

Utopische









Besucht uns auf unserem Blog leipzigerlerche.com! Jeden Donnerstag erscheinen hier Blogeinträge zu spannenden Themen rund ums Buch, lustige Anekdoten und Artikel zu aktuellen Trends.
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VORWORT
Willkommen in der utopischen Leipziger Lerche!

Liebe Leser:innen,
wir leben in einer Zeit, die von globalen Krisen, sozialem Wandel und technologischen Umbrüchen geprägt ist. Diese Entwicklungen gehen mit wachsender Unsicherheit einher: Aktuelle Studien zeigen, dass Jugendliche in Deutschland zunehmend unzufrieden sind und der Zukunft mit großer Besorgnis entgegensehen. Hier kommen die Utopien ins Spiel. Utopien eröffnen neue Sichtweisen auf das, was jenseits der gegenwärtigen Realität möglich scheint. Sie schenken Hoffnung und äußern Kritik an dem Status quo.
In der 62. Ausgabe der Leipziger Lerche laden wir euch dazu ein, gemeinsam nachzudenken, zu träumen und die Idee von Utopien neu zu beleuchten: als persönliche Hoffnung, als gesellschaftliche Herausforderung und als Möglichkeit, die Gegenwart aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie unsere heutige Zeit früher als utopisch erachtet wurde (Seite 16), welchen Einfluss Utopien auf soziale Bewegungen hatten (Seite 18) und wie Utopien in der Verlagswelt (Seite 22) aussehen können.
Utopien sind vielfältig und so auch die Bereiche, in denen sie zu finden sind: Sie begegnen uns überall! In dieser Ausgabe nehmen wir euch mit auf eine Reise vom Weltraum (Seite 12) über die Klimabuchmesse (Seite 14) bis hin zu einem Ort, den es nicht gibt (Seite 5).
Wie immer findet ihr auch spannende Film-, Podcast- und Buchempfehlungen rund um das Thema Utopien. Und falls ihr schon immer wissen wolltet, ob euer idealer Tag einer High-Tech-, grünen oder sozialen Utopie entspricht, findet ihr in dieser Ausgabe einen aufschlussreichen Persönlichkeitstest (Seite 36).
Unser Dank gebührt auch in dieser Ausgabe allen, die uns bei der Umsetzung unterstützt und die utopische Leipziger Lerche möglich gemacht haben. Ein besonderer Dank geht an die Carl Berberich GmbH, die den Druck dieser Ausgabe mit einer großzügigen Papierspende möglich gemacht hat. Außerdem möchten wir uns herzlich bei allen Anzeigenkund:innen, Interviewpartner:innen und natürlich bei euch Leser:innen bedanken.
Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen!
Eure Leipziger Lerchen
Die nächste Ausgabe erscheint im Herbst 2025. Wer uns bis dahin zu sehr vermisst, findet regelmäßige Beiträge auf unserem Blog und die alten Ausgaben als E-Paper auf der Magazinplattform Issuu. www.leipzigerlerche.com
„DAS
IST DOCH UTOPISCH!“
Über die Ursprünge der Utopie bis hin zu ihrem heutigen Wirken
Eine weitverbreitete und gerne genutzte Reaktion auf Ideen und Vorschläge, die für unrealistisch und gar realitätsverweigernd, träumerisch und daher irrelevant gehalten werden: „Das ist doch utopisch!“ Doch was steckt eigentlich hinter dem Utopie-Begriff? Warum ist etwas utopisch und sind diese Ideen überhaupt so irrelevant, wie sie dargestellt werden?
Erstmals verwendet wurde der Begriff „Utopie“ vom englische Staatstheoretiker Thomas Morus: In seinem auf Latein verfassten Roman „Utopia. Von der besten Verfassung des Staates“, welcher im Jahr 1516 veröffentlicht wurde, beschreibt er eine „ideale“ Gesellschaft auf einer fiktiven Insel, die als perfekter Ort dargestellt wird. Es geht um eine gerechte Gesellschaft, in der Solidarität und Toleranz gelebt werden und das Glück das höchste Gut der Menschen ist. Der Witz dabei: Vom Griechischen „ou tópos“ hergeleitet bedeutet der Titel des Romans „kein Ort“. Hinzukommt, dass „eu tópos“ übersetzt „guter Ort“ bedeutet. Ein möglicherweise intendiertes Wortspiel, welches einige Fragen hervorbringt: Ein guter Ort ist also kein Ort? Kein Ort ist ein guter Ort? Es handelt sich dabei also einerseits um die Verschriftlichung eines Konzepts einer „perfekten“ Gesellschaft, andererseits formuliert Thomas Morus Kritik an den englischen Gesellschaftsverhältnissen. Doch bereits weit vor Morus‘ Werk wurden utopische Schriften verfasst. So schrieb Platon bereits um 375 vor Christus seinen Dialog „Politeia“ (zu Deutsch „Der Staat“), in dem er eine Gesellschaftsform skizziert, in welcher das Gemeinwohl über individuellen Interessen steht.
Utopien sind überall!
Utopien sind also Erzählungen, Visionen, Gedankenexperimente, bei denen die Rede von einem idealen Zustand – einem guten Ort – ist. Dies wird häufig auf Gesellschaftsformen bezogen, jedoch gibt es auch andere Bereiche, in denen Utopien greifen können. Utopien sind vielfältig, jeder Mensch hat unterschiedliche Vorstellungen von idealen Zuständen, die in der Realität nicht existieren. So gibt es viele thematische Gattungen, nach den Utopien unterteilt werden können. Politische, gesellschaftliche und religiöse Utopien sind drei Beispiele dafür.
Zudem können Utopien in drei weitere Einheiten unterteilt werden. Konstruktive Utopien beschäftigen sich mit konkreten Vorschlägen, die realisierbar wirken und zur Verbesserung eines gegenwärtigen Zustandes beitragen können.

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In deskriptiven Utopien hingegen wird eine scheinbare Zukunftsprognose beschrieben, während evasive Utopien sich mit der Weltflucht beschäftigen.
Auf die Utopie folgte die Dystopie
Die Dystopie wird als Gegenteil zur Utopie gesehen, es handelt sich dabei also um eine Anti-Utopie. Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet „Dystopie“ nämlich „schlechter Ort“. Dystopien entwickelten sich in der Literatur erst nach der Industrialisierung und sind somit deutlich jünger als die Gattung der Utopien. Oft ist jedoch zu beobachten, dass in dystopischen Werken ehemals utopische Motive auf eine extreme und teilweise totalitäre Art und Weise umgesetzt werden.
Utopie als Fähigkeit
Utopien können so vieles sein: Hoffnungsgeber, Spiegel der Gesellschaft, die Missstände aufzeigen, Ziele, Träume und Äußerungen oder Idealvorstellungen. Jede Person hat ihre persönlichen Utopien, manche kämpfen in bestimmten Dingen für das Gleiche. Es geht um Idealvorstellungen, die keine praktischen und umsetzbaren Ziele darstellen müssen, sondern vielmehr Aussagen über Werte, Normen und die aktuelle Gegenwart betreffen. Typisch für Utopien ist, dass sie zumindest nicht in absehbarer Zukunft realisierbar sind. Es geht weniger darum, den beschriebenen Zustand sofort einzuführen, sondern einen Denkprozess auszulösen und den heutigen Status quo zu hinterfragen und zu kritisieren. Utopisches Denken impliziert die Fähigkeit eines Menschen, über den eigenen Tellerrand hinaus zu denken.
Antonia Faupel
WIE STELLST DU DIR DEIN UTOPISCHES
Lucian,
24, Student
Mein utopisches Leipzig ist eine Stadt, die ihren Bürgern gerecht wird, ihren Charme als Großstadt behält und weiterhin ein Zentrum für viele verschiedene Ideen, Ansichten und Interessen ist. Die Fortbewegungsmöglichkeiten sind vielfältig, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder aber auch dem Auto. Jeder kann die Art der Fortbewegung frei nach seinem Ziel wählen. Ihr Charme ist die Größe. Mit etwa 620 000 Einwohnern ist sie nicht zu groß, aber groß genug, um viel zu erleben. Sie ist ein Vorbild für Fortschritt und Nachhaltigkeit. Den kommenden Generationen sind alle Wege für eine gute Zukunft offen. Sie bringt die Menschen mit ihrer Vielzahl an Grünflächen und Naherholungsorten dazu, innezuhalten und sich ihrer selbst und ihrer Umwelt bewusst zu werden. Mein utopisches Leipzig ist eine Stadt, welche liebens- und lebenswert ist. Alle haben die Möglichkeit sich selbst, ihr Leben und die Welt zu erkunden.
Hannah, Sprecherin und Mitglied des Jugendparlamentes Leipzig
Ein utopisches Leipzig ist eine Stadt, die den Bedürfnissen aller Generationen gerecht wird. Es bedarf ausreichend bezahlbaren Wohnraums für Familien, Studierende und Senior*innen sowie barrierefreier Wohn- und Freizeitangebote. Kostenlose Kitaplätze müssen für einen gerechten Zugang zur frühkindlichen Bildung selbstverständlich sein.

Die Bildungsinfrastruktur muss modernisiert werden: Gut ausgestattete Schulen mit genügend Lehrpersonal und Raum für individuelle Förderung sind unverzichtbar. Ein kostenfreier und zuverlässiger öffentlicher Nahverkehr würde nicht nur Mobilität für alle sicherstellen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur sozialen und ökologischen Transformation leisten. Zugleich müssen Kulturangebote allen zugänglich sein, um Begegnungen zwischen den Generationen und eine lebendige Zivilgesellschaft zu fördern.
Klimagerechtigkeit muss zum Leitprinzip der Stadtentwicklung werden: Nachhaltiges Bauen, erneuerbare Energien und grüne Freiräume in allen Stadtteilen sind essenziell. Ein utopisches Leipzig zeichnet sich durch eine vielfältige, solidarische und durchmischte Stadtgesellschaft aus, in der soziale Spaltung keinen Raum hat. Menschen begegnen sich hier auf Augenhöhe, ohne Diskriminierung oder Ausgrenzung.
Diese Vision fordert ein klares Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit: Faire Arbeitsbedingungen, gute Löhne und umfassende Unterstützung für Bedürftige sind grundlegende Bausteine. Leipzig könnte so ein Modell für eine zukunftsweisende, gerechte und lebenswerte Stadt sein. Es liegt an uns, diese Utopie Realität werden zu lassen.
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LEIPZIG VOR?
Hanna, Grundschülerin, 10 Jahre
Dass alle Menschen friedlich sind und dass es keine Kriege mehr gibt. Dass die Menschen keinen Müll in die Natur schmeißen und weniger Abgase in die Umwelt gelangen. Dass die Menschen mehr mit Fahrrädern fahren. Dass man nicht bezahlen muss, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Dass man das Haus auf einen großen Hänger tut und es irgendwo anders hinstellen kann. Dass die Autos Flügel haben und man von A nach B kommt oder sich teleportieren könnte. Dass es keine Tierquäler mehr gibt und die Tiere artgerecht gehalten werden.

Stefanie, Sachbearbeiterin, 38 Jahre
Bruno, 25, Sozialversicherungsfachangestellter
Prinzipiell trifft der Spruch „mein Leipzig lob ich mir“ schon sehr gut zu. Leipzig ist für mich eine der schönsten und lebenswürdigsten Städte Deutschlands, und im Vergleich zu den Städten, die ich schon gesehen und erlebt habe, auch eine der vielfältigsten.
Dennoch gibt es zwei Sachen, die Leipzig verbessern würden, um dieser Vision der perfekten Stadt gerecht zu werden.
Zum einen wären das die Anbindungen mit Bus und Bahn – oftmals schleppend, unzuverlässig oder fährt halt nicht überall hin. Das nervt schon sehr. Und das zweite wäre ein durchdachteres Konzept für eine autofreiere Stadt. Ich fahre selbst fast jeden Tag Auto, finde aber die Idee prinzipiell super, dass man die Stadt etwas grüner und freier durch weniger Autos macht. Aber einfach Kreuzungen zu teilen, Parkverbote mitten im Wohngebiet aufzustellen oder Einbahnstraßen aus dem Nichts zu errichten, finde ich da eher kurzgedacht und unproduktiv. Im Großen und Ganzen bin ich aber sehr zufrieden mit Leipzig und bin froh, in dieser Stadt aufgewachsen zu sein und in ihr leben zu können, mit allen Möglichkeiten, die sie bietet.
Mein utopisches Leipzig würde sich rein optisch kaum verändern. Vielleicht würde eine andere Mentalität Leipzig und auch die ganze Welt etwas besser machen. Wenn jeder auch etwas mehr auf den anderen achten würde und nicht nur auf sich selbst. Wenn es keinen Hass und keine Gewalt gäbe. Wenn Dächer und Fassaden komplett begrünt werden und die Natur mehr geschätzt wird. Dass jeder Stadtteil gleich schön wäre. Es würde keinen Stadtteil geben, wo nur überwiegend arm oder reich wohnt. Es keine „Schmuddel“-Straßen gibt, wo man sich nachts nicht hin traut. Einfach, dass es ein besseres Miteinander gibt. Wo jedes Kind auch eine gleich schöne Kindheit wie andere erleben darf. Aber das wird wahrscheinlich immer eine Utopie bleiben.
„WORTE BEWEGEN WELTEN“
Leipziger Buchmesse 2025 – Gastland Norwegen

