruck-Diät zu machen, um die angefressenen Pfunde wieder loszuwerden. Aber was soll man denn machen, wenn alles so verdammt gut schmeckt? Außerdem möchte ich irgendwann zufrieden auf mein Leben zurückblicken, anstatt mit Wehmut an das eine Salatblatt zu denken, das ich täglich zu mir genommen habe, nur um in Kleidergröße 38 zu passen.

Ich habe höllische Angst vor Spinnen und eigentlich gar keine Ahnung, warum das so ist. Vielleicht liegt es daran, dass diese kleinen Scheißer so flink sind und mich die vielen Beine ängstigen. Aber auch wenn ich unter einer ausgewachsenen Arachnophobie leide, so könnte ich niemals eine Spinne töten. Hat sich eines dieser Kriechtiere in unsere Wohnung verirrt, dann nehme ich all meinen Mut zusammen, schnappe mir Glas und Papier und befördere den Untermieter liebevoll auf den Balkon.

Was mich zum Thema „Tierliebe“ bringt.

Ich bin extrem tierlieb und trage schon mal gerne eine verletzte Taube zum Tierarzt. Der größte Teil meiner Spenden geht deshalb an Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Tieren in Not zu helfen. Ich habe schon einige Jahre auf dem Buckel und viel erlebt.

Ich habe berechnende Menschen kennengelernt, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus waren, was mir bereits die eine oder andere Enttäuschung beschert hat. Doch bis heute hat mich kein Tier enttäuscht, einmal abgesehen von der blöden Zecke, die sich in meiner Kniekehle festgebissen hat.

Meine Romanideen beginnen alle im Schlaf. Meistens träume ich irgendwelches wirres Zeug, aus dem dann ein Buch entsteht. Allerdings kann ich nur an einem Buch arbeiten, wenn ich richtig Lust dazu habe. Deshalb kann es gut sein, dass ich mehrere Wochen am Stück gar nichts schreibe. Würde ich mir ein tägliches Pensum setzen und mich zum Schreiben zwingen, wäre das Geschriebene sicher nicht lesenswert. Ich bewundere Kollegen, die dies können, ich kann es nicht.

Was ich gar nicht mag, sind Neider. Glücklich machen mich hingegen Leser, die mir mitteilen, dass meine Geschichten ihnen gefallen, denn genau dafür schreibe ich.

So, nun ist aber Schluss, sonst sprenge ich die vorgegebene Seitenzahl. Ich hoffe, ich kann euch weiterhin mit meinen Geschichten unterhalten und freue mich über jedes Feedback.

Eure Petra

Und wenn es doch Liebe ist?

Als Jill den attraktiven Unternehmer Patrick Walker kennenlernt, findet sie ihn arrogant, oberflächlich und einfach nur unausstehlich. Doch der Blick aus seinen stahlblauen Augen lässt sie nicht los! Sie muss immerzu an ihn denken und läuft ihm, zu allem Überfluss, auch noch ständig über den Weg. Jill kann nicht verleugnen, dass er eine gewisse Macht über sie hat, der sie sich nicht entziehen kann.

Geht es ihm ebenso wie ihr? Hat sie in Patrick etwa den Mann ihrer Träume gefunden?

Bevor Jill darauf eine Antwort finden kann, holt sie jedoch Patricks geheimnisvolle Vergangenheit ein – und nicht nur sie gerät dabei in höchste Gefahr ...

Petras Homepage petra-roeder.com

Petras Facebook-Seite facebook.com/PetraRoeder.Autorin Lieblingsautoren

79

B.C. SCHILLER

INSPIRATIONS Fotograf: Olivier Favre

Barbara und Christian Schiller im Steckbrief: We lch es Tie r ins pir iert dich: B. sch wa rzer Pa nt he r C: Rh odesi an Ridge back

G eb urts ort: B: Wie n C: S a lz bu rg

We lche Stadt insp irie rt dich : B: Palm a und Ham burg C: Wie n und Kat man du

80

Lieblingsautoren

We lch e M ahlze it ins pir iert dich: B: Schin ke nfleck er l mi t Gu rk en sa lat C: Sush i

We lch es Zit at ins pir iert dich : B: Ich bereue nichts im Leb en, auĂ&#x;er dem wa s ich noch nicht gem ach t hab e C: Dummh eit ist nicht me ine Stärke

We lch er Me nsch ins pir iert dich: B: Da lai Lam a, Sh aro n Sto ne C: Th om as Ber nh ard , Ko nf uzi us

Wel ch es Buch in sp ir ie rt dich : e Patien t B: De r engl is ch de s C: De r Schatten s Win de Was insp iriert dich nich t: B: Geldgier und Falschhei t C: dumme und igno rante Pers onen

B.C.Schiller sind Barbara und Christian Schiller. Sie gehören zu den erfolgreichsten Selfpublishing-Autoren im deutschsprachigen Raum, und ihre Thriller haben bereits mehr als 800.000 Leser begeistert. Bisher haben sie zwölf Thriller veröffentlicht, und viele waren Nr. 1 Bestseller und wochenlang in den Top 100 Charts. Der aktuelle Tony Braun Thriller „Rattenkinder“ ist im Verlag Bastei Lübbe erschienen.

