StadtKlima – Urbane Szenarien für eine zukunftsfähige Welt – Semesterrahmen

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UrbaneSTADTKLIMASzenarien für eine zukunftsfähige Welt Semesterrahmen

STADTKLIMA – URBANE SZENARIEN FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE WELT Frühlingssemester 2020 AndreasDOZIERENDEWenger, Eva Hauck AxelEXPERT*INNENLeaASSISTIERENDEKuhnSchubert,Céline Baumann, Jil Thieringer, Thomas Kissling, Stephanie Schuster, SID, Except.nl, LorisSTUDIERENDEUrbanAebli, Ekaterina Andaralo, Luana Imena Bürki, Alex Herbst, Ying-Hua Huang, Kevin Peterhans, Hannah Pichler, Alice Schwarz, Emily Vollmer WIR MÖCHTEN AN DIESER STELLE ALLEN PROJEKTBETEILIGTEN, ALLEN INVOLVIERTEN, ALL DEN KOMPLIZ*INNEN UND MITDENKENDEN DANKEN. BILD: Superstudio, Gli Atti Fondamentali, Vita (Super superfcie), Viaggio da A a B, 1971 © Superstudio. Photo : Cristiano Toraldo di https://civa.brussels/en/exhibitions-events/expo-suFrancia perstudio-migrazioni (17.08.2021)

2Einführung 4 Der Count Down läuft 6 Aufgabenstellung und Vorhaben 8 Ausgangslage 13 Aufgabenstellung 16 Unsere Rolle als Gestalter*innen 18 Schule des Denkens 19 Nachhaltigkeit in der Lehre 19 Urbaner Kontext 20 Der Birsig 24 Historischer Blick auf den Birsig 26 Birsigführung 28 Querschnitt des Birsigtunnels heute 30 Die Geschichte der Steinenvorstadt 32 Basels wildeste Strasse 36 Wettbewerb Birsig-Parkplatz 40 Hochhaus Heuwaage Miller Maranta 44 Stadtforschung 46 Strategien der Stadtforschung 50 Bestandesaufnahme Steinenvorstadt 62 Fragebogen Steinenvorstadt 64 Carwalk. Catwalk. Clubwalk. 68 Kulturbegriff weiten 72 Tätigkeiten der Steinenvorstadt 74 Fussgänger*innenströme 76 Konsumfächen 82 Genutzte Aussenfächen 83 Wohnraum 84 Parkplätze 85 Begrünung 86 Materialien 88 Recherche 94 Stadtbegrünung Stadtpfanzen 96 Konzepte der Fassadenbegrünung 98 Stadtklima 100 Mobilitätsformen der Zukunft 102

3 Recht auf Stadt 110 Aneignung der Stadt 116 Durchmischung in der Stadt 130 Gesundheit menschlichen und nicht-menschlichen Lebens in der Stadt 134 Urbane Luftverschmutzung 136 Ernährung in der Stadt 138 Smart City 140 Wetter und Klima 144 Klimaveränderung in der Schweiz 146 Konzept der Mitigation und Adaptation in Bezug auf den Klimawandel 147 Die Kreislaufwirtschaft 148 Architektur als Kreislauf denken 150 Architektur muss als Ruine gedacht werden 152 Spatial Agency: Other Ways of Doing Architecture 156 Schule des Denkens 158 Axel Schubert 160 Die Grenzen des Wachstums 164 Michael Braungart 168 Harald Welzer 170 Donna Harraway 174 Ecoscenography und Klima-Kommunikation 176 Céline Baumann 177 Andreas Wicki 178 Dr. Prof. Claude Enderle 184 Die visuelle Ordnung der Stadt 186 Jan Gehl 192 Countdown 2030 196 The Architecture of Degrowth 198 SID 200 Vor–Bilder 202 Haus-Rucker-Co 204 Superstudio 204 raumlabor Berlin 206 Assemble 210 Arno Brandlhuber 212 Lacaton Vassal 214 Atelier Luma 215

BILD: Haus-Rucker-Co: Mit „Mind Expandern“ bot Haus-RuckerCo neue Raum- und Bewusstseinserlebnisse an, so mit den „En vironment Transformers Vienna“ aus dem Jahr 1968, de/das-heft/Architekturutopie-Reloaded-Haus-Rucker-Co-Ausstelwww.bauwelt.lung-Berlin-Haus-am-Waldsee-2253457.html, (14.02.2020)