Die Leipziger Buchmesse findet 2025 vom 27. bis 30. März unter dem Motto „Worte bewegen Welten“ statt und verwandelt die sächsische Bücherstadt wieder einmal in einen Hotspot für Literaturbegeisterte. Als wichtigster Frühjahrstreff der Buch- und Medienbranche bringt die Messe Leser:innen, Autor:innen, Verlage und Medien aus der ganzen Welt zusammen und bietet eine Plattform zum Austausch, zur Vernetzung und zur Inspiration. Dieses Jahr lädt sie mit ihrem Motto dazu ein, die Macht der Worte zu feiern, aber auch kritisch zu hinterfragen.
Wie jedes Jahr erwartet die Leipziger Buchmesse wieder Tausende Besucher:innen, die das vielfältige Programm der über 2 000 Ausstellenden durchstöbern und an den vielen verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen werden. In fünf großen Messehallen werden die unterschiedlichen Themenschwerpunkte ausgestellt. Eine Besonderheit sind die Präsentationen der Gegenwartsliteratur aus Armenien und den Philippinen, die dieses Jahr zum ersten Mal vertreten sind. Es verspricht insgesamt ein bedeutendes literarisches Wo-
chenende zu werden, denn zeitgleich zur Leipziger Buchmesse finden auch die Manga-Comic-Con und die Leipziger Antiquariatsmesse statt. Außerdem wird an dem Wochenende wieder das Lesefest Leipzig liest! veranstaltet, bei dem circa 3 000 Veranstaltungen und eine Zusammenarbeit mit dem Leipziger Literaturfestival Literarischer Herbst geplant sind.
Die vielfältige Literatur Norwegens
Ein besonderes Highlight der Leipziger Buchmesse 2025 wird die Präsentation Norwegens als Gastland sein. Es ist das erste Mal, dass die Leipziger Buchmesse ein skandinavisches Land in dieser Rolle begrüßt. Es wird erwartet, dass die vielfältige norwegische Literaturlandschaft und ihre spannenden Autor:innen auf großes Interesse stoßen werden. Unter dem Motto „Traum im Frühling“ wird Norwegen die Messe begleiten und mit einem umfangreichen Literaturprogramm vertreten sein. So sollen Begegnungen zwischen deutschen Leser:innen und norwegischer Literatur stärker gefördert werden. Knapp 40 Autor:innen aus Norwegen werden ihr Land in Leipzig literarisch vertreten und eine Vielzahl an Themen und Genres präsentieren.
Was ist neu?
Die diesjährige Leipziger Buchmesse erwartet uns mit einigen interessanten und spannenden Neuerungen. Erstmals wird es einen Bereich geben, der sich ganz den Hörbüchern und Podcasts widmen wird und damit der wachsenden Bedeutung dieser Branchensparte gerecht wird. In der neuen Audiowelt stellen berühmte Sprecher:innen und Autor:innen Neuerscheinungen vor, die direkt vom Publikum in der Audio-Lounge gehört werden können. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Live-Podcasts zu erleben.
Der BL:OOM ist ein neuer BloggerRoom auf der Leipziger Buchmesse und soll eine zentrale Anlaufstelle für Buchblogger:innen, BookToker:innen und Booktuber:innen werden. Mit dem BL:OOM als Treffpunkt wird ein Raum geschaffen, in dem sich vernetzt und ausgetauscht werden kann. Außerdem wird es ein speziell für diesen immer wichtiger werdenden Teil der Branche konzipiertes Literaturprogramm geben.
Eine weitere Neuheit ist das Forum Mensch & KI – Schöne neue Welt. Hier soll, getreu dem Motto der Leipziger Buchmesse, die Ambivalenz des Themas mit zum Teil sogar interaktiven
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Veranstaltungsformaten beleuchtet werden.
Außerdem ein Highlight sind die #buchbar, wo Besuchende ihre Lieblingsstars treffen und im großen Signierbereich Autogramme erhalten können sowie das Forum Offene Gesellschaft, bei dem das Publikum erstmals über aktuelle gesellschaftliche und politische Themen nicht nur zuhören, sondern mitdiskutieren kann.
Preisverleihungen
Bereits zum 21. Mal wird der Preis der Leipziger Buchmesse in den Kategorien Belletristik, Übersetzung und Sachbuch/ Essayistik vergeben. Auch in diesem Jahr gibt es wieder vielfältige und interessante Einreichungen, die von der neuen Juryvorsitzenden Katrin Schumacher und den sechs weiteren Jurymitgliedern geprüft werden. Am ersten Tag der Leipziger Buchmesse werden die Preisträger:innen in der Leipziger Glashalle um 16 Uhr gekürt.
Außerdem wird im Rahmen der Leipziger Buchmesse der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung verliehen, der seit 1994 jährlich vergeben wird. Die Auszeichnung würdigt Werke europäischer Persönlichkeiten, die nicht nur von hoher geistiger und literarischer Qualität sind, sondern auch ein tiefes Bewusstsein für historische Zusammenhänge und aktuelle Zeitfragen demonstrieren und darüber hinaus einen bedeutenden Beitrag zur Verständigung und dem gegenseitigen Verständnis in Europa leisten. Der diesjährige Preis wird im Rahmen der Eröffnung der Leipziger Buchmesse am 26. März 2025 im Gewandhaus zu Leipzig an Alhierd Bacharevič für seinen Roman „Europas Hunde“ verliehen. Das Buch ist im Februar 2024 beim Verlag Voland & Quist erschienen und wurde aus dem Belarussischen und Russischen von Thomas Weiler übersetzt.
Die Leipziger Buchmesse garantiert abermals ein bedeutendes Ereignis für die internationale Literaturszene zu werden. Mit Norwegen als erstem skandinavischem Gastland wird Kultur- und Leseinteressierten ein spannender Einblick in die reiche literarische und kulturelle Tradition des Landes geboten.
Alina Hadshiminow




TICKETS UNTER:
EINE PLAYLIST FÜR TRÄUME UND VISIONEN
Die offizielle Playlist zur 62. Ausgabe der Leipziger Lerche

In einer Welt, die oft von Herausforderungen und Unsicherheiten geprägt ist, kann Musik eine kraftvolle Quelle der Inspiration und Hoffnung sein. In unserer Playlist zur utopischen Leipziger Lerche haben wir Songs gesammelt, die dich beim Durchstöbern der Artikel begleiten sollen.
Lass dich von den Klängen mitreißen und zu neuen Visionen inspirieren!
Egal, ob du beim Thema „Utopie“ an die Realisierung deiner eigenen Wünsche, an die Vorstellung einer besseren Welt oder an Träume, die über die Grenzen des Gewöhnlichen hinausgehen, denkst – unsere Playlist unterstützt deine Reise der Gedanken mit der passenden musikalischen Untermalung.

Hier geht‘s zur Playlist!
Alina Hadshiminow
UTOPIE IN DER VERLAGSWELT
Die Verlagswelt der Zukunft: Utopie oder greifbare Realität?
Wie könnte eine ideale Verlagslandschaft aussehen, die frei von Barrieren ist und Literatur sowie Wissen für alle Menschen zugänglich macht? Eine Vision, die zeigt, wie Verlage die Zukunft positiv gestalten können.
Ein Blick in die Utopie der Verlagswelt
Starten wir ein Gedankenexperiment. Es existiert eine Welt, in der Wissen und Geschichten keine Grenzen kennen. Eine Welt, in der jedes Buch, jeder Artikel und jedes digitale Medium frei zugänglich ist, ohne dass Leser:innen und Autor:innen eine wirtschaftliche Einschränkung erfahren. In dieser Utopie stehen für alle Akteure des Büchermarktes nicht Verkaufszahlen oder Marktmacht im Vordergrund, sondern die Kultur des Teilens und der Wissensvermittlung. Open Source wäre ein gängiger Weg, Texte zu veröffentlichen, um Barrieren in der Forschung und Wissen zu beseitigen. Die Utopie hinter Open Access basiert auf der Idee der Wissensgerechtigkeit: Alle, unabhängig von finanziellen Mitteln, können auf neueste Forschungsergebnisse zugreifen.
In dieser Zukunft arbeiten Verlage als kulturelle Katalysatoren. Sie fördern Autor:innen unanbhängig von deren Bekanntheitsgrad oder Verkaufsprognosen und bieten Plattformen für innovative Ideen und vielfältige Perspektiven. Leser:innen werden nicht mehr durch Algorithmen beeinflusst, die nur das Ziel haben, Umsätze zu maximieren, sondern können selbstbestimmt in einer offenen, inklusiven Literaturlandschaft navigieren.
Barrierefreiheit für alle: Literatur als öffentliches Gut
Ob gedruckte oder digitale Inhalte – Wissen und Kultur werden als öffentliches Gut betrachtet. Finanziert werden Inhalte durch staatliche Unterstützung, gemeinnützige Initiativen oder Solidaritätsbeiträge von Leser:innen. Solche Modelle könnten dazu beitragen, die Marktmacht von großen, kommerziellen Verlagen zu reduzieren und den Fokus auf Diversität und Qualität zu legen.
Für Autor:innen bietet dieses Szenario neue Chancen. Sie könnten ihre Werke ohne finanziellen Druck veröffentlichen, da die Finanzierung über öffentliche Unterstützung gesichert ist. Verlage werden dabei zu Partnern, die Autor:innen unterstützen, ohne ihre Vision zu verbiegen. Außerdem würden Leser:innen ebenso davon profitieren. Ohne Paywalls

oder teure Abos könnten sie auf eine viel größere Auswahl an Literatur zugreifen. Das würde den kulturellen Austausch stärken und Ungleichheiten in der Bildung weltweilt reduzieren.
Neben der Barrierefreiheit spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle in der Utopie der Verlagswelt. Gedruckte Bücher könnten aus recycelbaren Materialien hergestellt und digitale Inhalte energieeffizient bereitgestellt werden. Verlage, die sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen, könnten neue Standards in der Branche setzen und dadurch auch bei Leser:innen ein stärkeres Umweltbewusstsein fördern. Ein weiterer Kernaspekt der Verlagsutopie ist Diversität. Dieses Modell würde Stimmen aus unterschiedlichen Kulturen, sozialen Hintergründen und marginalisierten Gruppen einen größeren Raum bieten. Das würde auch Leser:innen Zugang zu Geschichten ermöglichen, die ihre Perspektive erweitern. Diese Vielfalt stärkt nicht nur gesellschaftliche Inklusion, sondern macht auch die Literaturlandschaft reicher und relevanter.
Die Realität und der Weg zur Utopie
Trotz aller Visionen bleibt die Welt der Verlagsbranche von Herausforderungen geprägt. Der wirtschaftliche Druck ist hoch, Bestseller dominieren die Programme und der Markt ist sehr schnelllebig. Dennoch gibt es vielversprechende Ansätze, die den Weg in eine utopische Zukunft weisen: OpenAccess-Initiativen, Crowdfunding-Modelle oder wachsende Erfolge unabhängiger Verlage sind Beispiele dafür, wie alternative Konzepte funktionieren können.
Die Utopie der Verlagswelt ist kein unerreichbarer Traum, sondern eine Inspiration, die uns zeigt, was möglich sein könnte. Es liegt an uns – ob als Leser:innen, Autor:innen oder Verlagsakteur:innen -, mutig zu denken, neue Wege zu gehen und eine Verlagswelt zu schaffen, die fair, nachhaltig und für alle gleich zugänglich ist. Vielleicht ist die Verlagswelt der Zukunft näher, als wir glauben.
Lu Hilgers
Das Universum – ein grenzenloser Raum voller Geheimnisse, der die Menschheit fasziniert. Seit dem Beginn der Raumfahrt wurden die Grenzen des Unerreichbaren immer weiter verschoben. Was einst Science-Fiction war, ist heute Realität. Die Raumfahrt entwickelt sich rasant und eröffnet neue Möglichkeiten das All zu erkunden. Wie wird sie sich weiterentwickeln? Wird es uns bald möglich sein, Urlaub im All zu machen oder sogar dort zu leben?
Schon immer träumen Menschen vom Fliegen. Bereits Leonardo da Vinci versuchte im 15. Jahrhundert den Traum vom Fliegen wahrzumachen. Im Jahr 1903 folge der erste Motorflug der Gebrüder Wright, der zwölf kurze aber revolutionäre Sekunden andauerte. Hätten sich diese Pioniere vorstellen können, dass es mittlerweile komplett normal ist in den Himmel abzuheben und, dass sich die Grenzen des Fliegens nur wenige Jahrzehnte später nicht mehr auf die Erdatmosphäre begrenzen, sondern weit ins Universum hineinreichen?
Eine (sehr) kurze Geschichte der Raumfahrt
Um sich mit der Zukunft der Raumfahrt zu beschäftigen, lohnt sich ein kleiner Blick in deren Vergangenheit. Einer der ersten Meilensteine der Raumfahrt geschah, als es der Sowjetunion 1957 erfolgreich gelang den Satelliten Sputnik I in die Erdumlaufbahn zu bringen. Vier Jahre später begann die bemannte Raumfahrt. Juri Gagarin umrundete mit einer Raumkapsel die Erde und kehrte dann zu ihr zurück. Er war der erste Mensch im All. Ab den 1960er Jahren verschärft sich der Wettlauf um den Weltraum zwischen der UdSSR und den USA. 1969 gelingt die erste bemannte Mondlandung. Kurz nach der Jahrtausendwende bleibt erstmals eine Crew auf der International Space Station (ISS) Mit der ISS gelang es erstmals seit dem „Kalten Krieg“ internationale Forschung und Zusammenarbeit im All zu etablieren. 2001 beginnt der Weltraumtourismus. Vereinzelt finden Flüge für Summen von bis zu 20 Millionen Euro zur ISS statt. Ab den 2010ern wird der Weltraum zunehmend kommerzialisiert. Private Unternehmen starten nun auch eigenständig ins All. 2015 kann durch New Horizons erstmals mit einer Sonde Pluto erreicht und entdeckt werden. Drei Jahre später wird der Mars mithilfe eines Rovers erkundet. Seit 2021 starten vermehrt touristische Flüge. Jeff Bezos reiste als erster Prominenter ins All. Aktuell plant die NASA die „Artemis III-Mission“. Sie soll der erste bemannte Mondflug seit 1969 sein.
näher als man denkt?
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Raumfahrt sehr schnell entwickelt. Zwischen all diesen Meilensteinen liegen noch unzählige weitere Missionen und Entdeckungen im Universum. Umso spannender ist es, in welche Richtung sich die Raumfahrt zukünftig weiterentwickeln wird.
Weltraumtourismus
Die Utopie vom eigenen Flug ins All – könnte dieser Traum in ein paar Jahrzehnten für die breite Gesellschaft wahr werden? Vielleicht ja. Zumindest arbeiten einige private Raumfahrtunternehmen darauf hin und bieten bereits jetzt Flüge ins All an. Die drei großen, um die Marktführung kämpfenden Unternehmen sind: SpaceX von Elon Musk, Blue Origin von Jeff Bezos und Virgin Galactic vom britischen Milliardär Richard Branson.
Derzeit schaffen es pro Jahr nur einzelne private Personen in den Weltraum. Darunter zum Beispiel Jeff Bezos und William Shatner, der durch seine Rolle als Captain Kirk in den „Star Trek“-Filmen bekannt geworden ist. Bisher sind die Reisen ins All eher Kurztrips. Die Flüge dauern nur wenige Stunden, kosten dafür allerdings beachtliche Summen. Beispielsweise kostet ein Flug mit der Virgin Galactic rund 450 000 USDollar. Im Preis inklusive sind der Weltraumflug, zwei bis drei Tage Training, ein medizinischer Check-up und die Unterbringung am Weltraumbahnhof.
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Wohin soll die Reise gehen?
Wie weit die Flüge gehen können, hängt vom Weltraumunternehmen ab, welches als Reiseunternehmen ausgewählt wird. Blue Origin und Virgin Galactic fokussieren sich darauf suborbitale Flüge für Tourist:innen anzubieten. Das heißt, die Passagier:innen steigen in einer Rakete in eine Höhe bis zu 100 Kilometer auf. Dort liegt die Grenze zwischen Luft- und Raumfahrt. Die Rakete tritt aber nicht in den Orbit ein. Ist die finale Höhe erreicht, haben die Passagier:innen für etwa fünf Minuten die Möglichkeit, Schwerelosigkeit zu erleben und einen spektakulären Blick auf die Erde aus dem All zu genießen. Danach landet die Rakete wieder auf der Erde. Die Gesamtreisedauer beträgt etwa zwei Stunden. Das Konzept von SpaceX geht über kurze, suborbitale Flüge hinaus. Langfristig möchte das Unternehmen Flüge in den Erdorbit, zur ISS und zum Mond anbieten. Elon Musk arbeitet außerdem darauf hin, den Mars zu erschließen und diesen zu kolonisieren. Touristische Flüge bis zum Mars sind also auch denkbar.
Die Sache mit der Umwelt
Flüge ins All kosten Reisende viel Geld. Doch wie viel kostet uns alle dieses Vergnügen? Um ihre Emissionen zu verringern, versuchen die Unternehmen umweltfreundliche Treibstoffe zu entwickeln. Blue Origin fliegt mit Flüssigtreibstoff aus Wasserstoff und Sauerstoff. Dieser ist zwar umweltfreundlicher als herkömmlicher Raketentreibstoff, da er während des Fluges kein CO2 ausstößt, allerdings benötigt dessen Herstellung sehr viel Energie. Hinzu kommt, dass Raketentreibstoffe (jeder Art) die Ozonschicht der Erde, und somit die Schicht, die uns vor zu viel
UV-Strahlung schützt, schädigen. Alle Tourist:innen haben einen hohen CO2-Fußabdruck. Ein Flug mit einer kerosinbetriebenen Rakete stößt vergleichbar viel CO2 wie ein Langstreckenflug aus. Die CO2-Bilanz verteilt sich allerdings beim Langstreckenflug auf mehr Passagier:innen als bei der Rakete. Um auf die CO2-Masse eines Raketenstarts zu kommen, könnte eine Person rund 100 bis 150 Langstreckenflüge unternehmen.
Trotzdem versuchen die Unternehmen ihre Flüge nachhaltiger zu gestalten, beispielsweise mit wiederverwendbaren Raketen. Dadurch entsteht kein weiterer Ressourcenverbrauch für die Herstellung und kein zusätzlicher Weltraumschrott wird produziert, weil die Raketen nach dem Flug nicht im All verbleiben, sondern auf der Erde landen.
Kolonisierung?