Barbara Schiller arbeitete längere Zeit als Marketingagentin für Unternehmen in Osteuropa. Ihre teilweise recht bizarren Erlebnisse in osteuropäischen und ex-sowjetischen Staaten werden oft in eine fiktive Form übertragen und fließen in die Geschichten ein. Ideen zu ihren Thrillern kommen Barbara Schiller auch während der intensiven Trainings, die sie mit ihrem Rhodesian Ridgeback Jabali absolviert, denn neben dem Schreiben ist das Trainieren von Hunden ihre Leidenschaft.

Auch für Christian Schiller stand Schreiben schon immer im Vordergrund. Als Autor veröffentlichte er mehrere Bücher und verfasste aufsehenerregende Radiofeatures für den ORF über kriminelle Schriftsteller wie Jean Genet oder William Burroughs. Für diese Sendungen inter-

Foto: Olivier Favre

viewte er unter anderem auch den österreichischen Serienmörder Jack Unterweger. Bei diesem Interview trat ganz klar zutage, dass Serienmördern jede Art von Empathie fehlt, die Opfer sind ihnen gleichgültig, alles was zählt, ist der eigene Kick.

Alle diese Erfahrungen, die Barbara und Christian Schiller gemacht haben, führten schließlich dazu, als B.C. Schiller brutal spannende Thriller zu verfassen, die ein düsteres Bild der heutigen Gesellschaft zeichnen, in der auch Polizisten am Rande der Legalität agieren müssen, um das Böse auszumerzen.

Neben stark emotionellen Charakteren spielen auch die osteuropäischen Länder mit ihren Oligarchen und korrupten Systemen eine große Rolle, denn seit der Ostöffnung sieht sich Mitteleuropa immer stärker mit kriminellen Banden, aber auch mit tragischen Schicksalen von illegalen Einwanderern konfrontiert. Diese Elemente sind der Boden, auf dem eine spannende Handlung ausgebreitet wird.

Weitere Infos gibt´s www.bcschiller. com. www.facebook/bcschiller.com

Foto: Soravit Lertphiphat

Lieblingsautoren

81

Foto: Soravit Lertphiphat

Die David Stein Thriller-Reihe besticht durch psychologisch interessant gezeichnete Charaktere und internationale Schauplätze.

Leseprobe aus dem Nr. 1 David Stein Thriller-Bestseller:

Seitenumfang: 330 Seiten „In 10 Tagen ist sie tot“ „Ich glaube, ein Mädchen hat überlebt!“ Natalias Atem stockte, und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz stehen bleiben. Fest presste sie die Augen zusammen, so als könne sie 82

Lieblingsautoren

sich dadurch unsichtbar machen.

Dann hörte sie Mias Schrei in einer Kugelsalve verenden und der Mann ging wieder zurück. „Alles sauber.“ Die dunkle Stimme klang zufrieden und die Schritte im Gang entfernten sich. Natalia blieb noch einige Minuten unter dem Schreibtisch versteckt liegen, dann stand sie zitternd auf und blickte verstört umher. „Das ist nicht wahr!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Noch vor Kurzem hatte sie mit den zwei Mädchen, die jetzt tot auf dem Boden lagen, am Redaktionstisch gesessen. Sie hatten den Text einer kritischen Frauenband durchgelesen und wollten ein Interview mit den Musikerinnen ausmachen. Aber jetzt waren Lenka und Daniela tot, lagen mit verdrehten Gliedern da, Blutlachen hatten sich rings um sie gebildet. Sie drehte den Kopf nach rechts, zum Leuchttisch.

Jiri, der Fotograf, war so von Kugeln durchsiebt, dass sein Oberkörper eine einzige klaffende Wunde war.

Wie in Trance taumelte sie weiter, fühlte sich in einem nie enden wollenden Albtraum gefangen.

Als sie sich zu Vladimir, dem Chefredakteur, kniete, der neben seinem Schreibtisch lag, wurde sie plötzlich

von einem Weinkrampf geschüttelt, ohne dass sie dagegen etwas tun konnte. Tränen rannen ihr über die Wangen und sie schluchzte laut auf. „Vladimir!“ Der Kopf des Chefredakteurs zuckte, als er Natalia sah.

Sein Jeanshemd war dunkel von geronnenem Blut und aus seinem Mundwinkel tropfte unablässig das Blut. Verzweifelt versuchte er sich aufzurichten, sackte aber zurück.

Ganz langsam schob er seine Hand über den rissigen Beton und fuhr mit den Fingern an der Unterseite seines Schreibtischs entlang. Immer wieder spuckte er Blut, sein Atem ging pfeifend und seine Augen waren verdreht. „Vladimir. Bleib ruhig liegen, es kommt gleich Hilfe.“ Natalia versuchte ganz vorsichtig seinen Arm von dem Schreibtisch wegzuziehen. „Du musst ruhig liegen bleiben. Du schaffst das.“ „Lass mich“, flüsterte Vladimir.