Einführung

6Der Count Down läuft: Noch 10 Jahre, um CO 2 neutral zu werden. ACT NOW! BILD: Haus-Rucker-Co: Palmtree Island Project, New York 1971, www.moma.org/collection/works/91898 (01.20.2020)

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Im angebrochenen Jahrzehnt müssen wir vieles angehen, umstrukturieren, transformieren, neu denken. Wir brauchen nichts weniger als eine neue Kultur, eine Kultur der Reduktion, eine Kultur der Entschleunigung, eine Kultur der Solidarität und des sensiblen Bewusstseins unseres Handelns. Wir müssen unsere Gewohnheiten hinterfragen, unsere Privilegien kritisch durchleuchten, anpassen oder je nach dem ganz ablegen. Wir müssen unsere Gesellschaft neu denken. Wie wollen wir leben? Wie wollen und können wir zukünftig arbeiten, essen, wohnen, uns fortbewegen? Wie sieht unser Leben in einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Welt aus? Auch wir wollen an Beiträgen einer gesellschaftlichen Transformation arbeiten. Wir brauchen neue Zukunftsbilder, neue Orientierungspunkte, neue Denkweisen. Wir sind überzeugt, hier liegt Aufgabe und Kraft unseres Schaffens: mit Altem brechen, Alternativen denken, kreative, neue Formen entwickeln, verbildlichen und vermitteln. Wir brauchen positive Szenarien, wie eine umweltfreundliche, gerechte, soziale, lokal organisierte, reduzierte Zukunft aussehen kann. Und neben all den prekären Notständen, dem grossen Berg an Arbeit, der tickenden Zeit und den anstehenden, gravierenden Einschnitten – wir glauben daran, eine nachhaltige Welt birgt viele Potentiale und Chancen.

Wir sind konfrontiert mit einer Vielzahl von Fakten, Informationen, von möglichen Szenarien, von Aufbruch- und Endzeitstimmung.

undAufgabenstellungVorhaben

BILD: raumlabor-berlin: Das „Küchenmonument“, eine mobile Skulptur, die in zwei Zuständen existiert welche im öffentli chen Raum zum Werkzeug zur Konstruktion temporärer Gemeinschaften genutzt wird, 2006, www.raumlabor.net/ kuchenmonument/ (22.01.2020)

10 ZITAT: Klimaforscher Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber in einem Vortrag im November 2017, www.countdown2030.ch (22.01.2020) BILD: Der Garten der Lüste, Hieronymus «DasResolution.jpgjpg/1280px-The_Garden_of_Earthly_Delights_by_Bosch_High_The_Garden_of_Earthly_Delights_by_Bosch_High_Resolution.www.upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/6d/Bosch,1503–1515,(22.01.2020) ist Moderne.»Neuerfndungdie

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Neuerfndungkompletteder

BILD: Haus Rucker Co., Oase No. 7, 1972, cker-co-laurids,tumblr.com/post/172694672530/oase-no-7-oasis-no-7-haus-ruwww.zappalaterra.(14.02.2020)

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13 AusgangslageEINPROJEKTIMRAHMEN

DES SEMES

Der Countdown läuft: Wir glauben fest daran, dass es eine Transformation im Denken und Handeln aller ge ben muss, um einen nachhaltigeren Lebensstil zu er reichen und damit weitere, verheerende Auswirkun gen des Klimawandels einzudämmen. Wir stehen vor einem Umbruch in unserer Kul tur, bestehende Werte und Ausrichtungen werden in Frage gestellt. Wir müssen alle Facetten unserer Ge sellschaft kritisch beleuchten: wie wir arbeiten, wie wir wohnen, wie wir essen, wie wir unsere Freizeit verbrin gen, unser Verbrauch, unser Fortbewegen hinterfra gen. Wir brauchen neue Orientierungspunkte, neue Vorbilder, neue Visionen. Wie sieht eine zukunftsfähige Welt aus? Wie haben wir bisher gelebt und wie wollen und können wir in Zukunft leben? Wie kommen wir von einem exzessiven, ausbeuterischen Lebensstil hin zu einem reduzierten, umweltfreundlichen, langsameren, lokaleren Alltag? Wie können wir uns in einer zukunfts fähigen Gesellschaft gemeinschaftlich organisieren und wie kann urbaner Raum dazu beitragen? Wie muss er geformt (oder ungeformt), wie muss er strukturiert sein und welche Möglichkeiten muss er bieten?