Durch den Weltraumtourismus geht die Erkundung des Alls in neue Richtungen. Bisher wurde das All größtenteils für die Forschung genutzt, jetzt auch privat für Entertainment oder die wirtschaftliche Nutzung. Für einige Forscher:innen ist es deshalb auch denkbar Leben außerhalb der Erde durch Weltraumkolonisierung möglich zu machen. Bei der Weltraumkolonisierung geht es um die Entwicklung von Kolonien außerhalb der Erde. Sowohl frei im All schwebend, als auch durch die Besiedlung von Himmelskörpern. Ziel ist es, Lebensräume zu schaffen, falls das Leben auf der Erde aufgrund des Klimawandels oder Konflikten nicht mehr möglich ist.
Neben dem Erhalt der Menschheit steht die wirtschaftliche Nutzung von Himmelskörpern im Vordergrund. Zum Beispiel könnten Firmen ausgelagert oder Rohstoffe abgebaut werden.
Mit einer möglichen Kolonisierung kommen ethische und politische Fragen auf. Laut des Weltraumvertrages von 1967 ist das Weltall frei zugänglich und gehört allen Staaten gleich. Eine Nutzung soll friedlich geschehen. Wer wird also das All kolonisieren und wie kann dies für alle gerecht geschehen? Bis zu einer tatsächlichen Kolonisierung ist es deshalb noch ein langer Weg.
Die Möglichkeiten den Weltraum zu erkunden, sind nahezu grenzenlos. Wie sich die Zukunft entwickelt, steht also noch in den Sternen geschrieben.
Theresa Spörl
IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN DYSTOPIE
UND UTOPIE: DIE KLIMABEWEGUNG
Die Klimabuchmesse im Interview mit der Leipziger Lerche
Wer an die Klimakrise denkt, stellt sich meist erstmal Horrorszenarien vor: Brände, Überschwemmungen, unerträgliche Hitze. Auch die Medien fokussieren sich vor allem auf dystopische Erzählungen. Die jährlich zeitgleich zur Leipziger Buchmesse stattfindende Klimabuchmesse beweist, dass es auch anders gehen kann: Im Interview mit Anette Schaumlöffel und Raffael Weger von der Klimabuchmesse zeigt sich, dass besonders Utopien ein Schlüssel zum Erfolg sein könnten.
Der Copernicus-Klimawandeldienst prognostizierte für 2024 die Überschreitung der 1,5-Grad-Marke. Verkommt die Bekämpfung der Klimakrise damit zu einer bloßen Utopie?
Wir haben es leider auf jeden Fall verpasst, so rechtzeitig gegenzusteuern, dass die Klimaveränderungen keine negativen Folgen haben werden. Das bedeutet aber nicht, dass damit alles vorbei wäre. In der Literatur hat sich die Klimakrise in den letzten Jahrzehnten vor allem in der Climate Fiction niedergeschlagen. Darin werden Aspekte der Klimakrise thematisiert und mit literarischen Beiträgen versucht, diese noch abzuwenden. Inzwischen schreibt Aiki Mira, eine der bekanntesten Stimmen der kontemporären deutschsprachigen Science Fiction, dass es Zeit für Post-Climate-Fiction wäre. Diese erkennt den zukünftigen Kollaps an und versucht von dieser Prämisse aus, die Zukunft neu zu denken. Die Frage ist dann nicht mehr: „Wie können wir die Krise verhindern?“, sondern: „Wie können wir bestmöglich mit ihr umgehen?“. Bestmöglich, das schließt bei Aiki Mira nicht nur die Menschen mit ein, sondern auch alle non-humanen Lebewesen. Selbst wenn wir das Ziel nicht erreicht haben, lohnt es sich immer, für eine bessere Welt und Zukunft weiterzukämpfen.
Die Organisation Extinction Rebellion polarisiert mit apokalyptisch anmutenden Aktionen und hat die absolute Katastrophe, das Aussterben, bereits im Namen. Das kann auch abschreckend wirken. Ist dystopisches Denken also kontraproduktiv für die Klimabewegung?
Dystopisches Denken kann zunächst dabei helfen, Menschen wachzurütteln, indem es ihnen die Konsequenzen ihres Nichthandelns vor Augen führt. Wie der Amerikanist Matthew Schneider-Mayerson in einer Studie zur Wirkung von Climate Fiction allerdings feststellt, können dystopische Narrative auch einen gegenteiligen Effekt haben. Anstatt Menschen ins Handeln zu bringen, können sie diese in die Mut- und Tatenlosigkeit treiben. Wie geht es mir, wenn ich realisiere, dass ich mich in der sechsten globalen Welle des
Artensterbens befinde? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich mich lieber gar nicht mehr mit dem Thema beschäftige und am Ende mehr die bekämpfe, die mich daran erinnern, als die, die wirksame Gegenmaßnahmen verhindern. Dystopien haben also ihre Berechtigung, allerdings bedarf es unserer Meinung nach unterschiedlicher Arten von Narrativen, um wirklich etwas zu verändern.
Wie können Utopien helfen, die Eindämmung der Klimakrise voranzubringen?
Viele Veränderungen werden nicht angegangen, weil Menschen sie sich nicht vorstellen können. Wir alle wachsen innerhalb einer Gesellschaft auf, deren dominante Weltbilder uns nachhaltig prägen. Es braucht viel Vorstellungskraft, um etwas zu imaginieren, das diesen völlig zuwiderläuft. Geschichten können dabei helfen. Jede Utopie galt in ihrer Entstehungszeit als absurd und unerreichbar. Unsere moderne Demokratie ist nur eine davon, ebenso wie ein Leben ohne fossile Energieträger. Wenn ich nicht weiß, wohin ich will und keine Vorstellung davon habe, wie es dort aussehen könnte, fehlt mir ein wesentlicher Teil der Motivation, um etwas zu verändern. Und wir müssen viel verändern, um die Herausforderungen der Klimakrise gemeinsam zu meistern.
Mit der Klimabuchmesse vereint ihr die uns alle real bedrohende Klimakrise mit den fantastischen Welten der Literatur. Wie kamt ihr auf die Idee der Klimabuchmesse? In der Buchstadt Leipzig lag die Idee nahe, im gedruckten Wort Unterstützung zu suchen. Die Initiator:innen, alle leidenschaftliche Leser:innen, haben sich in einigen for FutureBewegungen (Parents, Teachers, Writers etc.) kennengelernt.

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Getrieben von der Frage, was sich gemeinsam unternehmen ließe, um dem Thema Klima mehr Öffentlichkeit zu geben, gründeten sie die Klimabuchmesse, die nun schon ihr fünftes Programm plant. Neben fiktionalen Texten geben wir auch Sachtexten für Groß und Klein eine Bühne.
Welche Rolle spielen sowohl utopische als auch dystopische Literatur für den Fortschritt der Klimabewegung?
Rachel Carsons „Silent Spring“, das die Klimabewegung aus der Taufe gehoben hat, beginnt mit einer dystopischen Erzählung. Auch wenn immer noch Pestizide verwendet werden, hat sie das Bewusstsein der westlichen Welt für das Verwobensein des Menschen mit der Natur geweckt. Aus heutiger Sicht muss allerdings festgestellt werden, dass es uns nicht länger an Informationen mangelt. Was uns fehlt, sind Vorstellungen davon, wie eine bessere Zukunft konkret aussehen könnte. Während dystopische Erzählungen also in der Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt haben, glauben wir, dass die Klimabewegung nun vor allem utopische Narrative braucht, um mehr Menschen ins Handeln zu bringen.
Welche utopischen oder dystopischen Bücher zur Klimakrise haben euch nachhaltig beeindruckt?
Da gibt es vermutlich ebenso viele Antworten wie Mitglieder der KBM. Hier daher nur einige Beispiele:
Ursula le Guin: „Das Wort für Welt ist Wald“
Ernest Callenbach: „Ökotopia“
Jan Hegenberg: „Weltuntergang fällt aus“
Rutger Bregmann: „Im Grunde gut“
Naomi Oreskes und Erik Conway: „The Collapse of Western Civilization: A View from the Future”
Nnedi Okorafor: „Lagune“
Theresa Enzensberger: „Auf See“
Die Klimabuchmesse 2024 stand unter dem Motto „Geschichten, die Lust auf Zukunft machen“. Wieso habt ihr euch damals für dieses Motto entschieden?
Wir haben festgestellt, dass uns die trüben Zukunftsszenarien aus allen Richtungen deprimierten und die Kraft raubten. Das Motto entstand aus unserem eigenen Bedürfnis nach positiven Geschichten der Machbarkeit – ein Bedürfnis, von dem wir annahmen, dass es andere vielleicht ebenso hätten. Die zahlreichen Besucher:innen unserer Veranstaltungen während der KBM 2024 haben uns gezeigt, dass wir damit Recht hatten.
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Sind Utopien auch zur diesjährigen Klimabuchmesse Bestandteil eures Programms?
Auf jeden Fall! Möglicherweise haben wir mit „Geschichten, die Lust auf Zukunft machen“ einfach unser Motto gefunden. Zumindest ist es auch für 2025 unser Leitstern, nach dem wir unser Programm zusammengestellt haben. Im Sachbuchbereich freuen wir uns da ganz besonders auf die Veranstaltung „Den Club of Rome fragen... Wie schaffen wir eine klimagerechte Zukunft?“. Und für alle Belletristik-Fans wird es auch dieses Jahr wieder ein literarisches Utopie-Panel mit Starbesetzung geben.
Wie sieht eure Utopie der Welt in 100 Jahren aus?
Vermutlich wie viele andere Utopien: Dass Menschen und non-humane Lebewesen gemeinsam in einer intakten Welt leben, deren Biosphäre nicht länger von der sich ausbreitenden Technosphäre bedroht wird, sondern in Einklang, vielleicht sogar in Symbiose mit ihr existiert. Es geht nicht darum, in eine technikfreie Welt zurückzukehren. Wäre es nicht vielmehr erstrebenswert, wenn wir all unser Wissen und die technischen Erkenntnisse zum Wohle vieler nutzen würden? Und vielleicht kann uns Künstliche Intelligenz ja sogar dabei helfen. In jedem Fall wird es wichtig sein, bei jeder neuen Technologie gründlich darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob diese überhaupt eingesetzt werden soll und wem das nützen beziehungsweise schaden würde. In der Zusammenarbeit für die KBM haben wir außerdem festgestellt, dass wir viel zustande bekommen, ohne dass einzelne Personen das Sagen haben. Wir halten Hierarchien also für überschätzt und so wird es auch den Menschen gehen, die es in hundert Jahren geschafft haben werden, Strukturen aufzubauen, in denen nicht die Einzelinteressen einiger Weniger dominieren, sondern ein gleichberechtigtes Miteinander aller stattfindet.
Das Interview mit Anette Schaumlöffel und Raffael Weger führte Carmen Jenke.
DIE KRAFT POSITIVER
Unsere heutige Welt steht vor massiven Herausforderungen – von Klimawandel über soziale Ungleichheit bis hin zu politischen Krisen. Inmitten dieser Probleme scheint es oft schwer, an eine positive Zukunft zu glauben. Aber stell dir vor, wir hätten nie von einer besseren Welt geträumt. Keine Gedanken an eine gerechtere Gesellschaft, keine Fantasien über technologische Wunder, keine Hoffnung auf ein harmonisches Zusammenleben von Mensch und Natur. Was wäre aus uns geworden? Die Menschheit braucht Utopien – sie regen zum Nachdenken an und motivieren zu Veränderung. Aber was genau macht Utopien so bedeutungsvoll?
Utopien – Der Antrieb für Fortschritt
Eine der wichtigsten Funktionen von Utopien ist ihre Kraft, gesellschaftlichen Wandel anzustoßen. Schon im antiken Griechenland entwarf Platon in seinem Werk „Der Staat“ eine ideale Gemeinschaft, um auf die Mängel der damaligen Gesellschaft hinzuweisen. Jahrhunderte später, 1516, veröffentliche Thomas Morus mit „Utopia“ eine fiktive Beschreibung einer gerechten Gesellschaft ohne Eigentum und Armut, die soziale Ungleichheiten seiner Zeit reflektierte. Utopien können als Spiegel der Gesellschaft dienen und Missstände aufzeigen, die sonst hingenommen werden würden.
Doch Utopien sind nicht bloß Geschichten oder philosophische Gedankenspiele. Sie haben konkrete Veränderungen bewirkt. Denken wir an Martin Luther Kings berühmte Worte: „I have a dream“. Dieser Satz war mehr als nur ein Wunsch – es war ein Aufruf, eine neue Welt zu gestalten, in der alle Menschen gleichberechtigt sind, unabhängig ihrer Hautfarbe. Solche Aufforderungen motivieren und inspirieren Millionen dazu, aktiv Veränderungen zu bewirken und soziale Barrieren zu überwinden.
Utopien inspirierten auch viele moderne soziale Bewegungen, wie etwa den Feminismus, die Bürgerrechtsbewegung und den Umweltschutz. Indem sie alternative Möglichkeiten der Organisation, Gleichberechtigung und des Umgangs mit natürlichen Ressourcen aufzeigen, schaffen sie eine Grundlage für die Entwicklung von Zielen und Visionen, die uns als Gesellschaft weiterbringen.
Positive Zukunftsvisionen als Gegenmittel zu Dystopien
In einer Welt, die von Herausforderungen wie dem Klimawandel, sozialer Ungleichheit und technologischen Über-
Warum Utopien wichtig sind
wachungstendenzen geprägt ist, dominieren oft dystopische Vorstellungen die öffentliche Wahrnehmung. Serien wie „Black Mirror“ oder Romane wie „1984“ und „Schöne neue Welt“ zeigen die düsteren Möglichkeiten einer Zukunft ohne ethische Kontrolle. Während diese Szenarien die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen, bleibt eine entscheidende Frage offen: Wie könnten positive Alternativen aussehen?
Utopien bieten hier eine notwendige Balance. Sie zeigen, wie sich Technologien, politische Systeme oder soziale Strukturen zum Wohl der Menschheit entwickeln könnten. Visionen nachhaltiger Städte, fairer Wirtschaftssysteme oder gemeinschaftlich organisierter Bildungs- und Gesundheitswesen bieten konkrete Ideen, an denen sich politische, wissenschaftliche und individuelle Projekte orientieren können. Solche positiven Visionen können Optimismus fördern und dabei helfen, ein „Wofür“ in die Entwicklung neuer Technologien und Systeme einzubringen.