Unter Aufbietung all seiner Kräfte riss er sich los und tastete mit seiner Hand weiter entlang der Unterseite des Schreibtisches. Endlich hatte er gefunden, wonach er suchte, und ein verzerrtes Lächeln strich über sein kalkweißes Gesicht. „Du bist jetzt dafür verantwortlich“, keuchte er beinahe unhörbar, als er endlich ein elektronisches Teil von

der Größe einer Streichholzschachtel aus dem Klebeband gelöst und es Natalia in die Hand gedrückt hatte. „Was ist das?“ Sie tippte auf das Display an der Oberseite. „Ein Videoabspielgerät.“ Mit zitternden Fingern drückte er auf eine winzige Taste an der Seite und ein kleines Fach öffnete sich. „Hier ist ein Chip mit einem Film … Er zeigt, wie skrupellos unsere … Militärs und die westlichen Länder wirklich sind.

Alles ist gelogen. Alles … eine Täuschung. Der Film ist gefährlich. Du musst dich in Sicherheit bringen … den Chip gut verstecken … die Wahrheit an die Öffentlichkeit bringen.“ „Ich will den Film jetzt schnell sehen.“ Sie aktivierte das Abspielgerät und starrte auf die schrecklichen Bilder. Die Sirenen wurden immer lauter, und Natalia hörte, wie Autos mit quietschenden Reifen vor dem Haus hielten. „Ich gebe den Chip der Polizei“, sagte Natalia und wollte aufstehen, doch Vladimir hielt sie mit seiner blutigen Hand zurück. „Nein … das ist verrückt … kannst niemandem trauen.“ Die Stimme von Vladimir war nur noch ein Flüstern, ersterbend, von der Kälte bereits in Eis verwandelt. „Versprich mir bitte, dass du … alles aufdeckst. Mach jetzt, dass du wegkommst, es geht … um Leben und Tod.“ Weitere Thriller aus der David Stein Reihe: „Der Hundeflüsterer“ „Schwarzer Skorpion“ „Rote Wüstenblume“ * Über 500.000 Leser haben bisher die Thriller mit dem unkonventionellen Ermittler Tony Braun gelesen. „Totes Sommermädchen“ ist ein Nr. 1 Thriller-Bestseller und Storyteller Award Finalist 2015. Der Thriller geht 7 Jahre zurück und erzählt den Werdegang von Tony Braun bis zum Chefinspektor. Für neue Leser ist der Thriller der optimale Einstieg in die spannende Thriller-Reihe mit Tony Braun.

Leseprobe: „Vielleicht sollte ich mit dem Mädhen sprechen, ihre Hand nehmen, sie aus der Dunkelheit hinausführen ins Licht und sie zu ihrer Schwester legen ...“ Ein Blick auf ihre seidigen blonden Haare genügte und er war dem Mädchen rettungslos verfallen. Er folgte dem Schwung der langen Zöpfe, die vom Wind umhergepeitscht wurden und im Sonnenlicht glänzten wie Goldschnüre. Nervös leckte er sich über die Lippen und wetzte auf dem Holzbalken herum, konnte einfach nicht aufhören, sie zu beobachten. Er drehte an den verschiedenen Rädern des alten Feldstechers und zoomte sie näher, holte sie zu sich, bis sie direkt vor ihm stand und er jede Pore in ihrem schönen Gesicht erkennen konnte. Er japste leise, als eine lose Haarsträhne über ihr Gesicht fiel und es wie eine goldene Klinge zerteilte.

Vorsichtig streckte er den Arm aus, um ihr die Haare aus der Stirn zu streichen, vielleicht noch näher an sie heranzurücken und im Duft dieser Haare zu versinken. Sie waren weich wie Seide und rochen nach frischen Blüten und Mädchenlachen. Tief atmete er das Mädchen ein, verschlang ihren Geruch und verirrte sich in diesem goldenen Haarlabyrinth.

Plötzlich begann sein Hund in der Ferne zu bellen und er ließ den Feldstecher sinken. Er wurde wieder zu Leo Hauser, der mit seiner Hündin

Ginger durch die Wälder streifte und mit seiner Mutter und dem gewalttätigen Bruder in einer stillgelegten Mühle nahe der tschechischen Grenze lebte. Leo hatte acht Jahre eine Sonderschule besucht. Das war schon eine Zeit lang her und seither war Leo ziellos mit seinem Bogen durch die Wälder gezogen und hatte Hasen, Füchse und andere Tiere lautlos getötet. Sein einziger Freund war sein Jagdhund Ginger, denn Menschen überforderten ihn. Leo hatte auch eine geheime Leidenschaft: Er beobachtete gerne junge Mädchen. „Was ist los, Ginger?“ Der Hund wedelte im Laufen mit dem Schwanz und blickte ihn treuherzig an. Leo hatte schon einige Stunden auf dem Hochstand verbracht und die beiden Mädchen zunächst beim Zeltaufbau, dann beim Holzsammeln genau studiert. Sie sahen sich so ähnlich! Wahrscheinlich waren sie Zwillinge und er hatte die Qual der Wahl. Welche von den beiden würde ihm gehören? War es das Mädchen, das immerzu lachte und gerne in die Luft sprang, oder doch die andere, die einen leicht umwölkten Blick hatte und mit ihren aufgeworfenen Lippen immer ein wenig trotzig wirkte?

Als er Ginger nach den Mädchen fragte, blickte ihn die Hündin nur verständnislos an und begann zu gähnen. Das tat sie immer, wenn sie verwirrt war oder Stress hatte.