DER URBANE RAUM, UNSER LEBENSRAUM Immer mehr Menschen leben in Städten, immer mehr wird verdichtet, bestehendes Abgerissen, neues ge baut, immer mehr Boden wird versiegelt, dem motori sierten Verkehr immer mehr Raum verschafft. Das führt in eine Sackgasse. Wir Menschen schaffen uns einen urbanen Raum als unseren Lebensraum, doch ist er wirklich menschenfreundlich? Und wie verträgt er sich mit der Umwelt? Konkret schauen wir uns einen Ort in der Stadt Basel an: die Steinenvorstadt. Sie steht sinnbildlich für eine primäre Ausrichtung des in nerstädtischen Raums auf Konsum. Hier stehen Vergnügungsorte wie Kinos neben Pubs und Starbucks, neben diversen Geschäften, die zum Billigshopping verleiten. Auf der anderen Seite wurde hier bereits ei ner der massgeblichen Faktoren zur Verbesserung des Stadtraumes vorgenommen: die Steinenvorstadt ist verkehrsbefreit. Doch einladende Aufenthalts- oder Versammlungszonen, Durchmischung unterschiedli chen Publikums jenseits von Kommerzialisierung fn det hier nicht statt. Weiter hat sich die Steinenvorstadt in den Köpfen der Bewohner*innen Basels als sozialer Brennpunkt festgesetzt – es herrscht ein angespann tes Klima und das auf vielfacher Ebene. Uns interes sieren sowohl die sozialen Aspekte, als auch die klima tischen Bedingungen, die diesen Ort ausmachen.

Wie können wir die Steinenvorstadt in einen zu kunftsfähigen Raum transformieren, der visionär für ein nachhaltiges Zusammenleben in der Stadt stehen kann?

FRAGESTELLUNG

Wie sieht ein zeitgemässes Leben in urbanem Raum aus, welches alle Gesellschaftsschichten integriert? Wie sieht zukünftiger, zukunftsfähiger Stadtraum aus? Und welchen Herausforderungen muss urbaner Raum künftig begegnen? Wie kann urbaner Raum eine gesellschaftliche Transformation begünstigen, herbeiführen und/oder mitprägen? Wie kann urbaner Raum sozial gerecht, gemeinschaftlich, nachhaltig funktionieren? Wie kann urbaner Raum fexibel ge staltet werden und von Menschen unterschiedlich an geeignet werden? Wie wollen wir uns, jenseits von Kommerz, als Menschen in der Stadt begegnen und uns aufhalten? Auf welche Herausforderungen wird urbaner Raum bezüglich verändernden klimatischen Bedingungen reagieren müssen? Wie kann sich ur baner Raum auf den Klimawandel wappnen und dar auf reagieren?Wiestellen wir uns eine Gesellschaft vor, die nicht auf wirtschaftliches Wachstum setzt, sondern auf Umweltfreundlichkeit, auf soziale Nachhaltigkeit, Soli darität, Gemeinschaftlichkeit, auf lokale Identität, auf Respekt vor Pfanzen- und Tierwelt? Wie sieht das gute Leben in einer reduktiven, nachhaltigen moder nen Gesellschaft aus?

TERTHEMAS INNENRAUM UND URBANER RAUM, URBAN SCENOGRAPHY

BILD Raumlabor Berlin Das „Küchenmonument“, eine mobile Skulptur. raumlabor.net/kuchenmonument/, 22.01.2020 BILD: Superstudio: Die Zukunft als Mega-Objekt, eine Ebene für das Leben: Il Monumento Continuo, das sich durch Städte, Wiesen und Wälder zieht, jekt-die-irren-ideen-des-superstudio/3619.www.e9.community/t/die-zukunft-als-mega-ob(11.08.2020)