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Die psychologische Kraft der Hoffnung und Motivation
Neben ihrer gesellschaftlichen Funktion haben Utopien auch eine starke psychologische Wirkung. Positive Zukunftsvisionen können Hoffnung und Motivation schaffen. In einer Welt, die oft von negativen Nachrichten und düsteren Prognosen dominiert wird („Es wird sowieso alles schlimmer“), bieten Utopien einen notwendigen Ausgleich. Sie erinnern uns daran, dass Fortschritt möglich ist, und geben Orientierung.
Ein gutes Beispiel ist die Fridays-for-Future-Bewegung. Ihre Vision einer nachhaltigen und gerechten Welt mobilisiert Millionen junger Menschen weltweit. Diese Hoffnung auf eine bessere Zukunft stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit – die Überzeugung, dass das eigene Handeln einen Unterschied machen kann. Die Psychologie bestätigt, dass positive Emotionen wie Hoffnung und Optimismus die Bereitschaft erhöhen, aktiv zu werden und sich für Veränderungen einzusetzen.
Eine Welt voller Möglichkeiten
Doch Utopien sind nicht nur inspirierend, sondern auch praktisch. Sie dienen als Experimentierfeld für neue Ideen. Konzepte wie nachhaltige Stadtentwicklung oder dezentrale Energienetze wurden oft in utopischen Szenarien entwickelt, bevor sie in die Realität umgesetzt wurden.
Ein bekanntes Beispiel ist das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, das ursprünglich in utopischen Schriften entwickelt und mittlerweile in verschiedenen Ländern getestet und diskutiert wird.
Dieser „Experimentierraum“ bietet auch die Freiheit, kreative und unkonventionelle Lösungen zu durchdenken, die im Alltag oft aus logistischen oder wirtschaftlichen Gründen verworfen werden. Gerade in der heutigen Zeit, die von disruptiven Technologien und globalen Herausforderungen geprägt ist, bietet die utopische Denkweise einen Rahmen für innovative Ansätze.
Natürlich dürfen wir Utopien nicht mit Perfektion verwechseln. Keine Vision ist frei von Kritik, und viele vermeintliche Utopien haben in der Geschichte auch Schaden angerichtet. Ideologien, die eine perfekte Gesellschaft versprachen, mündeten oft in Totalitarismus und Unterdrückung. Doch hier liegt der Unterschied: Wahre Utopien sind dynamisch. Sie sind keine Blaupausen, sondern offene Skizzen, die sich mit der Zeit weiterentwickeln.
Utopien sind keine Ausrede, um realistische Probleme zu ig-
norieren. Sie sind vielmehr das Gegenteil: ein Werkzeug, um die Realität mit frischem Blick zu betrachten. Wer eine positive Zukunftsvision vor Augen hat, sieht Herausforderungen nicht als Hindernisse, sondern als Gelegenheiten, neue Wege zu gehen.
Das unendliche Potenzial der Menschheit
Am Ende bleibt eine Frage: Wie könnte unsere Zukunft aussehen, wenn wir wieder mehr Mut zu träumen hätten? Vielleicht leben wir eines Tages in einer Welt ohne Armut, in der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit nicht nur Schlagworte sind. Vielleicht finden wir Lösungen, die wir uns heute nicht vorstellen können. Utopien sind keine Illusionen – sie sind das, was die Menschheit immer angetrieben hat: der Glaube, dass wir besser sein können.
Jede große Veränderung beginnt mit einem mutigen Gedanken: „Was wäre, wenn?“. Utopien zeigen uns, dass das scheinbar Unmögliche erreichbar ist. Sie erinnern uns daran, dass wir die Architekt:innen unserer Zukunft sind – und dass es an uns liegt, diese Welt neu zu träumen.
Julia Nonnenmann

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AUF DER SUCHE NACH DER PERFEKTEN GESELLSCHAFT
Der Einfluss von Utopien auf soziale Bewegungen
Utopien stellen aktuelle Verhältnisse in Frage und bieten Visionen einer „idealen“ Zukunft. Auch soziale Bewegungen streben nach gesellschaftlicher und politischer Veränderung. Inwieweit können Utopien also als Ursprünge sozialer Bewegungen betrachtet werden?
Im Laufe der Geschichte bildeten sich verschiedene soziale Bewegungen, deren Ziel es war, Gesellschaft und Politik zum Umdenken zu bewegen und Reformationen oder gar Revolutionen zu starten. Eine soziale Bewegung zeichnet zum einen das Streben einer Gruppe nach gemeinsamen Zielen und zum anderen die Etablierung geteilter Werte aus. Sie verfügt über viele unterschiedliche Methoden, ihren Zielen Gehör zu verschaffen und ihre Ziele in die Gesellschaft zu überführen. Dazu zählen beispielsweise Proteste, Petitionen oder Streiks. Charakteristisch ist für soziale Bewegungen, dass ihre Absichten mit etablierten Normen oder gesellschaftlichen Machtstrukturen konkurrieren.

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Von Suffragetten bis hin zum intersektionalen Feminismus
Der Feminismus ist eine Bewegung, die sich selbst abschaffen möchte – sobald der ideale Zustand eingetroffen ist, verfällt die Notwendigkeit einer feministischen Bewegung. Wann dieser Zustand eintrifft oder schon eingetreten ist, hängt von dem jeweiligen Verständnis von Feminismus ab. Feminismus, wie man ihn Ende des 19. Jahrhunderts kannte, hat sich in der heutigen westlichen Gesellschaft bereits etabliert. Die Forderungen der sogenannten Ersten Welle des Feminismus bestanden im Wesentlichen in dem Recht auf Bildung, dem Recht auf eigenes Besitztum und dem Wahlrecht. Dieser Zielsetzung zufolge leben wir in unserer Gesellschaft eine feministische Utopie, doch der Feminismus hat sich mit
der Zeit weiterentwickelt. Heute geht es vielen nicht mehr nur um die Gleichberechtigung von Frauen, sondern auch von weiteren marginalisierten Gruppen, wie beispielsweise queeren Menschen. So ist die Rede von einem intersektionalen Feminismus.
Doch blicken wir noch einmal zurück: Schon vor hunderten von Jahren erschufen Frauen ideale, utopische Welten, in denen sie die gleichen Rechte wie Männer haben und selbstbestimmt leben können. Das älteste bekannte Beispiel dafür ist Christine de Pizans Werk „Das Buch von der Stadt der Frauen“ aus dem Jahr 1405. Darin skizziert Christine de Pizan eine symbolische Stadt, in der Frauen aus historischen, mythologischen und literarischen Kontexten geehrt werden und reflektiert frauenfeindliche Gesellschaftsstrukturen. In mancher Hinsicht wurden einige Utopien zur Realität: Ab 1840 versammelten sich Frauen kollektiv, um für ihre Rechte zu kämpfen. Das Ergebnis: Am 30. November 1918 wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt. Am 3. Mai 1957 wurde das Gleichberechtigungsgesetz, genauer gesagt das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“, verabschiedet. Ab 1977 ist es Frauen erlaubt, ohne die Erlaubnis ihres Mannes innerhalb einer Ehe zu arbeiten. Utopien erlauben es, von Zuständen zu träumen, die von der eigenen Realität weit entfernt scheinen. Doch die Geschichte zeigt, dass Utopien nicht immer Utopien bleiben müssen.
Ökologische Utopien: Die Umweltbewegung
Die Umweltbewegung ist untrennbar mit dem utopischen Gedanken verknüpft, eine Welt zu schaffen, in der Mensch und Natur in Harmonie koexistieren. Die Frage, wie eine klimagerechte Welt aussehen kann, steht hier im Fokus. Vermeintliche Dystopien werden zu wissenschaftlichen Prognosen, in manchen Regionen der Erde sind diese schon eingetreten: Trinkwasserknappheit, ein ansteigender Meeresspiegel, sich häufende Waldbrände. Die Erde wird in manchen Teilen unbewohnbar werden, viele Menschen müssen fliehen.
Die Utopie kommt hier als Hoffnungsträger zum Einsatz. Sie fungiert als Inspirationsquelle. So zeigen Utopien zwar nicht konkret, was möglich ist, aber in welche Richtung wir uns entwickeln könnten. Beispiele für Öko-Utopien sind im Genre Solarpunk zu finden. Dabei handelt es sich um ein utopisches, Science-Fiction orientiertes Genre, welches ei-
nen Gegenpol zu dystopischen und postapokalyptischen Erzählungen in Literatur, Filmen oder anderen Bereichen der Kunst darstellt. Solar soll dabei den Nachhaltigkeitsgedanken repräsentieren, während Punk auf die resignierende Haltung von Steam- und Cyberpunk anspielt. Typisch für ökologische Utopien ist keineswegs eine Verharmlosung des Klimawandels oder seiner Folgen, es geht vielmehr um die Anpassungsfähigkeit der Menschheit und nachhaltige Konzepte, die den Umgang mit dem Klimawandel erträglicher machen sollen.
Ökologische Utopien sollen demnach Perspektive schaffen und zum Handeln motivieren. Vergessen werden darf gleichzeitig jedoch nicht die Gefahr, die vom Klimawandel tatsächlich ausgeht und die Dringlichkeit, etwas zu ändern.
Utopien helfen, Ziele und Prozesse zu visualisieren und dienen als Motivation, diese umzusetzen. Sie schenken Hoffnung und Orientierung und können so zum Motor und Katalysator für soziale Bewegungen werden.

Antonia Faupel
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Theodore John Kaczynski, besser bekannt als der „Unabomber“, führte von 1978 bis 1995 eine Bombenkampagne in den USA, bei der unter anderem drei Menschen getötet und 23 weitere verletzt wurden. Es gelang dem ehemaligen Mathematik-Assistenzprofessor sein 35 000 Wörter umfassendes Manifest „Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft“ 1995 unter Druck in der Washington Post und der New York Times zu veröffentlichen. 1978 verschickte Kaczynski seine erste Paketbombe an die University of Illinois at Chicago. Primär visierte er Universitäten und Fluggesellschaften (englisch: universities n‘ airlines) an, was ihm den FBI-Codenamen „UNABOM“ einbrachte.
Inhalt und Ideologie
Kaczynskis Argumentation richtet sich vor allem gegen die industrielle Revolution. Das „industriell-technologische-System“ habe die Naturzerstörung in Gang gesetzt, sei ebenfalls Bedrohung für die menschliche Freiheit und Würde, zwinge uns an Maschinen und deren „Macht“ anzupassen und führe zu enormen psychischen Problemen. Der Unabomber vertritt die Meinung, nur eine Revolution könne den Zusammenbruch des Systems herbeiführen und die schlimmsten

Folgen für Welt und Menschheit verhindern.
Mutige Denkanstöße: Was wir vom Unabomber-Manifest lernen können
In der akademischen Welt stoßen wir oft auf kontroverse Ideen, die uns zum Nachdenken anregen. Das Unabomber-
Düstere Fiktion statt utopischer Träume?
Manifest gilt als ein besonders umstrittenes Werk. Obwohl seine extremistischen Ansichten und gewalttätigen Methoden abzulehnen sind, enthält das Manifest einige Beobachtungen, die auch heute noch relevant sind und eine kritische Betrachtung verdienen.
Technologie
Kaczynskis scharfe Technologiekritik mag überzogen sein, regt aber zur Reflexion an: Wie beeinflusst die Digitalisierung unser Studium, unsere Arbeit und unseren Alltag? Sind wir zu abhängig von Smartphones und Laptops? Die Warnung vor den negativen Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf die Gesellschaft und das Individuum scheint gerechtfertigt. In der heutigen digitalisierten Welt sind Themen wie Datenschutz, Überwachung und technologische Abhängigkeit und die Frage nach deren Folgen und Auswirkungen von großer Relevanz.
Umweltbewusstsein
Das Manifest betont die Bedeutung des Naturschutzes – ein Thema, das aktueller nicht sein könnte. Wir fragen uns, wie wir das Leben nachhaltiger gestalten können und sorgen uns um die durch industrielle Prozesse hervorgerufenen Naturschädigungen. Sein Manifest befasst sich also mit einem der zentralen Themen unserer Zeit.
Mentale Gesundheit
Kaczynski thematisiert den Zusammenhang zwischen moderner, technologisierter Lebensweise und psychischen Problemen. Er legt dar, dass moderne Gesellschaften und deren schnelllebiges System zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen können. Die steigende Zahl psychischer Erkrankungen in entwickelten Ländern verdeutlicht die Relevanz auch dieses Punktes.
Kritisches Denken fördern
Das Manifest fordert dazu auf, den technologischen Fortschritt kritisch zu hinterfragen. Wie können wir Informationen prüfen und eigene Schlüsse zu ziehen? In Zeiten von Fake-News und KI-Deep-Fakes sollte dieser Aspekt nicht außer Acht gelassen werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Punkte kritisch betrach-
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tet werden sollten. Kaczynskis extreme Schlussfolgerungen und gewalttätigen Methoden sind klar abzulehnen. Dennoch können einige seiner Beobachtungen als Anstoß dienen, um über die Auswirkungen unserer modernen Lebensweise nachzudenken.
Radikale Ideen oder positive Utopie?
Auf den ersten Blick mag Kaczynskis Welt im Manifest utopisch erscheinen:
1. Befreiung von technologischer Abhängigkeit
2. Rückkehr zu einem naturverbundenen Leben
3. Überwindung gesellschaftlicher Zwänge
Doch bei genauerer Betrachtung offenbart sich eine fast dystopische Vision:
Kaczynskis Weg zu dieser „besseren“ Welt führt leider hauptsächlich über Zerstörung und Gewalt. Sogar Mord wird als notwendiges Mittel gerechtfertigt – ein klarer Widerspruch zu allen ethischen Grundsätzen, die wir verteidigen. Auch die idealisierte Rückkehr zur Natur vermittelt in Wirklichkeit eher ein Gefühl der Isolation und Entbehrung. In Zeiten, in
denen wir globale Vernetzung und Zusammenarbeit als Chance begreifen, wirkt diese Vorstellung fast rückschrittlich. Überschattet werden seine Ideen aber vor allem durch einen tiefen Pessimismus. Seine Aspekte bauen viel mehr auf Rache und Frustration auf, als auf dem Wunsch nach echter Veränderung und könnten so niemals konstruktive Lösungen der gesellschaftlichen Probleme herbeiführen.
Trotzdem können wir aus dem Unabomber-Manifest wichtige Schlüsse für ein ausgewogenes Leben miteinander ziehen:
1. Hinterfragen wir kritisch auch radikale Ideen?
2. Suchen wir nach geeigneten Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen?
3. Diskutieren wir offen über die Auswirkungen von Technologie auf unser Leben?
4. Setzen wir uns für ethische und friedliche Wege des Wandels ein?
Das Manifest mag per se keine positive Utopie bieten, aber es kann uns anregen, intensiver über die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft – unserer Utopie – nachzudenken.
Saskia Wagner

VON VISIONEN ZUR WIRKLICHKEIT:
Utopien begleiten die Menschheit schon immer. Sie spiegeln unsere Träume und Sehnsüchte wider, eine bessere, gerechtere Welt zu schaffen. Ob technologische Innovation, gesellschaftlicher Fortschritt oder ein erfüllteres Leben – Utopien waren stets mehr als bloße Wunschvorstellungen. Sie bieten Orientierung, Inspiration und eine Richtung, in die sich Gesellschaften bewegen können. Doch stellen wir uns vor: Wie würden Menschen aus vergangenen Jahrhunderten auf unsere heutige Welt blicken? Was für uns selbstverständlich ist – das Smartphone in der Tasche, lebensrettende Impfungen oder die Möglichkeit, Informationen mit einem Klick aus dem Internet zu holen – könnte für sie wie Magie wirken.
Fortschritt, der wie Magie wirkt
Unsere Zeit scheint der Stoff zu sein, aus dem frühere Utopien gesponnen wurden. Nehmen wir den medizinischen Fortschritt: Für Menschen aus dem Mittelalter, die Pestepidemien hilflos ausgeliefert waren, wäre die moderne Medizin ein Wunder. Heute verhindern Impfungen Krankheiten, denen einst Millionen zum Opfer gefallen sind – Pocken, Kinderlähmung oder Masern. Die Entdeckung des Penicillins in den 1920er Jahren markierte einen Wendepunkt, der unzählige Leben rettete. Stellen wir uns vor, wie unvorstellbar eine Welt mit Organtransplantationen, MRT-Scans oder Gentherapien für jemandem aus dem 19. Jahrhundert sein muss.