Er packte sie am Halsband und zog sie ganz nahe an sein Gesicht heran, spürte ihre kalte Schnauze auf seiner Stirn. „Welches der Mädchen soll mir gehören?“, flüsterte er und der Hund leckte ihm über die Wange. „Wir nehmen das lachende Mädchen“, gab er sich selbst die Antwort. „Ja, ihr Lachen bringt Farbe und Licht in den Wald.“ Weitere Thriller aus der Tony Braun Reihe: „Töten ist ganz einfach“ „Freunde müssen töten“ „Alle müssen sterben“ „Der stille Duft des Todes“ „Rattenkinder“ Lieblingsautoren

83

HANNAH KAISER

DIE TÜCKEN DER INSPIRATION

„Wo nimmst du nur immer die Ideen her?“, fragt mich eine Bekannte, und ich spüre, wie ich mit den Zähnen zu knirschen beginne. Ich glaube, es gibt kaum eine Frage, die man als Autorin so oft gestellt bekommt wie diese, und obendrein ist es die Frage, die ich mit am wenigsten leiden kann. Und zwar deshalb, weil sie sich so schwer beantworten lässt. „Die Ideen sind einfach so da!“, sage ich schließlich, und während ich das Gesicht meines Gegenübers betrachte, erkenne ich, was ich in dieser Situation meistens sehe: Skepsis und ein wenig Enttäuschung, in etwa so, als hätte 84

Lieblingsautoren

ich jemandem absichtlich ein wertvolles Geheimnis vorenthalten.

Das Problem ist aber, dass ich keine andere Antwort geben kann.

Die Ideen sind einfach so da, und zwar stets und ständig. Sie geistern durch meinen Kopf und belästigen mich nahezu, in der Regel vor allem genau dann, wenn ich sie gerade nicht gebrauchen kann. Wenn ich meinen Sohn in den Kindergarten bringe, beispielsweise, und gerade keine Möglichkeit habe, sie irgendwo zu notieren oder auch nur gedanklich zu sortieren, weil ich nebenher damit beschäftigt bin „Ich-sehe-was-das-du-nicht-

Aber wehe, ich setze mich in Ruhe an den Laptop, wenn ich wieder nach Hause komme oder endlich aufgestanden bin. Dann ist mein Kopf wie leergefegt. Nichts mehr da, völlige Gedankenlosigkeit. Als wäre meine Inspiration eine ziemlich launenhafte und eigenwillige Geliebte, die mich besucht, wenn ihr danach ist, aber niemals, wenn ich sie gerade brauche.

Seufzend schaue ich auf die vielen leeren Seiten, die ich heute eigentlich zu füllen gedachte und fühle mich, als würde ich jeden Moment in schwere Depressionen versinken.

Schließlich stehe ich auf und gehe in die Küche. Gegen sich ankündigende Depressionen helfen nur Süßigkeiten – ganz eindeutig.

Ich suche die Zutaten für einen Apfelkuchen zusammen, und wäh-

rend ich Eier, Zucker und Mehl vermische und die Äpfel kleinschneide, machen sich meine Gedanken selbstständig. Apfelkuchen … das hat etwas von nach Hause kommen, es sind Kindheitserinnerungen, gepaart mit Porzellan mit Rosendekor.

Was mein Protagonist wohl für ein Verhältnis zu seiner Großmutter hat? Und meine Protagonistin?

Hat sie vielleicht eine Schwäche für Apfelkuchen?

Ich schaffe es, den Kuchen in den Ofen zu schieben, und während sein Duft langsam das Haus zu erfüllen beginnt, sitze ich an meinem Schreibtisch und schreibe. Ich fülle all die vielen leeren Seiten mit Bildern und Gefühlen, mit Gedanken und Texten.

Um ein Haar verbrennt mir der Kuchen im Ofen.

siehst“ zu spielen, sowie den Hund davon abzuhalten, die Hinterlassenschaften der Nachbarskatze zu fressen. Oder wenn ich nachts nicht schlafen kann, aber gleichzeitig viel zu müde bin, um aufzustehen und die ganzen Ideen irgendwo festzuhalten.

In solchen Momenten bilden sich komplette Sätze, Absätze und Szenen in meinem Kopf, fertig formuliert, manchmal auch so real, als wäre ich selbst dabei gewesen.

In solchen Momenten könnte ich vermutlich einen Roman in Rekordzeit schreiben, ach, was sage ich, wahrscheinlich auch zwei oder drei.

Lieblingsautoren

85

Für alle, die es mal ausprobieren wollen (jedoch ohne Garantie ;-)):

Apfelkuchen mit Marzipan Zutaten: Teig 300g Mehl 100g Butter (zimmerwarm) 200g Marzipanrohmasse 170g braunen Zucker 2 Päckchen Vanillezucker 4 Eier, Größe M 1 Prise Salz 2 TL Backpulver Evtl. etwas Milch Belag 5 Äpfel (z.B. Elstar) 1 Becher Crème Fraîche 2 Päckchen Vanillezucker 2 EL brauner Zucker 2 EL Amaretto 1 unbehandelte Zitrone 1 EL Speisestärke

Zubereitung: Butter und Zucker schaumig rühren, Eier und Marzipan hinzugeben, weiterrühren bis eine homogene Masse entsteht, dann Salz und Vanillezucker unterrühren.

Mehl und Backpulver mischen und nach und nach einrühren. Der Teig sollte schwer vom Löffel fallen. Ist er zu fest, eventuell etwas Milch hinzufügen.