– Nutzer*innen, Anwohner*innen, wer verbringt Freizeit vor Ort? Arbeitet da? – Ungewohnte, unvorhergesehene Aneignung des Raumes

PHASE Stadtforschung Steinenvorstadt und inhaltliche Recherche 19. Februar 2020 – 19. März 2020 2. PHASE Anliegen ausformulieren und Entwurf Szenario 25. März 2020 – 23. April 2020 3. PHASE Ausarbeitung fnales Szenario in passender Form 29. April 2020 – 11. Juni 2020

4. Abschliessend oder kontinuierlich während dem Prozess: Form der Veröffentlichung der Arbeit oder Teilen davon, im Projektverlauf zu bestimmen1.1STADTFORSCHUNG

struk

FÜR DIE STADTFORSCHUNG

– Fussgängerströme (zu unterschiedlichen Zeiten)

– Wohnfäche – Materialien vor WÜNSCHE/VORSCHLÄGEOrt

turiert:1.

16AufgabenstellungPROJEKTPHASENDasSemesterwirdinfolgendenProjektphasen

AUFGABENSTELLUNGüben.STADTFORSCHUNG

In einem gemeinschaftlichen Prozess in der Klasse werden die Kleingruppen für die Stadtforschung vor Ort aufgeteilt. Parallel wird im Plenum entschieden, wer mit welcher Strategie wie und wo vorgehen wird. Für den beschriebenen Prozess wird der Nachmittag des 19. Februar zur Verfügung stehen, für die Feldfor schung vor Ort sind die folgenden zwei Tage, 20. und 21. Februar reserviert. Gemeinsam wird überprüft und entschieden, wie man sich zeitlich und örtlich aufteilen kann und welche Strategien für welche Gruppe Sinn machen, wer welche Formen anwenden wird – es kön nen auch Mischformen oder mehrere Strategien ange wendet werden. Dabei wird von der Gruppe die ganze Steinenvorstadt (räumlich gesehen), dessen Leben (alle Nutzer*innen, alle Bewohner*innen, alle unter schiedlichen Gruppen, die sich dort durchbewegen, aufhalten, Freizeit oder Arbeitszeit vor Ort verbringen etc.) sowie zu allen Tageszeiten mit der Stadtfor schung vor Ort abgedeckt. Die Kleingruppen arbeiten sich eigenständig in eine (oder mehrere) der am 19. Februar vorgestellten Strategien der Feldforschung ein. Es wird weiter auch geplant, mit welchen Medien die Feldforschung doku mentiert wird (Fotografe, Film, Audio, per Skizzieren, per Schriftlichem Protokoll, per Plänen/Karten, Colla gen, experimentelle Mischformen etc.) Das benötigte Equipment muss am Vortag bereits organisiert werden.

INVENTARISIERUNG

– Grünfächen, Einsatz von Natur

Neben der freien Arbeit vor Ort, dessen Ziel es ist, ins Leben und in den urbanen Kontext der Steinenvor stadt einzutauchen, wird parallel eine Aufgabe mitge geben. Um der ganzen Gruppe eine Art Inventarisie rung der Steinenvorstadt als Fundament für die folgende Projektarbeit mitzugeben, werden in den Kleingruppen jeweils zwei Parameter verteilt. Diese Parameter werden vor Ort analysiert und in einer Art Statistik oder Bestandsaufnahme festgehalten. Dabei stehen folgende Fragen im Zentrum: In welcher Form kann der untersuchte Punkt gemessen und festgehal ten werden? Wie steht er im Kontext und Verhältnis zum restlichen Stadtraum? Welchen Anteil nehmen die bearbeiteten Punkte im untersuchten Perimeter ein? Wie viel werden sie genutzt, von wem und zu wel cher PARAMETERUhrzeit?

