ZfV 4/2021 ABHANDLUNGEN
Wird aber durch einen „Abschussvertrag plus“ de facto die Fläche des Jagdgebiets zum Zwecke der Jagdausübung aufgeteilt oder das Jagdausübungsrecht übertragen, ist der Vertrag als Umgehungsgeschäft zu beurteilen.
1.
Variante 1: Kein Umgehungsgeschäft
Stellt ein „Abschussvertrag plus“ kein Umgehungsgeschäft dar, ist von einem grundsätzlich zulässigen Abschussvertrag auszugehen. Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob die einzelnen über einen bloßen Abschussvertrag hinausgehenden Rechte und Pflichten gegen landesjagdgesetzliche Bestimmungen verstoßen. Verstößt der Inhalt eines Vertrages nur zum Teil gegen ein gesetzliches Verbot, so hat sich nach dem Verbotszweck der übertretenen Vorschrift zu bestimmen, ob der Vertrag zur Gänze oder nur teilweise nichtig sein soll, wobei in der Regel einer Restgültigkeit der Vorzug zu geben ist (Teilnichtigkeit bloß einzelner gesetzwidriger Vertragsklauseln gemäß § 879 ABGB).87 Enthält daher ein Abschussvertrag zusätzliche Vertragsbestimmungen, die nach den Landesjagdgesetzen verboten sind, entfallen diese. Der restliche Vertragsinhalt bleibt weiter aufrecht.
2.
Variante 2: Umgehungsgeschäft
Das Umgehungsgeschäft ist nicht automatisch rechtswidrig bzw automatisch nichtig, sondern am Zweck der umgangenen Vorschrift zu messen. Haben das Umgehungs- und das primär beabsichtigte Rechtsgeschäft vergleichbare Auswirkungen, ist in der Regel die umgangene Rechtsvorschrift auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden. Wäre das primär beabsichtigte Geschäft auf Grund einer Verbotsvorschrift nichtig, ist auch das Umgehungsgeschäft ungültig.88 Ist ein „Abschussvertrag plus“ als Umgehungsgeschäft zu qualifizieren, ist er wie ein Unterpachtvertrag zu beurteilen, der je nach landesgesetzlicher Regelung unter Umständen gesetzlich unzulässig ist. Sind Unterpachtverträge zwar verboten, sieht das Landesjagdgesetz aber keine Bestimmung über die Aussetzung der Wirksamkeit durch die Behörde vor, ergibt sich die Nichtigkeit (des gesamten Vertrages) aus § 879 ABGB. Wird ein „Abschussvertrages plus“ abgeschlossen, der ein Umgehungsgeschäft darstellt, kann das auch verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen haben, so zum Beispiel wenn Unterpachtverträge verboten sind89 oder eine Anzeige eines Unterpachtvertrags unterlassen wurde.90
V.
Fazit
Das Jagdausübungsrecht ist grundsätzlich (örtlich und sachlich) ungeteilt zu verpachten. Die Unterverpachtung ist in manchen
87 Bollenberger/Bydlinski, § 879 ABGB, in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 (2020) Rz 29. 88 Binder/Kolmasch (FN 83) § 916 Rz 22 mwN. 89 ZB § 135 Abs 1 Z 31 iVm § 38 NÖ JG. 90 ZB § 129 Abs 1 lit a iVm § 46 Abs 4 Wr Jagdgesetz.
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Bundesländern verboten, in anderen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Grundsätzlich zulässig sind hingegen Abschussverträge, mit denen einem Dritten gegen Entgelt der näher konkretisierte Wildabschuss im gesamten Jagdrevier oder in Teilen des Jagdreviers überlassen wird. Die gesetzlichen Regelungen in den Landesjagdgesetzen sind dabei vielfach sowohl zur Unterverpachtung als auch zu Abschussverträgen kryptisch formuliert. In der Praxis werden oft Abschussverträge geschlossen, die über den Abschuss von Wild hinausgehende Rechte und Pflichten vorsehen. Zum Teil erfolgt dies bewusst – anstelle von unzulässigen/eingeschränkt zulässigen Unterpachtverträgen; zum Teil dürfte diese Entwicklung den erwähnten kryptischen gesetzlichen Formulierungen geschuldet sein. Eine gesetzliche Klarstellung samt Nennung der aus der Rsp abgeleiteten Abgrenzungskriterien – wie es beispielsweise in Tirol vorgesehen ist – wäre deshalb für alle Bundesländer wünschenswert. Für die Abgrenzung ist im ersten Schritt anhand der Kriterien der Rsp zu überprüfen, ob ein Vertrag als bloßer Abschussvertrag, als Vertrag sui generis/„Abschussvertrag plus“ oder als Unterpachtvertrag zu qualifizieren ist. Bei Qualifikation als Unterpachtvertrag ist die Zulässigkeit anhand des Landesjagdgesetzes zu beurteilen. „Abschussverträge plus“ sind zwar auf Grund der Formfreiheit des Zivilrechts grundsätzlich möglich. Allerdings ist zu prüfen, ob nicht ein Umgehungsgeschäft vorliegt, das Sinn und Zweck des Verbots/der Beschränkung von Unterpachtverträgen vereitelt. Ist dies der Fall, ist der Vertrag wie ein Unterpachtvertrag zu behandeln und nach dem jeweiligen Landesjagdgesetz unter Umständen unzulässig. Dies kann zur Nichtigkeit des Vertrags, aber auch zur Verwirklichung eines Verwaltungsstraftatbestands führen. Liegt kein Umgehungsgeschäft vor, ist die Zulässigkeit der einzelnen Regelungen des Abschussvertrags anhand der landesgesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen. Unter Umständen können diese Klauseln nichtig sein (Teilnichtigkeit).
Die Autorin: DDr. Kathrin Bayer Eisenberger Rechtsanwälte GmbH Schloßstraße 25 A-8020 Graz off ice@eisenberger.eu lesen.lexisnexis.at/autor/Bayer/Kathrin
Die Autorin: Dr. Sandra Tauß-Grill Eisenberger Rechtsanwälte GmbH Schloßstraße 25 A-8020 Graz off ice@eisenberger.eu lesen.lexisnexis.at/autor/Tauß-Grill/Sandra
Bayer/Tauß-Grill, Abschuss- oder Unterpachtvertrag?
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ART.-NR.: 55
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