In eine gefettete Springform geben, glattstreichen. Äpfel schälen, halbieren und das Kerngehäuse entfernen, anschließend fächerförmig einschneiden und mit dem Saft einer halben Zitrone beträufeln. Gleichmäßig auf dem Kuchen verteilen.

Crème Fraîche mit abgeriebener Zitronenschale und Saft einer halben Zitrone sowie den restlichen Zutaten vermischen und ebenfalls auf dem Kuchen verteilen.

Bei 175°C ca. 25-30 min backen. Sollte der Kuchen zu dunkel werden, ggf. mit etwas Alufolie abdecken.

86

Lieblingsautoren

Leseprobe „Sekundenträume“ (Erscheint im April 2016) Er ist wirklich groß geworden in den letzten fünfzehn Jahren. Und verdammt erwachsen. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er noch fast ein Junge, gerade sechzehn Jahre alt.

Gut – ich war nicht nur fast, sondern tatsächlich noch ein Mädchen, gerade eben Teenager geworden und furchtbar verknallt in Alexander McLearie.

Ich erinnere mich bis heute genau an den Liebesbrief, den ich ihm damals schrieb, mit all den vielen Herzchen darin, die kleine Mädchen eben so malen, wenn sie glauben, verliebt zu sein.

Und wie das manchmal ist, war ich weder sonderlich schlau noch sonderlich heldenhaft.

Erst. Nachdem ich den Brief an Alex eingeworfen hatte, ging mir auf, dass ich damals vielleicht zu jung für ihn war, und der Brief wurde mir schlagartig sterbenspeinlich.

Da mir nicht viel Besseres einfiel, habe ich meine Beine in die Hand genommen und bin nach Hause gelaufen, so schnell ich nur konnte.

Mit wild schlagendem Herzen und roten Ohren flüchtete ich mich in die große Küche, in der unsere Köchin gerade einen Apfelkuchen aus dem Ofen holte und versteckte mich dort den restlichen Nachmittag, eingehüllt in den süßen, warmen Duft des Kuchens und in das beruhigende Klappern von Geschirr und Töpfen.

Zum Glück stellte unsere Köchin mir keine Fragen. Sie gab mir ein Stück Kuchen und ließ mich, wo ich war, während ich bei jedem Geräusch von draußen befürchtete, es könne Alex sein, der vorbeikäme, um mich auszulachen.

Oder – auch wenn ich es selbst für überaus unwahrscheinlich hielt – mir ebenfalls seine Liebe gestehen würde. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was mir peinlicher gewesen wäre – mein Gefühlsleben war mit dreizehn eben noch sehr verworren.

Letztendlich passierte einfach nichts, bis ich mit meiner Familie schließlich wieder nach New York musste. Mir ist das Ganze bis heute peinlich.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Alex den Brief umgehend weggeworfen und vergessen hat, wahrscheinlich hat er ohnehin ständig solche Briefe bekommen, er war ein ziemlich hübscher Bengel mit sechzehn.

Ist er doch heute immer noch!

Ich mustere ihn, und er erwidert meinen Blick mit einem Lächeln. „Ich habe neulich übrigens deinen Brief gefunden.“ Sein Lächeln wird noch breiter, und ich zucke zusammen.

Verdammt. Ob er meine Gedanken gelesen hat? Und ich hatte so sehr gehofft, dass er nichts mehr von dem dämlichen Liebesbrief weiß.

Da hilft nur noch, sich ahnungslos zu stellen. „Brief?“, antworte ich und versuche, so erstaunt zu wirken, wie es nur geht. Fast gelingt es mir,

dass meine Stimme sich ganz normal anhört. Fast. „Was für ein Brief?“ Ich bin dankbar dafür, dass das Wetter es zulässt, eine Sonnenbrille zu tragen, sodass er meine Augen nicht sehen kann.

Aber Alex scheint sich auch so nicht von mir täuschen lassen, denn er mustert mich mit einem amüsierten Blick, bei dem sich Lachfältchen um seine Augen bilden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er meinen Bluff erkannt hat. „Du brichst mir das Herz, Kate.“ Mit einer übertrieben theatralischen Geste legt er sich die Hand auf selbiges. „Du warst die erste Frau, die mir ihre ewige Liebe geschworen hat. Heute weiß ich, dass ihr viele Versprechen macht, die ihr dann nicht haltet, aber damals war ich noch tief beeindruckt.“ Er kommt ein bisschen näher, so nahe, dass ich den herben Duft seines Aftershaves vermischt mit dem seiner warmen Haut einatmen kann. Dann beugt er sich zu mir, als würde er mir nun ein wichtiges Geheimnis anvertrauen. „Ich habe den Brief hinter einem losen Dielenbrett in meinem damaligen Zimmer versteckt“, wispert er in mein Ohr, und ich kann den Lufthauch auf der empfindlichen Haut direkt hinter meinem Ohr spüren. Unweigerlich frage ich mich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er mich dort küssen würde, und ich bekomme eine Gänsehaut – die er hoffentlich nicht bemerkt.