Wie wir in den Träumen unserer Vorfahren leben

Auch die Technologie hat Utopien Wirklichkeit werden lassen. Die Idee, in Sekundenschnelle mit Menschen auf der anderen Seite des Globus zu kommunizieren, war lange ein Traum. Heute tragen wir mit Smartphones und dem Internet nicht nur Kommunikationsmittel, sondern gewaltige Wissensspeicher in der Tasche. Was vor nicht allzu vielen Jahrzehnten Science-Fiction war – von Videotelefonie bis hin zu künstlicher Intelligenz – ist heute Alltag. Selbst die Raumfahrt, die in Jules Vernes Romanen noch als literarische Fantasie galt, ist Wirklichkeit: Menschen haben den Mond betreten, und Sonden erkunden die Tiefen unseres Sonnensystems.
Doch wir dürfen nicht vergessen, dass Fortschritte auch mit Ambivalenzen kommen. Während frühere Generationen von einem Leben mit fließendem Wasser und Elektrizität träumten, stehen wir heute vor Problemen wie dem Energieverbrauch und dem ökologischen Fußabdruck. Da kommt eine Frage auf: Ist es möglich, dass eine frühere Utopie zur Last der Gegenwart wurde?
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Gesellschaftliche Veränderungen: Verwirklicht, aber unvollständig
Nicht nur die Technik, auch gesellschaftliche Träume haben sich in vielerlei Hinsicht erfüllt. In der Vergangenheit träumten Philosoph:innen und Aktivist:innen von einer Welt, in der Freiheit, Gleichheit und Rechte für alle gelten. Unsere Zeit hat in vielen Aspekten Fortschritte gemacht, die diesen Utopien entsprechen: Die Abschaffung der Sklaverei, das Frauenwahlrecht, die Anerkennung der LGBTG+-Rechte und das Streben nach sozialer Gerechtigkeit sind Meilensteine, die früher als utopisch galten.
Doch diese Utopien sind oft nur ungleich verwirklicht. In vielen Ländern wird die Freiheit der Presse unterdrückt, Frauen werden systematisch benachteiligt, und LGBTQ+-Rechte bleiben gefährdet. Hier zeigt sich die duale Rolle der Utopie: Sie bietet Orientierung und inspiriert zum Handeln, zeigt aber auch die nach wie vor vorhandenen Ungerechtigkeiten in Gesellschaften auf. Während vergangene Generationen sich eine Welt ohne Kinderarbeit oder mit universellem Zugang zu Bildung wünschten, stehen wir heute vor der Herausforderung, diese Visionen global zu verwirklichen.
Interessant ist auch, wie sich die Perspektiven verändern. Was für frühere Generationen ein Traum war, wird in unserer Zeit oft kritisch hinterfragt. Das Internet steht heute wegen Überwachung, Fake News und Datenschutzskandalen in der Kritik. Selbst ein scheinbar utopisches Ziel wie die weltweite Vernetzung zeigt erst nach der Verwirklichung die damit verbundenen Probleme.
Ökologische Utopien: Ein noch unerreichtes Ziel
Während medizinische und technologische Utopien oft verwirklicht wurden, bleiben ökologische Utopien ein unerfüllter Traum. Schon seit Jahrzehnten träumen Visionär:innen von Städten ohne Abfall, Energie aus erneuerbaren Quellen und einer harmonischen Koexistenz von Mensch und Natur. Doch die Realität sieht anders aus: Der Klimawandel bedroht unsere Lebensgrundlagen, und viele ehemals utopische Ideen scheinen noch in weiter Ferne.
Es ist jedoch nicht alles düster: Fortschritte wie die Verbreitung von Solarenergie, E-Autos oder nachhaltige Architektur zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, auch wenn wir manchmal Schritte zurückmachen und nur in kleinen Schrit-
ten vorankommen. Vielleicht wird die ökologische Utopie, so unerreichbar sie heute scheinen mag, für zukünftige Generationen genauso selbstverständlich sein wie für uns das Internet.

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Die duale Natur der Utopie
Unsere Gegenwart erfüllte viele der Träume vergangener Generationen. Von medizinischen Wundern über technologische Innovationen bis hin zu gesellschaftlichen Fortschritten, doch Utopien sind nie das Endziel. Sie sind der Kompass, der uns leitet, jedoch entstehen mit jedem Fortschritt neue Herausforderungen. Wir stehen in einer Welt, die in vielen Aspekten utopisch wirkt, und dennoch gibt es Bereiche, in denen wir uns erst am Anfang befinden: soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und der verantwortungsvolle Umgang mit Technologien sind nur wenige Bereiche, in denen noch einiges zu tun ist.
Die wahre Stärke der Utopie liegt darin, dass sie niemals abgeschlossen ist. Sie fordert uns heraus, bestehende Errungenschaften zu hinterfragen, neue Wege zu denken und den Blick in die Zukunft zu richten. Denn jede erfüllte Utopie ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Kapitels.
Julia Nonnenmann
WAS MACHT EIGENTLICH...?
Anjes Dachner ist eine engagierte Verlagsmanagerin, die ihre Begeisterung für Bücher und die Verlagsbranche zu ihrer Berufung gemacht hat. Nach ihrem Studium und ersten beruflichen Erfahrungen hat sie ihren Platz im LEAF Verlag gefunden, wo sie mit einem innovativen Team an Buchprojekten arbeitet. Parallel zu ihrer Tätigkeit absolviert sie derzeit ihren Master im Bereich Publishing Management an der HTWK Leipzig. In unserem Interview gibt sie spannende Einblicke in ihren Werdegang und ihre aktuellen Herausforderungen.
Was hat dich dazu gebracht beim LEAF Verlag zu arbeiten und was zeichnet dieser Verlag für dich aus?
Bevor ich bei LEAF angefangen habe, habe ich in der Marketingabteilung einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet. Doch schon seit meinem Praktikum beim Arena Verlag war mir klar, dass mein Herz für die Verlagsbranche schlägt. Deshalb habe ich immer wieder die Augen nach passenden Stellen offen gehalten und auch meinen Freund:innen und Bekannten Bescheid gegeben, dass ich auf der Suche nach einem neuen Job in der Branche bin. Und siehe da: Von der Schwester meines Freundes erhielt ich eine Nachricht mit dem Hinweis: „Schau mal, das passt perfekt zu dir!“
Sie hatte recht – die Anzeige traf genau meinen Geschmack: Bücher, die Genres New Adult und Romantasy und meine Liebe zu Pflanzen (und deren Ästhetik). Also habe ich mich beworben. Heute bin ich Publishing Managerin bei LEAF, betreue erste Buchprojekte und arbeite auch im Bereich Merch mit – eine Rolle, die mich komplett erfüllt.
LEAF bedeutet für mich vor allem Leidenschaft für Bücher. Ich erlebe jeden Tag, wie sehr jede:r aus unserem Team – und hiermit meine ich nicht nur LEAF, sondern auch die gesamte Bücherbüchse – hinter unseren Werten steht und diese mit vollem Einsatz lebt. Dieses Engagement und die kreative Atmosphäre machen LEAF und die Bücherbüchse zu etwas ganz Besonderem.
Welche deiner Tätigkeiten im Verlag bereiten dir besonders Freude und warum?
Ganz oben auf der Liste stehen definitiv die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Sie erfordern zwar immer eine Menge Vor- und Nachbereitung, und sind auch währenddessen sehr intensiv, aber sie bieten eine wunderbare Gelegenheit, ehemalige Kolleg:innen wiederzutreffen und neue Kontakte zu knüpfen. Auch das Lesen von Manuskripten gehört zu den Aufgaben, die ich super gerne erledige. Und dann gibt es
Anjes Dachner beim LEAF Verlag
da noch die Designkommunikation – sei es für ein Buch oder für Merch-Produkte. Der Prozess von der Idee über die Konzeptphase bis hin zum greifbaren Ergebnis ist sehr spannend. Und der Moment, in dem man das finale Produkt zum ersten Mal in den Händen hält, ist einfach unschlagbar.

Hat dich das Buch- und Medienwirtschaftsstudium gut auf deine Arbeit vorbereitet? Gab es bestimmte Module die dir besonders gefallen haben?
Die Frage kann ich mit ja beantworten: Ich würde schon sagen, dass mich das Buch- und Medienwirtschaftsstudium gut auf meine Arbeit vorbereitet hat. Natürlich ist jedes Unternehmen anders, und ich musste – und darf – auch bei LEAF noch viel dazu lernen. Aber die grundlegenden Aspekte der Branche waren mir dank des Studiums von Anfang an klar. Besonders hilfreich waren die Kenntnisse im elektronischen Publizieren, die ich während meines Studiums erworben habe. Diese Grundlagen konnte ich in meiner Arbeit tatsächlich schon öfter einsetzen. Auch die Praxisphase war unglaublich wertvoll, da sie mir einen echten Einblick in den Arbeitsalltag in der Verlagswelt ermöglicht hat. Was die Module betrifft, haben mir vor allem Publikationsprozesse, Recht in Medienunternehmen sowie das Wahlpflichtmodul Pressemanagement sehr gefallen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei die Arbeit an der Lerche, die ein großartiges Praxisprojekt war.
Die Buchbranche hat sich in den letzten Jahren stark verändert, insbesondere durch digitale Medien. Wie beeinflussen solche Trends deine Arbeit und wie arbeitet der LEAF Verlag damit?
Die Buchbranche hat sich in den letzten Jahren tatsächlich verändert. Doch in den Bereichen New Adult und Romantasy, auf die wir uns bei LEAF spezialisiert haben, zeigt sich ein spannender Gegentrend: Leser:innen legen hier besonders viel Wert auf hochwertige Buchausstattungen und liebevoll gestaltete Printprodukte. Ein Buch ist in diesen Genres oft mehr als nur ein Text – es wird zu einem Sammlerstück, das man gerne in den Händen hält und in seinem Regal präsentiert. Dennoch spielen digitale Formate auch bei uns eine
wichtige Rolle. Wir achten darauf, unseren Content zusätzlich als eBook oder Hörbuch anzubieten, um Leser:innen und Hörer:innen maximale Flexibilität zu bieten und behalten den Markt im Auge, um etwaige Trends schnell zu erkennen und darauf zu reagieren.
Gibt es bestimmte Ziele die du in den nächsten Jahren erreichen möchtest?
Ein ganz konkretes Ziel für die nächsten Jahre ist es natürlich, meinen Master erfolgreich abzuschließen. Darüber hinaus möchte ich mich in meiner aktuellen Position im Verlag weiterentwickeln, mehr Verantwortung übernehmen und aktiv dazu beitragen, spannende Projekte erfolgreich umzusetzen.
Du absolvierst ja derzeit noch dein Masterstudium PMM – ist es eine große Herausforderung, Masterstudium und die Arbeit in einem Verlag unter einen Hut zu bekommen? Ja, es ist definitiv eine Herausforderung, mein Masterstudium Publishing Management und meine Arbeit im Verlag miteinander zu vereinbaren. Es erfordert eine gute Organisation und einen klar strukturierten Alltag, was mir manchmal ziemlich schwer fällt.
Aber es geht nicht nur um Arbeit und Studium – man muss sich auch bewusst Zeit für sich selbst freihalten. Das ist manchmal gar nicht so einfach, aber ich habe gelernt, wie wichtig diese Auszeiten sind, um den Kopf freizubekommen und langfristig motiviert zu bleiben.
Zum Glück ergänzen sich mein Studium und meine Arbeit inhaltlich oft gut. Viele Themen aus dem Master kann ich direkt in meinen Arbeitsalltag einfließen lassen und umgekehrt. Das gibt mir das Gefühl, nicht nur zu lernen, sondern das Gelernte auch praktisch anwenden zu können.
Hat dich etwas am Masterstudium besonders überrascht?
Da ich erst im ersten Semester bin, gab es tatsächlich noch nicht so viele Überraschungen. Aber schon jetzt habe ich gemerkt, dass der Arbeitsaufwand deutlich höher ist als im Bachelor. Das war zwar irgendwo logisch und zu erwarten, aber als es dann tatsächlich so weit war, hat es mich doch ein klein wenig überrascht. Die Anforderungen und der Tiefgang der Themen sind eine echte Herausforderung – aber genau das macht es auch spannend und lehrreich.
Außerdem finde ich die beruflichen Hintergründe unserer Matrikel total spannend. Wir sind bunt gemischt, und es ist unglaublich interessant zu hören, welche unterschiedlichen Bachelor-Studiengänge alle mitbringen.

Und zu guter Letzt, hast du ein Buch welches du jedem empfehlen würdest?
Aus unserem aktuellen Programm würde ich jedem Spark of the Everflame von Penn Cole empfehlen, weil es alles mit sich bringt, was Fantasy-Liebhaber:innen wollen (und weil es eine unglaublich tolle Ausstattung hat!).
Und generell würde ich Lessons in Chemistry von Bonnie Garmus allen ans Herz legen, die mich nach einer Buchempfehlung fragen. Dieses Buch hat mich in jeder Hinsicht tief beeindruckt.
Hier noch einmal ein riesiger Dank an Anjes Dachner, dass sie sich bereit erklärt hat, so ausführlich auf meine Fragen zu antworten!
Elias Graebner
© Anjes Dachner
PODCASTEMPFEHLUNGEN
ZUM
REINHÖREN

Der tagesschau Zukunfts-Podcast: mal angenommen
Mal angenommen überall auf der Welt ist Frieden oder mal angenommen Flugtaxis gehören zum Alltag. Was wäre, wenn die theoretischen Fragen zur Realität werden? Welche Folgen hätte das für uns? Würden wir davon profitieren oder als Verlierer:innen dastehen? Solche oder ähnliche Fragen stellen wir uns wahrscheinlich alle irgendwann mal. Sei es einfach nur aus Spaß oder um tatsächliche Lösungen für Probleme zu finden. Im „mal angenommen“-Podcast der tagesschau werden Visionen und Wunschvorstellungen zur Realität.
Seit 2020 erarbeitet ein Team von Korrespondent:innen des ARD-Hauptstadtstudios alle zwei Wochen eine neue Folge. Das Team beschäftigt sich dazu tiefgehend mit Themen verschiedener Bereiche und spielt die Szenarien in die Zukunft aus. Dazu werden in Gesprächen auch die Meinungen von Expert:innen eingeholt, die die Themen mit Vor- und Nachteilen betrachten. Der Podcast gibt neue Impulse für politische Diskussionen, ohne konkrete Lösungsvorschläge festzulegen. Die Bewertung der Ergebnisse bleibt allein den Hörer:innen überlassen.
Der Podcast wurde 2020 außerdem mit dem „Prix Europa“, einem Preis für die besten europäischen Audio-, Digital Media- und Videoproduktionen des Jahres, in der Kategorie „Digital Audio Project“ ausgezeichnet. Wer also Lust hat sich auf Gedankenexperimente einzulassen, für den ist der Podcast genau das Richtige.
Theresa Spörl
Future Perfect
In einer Zeit, in der globale Herausforderungen wie Armut, Klimawandel und soziale Ungleichheit immer drängender werden, bietet der „Future Perfect“-Podcast von Vox spannende und oft provokante Denkanstöße, wie wir die Welt tatsächlich verbessern können.
Moderiert von Dylan Matthews und Sigal Samuel widmet sich der Podcast der Suche nach Lösungen für einige der drängendsten Probleme der Menschheit. Ob es darum geht, wie wir effektiv Menschenleben retten oder Armut überwinden können – die beiden Moderatoren nehmen uns mit auf eine Reise, bei der sie zusammen mit Aktivist:innen, Expert:innen und Politiker:innen an innovativen Konzepten und konkreten Handlungsansätzen arbeiten.
Der Podcast unterteilt sich in einzelne Staffeln, die jeweils ein zentrales Thema facettenreich betrachten. Mit tiefgehenden Analysen und spannenden Diskussionen werden den Hörer:innen neue Perspektiven eröffnet. In der neuesten Staffel geht es das Thema Fleischkonsum und dessen Auswirkungen auf unsere Gesundheit und den Planeten. Ein Thema, das uns alle betrifft und bei dem sich Meinungen spalten. Ab 2025 werden neue Episoden mit dem Titel „Good Robot“ veröffentlicht. Darin wird es vor allem um den Einsatz von KI gehen und wie diese unser Leben beeinflussen kann.
„Future Perfect“ ist der ideale Podcast für alle, die nicht nur in Problemen denken, sondern Lösungen suchen und daran glauben, dass eine bessere Zukunft möglich ist. Reinhören lohnt sich!

