Dialog im Parlament - Band 8

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Enquete von Dr. Hannes Jarolim vor allem wegen des überindividuellen Interesses und des Beitrags zur Rechtsentwicklung begünstigt. Die Erhebung einer Klage im Ausland vermag aber keinen Beitrag zur Rechtsentwicklung in Österreich zu leisten. C. Grundzüge der Ausgestaltung 1. Einleitung Die Rechtsvergleichung ein sehr heterogenes Bild. Nahezu in allen Fragen der Ausgestaltung des Verfahrens bestehen große Unterschiede. Diese reichen vom Anwendungsbereich über die Konstituierung der Gruppe (Stichwort Opt-in oder Opt-out). Während einige Staaten eine Verfahrenseinleitung durch Einzelpersonen kennen, setzen die meisten Länder auf eine Verfahrenseinleitung durch Organisationen („ideological plaintiff“), um solcherart möglichen Missbräuchen vorzubeugen. Im Vergleich zu Individualverfahren kommen dem Gericht vielfach schon bei der Verfahrenseinleitung, vor allem aber bei Abschluss eines Vergleichs verstärkte Überwachungsbefugnisse zu.41 Im Folgenden werden die zentralen Punkte einer künftigen Neuregelung diskutiert. Dabei wird auf den seinerzeit vom Verfahren erarbeiteten Vorschlag42 zurückgegriffen, aber auch auf neuere Entwicklungen eingegangen. 2. Repräsentationslösung Ein Modell, das – nach dem Vorbild des § 9 Abs 2 KuratorenG43 oder dem deutschen KapMuG – den einzelnen Anspruchsinhabern den Beitritt als Nebenintervenient eröffnet44, ist nicht geeignet, die sich in einem echten Massenverfahren ergebenden rein manipulativen Probleme angemessen zu bewältigen. Die wirtschaftliche Bewältigung derartiger Verfahren in angemessener Dauer ist nur bei Einschränkung individueller Verfahrensrechte und deren Ersatz durch eine Repräsentationslösung möglich. Jede Kollektivierung des Rechtsschutzes bewirkt zwangsläufig eine gewisse Mediatisierung der Einzelkläger und führt damit zur Einschränkung der Parteiherrschaft.45 Ein Prozess 41 42 43

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Für eine Überwachung des Vergleichs und der Organisatoren des Verfahrens durch das Gericht de lege ferenda Oberhammer, Gutachten 147 ff. Kodek in Gabriel/Pirker-Hörmann, Massenverfahren 311. KuratorenG 1874 RGBl 95. Dazu Kalss, Anlegerinteressen. Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt (200) 405; Kodek in Gabriel/Pirker-Hörmann, Massenverfahren (2005) 332. In gewissem Sinn vergleichbare Bestimmungen finden sich in § 225e Abs 1 und Abs 2 Satz 3 AktG, § 33 Abs 2 Z 4 erster Satz und § 33 Abs 3 zweiter Satz ÜbG, wonach in einem Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des verschmelzungsrechtlichen Umtauschverhältnisses oder des Preises eines Pflichtangebots die Aktionäre (Inhaber von Beteiligungspapieren) das Recht haben, neben dem jeweiligen gemeinsamen Vertreter ihre Rechtsposition zu vertreten (vgl Kalss, Anlegerinteressen 422). Hess, Der Regierungsentwurf für ein Kapitalmusterverfahrensgesetz – eine kritische Bestandsaufnahme, WM 2004, 2329. Bedenken gegen eine derartige Mediatisierung der repräsentierten Kläger in

Jarolim, Beschleunigung von Verfahren als Gebot der Stunde, LexisNexis

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