Schnell bringe ich ein wenig mehr Abstand zwischen uns, indem ich erst einen Schritt nach hinten und dann einen zur Seite mache, in Richtung meines Wagens. „Ich erinnere mich nicht mehr wirklich. Mit dreizehn war ich noch jede Woche in einen anderen verliebt. Ich habe unzählige solcher Briefe geschrieben.“ Hah! Sehr gut gemacht.

Mit einem unverbindlichen Lächeln winke ich ihm noch kurz zu und mache mich auf den Weg zu meinem Auto.

Wie gesagt – eigentlich müsste mir der Brief ja wirklich nicht mehr peinlich sein, denn mit dreizehn sind die meisten Mädchen ja tatsächlich noch jede Woche in einen anderen verliebt. Aber manche Dinge sind einem seltsamerweise trotzdem unangenehm, auch wenn man rein rational gesehen weiß, dass das völliger Quatsch ist.

Als ich endlich in meinem Wagen sitze und den Motor starte, fühle ich mich schon viel besser, ein wenig so, als wäre ich jetzt in Sicherheit.

In sehr trügerischer Sicherheit.

Denn als ich im Schritttempo von dem schlecht befestigten Parkplatz rolle, läuft auf einmal Alex wieder neben mir her und klopft an das Autofenster.

Da ich das unmöglich ignorieren kann, ohne dass es seltsam wirken würde, halte ich an und fahre die Scheibe nach unten. „Ach, Kate?“ Er trägt noch immer dieses süffisante Grinsen auf dem Gesicht. „Hm?“ Keine meiner besten Antworten, aber immerhin wunderbar allgemein verwendbar. „Wenn du dich nicht mehr an den Brief erinnern kannst – woher weißt du dann so genau, dass du dreizehn warst, als du ihn geschrieben hast?“ Die verlegene Hitze steigt mir über den Hals hoch in die Wangen und scheint in meinen Ohren hängen zu bleiben. „Gut geraten!“, krächze ich schließlich halbherzig, bevor ich aufs Gas trete und zusehe, dass ich so schnell wie möglich verschwinde.

Verdammt nochmal, das war echt peinlich!

Lieblingsautoren

87

DAVID GRAY

INSPIRATION 88

Lieblingsautoren

E

s ist seltsam mit der Inspiration. Ich meine, wie genau soll man sich die vorstellen? Man liest und hört ja oft, dass die Kreativen und wirklich Großen unter den Künstlern darauf warten. Das ist, was die offenbar den ganzen lieben langen Tag so tun – darauf warten, dass die Inspiration mal vorbeischaut und ihnen etwas da lässt. Im besten Fall ja eine Idee für den ganz großen weltverändernden, künstlerischen Wurf. Aber zuweilen halt auch mal nur die Idee dafür, was es heute zum Abendessen geben könnte.

Ich frage mich allerdings, während die großen Kreativen da so warten und nichts tun, außer vielleicht ab und zu auf ihre Uhr oder ihr Handy zu schauen, weil die Inspiration eigentlich längst hätte vorbeikommen müssen, aber immer noch auf sich warten lässt – wie stellen sie sich ihre Inspiration dann genau vor? Angenommen sie sitzen und warten zufällig gerade von 9 bis 5 in einem Haus in Kathmandu, sieht die Inspiration dann aus wie der Taxifahrer, der sie gestern aus dem Restaurant nach Hause gefahren hat? Oder wie die Haushälterin und Putzfrau, die gegenüber im Haus arbeitet?

Kommt die Inspiration von Krimiautoren eigentlich vorwiegend in Form von Gärtnern, weil – wie wir alle ja wissen – der Mörder eigentlich immer der Gärtner ist, jedenfalls solange nicht zufällig doch der Butler zuschlug oder die blondierte Bitch mit den High Heels, die dem detektivisch talentiertem Helden im Buch so oft solch auffällige Schlafzimmerblicke zuwirft?

Sowieso. Ist Inspiration nun weiblich, nur weil es ja die Inspiration heißt und nicht der Inspiration oder es Inspiration? Schon klar, irgendwie muss Inspiration einen bis heute überlebenden Rest der klassischen Musen aus der Antike darstellen. Und das waren ja Frauen, hübsch, aber ein bisschen sehr zickig, jedenfalls – unzuverlässig. In der Antike waren die Kreativen ja auch überwiegend Männer.

Männer sind halt Männer, falls die sich etwas wirklich Angenehmes, aber schwierig zu Beherrschendes wie Inspiration vorstellen sollten, konnte dies nur entweder in Form von Alkohol oder Frauen daherkommen.

Musen mochten ja unzuverlässig gewesen sein und eigentlich wirklich bitchig, aber falls sie mal auftauchten, dann kamen sie mit Geschenken in Form von Ideen, aber ganz sicher nicht, wie die holde Gattin, die in der Küche mit den Sklaven

wirkte, mit der Migräneturnoutbombe, jener wohl ältesten aller weiblichen Ausreden.

Der Biograf von Georges Simenon, der Erfinder des berühmten Kommissar Maigret, behauptet, dass der gute Georges auch im 20. Jahrhundert seine Inspiration vor allem in Sex fand. Daher soll Simenon während seiner Krimiautorenkarriere auch über eintausend Frauen vernascht haben, zweifellos völlig uneigennützig und einzig im Dienste des Guten, Schönen und Wahren.