Theresa Spörl
© ARD Audiothek
EN AVANT – VORWÄRTS
Utopien in der Popkultur

Im Pop gilt: Der Blick muss nach vorne gerichtet sein. Pop lebt von Aktualität und dem Versprechen, immer neu zu sein, die Grenzen des Möglichen weiterzudenken und zu sprengen. Utopien gelten in der Popkultur als tot, da der Drang, sich von der Nachkriegsgesellschaft und den Eltern zu befreien, längst abgeklungen ist. Dabei erreicht Popkultur ein breites Publikum. Was könnte sich also besser eignen, als Film, Musik, Literatur und Mode mit utopischen Visionen zu füllen? Im Folgenden werden Beispiele dargelegt, die erklären, warum Pop-Utopien noch nicht (ganz) ausgestorben sind.
Manifeste in der Popkultur der Nullerjahre
Manifeste fordern viel. Sie sind das Dokument für den Appell des Umsturzes, des Bessermachens, der Revolution und zum Handeln. Beliebtheit erlangten sie in der avantgardistischen Bewegung des 20. Jahrhunderts, um die Ziele und Forderungen ihrer Gruppen radikal unter die Menschheit zu bringen. Eigentlich war die Zeit des Manifests vorbei und die sogenannte „post-manifesto era“ („A Manifesto for Manifestos“, 2012) hatte begonnen. Jedoch entdeckten deutschsprachige Indiepop-Bands der Nullerjahre das Werkzeug des Manifests erneut für sich. So veröffentlichte die Band Tocotronic im Jahr 2007 zum Anlass der Neuerscheinung ihres Albums Kapitulation das Kapitulatorische Manifest. Dieses Manifest besteht unter anderem aus herausgelösten Textpassagen des Songs Kapitulation und verkündet mit „Ein neues Lied. Ein neues Glück.“ eine Zukunftsvision einer Welt ohne Faschismus und Leistungsdruck.
Noch utopischer geht es bei der österreichischen Gruppe mit dem Namen Ja, Panik zu. Insgesamt veröffentlichten sie vier Manifeste zu ihren Alben, jedes gespickt von Forderungen für eine neue, bessere Welt. Besonders klar wird ihre utopi-
sche Absicht einer post-nationalen Gesellschaft jedoch mit dem Song Libertatia: „Ganz wie jeder Anfang in Trümmern liegt / Not sans papier, but sans patrie / Um uns die Welt, in uns Galaxien / Denn wo wir stehn, könnt immer alles sein“.
Natürlich sind diese Manifeste der Musikgruppen auch einfach kreative Fingerübungen und Marketingstrategien, aber Popkultur funktioniert ja bekanntermaßen gut, weil der subjektiven Interpretation keine Grenzen gesetzt sind und Denkprozesse so angestoßen werden.
Blick in die (vergangene) Zukunft: Die Popkultur der letzten fünf Jahre
Auch Filme, Serien und Videospiele der letzten Jahre zeigen, dass die Visionen utopischer Welten weiterhin lebendig sind – als Spiegel gesellschaftlicher Hoffnungen und Anstoß für Veränderungen. Die Serie The Orville: New Horizons (2022) entwirft eine optimistische Zukunft, in der Diplomatie, Diversität und der Glaube an den Fortschritt das Fundament einer friedlichen Gesellschaft bilden. Auch Videospiele greifen utopische Ideen auf. In Eco (2022) arbeiten Spieler:innen daran, sich eine Welt aufzubauen während man die Ressourcen miteinander teilt und zum Kooperieren animiert wird, damit die Umwelt nicht zerstört wird. Das Spiel zeigt, dass eine Welt im Gleichgewicht der Natur möglich ist – wenn die Gesellschaft kollektiv daran arbeitet.

Utopien in der Popkultur sind nicht ausgestorben. Sie dienen als Spiegel unserer Hoffnungen und als Inspiration für positive Veränderungen, auch wenn es nur um uns selbst geht. Filme, Serien, Videospiele oder Musikstücke zeigen uns ideale Welten, die uns anregen, über gesellschaftlichen Fortschritt nachzudenken. Denn die Utopie beginnt immer im Kopf – mit der Idee, einmal eine Revolution zu entfesseln.
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UTOPIEN FÜR REALISTEN RUTGER BREGMAN

Rutger Bregmans „Utopien für Realisten: Die Zeit ist reif für die 15-Stunden-Woche, offene Grenzen und das bedingungslose Grundeinkommen“ ist ein provozierendes und optimistisches Werk, das die Leser dazu auffordert, sich eine utopische Welt vorzustellen und sie aktiv zu gestalten. Der niederländische Historiker und Journalist macht den ehrgeizigen Versuch, einige der größten sozialen und ökonomischen Herausforderungen der Gegenwart durch radikale, aber gut durchdachte Ideen anzugehen. Dabei kombiniert er historische Analysen, empirische Forschung und visionäre Ansätze. Bregman spielt dabei mit Vorurteilen und wirtschaftlichen Ansätzen, die er zum einen aufgreift, andererseits auch widerlegt. Doch während sein Werk viele inspirierende Gedanken liefert, bleibt es nicht frei von Schwächen und Kontroversen.
Die Kernthesen des Buches
In seinem Buch argumentiert Bregman auf drei zentralen Ideen: das bedingungslose Grundeinkommen, die 15-Stunden-Arbeitswoche und offene Grenzen. Er stellt diese Konzepte als praktische Lösungen für Ungleichheit, Armut und soziale Fragmentierung vor. Der Autor argumentiert, dass die Welt bereits mehrfach bewiesen hat, dass radikale Veränderungen möglich sind, etwa durch den Siegeszug der Demokratie oder den Aufstieg des Wohlfahrtsstaates. Warum
auch nicht neue Utopien Realität werden lassen?
Besonders überzeugend ist Bregmans Darstellung des bedingungslosen Grundeinkommens. Er illustriert mit Beispielen aus Kanada und Namibia, dass direkte Geldtransfers effektiv Armut reduzieren können, ohne dass dies zu Faulheit oder Missbrauch führt. Für seine Argumentation nutzt er anschauliche Geschichten aus der Welt, welche seine Aussage stützen. Ebenso beeindruckend ist seine Argumentation für eine verkürzte Arbeitszeit, die sowohl ökonomisch als auch psychologisch fundiert ist. Auch hierbei bezieht er zur Veranschaulichung Vorstellungen und Prognosen aus der Vergangenheit über die Gegenwart mit ein, die aufzeigen, welches Bild die gefragtesten Ökonomen und Medienexperten von der Zukunft hatten. Offene Grenzen, die er als wirtschaftlich vorteilhaft und moralisch geboten darstellt, ist wohl die umstrittenste seiner Ideen. Hierbei bemerkt man ganz klar die Provokation, welche er mit seinen Vorschlägen zu bewirken versucht.
Stärken des Buches
Eine der größten Stärken des Buches ist seine Erzählweise. Bregman schreibt lebendig, zugänglich und voller Begeisterung. Komplexe ökonomische und soziale Zusammenhänge werden verständlich gemacht, ohne eine Tiefe zu verlieren. Durch zahlreiche Studien und historische Bezüge wird seine Argumentation gestützt, was die Leser:innen dazu einlädt, gängige Annahmen und besagte Vorurteile infrage zu stellen.
Sein Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen ist besonders kraftvoll und gut recherchiert. Bregman zeigt, dass das gegenwärtige Wohlfahrtssystem ineffizient und entwürdigend sein kann, während ein universeller Ansatz zur finanziellen Absicherung einfach grundlegende Ergebnisse liefern könnte. Auch sein historischer Rückblick, der zeigt, dass viele der heute selbstverständlichen Errungenschaften einst als utopisch galten, regt zum Nachdenken an.
Schwächen und Kritikpunkte
Doch so überzeugend Bregmans Visionen klingen, sind sie nicht frei von Schwächen. Häufig bleibt der Autor bei idealistischen Beschreibungen stehen, ohne auf die praktischen Herausforderungen seiner Vorschläge einzugehen. Beispielsweise wirft die Einführung eines bedingungslosen-
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Grundeinkommens komplexe Fragen hinsichtlich der Finanzierung und der möglichen Inflationsgefahr auf. Zwar macht Bregman Vorschläge, etwa durch die Einführung höherer Steuern auf Vermögen oder CO2-Emissionen, doch wirken diese Ansätze manchmal oberflächlich und unzureichend ausgearbeitet.
Auch das Konzept der offenen Grenzen wird nicht ausreichend diskutiert. Bregman argumentiert mit ökonomischen Modellen, die zeigen, dass globale Migration Wohlstand schafft. Dabei bezieht er sich aber zu sehr auf wirtschaftliche Argumente und ignoriert oft die politische Realität.
Bregmans Gutgläubigkeit ist in einem utopischen Werk natürlich gut platziert, jedoch fehlt an der ein oder anderen Stelle die kritische Auseinandersetzung mit den möglichen Nachteilen der angebrachten Punkte.
Fazit
Utopien für Realisten ist ein inspirierendes Werk, das den Mut hat, große Fragen zu stellen und radikale Lösungen vorzuschlagen. Es regt zum Nachdenken an und ermutigt dazu, die Zukunft nicht einfach hinzunehmen, sondern sie aktiv zu gestalten. Gleichzeitig bleibt das Buch in seiner Argumentation oft zu einseitig und idealistisch, was die Leser:innen mit offenen Fragen zurücklassen kann.
Bregmans Werk ist eine wertvolle Lektüre für alle, die an gesellschaftlichem Wandel interessiert sind, doch es erfordert eine kritische
Auseinandersetzung mit den präsentierten Ideen. Letztendlich erinnert uns „Utopien für Realisten“ daran, dass Fortschritt oft aus utopischen Gedanken entsteht – doch um diese zu verwirklichen, braucht es eben mehr als nur Visionen. Es braucht konkrete Strategien, politische Machbarkeit und die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen.
Tillmann Richter