Ich persönlich halte es allerdings nicht so mit dem Warten auf die Inspiration, sondern bevorzuge eine mehr aggressive Herangehensweise und fange meistens einfach an zu schreiben. Irgendwann kommen dann beim Schreiben die Ideen schon vorbeigeflogen. Zugegeben, manchmal kann das doch dauern, und dies ist dann ziemlich frustrierend. Weshalb ich insgeheim ja so als Mann auch davon überzeugt bin, dass die Inspiration in der deutschen Sprache zurecht weiblich ist. Auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt von einigen als sexistisch gewertet werden könnte.

Auch in einer anderen Beziehung ist das mit der künstlerischen Inspiration so eine Sache. Die könnte nämlich etwas mit Zauberei zu tun haben, wie man sie aus „1000 und einer Nacht“ kennt oder Grimms Volksmärchen. Norman Mailer, mehrfacher US-Bestsellerautor, sagte noch kurz vor seinem Tod, dass eigentlich jedes seiner Bücher ihn ein Stück mehr getötet hätte. Du tötest also ein Stück von dir selbst ab, jedes Mal wenn Du einen neuen Roman verfasst. Das klingt nicht nach einem guten Deal, den man als Autor da eingeht, oder?

Fragt euch mal, in welchem Beruf die Selbstmordrate höher ist – unter Autoren, Immobilienmaklern oder Landarbeitern? Die Antwort? Logisch – es müssen Autoren sein, die sich statistisch gesehen viel häufiger umbringen als Immobilienmakler oder Landarbeiter. Dabei stimmt das nicht. Immobilienmakler ist ein Job, der dir, einer Erhebung in den USA zufolge, ein fast vier Mal höheres Selbstmordrisiko beschert als wenn Du Dich für eine Karriere als Autor entschieden hättest.

Richtig gefährlich lebt man als Autor in der Beziehung offenbar doch nicht. Das macht Mut. Doch was ist mit dem berühmt-berüchtigten writers block – der Schreibblockade? Das klingt beängstigend, oder? Schon gefühlte hundert Mal in Filmen etwas darüber gesehen und in Büchern Lieblingsautoren

89

drüber gelesen. Immer waren dann die Helden, wie man so sagt, echt angearscht. Von Zimmermännern hört man nie, dass die sich arbeitsunfähig schreiben lassen müssten, weil sie plötzlich eine Kreissägen- oder Holzfaserblockade entwickelt hätten. Das kommt einfach nicht vor. Aber Schreibblockaden sind trotzdem kein Gerücht, die existieren und die können dich als Autor von jetzt auf nachher erledigen. Schreibblockaden haben schließlich etwas mit Inspiration zu tun – besser dem Fehlen derselbigen. Was dann? Dann bist du als Autor zwar immer noch lebendig, aber für deine Leser trotzdem in gewissem Sinne tot, weil die ja nichts Neues mehr von dir hören und lesen. So eine Schreibblockade verwandelt dich in eine Art Geist, irgendwie bist du schon noch anwesend – und sei es nur in Form deiner früheren Werke – aber richtig existent bist du eigentlich nicht mehr. Gruselig, nicht wahr?

Trotz erträglichem Selbstmordrisiko ist das kreative Autorenleben also kein reines Sahneschlecken.

Man darf auch den rechtlichen Aspekt von Inspiration nicht ganz unter den Tisch fallen lassen. Geht man davon aus, dass die Inspiration einfach so vorbeikommt, während man auf sie wartet oder, dass Du sie eben sogar auch zwingen kannst vorbeizuschauen, indem Du Dich an Deinem Schreibtisch einfindest, den Computer hochfährst und einfach anfängst zu schreiben, kannst Du Deine Inspiration dann auf Schadenersatz verklagen, falls die Kritiker Dein neuestes Werk eher mit einem seit zwei Tagen in einer feuchten Biotonne vor sich hinrottenden McDonald‘s Burger vergleichen, statt mit einem rundum erfüllenden Urlaubstag an einem südlichen Palmenstrand?

Ich habe mir das Nachsehen in den einschlägigen Gesetzbüchern gespart, weil es einfach zu offensichtlich war, dass man als Kreativer seine Inspiration nicht für entgangene Gewinne haftbar machen kann. Schade. Aber aktuell nur schwer zu ändern, fürchte ich. Obwohl – falls irgendwer eine entsprechende Gesetzesinitiative oder Petition aufsetzt?

Wo kann ich dafür unterschreiben?

Moment, das ist alles schön und gut (oder eben doch nicht nur schön und gut, aber es ist eben so).

Was ist aber mit dieser mysteriösen Inspirationsquelle, von der man und frau hin und wieder eben auch im Zusammenhang mit Kreativität und Kunst und Autoren liest? Ist die wirklich deckungsgleich mit Inspiration an sich?

90

Lieblingsautoren

Hm, schwierige Frage.

Oder vielleicht auch nicht.