WER, WIE, WAS MATRIARCHAT?
Von Dreiecken, Kreisen und Gedanken darüber, in welcher Form wir uns in die Zukunft bewegen können.
Das Wort „Matriarchat“ hat seine Wurzeln im Lateinischen. Es setzt sich zusammen aus „mater“, was „Mutter“ bedeutet, und „-archat“, abgeleitet von dem griechischen Wort „archein“ für „herrschen“. Wörtlich übersetzt bezeichnet der Begriff also die „Herrschaft der Mutter“ oder allgemeiner gesagt eine gesellschaftliche Ordnung, in der Frauen, insbesondere Mütter, die vorherrschende Autorität innehaben. Jedoch ist die Verwendung des Herrschaftsbegriffes nicht ganz passend und auch in der Erklärung, dass es sich um „das Gegenteil vom Patriarchat” handeln würde, finde ich so einige Haken. Sowie bei der Suche nach dem Grund, wieso wir nicht schon längst in einer matriarchalen Gesellschaft leben.
Rückblick ins Heute
Das Patriarchat lässt sich am besten in der Form eines Dreiecks veranschaulichen. Es funktioniert durch die Unterdrückung vieler Menschen. Zum Wohle von wenigen und meist weißen und definitiv reichen Männern an der Spitze. Diese Dreiecksform verdeutlicht das durch Unterdrückung und Dominanz aufgebaute Weltbild des Patriarchen. Denn um eine pyramidenförmige Gesellschaft aufrechtzuerhalten, muss es Individuen geben, die mithilfe unterschiedlicher Mechanismen, wie rassistischer und sexistischer Gewalt, unterhalb der Spitze zum Stehen gebracht werden. Um an die Spitze zu gelangen, muss nach unten getreten werden und wer an die Spitze gelangt und dort bleiben will, muss dafür anderen Menschen Ressourcen rauben und die Ellenbogen ausfahren. Diese Pyramide steht für Ausbeutung, Dominanz, Gier und Individualismus. Vielleicht kennst du diese pyramidenförmige Darstellung bereits aus Dokumentationen oder dem Geschichtsunterricht. Denn sie wird nicht grundlos auch als Darstellung für unser kapitalistisches System benutzt. Eine im Jahr 1911 erschienene Publikation der Zeitung Industrial Worker klärte mit Hilfe dieser Darstellung damals schon viele Menschen über das ausbeuterische System auf. Drei Männer thronen in dieser alten Illustration mit den Worten „We rule you” über den vielen Arbeiter:innen. „We feed all, we work for all” steht neben der untersten, bevölkerungsstärksten Schicht. Für diese vielen Menschen war und ist der Kapitalismus ein lebendiger Albtraum. Wenn alle Menschen diesen Kampf an die Spitze gewinnen könnten, würde es sich nicht mehr um einen dreieckigen Aufbau handeln. Aber welche Lebensform könnte diese vertikale Struktur ersetzen? Welche Utopie bietet uns genügend Ansätze? Würde eine matriarchale Gesellschaft diese Pyramide nicht
einfach auf den Kopf stellen und weiterhin Ungerechtigkeiten mit sich bringen?
Alles auf Anfang
Das Matriarchat solltest du dir nicht als umgedrehte Pyramide vorstellen. Es wäre auch ein schwieriger Balanceakt, diese standfest zu platzieren. Eine deutlich passendere Form für eine matriarchale Gesellschaft ist der Kreis. Ein Kreis ist hierarchielos, er hat keinen Anfang und kein Ende. Er beschreibt eine Gemeinschaft und kein Klassensystem. Er steht für Gegenseitigkeit und Gleichgewicht. Wenn Ebenen hinzugefügt werden, vergrößert er sich lediglich, ohne seine Schichten umverteilen zu müssen. In diesem System, dem Matriarchat, gibt es somit keine Herrschaft, nur ein Zentrum, aus dem entspringt.
Matriarchale Gesellschaften sind egalitär aufgebaut. Das bedeutet, sie basieren auf sozialer Gleichheit und verteilen Macht gerecht. Es geht also um Gleichberechtigung und nicht, wie sich im ersten Moment vermuten lässt, um die Unterwerfung des Mannes oder darum, alle Alphamänner durch Alphafrauen zu ersetzen. Aus der Pyramide können wir uns nicht heraus-girlbossen. Ellenbogen gegen das Patriarchat sind eine Notwendigkeit, jedoch schaffen wir den Sprung aus dem kapitalistischen Hamsterrad nicht, wenn wir die gleiche Mentalität der drei Männer an der Pyramidenspitze übernehmen und unsere Mitmenschen unter uns verteilen. Eine Gesellschaft in einen Kreis umformen können wir nicht, wenn plötzlich alle Männer unbezahlte Care-Arbeit leisten. Das wäre für die eine oder andere zwar eine erfrischende Entwicklung, die Vision eines Matriarchats sollte uns aber zu mehr motivieren. Wir sollten die Herausforderung annehmen und festgefahrene Denkmuster überwinden.
In einem Matriarchat verliert die jahrhundertealte Tradition von Macht und Autorität ihre Bedeutung. Stattdessen entstehen neue Formen der gesellschaftlichen Organisation, die auf weiblicher Führung und matriarchalen Werten basieren. Wir könnten in einem System leben, das sich mit dem Prinzip der gegenseitigen Fürsorge beschreiben ließe. Das mithilfe von emotionaler Intelligenz wächst, mit flexiblen Netzwerken und Konsensorientierung. Stell dir das mal vor.
Sophie Rochlitzer
EINFACH NUR MENSCH
Eine Rezension zu Luise Kamiseks Debütroman „binär“
In unserer letzten Ausgabe zum Thema „Feminismus“ haben wir viel über den alltäglichen Sexismus gesprochen, dem Frauen unwillentlich ausgesetzt werden. Was wäre jedoch, wenn es keinen Sexismus mehr geben würde, ganz einfach, weil Geschlechter nicht mehr existieren? In Luise Kamiseks Debütroman „binär“ ist genau das eingetreten: Eine Gesellschaft ohne Geschlechter.
Nach der zwanzig Jahre andauernden „Regenbogen-Revolution“ haben die Revolutionär:innen endlich ihr Ziel erreicht: die vollkommene Abschaffung der Binarität. Mit der Auslöschung des Konzepts „Geschlecht“ verabschiedete sich auch der Sexismus. Zurück bleibt eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder nur noch als das sieht, was sie sind: Menschen.
Eine Gesellschaft ohne Geschlecht
Zu Beginn lernen wir Tille kennen. Tille ist geschlechtsneutral aufgewachsen. Wenn Tille die Menschen in seiner Umgebung beschreibt, teilt Tille sie nicht nach Mann oder Frau ein. Begriffe wie Frau, Sohn oder Freundin sind Tille gänzlich unbekannt. Von anderen Menschen wird nicht mit ihrem jeweiligen geschlechtsbezogenen Pronomen gesprochen, sondern nur mit ihrem Namen.
Tille arbeitet in einem Fitnessstudio und spart auf die Eröffnung eines eigenen Kickbox-Studios, als Tille Lofi kennenlernt. Lofi nimmt Privatstunden bei Tille und schon bald sind beide über beide Ohren verliebt. Was Tille bis dahin jedoch nicht weiß: Lofi ist Mitglied der Binären Bewegung
Brauchen wir eine Geschlechtsidentität?
Die Binäre Bewegung will den vorrevolutionären Zustand und damit die Einteilung nach Geschlecht wiederherstellen. Für sie ist die Zugehörigkeit eines jeden Menschen zum Geschlecht „Mann“ oder „Frau“ eine biologische Tatsache. Lofi trägt BH und Make-up und sieht es nicht gern, wenn Tille Leggings anzieht. Unsere Realität scheint dabei auf den Kopf gestellt: Lofi und ihre Bezugspersonen müssen sich als Mann oder Frau outen und um die Verwendung ihrer präferierten Pronomen bitten. Die heterosexuelle cis-idente Person stellt nicht länger die Norm dar, da es weder Heterosexualität noch Geschlechter mehr gibt.
Trotz Tilles Skepsis lässt sich Tille auf die Beziehung mit Lofi ein und wird immer stärker von der Welt der Binären Bewegung eingenommen. Behauptet Lofi jedoch zu Beginn, ihr
Lebensstil sei eine rein persönliche Entscheidung, entpuppt sie sich mit der Zeit als radikale Binärin.
Der Roman stellt dabei viele wichtige Fragen, die jedoch alle weitgehend unbeantwortet bleiben. Benötigen manche Menschen die Identifikation mit einem Geschlecht? Oder ist die Akzeptanz von Geschlechtern ein slippery slope (deutsch: rutschiger Hang) zu Sexismus, Queerfeindlichkeit und Rassismus? Zumindest im Rahmen der Binären Bewegung scheint dies der Fall zu sein: Jegliche Form von Homosexualität wird abgewiesen, da nur die Zusammenkunft von Mann und Frau dem biologischen Ziel der Fortpflanzung nachkommen könnte. Lofi legt sich und ihren Kindern strenge Regeln auf, die ihr zugeschriebenes Geschlecht angeblich zu befolgen habe. Mit ihrem zweitgeborenen Kind Adam kommt es damit jedoch zum Konflikt: Adam lehnt die Enge der Geschlechterrollen vehement ab. Mit wachsendem Alter spitzt sich schließlich der Konflikt immer weiter zu.
Leider kommt mir dabei Tilles Figur zu kurz. Obwohl die Hälfte des Romans aus Tilles Perspektive erzählt wird, konnte ich Tille nicht tiefgehend kennenlernen. Tille scheint die anfängliche Skepsis gegenüber der Binären Bewegung nie vollkommen abzulegen. Dennoch beschreibt sich Tille mitten im Buch mit einem Mal als Mann. Hier fehlt mir die Nachvollziehbarkeit von Tilles Entwicklung.
Die Sozialisierung sitzt tief
Während des Lesens ist mir bewusst geworden, wie stark das Aufwachsen mit Geschlechterrollen mein Denken beeinflusst hat. Obwohl der Roman durchgehend geschlechterneutrale Sprache verwendet, habe ich mich immer wieder dabei erwischt, den Figuren instinktiv dennoch ein Geschlecht zuzuschreiben.
„binär“ überzeugt durch die vielen Denkanstöße, die der Roman seinen Leser:innen hinterlässt. In einer Zeit, in der einerseits konservative Werte aufstreben und sich andererseits immer mehr Menschen von konventionellen Geschlechterrollen lösen, lohnt es allemal, die eigene Sozialisierung kritisch zu hinterfragen.
Carmen Jenke
WAS IST EIGENTLICH DER 1. MAI?
Der Internationale Arbeiter:innenkampftag

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Der 1. Mai auch bekannt als Tag der Arbeit, Maifeiertag oder internationaler Arbeiter:innenkampftag, ist ein Tag, welcher für einige vielleicht nur ein simpler Feiertag wie jeder andere im Jahr ist. Für andere hingegen ist er ein wichtiges Mittel um die verschiedenen Interessen von Arbeiter:innen darzustellen, zu verbreiten und Solidarität mit allen Arbeiter:innen auf der Welt zu zeigen. Doch woher nimmt der 1. Mai seine Bedeutung, was bewegt die Menschen dazu auf die Straße zu gehen?
Der Acht-Stunden-Tag
Der 1. Mai als internationaler Arbeiter:innenkampftag hat seine Ursprünge in der Arbeiter:innenbewegung der USA. Diese hatte natürlich vielfältige und teilweise unterschiedliche Ideen. Allerdings war die Einführung eines AchtStunden-Tags besonders wichtig, da es zu dieser Zeit weit verbreitet war, mehr als 12 Stunden am Tag zu arbeiten. Diese lange Arbeitszeit war natürlich eine riesige Belastung für Arbeiter:innen in physischen sowie in psychischen Aspekten. Kombiniert mit fahrlässiger Arbeitssicherheit und für uns heutzutage unvorstellbaren weiteren unwürdigen Arbeitsbedingungen sah man den Acht-Stunden-Tag als wichtige Entlastung der einfachen Arbeiter:innen an. Dieses Ziel wurde unter anderem von den Knights of Labour, einer
Gewerkschaft, welche in den 1880er großen Zuwachs hatte, 1884 auf einem Kongress als maßgebliches Ziel festgelegt. Zwei Jahre später verabschiedete die Federation of Organized Trades and Labor Unions eine Resolution, in welcher aufgerufen wurde, zum 1. Mai 1886 landesweit zu streiken und Demonstrationen abzuhalten und nahm damit eine zentralle Rolle zum 1. Mai ein. Diesem Aufruf folgte eine weitreichende Mobilisierung von unter anderem den oben genannten Gewerkschaften, allerdings auch von anarchistischen und sozialistischen Gruppen und Personen, welche gemeinsam Druck auf Politik und Arbeitgeber:innen ausüben wollten.
Die Protestwelle
Dem Aufruf folgten Unmengen an Menschen und die ausgelöste Protestwelle zog sich über mehrere Tage. Besonders New York, Boston und Chicago konnten massenweise Arbeiter:innen mobilisieren. Schätzungsweise geht man landesweit von bis zu 500 000 Protestierenden aus und fast 11 000 Betrieben die stillstanden. Besonders Chicago ist hierbei mit schätzungsweise 60 000 Arbeiter:innen hervorzuheben. Trotz überwiegend friedlichen Demonstrationen reagierte die Polizei sehr repressiv und ging teilweise brutal gegen die Streikenden vor.
Ein besonders wichtiges Ereignis war der Streik am 3. Mai 1886 als die Arbeiter:innen der McCormick Harvesting Machine Company streikten. Die Firma setzte Streikbrecher:innen ein, um die Bemühungen der Arbeiter:innen zu untergraben. Die bereits seit Wochen bestehenden Spannungen aus früheren Streiks und Verhandlungen mit den Unternehmer:innen führten dazu, dass Streikende die Streikbrecher:innen mit Zwang daran hindern wollten die Fabrik zu betreten. Daraufhin fing die Polizei an, die Demonstration mit Gewalt aufzulösen und beendete sie schließlich damit, dass sie willkürlich in die Menge schoss. Getötet wurden zwei Arbeiter:innen und viele weitere wurden verletzt.
Die Haymarket-Affäre
Die Empörung gegenüber dem Vorgehen der Polizei war gewaltig und löste weitreichende Solidarität mit den Arbeiter:innen aus. Als Reaktion darauf fand am 4. Mai, also einen Tag später, am sogenannten Haymarket eine Demonstration gegen Polizeigewalt statt. Diese war wie die anderen Demonstrationen in Chicago maßgeblich durch Anarchist:innen organisiert. Obwohl sie vollkommen fried-
lich war, versuchte die Polizei sie durch Gewalt aufzulösen bis plötzlich eine unbekannte Person eine selbstgebaute Bombe auf eine Gruppe Polizisten warf und sieben von ihnen tötete sowie zwei Arbeiter:innen. Daraufhin eskalierte die gesamte Situation und es kam zu Schusswechseln zwischen einigen Demonstrant:innen und der Polizei, sodass die Demonstration sehr blutig endete. Die Hintergründe des Bombenanschlags sind bis heute ziemlich ungewiss: Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass die Organisator:innen explizit zu einem friedlichen Zusammenkommen aufgerufen haben.
Reaktion des Staates und der Welt
Obwohl bis heute unklar ist, wer hinter dem Bombenanschlag steckte, wurden acht Männer verhaftet, die einflussreiche Anarchisten waren. Sie wurden in einem schwammigen und stark politisch getriebenen Prozess verurteilt, schuldig zu sein. Fünf wurden zum Tode verurteilt und drei von ihnen zu lebenslangen Haftstrafen. Einer der zum Tode verurteilten beging am Tag vor seiner Hinrichtung in seiner Zelle Selbstmord.
Das Urteil war vor allem dazu gedacht, die Arbeiter:innenbewegung zu kriminalisieren und zu schwächen. Auch abseits der acht Verurteilten nutzte der Staat die Chance, Anarchist:innen und Sozialist:innen zu verhaften und weitreichend gegen die Arbeiter:innenbewegung vorzugehen. Weltweit löste das Vorgehen der Polizei und der Regierung Empörung aus und führte zu einer Welle von Solidarität.
Im Jahr 1889 erklärte die Zweite Internationale den 1. Mai als „Internationalen Tag der Arbeit”, welcher an die Opfer der Haymarket-Affäre erinnern soll, allerdings auch die Kämpfe der Arbeiter:innen fortführt. Ein wichtiges Element ist dabei nach wie vor die Solidarität unter allen Arbeiter:innen auf der Welt. Traditionell wird am 11. November, dem Tag der Vollstreckung der Hinrichtung, immer noch an die vier verurteilten Anarchisten gedacht, welche auch als „Haymarket Märtyrer” bezeichnet werden.
Missbrauch durch die Nationalsozialist:innen
Wie viele andere Sachen wurde der 1. Mai durch die Nationalsozialist:innen übernommen und für die eigenen Zwecke benutzt. Im April 1933 wurde der 1. Mai als „Feier-
tag der nationalen Arbeit“ ausgerufen in dem Versuch die Arbeiter:innenklasse für ihre Zwecke zu gewinnen, obwohl diese geschichtlich gesehen sozialistischen, anarchistischen und kommunistischen Ideen nahesteht.
Obwohl man versuchte sich als Arbeiter:innen nah darzustellen, handelte man gezielt gegen ihre Interessen und vereinnahmte den Tag mit nationalistischer, antisemitischer und rassistischer Ideologie. Schon am 2. Mai 1933 stürmten die Nationalsozialist:innen die Büros freier Gewerkschaften und lösten diese gewaltvoll auf. Die Vermögen wurden beschlagnahmt und Funktionäre verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Sozialistische Strukturen wurden dadurch gezielt zerschlagen. Als Ersatz etablierte man die Deutsche Arbeitsfront, welche jedoch unter keinen Umständen als wahre Gewerkschaft angesehen werden sollte, da sie nur dazu diente, staatliche Kontrolle auszuüben und die Indoktrination voranzutreiben.
Ein heutiges Bild
Glücklicherweise war es möglich die Vereinnahmung des 1. Mai nach Kriegsende wieder rückgängig zu machen und an alte Traditionen anzuknüpfen, sodass auch heutzutage noch ein 1. Mai stattfinden kann, an dem es wieder um die Arbeiter:innen und ihre Forderungen geht. Trotzdem hat er sich natürlich weiterentwickelt. An einigen Orten hat der Tag der Arbeit scheinbar zwar an politischer Bedeutung verloren, an anderen ist er immer noch ein wesentlicher Bestandteil, man denke nur mal an die „Revolutionäre 1. Mai Demo” in Berlin-Kreuzberg. Welche immer noch als äußerst symbolträchtig gilt und jedes Jahr viele Menschen mobilisiert. Doch auch in anderen Städten gibt es große Demonstrationen. So fanden in Leipzig im Jahr 2024 insgesamt drei größere Demonstrationen statt: Eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, eine Demonstration von kommunistischen Gruppen und eine anarchistische Demonstration.
Gleichzeitig fließen weitere Themengebiete aus unserer Zeit ein, wie Sexismus oder Klimagerechtigkeit. Dadurch sind die 1. Mai-Demonstrationen immer noch ein wichtiger Teil des politischen Ausdrucks.
Elias Graebner

„Freie Geister“
von Ursula K. LeGuin
Fischer Tor
Paperback, 432 Seiten
17,00 €
ISBN: 978-3-596-03535-9
Cover: © Fischer Tor
„Tausend und ein Morgen“
von Ilja Trojanow
Zeiten wie diese brauchen Hoffnung. Viel Hoffnung. Oft helfen dabei Tagträume, das Nachdenken über ein Waswäre-wenn. Der Roman „Tausend und ein Morgen“ von Ilja Trojanow greift genau diese Gedankenspiele auf und fragt „Was könnte die Menschheit sein, wenn die Dinge anders verlaufen wären?“. Und somit wird ein offenes Fenster präsentiert für die Vielfalt des Möglichen. Der Hauptcharakter Cya, eine neugierige junge Frau, lebt in einer Welt, in der die Menschheit sich keine Sorgen um Grundbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft oder gesundheitliche Versorgung machen muss. Doch Cya fragt sich, warum das in früheren Zeiten nicht der Fall war, und begibt sich auf spannende Zeitreisen – mit Hoffnung, die Geschichte der Menschheit zu verändern.

Wie funktioniert Gesellschaft am besten? Anarchismus oder Kapitalismus? Der Physiker Shevek erlebt diese zwei Welten – auf dem anarchistischen Planet Anarres und dem kapitalistischen Planeten Urras. K. LeGuin erzählt mit präziser, atmosphärischer Sprache und philosophischer Tiefe in „Freie Geister“ die Lebensgeschichte von Shevek. Das Gesellschaftskonstrukt seines Heimatplaneten Anarres legt ihm Steine in den Weg seiner wissenschaftlichen Karriere und er reist nach Urras. Hier werden Sheveks gewohnten anarchistischen Ideen jedoch zur Bedrohung für die kapitalistische Gesellschaft.
S. Fischer Gebundene Ausgabe, 528 Seiten
30,00 €
ISBN: 978-3-10-397339-6
Cover: © S. Fischer
„Marlow im Sand“

Korbinian Verlag
Klebebindung, 250 Seiten
22,00 €
ISBN: 978-3-9821220-1-5
Cover: © Korbinian Verlag
Wo sind die Erinnerungen, wenn ein Mensch nicht mehr da ist? Und was bleibt davon? Verwehen sie im Sand der Zeit? Fragen, die sich der Roman „Marlow im Sand“ von Charlotte Krafft auf eine tiefgehende poetische Weise stellt. Die junge Frau Marlow kehrt nach dem Tod ihres Vaters in die Heimat zurück, um nach Klarheit und Trost zu suchen, findet jedoch nur Bruchstücke, die ein riesengroßes Rätsel bilden. Die Geschichte spielt in einer dystopischen Kulisse, die von Sand und Zerfall geprägt ist – eine Metapher für den Verlust und die Zerbrechlichkeit von Erinnerungen. Doch auch dieser melancholische Zustand birgt das Potenzial, Neues zu schaffen, Altes zu überdenken und Verbindungen wiederzubeleben.
Lu Hilgers
von Charlotte Krafft
Children of Men (2006)
Eine radikale Gesellschaftskritik, der die Zuschauer:innen zwingt, über Menschlichkeit, Hoffnung und Zusammenhalt nachzudenken. Ein Film, der mich mit seiner bildstarken Sprache daran erinnert, dass wir selbst mitentscheiden, ob sich unsere Zukunft als dystopisch oder utopisch beschreiben lässt.
Alfonso Cuaróns Film „Children of Men” spielt im Jahr 2027. Er stellt eine düstere Version der Zukunft dar, in der die uns bekannte Gesellschaft aufgrund von Kollaps, Krieg und globaler Instabilität nicht mehr besteht. Die Welt ist geprägt von Gewalt, Chaos und einem autoritären Regime, das flüchtende Menschen verfolgt. Die Menschheit droht auszusterben, denn der vergiftete Planet und die bitteren Lebensumstände führen zur Unfruchtbarkeit der Menschen. Seit 18 Jahren wurde kein Baby geboren und die Situation scheint hoffnungslos.
Der Protagonist befindet sich jedoch schnell auf einer Mission. Er soll eine schwangere Frau beschützen, deren Überleben möglicherweise die Rettung der Menschheit bedeutet. Cuarón erschafft in diesem Film ein bedrückendes Zukunftsszenario, das gleichzeitig auch eine eindringliche Parabel auf gegenwärtige Zustände ist. „Children of Men” richtete in seinem Erscheinungsjahr seinen Blick über 20 Jahre in die Zukunft, doch sein Inhalt ist heute noch genauso aktuell und seine Fragen relevanter denn je. Auch dadurch geht dieser aufwühlende Thriller unter die Haut. Seine tiefgründigen Szenen und die dokumentarische Kameraführung fesseln und sie versprühen das Gefühl, den Hauptcharakteren auf Schritt und Tritt folgen zu können. Der Film verdeutlicht mit einzigartigen Bildern und einer starken Geschichte, wie lebensnotwendig Hoffnung in ausweglosen Situationen ist. Dieser Blick in die Zukunft hat mich schonungslos zurück in die Gegenwart versetzt und erinnerte mich mit seinen Analogien daran, dass wir noch selbst in der Hand haben, ob wir uns in einer Utopie oder Dystopie wiederfinden wollen.


Die Gabe (The Power)
Eine provokante Mysterie-Serie über Machtverhältnisse
„Die Gabe”, eine 2023 erschienene Amazon-Serie, stellt keine flache, feministische Utopie dar. Sie hinterfragt stattdessen kritisch, wie unterschiedlich Menschen mit erteilter Macht umgehen. Basierend auf Naomi Aldermans preisgekröntem Roman, zeigt die Serie eine schlagartige, globale Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Durch den plötzlich in Frauenkörpern wachsenden Muskel namens „Strang” können alle Frauen auf der Welt elektrische Stromstöße erzeugen und zu ihrer Verteidigung nutzen. Die Zuschauer:innen können die Geschichte durch vier Hauptfiguren begleiten und springen durch die verschiedenen Erzählungen und Entwicklungen, die sich über die gesamte Welt verteilen und so die diversen Realitäten der Frauen wiedergeben. Die plötzliche physische Überlegenheit der Frauen führt zu unterschiedlichsten Revolutionen und die Zuschauer:innen können sich mehr als einmal fragen, was sie in einer Situation wie dieser tun würden.
Eine spannende Serie, mit kreativen Rollenumkehrungen und komplexen Auseinandersetzungen mit bestehenden Machtstrukturen. Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und gesellschaftliche Verhältnisse radikal auf den Kopf stellt.
Sophie Rochlitzer
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7:30
Du wirst früh geweckt, durch...
… das Gezwitscher der vielen auf deinem begrünten Balkon ansässigen Vogelarten, die morgens ihre schönen Gesänge zum Besten geben. (Baum)
… den in deinem Gehirn implantierten Neuro-Computerchip, der dich, für maximale Produktivität, an jedem Tag um 7:30 Uhr aus dem Schlaf reißt. (Roboter)
… nichts, denn heute ist Freitag und dein Wochenende hat somit begonnen. Du kannst ausschlafen. (Herz)
10:00
Deinen Arbeitstag verbringst du damit, ...
… deine To-dos möglichst effizient mit Unterstützung deiner persönlichen KI abzuarbeiten. Deine Meetings hältst du in einer virtuellen Realität ab. (Roboter)
… dich um ältere Menschen zu kümmern und dich mit den anderen Volunteers auszutauschen. (Herz)
… neben deinen Aufgaben, Erledigungen mit dem Lastenfahrrad deiner Firma zu machen und dich um die Grünflächen des Büros zu kümmern. (Baum)
17:00
Deine Freizeit nutzt du, um...
… auch mal alleine zu entspannen. Bei einem neuen Hobby, welches dir deine Freunde empfohlen haben. (Herz)
… zuhause das neue VR-Videospiel auszuprobieren, während deine KI den Terminplan für Montag vorbereitet. (Roboter)
… mit deinem Hund einen schönen Abendspaziergang durch den neuen Park in deinem Nachbarsviertel zu machen. Hierbei entdeckst du auch die neu entstandenen Green Buildings in deiner Nachbarschaft. (Baum)
Dein heutiges Frühstück besteht aus...
… den nötigen Makronährstoffen und Vitaminen, in Tablettenform, welche dir dein Body-Scan für den heutigen Tag empfiehlt. (Roboter)
… den mitgebrachten Speisen aller Hausbewohner, die ihr zusammen in eurer Gemeinschaftsküche teilt. Somit verbringst du den Morgen in Gesellschaft. (Herz)
… den regionalen Erzeugnissen aus deiner Stadt und dem selbst angebauten Obst und Gemüse aus deinem Hochbeet. (Baum)
Du machst dich auf den Weg. Du kommst...
8:00 9:00
… entspannt schlendernd zu Fuß zu dem Altenpflegeheim, in welchem du heute gemeinnützig aushilfst. (Herz)
… mit dem Fahrrad zur Arbeit. Die Radweg-Brücken führen dich durch die begrünte Stadt, bis hin zu deinem Co-Working-Space. (Baum)
… mit deinem autonom fliegenden Auto in dein Büro. Die eingebaute KI informiert dich auf deinem Arbeitsweg, über die heute anstehenden To-dos. (Roboter)
Vor dem schlafen gehen, ...
22:30
… meditierst du noch zwischen den Pflanzen, auf deinem Balkon, bevor du dich in dein Bett kuschelst. (Baum)
… verdunkelst du dein Schlafzimmer komplett und stellst den Weckalarm von deinem Chip auf 8:30 Uhr, bevor du zum Klang von „weißem Rauschen“ einschläfst. (Roboter)
… legst du dein Handy weg und kuschelst dich mit einem Buch oder in einem Gespräch mit deinem/deiner Partner:in ins Bett. (Herz)
DIE GRÜNE UTOPIE


Stell dir eine Welt vor, in der schimmernde Wolkenkratzer aus Glas und Solarzellen den Himmel zieren, ihre Fassaden pulsierend mit Datenströmen beleuchtet, die in Echtzeit die Erfolge der globalen Wirtschaft anzeigen. Drohnen fliegen lautlos über die Straßen, liefern Pakete oder frisch zubereitete Mahlzeiten an deine Tür. Und das alles in Minuten. Autonome Elektrofahrzeuge gleiten geräuschlos über perfekt geplante Straßen. Die Menschen arbeiten in hellen, futuristischen Räumen, unterstützt von KI-Assistenten, die Aufgaben vorhersagen und Lösungen liefern, noch bevor die Herausforderung erkannt wird. Sie projizieren holographische Diagramme, sodass Mitarbeiter nicht durch lästige Routineaufgaben gebunden sind, sondern sich auf kreative Entscheidungen und strategische Innovationen konzentrieren können. Die Effizienz der Arbeit ist optimal kalkuliert. Das BIP hat einen stetigen Peak erreicht und der Wohlstand aller Haushalte steht an erster Stelle.
DIE SOZIALE UTOPIE


Stell dir eine Welt vor, in der Städte wie lebendige Wälder wirken. Fassaden von Hochhäusern sind mit blühenden Pflanzen überwuchert und auf den Dächern wachsen Gemüse und Obst, welches die Bewohner direkt ernten können. Die Straßen gehören nicht mehr Autos, sondern Menschen. Hier schlendern Familien durch Alleen aus Obstbäumen, während Kinder auf Spielplätzen aus recyclingten Materialien toben. Überall summt und zwitschert es.
Die Luft ist klar und frisch, gespeist von regenerativen Energiequellen. Überall siehst du Menschen, die gemeinsam an urbanen Gärten arbeiten, Ideen für nachhaltige Projekte in offenen Werkstätten schmieden oder einfach im Schatten eines alten Baums entspannen. Die Nächte sind ruhig und dunkel, weil nur warmes, sanftes Licht den Himmel beleuchtet und Sternbilder sind wieder sichtbar.
DIE HIGH-TECH UTOPIE


Stell dir eine Welt vor, in der das Leben einen entspannten Rhythmus gefunden hat. Es ist Freitag, aber niemand hetzt ins Büro. Die 4-Tage-Woche macht es möglich. Die Straßen sind belebt, doch statt gestresster Pendler siehst du lachende Gesichter. Menschen treffen sich auf dem Marktplatz, um gemeinsame Projekte zu planen. Im Gemeinschaftsgarten am Stadtrand pflanzen Familien und Nachbarn Gemüse. Kinder laufen barfuß über die Wiese, während Freiwillige einen Spielplatz bauen oder im Altersheim aushelfen. Menschen sitzen in kleinen Gruppen zusammen, lernen voneinander und tauschen Ideen aus. Auf dem zentralen Platz beginnt ein Markt, bei dem niemand Geld braucht, denn jeder bringt mit, was er geben kann und nimmt, was er braucht.
In dieser Welt zählt nicht, wie viel du gearbeitet hast, sondern wie du dein Leben erzählt hast. Dein Beitrag zur Gesellschaft – sei es ein gebautes Möbelstück, eine Stunde mit Kindern oder ein gutes Gespräch – wird zum Grundstein für ein Leben in Harmonie.
Tillmann Richter
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Neuer HTWK-Rektor
Zum 1. Oktober 2024 trat Prof. Dr.-Ing. Jean-Alexander Müller sein Amt als neuer Rektor der HTWK Leipzig an und darf zum Beginn seiner Amtszeit mehr als 1 600 Studierende begrüßen.
Neuer Lernraum
Die HTWK Leipzig hat einen innovativen Lernraum im ZuseBau geschaffen, der auf die Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten ist. Der Raum orientiert sich an einem modernen Arbeitskonzept, das bewusst von klassischen Lernumgebungen abweicht. Er bietet flexible Bereiche für verschiedene Anforderungen, damit Studierende zur kreativen Gruppenarbeit zusammenkommen, gemeinsam Projekte entwickeln oder sich für konzentrierte Einzelarbeit zurückziehen können. Die insprierende und offene Gestaltung des Raums bietet die Möglichkeit in einer angenehmen Atmosphäre produktiv zu arbeiten und neue Ideen zu entwickeln. Der Raum ist für alle Studiernden der Fakultät sowie für Gäste ohne vorherige Reservierung zugänglich.
Neues aus der Hochschule
HTWK hat wieder eine zentrale Gleichstellungsbeauftragte
Dr.in Julia Herrmann ist seit dem 1. Oktober 2024 die zentrale Gleichstellungsbeauftrage an der HTWK. In unserer letzten Ausgabe, der feministischen Leipziger Lerche durften wir im Rahmen unserer Leipziger Stimmen von ihr erfahren, wer ihr feministisches Vorbild ist.
1. HTWK Volleyball Mixed Turnier
Ende November 2024 fand zum ersten Mal das HTWK Volleyball Mixed Turnier statt, bei dem 16 Teams an den Start gingen.
HTWK City Office eröffnet
Das City Office soll insbesondere eine zentrale Anlaufstelle für internationale Studierende im Rahmen der Fachkräftegewinnung für Sachsen sein und vielfältige Unterstützungsangebote bündeln: von der Orientierungshilfe zu Studienbeginn in einer neuen Stadt über Unterstützung im Studium bis hin zu Informationen zu Stipendien, Praktika und Jobmöglichkeiten.
IMPRESSUM „LEIPZIGER LERCHE“
ISSN: 1430-0737
Auflage: 1400 Exemplare
Herausgeber: Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Fakultät Informatik und Medien, Studiengang Buch- und Medienwirtschaft, Karl-Liebknecht-Str. 145, 04277 Leipzig Internet: www.fim.htwk-leipzig.de www.leipzigerlerche.com
E-Mail: lerche-online@htwk-leipzig.de
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Gunter Janssen
Chefredaktion: Julia Nonnenmann, Antonia Faupel
Redaktion: Alina Hadshiminow, Antonia Faupel, Carmen Jenke, Elias Graebner, Julia Nonnenmann, Luise Hilgers, Saskia Wagner, Sophie Rochlitzer, Theresa Spörl, Tillmann Richter
Vertrieb: Elias Graebner, Tillmann Richter
Anzeigen: Alina Hadshiminov, Saskia Wagner, Sophie Rochlitzer
Layout: Carmen Jenke, Theresa Spörl, Saskia Wagner, Luise Hilgers, Julia Nonnenmann
Herstellung: Luise Hilgers, Sophie Rochlitzer, Theresa Spörl
Cover: © Saskia Wagner
Editorial: © Antonia Faupel, Julia Nonnenmann
Reproduktion/ Druck/ Weiterverarbeitung: Anke Schlegel, Roger Troks, Hausdruckerei der HTWK, Gustav-Freytag-Str. 40 A, 04277 Leipzig
Diese Ausgabe der LEIPZIGER LERCHE wurde gedruckt auf JUWEL OFFSET, 120 g/qm Geliefert von Carl Berberich GmbH
Julia Nonnenmann
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VERBUNDENHEIT

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Studien gang Buch- und Medien wirtschaft
Fakultät:
Informatik und Medien
Regelstudienzeit: 6 Semester (inkl. Praxissemester)
Voraussetzungen: allgemeine Hochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife
Studienabschluss: Bachelor of Arts »Buch und Medienwirtschaft«
Studium rund ums Buch
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