Quellen kann man ja nur anzapfen, falls man weiß, dass sie existieren. Was letztlich ja auch nur bedeutet, dass man sich danach auf die Suche zu machen hat, falls man nicht gerade zufällig und unerwartet in eine von ihnen hineinstolpert. Und sich danach auf die Suche zu machen, setzt voraus, dass Du losgehst, dass du – ganz gleich wie Du es tust – du es einfach tust, weil Du vielleicht gar nicht anders kannst, als Dich auf die Suche danach zu machen. Ein paar der ganz Glücklichen unter uns Kreativen werden ja hin und wieder tatsächlich von der Inspiration gefunden. Oder sogar von dem fertigen Produkt, für dessen Herstellung man eigentlich auf die Inspiration angewiesen ist. Die schwarze US Lyrikern Ruth Stone behauptete jedenfalls, dass sie Gedichte kommen spüren konnte, manchmal, meinte sie, konnte sie sie sogar kommen hören, alles, was sie dann brauchte war etwas Glück, ein Stift und ein Stück Papier um sie aufzuschreiben, während sie dabei hoffte, dass sie sich lange genug bei ihr aufhielten, um neben dem Anfang und der Mitte auch das Ende eines Gedichts zu erfahren.

Eine Menge Leute würden ja behaupten, dass die Frau vielleicht Hilfe bräuchte. Ich nicht. Und sehr wahrscheinlich auch kein anderer von uns „Lieblingsautoren“ hier. Uns allen ist klar, es gibt keine Regeln in Bezug auf Inspiration, es gibt höchstens ein paar ganz persönliche Tricks, mit denen man sie hervorlocken kann, aber, wie gesagt: Inspiration kennt weder Regeln noch Gesetze. Was allerdings nicht heißt, dass sie nicht trotzdem für eine ganz bestimmte Art von Bestechung offen wäre. Die besteht in Sitzfleisch und harter Arbeit. Nichts weiter.

Nur das. Keiner von uns Autoren wurde gezwungen, das zu tun, was wir tun, wir alle sind freiwillig dabei. Wir können keinen anderen für die Qualität unserer Arbeit verantwortlich machen als uns selbst. Doch vielleicht können wir ja hoffen, dass ein paar von Euch, die dieses Magazin lesen werden, Gefallen an dieser harten Arbeit finden. Und sie deswegen auch respektieren. Herr Gray dankt herzlich für Ihre Aufmerksamkeit ….

Lieblingsautoren

91

Triff die Lieblingsautoren auf der Leipziger Buchmesse 2016 Halle 5, Stand B204 Donnerstag 10 - 11 Uhr Startschuss mit Sekt Freitag 11 - 12 Uhr Eileen Janket 12 - 13 Uhr Kirsten Wendt & Marcus Hünnebeck und Eileen Janket 13 - 14 Uhr Marah Woolf, Petra Röder und Hannah Siebern 14 - 15 Uhr Krimi Meet & Greet mit B.C. Schiller, Nika Lubitsch, Klaus Seibel, Bela Bolten, Elke Bergsma, Catherine Shepherd, David Gray, Marcus Hünnebeck & Matthias Matting ab 16 Uhr Bloggertreffen Samstag 11 - 12 Uhr Kirsten Wendt & Marcus Hünnebeck 12 - 13 Uhr Marah Woolf und Petra Röder 13 - 15 Uhr Hannah Kaiser, Katelyn Faith, Melanie Hinz und Poppy J. Anderson 15 - 16 Uhr Krimi Meet & Greet mit B.C. Schiller, Nika Lubitsch, Klaus Seibel, Bela Bolten, Elke Bergsma, Catherine Shepherd, David Gray, Marcus Hünnebeck & Matthias Matting 16 - 17 Uhr Hannah Siebern, Vanessa Mansini und Babsy Tom Sonntag 10 - 12 Uhr Frühschoppen der Lieblingsautoren 12 - 13 Uhr Poppy J. Anderson 13 - 14 Uhr Petra Röder, Hannah Siebern und Eileen Janket 14 - 15 Uhr Krimi Meet&Greet mit B.C. Schiller, Nika Lubitsch, Klaus Seibel, Bela Bolten, Elke Bergsma, Catherine Shepherd, David Gray, Marcus Hünnebeck & Matthias Matting 16 - 18 Uhr Abschlussparty

Lesungen Freitag 18.3., 11:00 Uhr: Hannah Kaiser und Poppy J. Anderson Halle 4, E 101 Freitag 18.3., 12:00 Uhr: Babsy Tom und Sina Martens lesen aus „Erinner dich an Liebe“ Halle 5 D206 / Amazon-Stand Freitag 18.3., 20:00 Uhr: HÄPPCHENLESUNG im Café Pascucci Mit Hannah Siebern, Eileen Janket, Poppy J. Anderson, Marah Woolf, Miranda J. Fox, Anna Winter und Laura Newman. www.pascucci-leipzig.de Samstag, 19.03.2016, 12:00 Uhr: Von Nachbarn und L.I.E.B.E Halle 5 D206 / Amazon-Stand Marcus Hünnebeck, Kirsten Wendt und Vanessa Mansini (12:00-12:30 Uhr) sowie Hannah Siebern und Eileen Jankett (12:30-13:00 Uhr).

Samstag, 19.03.2016, 16:00 Uhr: Mords was los Halle 5 D206 / Amazon-Stand Von 16:00-16:30 Uhr Béla Bolton, B.C Schiller und Catherine Shepherd, ab 16:30 Uhr Elke Bergsma und Nika Lubitsch.

Sonntag, 20.03.2016, 11:00 Uhr: Poppy J. Anderson Halle 5 D206 / Amazon-Stand

Die Lieblingsautoren im Internet: www.lieblingsautoren.org