STEINENVORSTADT Als Ausgangslage für nachhaltige, zukunftsfähige Ge staltung sehen wir u.a. die Fähigkeit, einen Ort zusam men mit dessen Kontext, dessen Geschichte, dessen Leben, dessen Nutzer*innen ergebnisoffen wahrzuneh men und aus unterschiedlichen Perspektiven und Zu gängen möglichst ganzheitlich zu erfassen. Als Einstieg in dieses Semesterprojekt nehmen wir die Steinenvorstadt in Basel genau unter die Lupe. Noch ganz oder möglichst unbefangen begeben wir uns vor Ort und versuchen in unterschiedlichen Strategien den urbanen Raum in der Steinenvorstadt zu erforschen. Wesentliches Ziel dabei ist es, sich dem Ort und dem da rin stattfndenden Leben hinzugeben, möglichste viele unterschiedliche Kenntnisse dieses spezifschen urba nen Raumes zu sammeln. Im Voraus werden wir uns un terschiedliche Strategien der Stadtforschung ansehen, in diese einlesen, die Vorgehensweisen aneignen und gegebenenfalls eigenständig anpassen. Vor Ort werden wir diese unterschiedlichen Vorgehensweisen erproben und uns somit in dieser Praxis

– Aufenthaltszonen ohne Konsumzwang – Bewegungsräume (Fussgänger, Auto, Fahr rad) und Verbindungen – Parkplätze – Konsumfächen (Gastro, Detailhandel, etc.)

– Perspektivenwechsel: die Lebensrealität eines Menschen vor Ort einfangen – Jemanden vor Ort als Tandempartner fnden, der für den Prozessverlauf während des Semesters als Expert*in die Arbeit mitbegleitet und regelmäs sig kommentiert.

DER UNTERSUCHUNG

BILD: Researchwall, Olafur Eliasson in Symbiotic schungKenntnisseerstenzukunftsfähigenThementer,AufThemenfelderDieEndevertiefterSemestersermöglichen,nenUmsymbiotisches-sehenwww.swiss-architects.com/de/architecture-news/gefunden/Seeing,(14.02.2020)1.2ERARBEITUNGEINESRECHERCHEFUNDUSIMKOLLEKTIVnebendemGefässder«SchuledesDenkens»eireichhaltigenNährbodenfürdieProjektarbeitzuteilenwirinderGruppezuBeginndesRecherchethemenauf.DiesewerdeninRecherchearbeiterschlossenundgegendererstenProjektphasederGruppevorgestellt.Gruppewirdgemeinsamentscheiden,welchebearbeitetwerdenmöchten.1.3ANALYSEDERERGEBNISSEUNDFORMULIERUNGEINESANLIEGENSdieersteTeamkritikgibteseinweiteresZeitfensinwelchemdieMöglichkeitbesteht,nochmalsnachzugehen,welchealsrelevantfüreinenurbanenRaumerachtetwerden.AlsweiterführendenSchrittundAbschlussderProjektphasewerdenallegesammeltenausRechrechearbeitundStadtforanalysiert.UnterschiedlicheErgebnissedür fen hier zusammenfiessen und verwoben werden. Die Arbeit in Zweiergruppen oder als einzelne Person steht zu diesem Moment offen. Aus dem gewonnen Fundus soll eine Art eige ner Themenkosmus erstellt werden, aus dem ein indi vidueller Zugang zur Thematik resultiert. Diese Ord nung und Analyse wird bei der ersten Teamkritik vorgestellt. Abschliessend wird jede Gruppe oder Ein zelperson Position beziehen und ein eigenes Anliegen für einen zukunftsfähigen urbanen Raum Basels for mulieren.

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Ein Artikel des Bundesamt für politische Bildung, Autor: StefanDASHradilPOTENTIAL VON SZENARIEN Wie kommt man dem starken Bedürfnis nach, Kennt nisse über die Zukunft zu erlangen? Grundsätzlich gibt es drei Arten um vorhersagen zu treffen: Progno sen, Vorausrechnungen und Szenarien. Da Progno sen und Vorausrechnungen sehr ungewiss sind, bie tet es sich an Szenarien zu entwerfen. Es gibt im Wesentlichen drei Arten, in die Zu kunft zu schauen: Prognosen, Vorausrechnungen und Szenarien. Prognosen benennen mehr oder min der genau Ort, Zeitpunkt, Umfang und Wahrschein lichkeit zukünftiger Gegebenheiten. Vorausrechnun gen bestehen aus exakten, bestimmte Trends in ihrem Zeitverlauf quantifzierenden Berechnungen, die oft mehrere Varianten enthalten, je nachdem, welche An nahmen über Voraussetzungen und Begleiterschei nungen (z. B. die künftigen Zuwanderungen) zugrun de gelegt werden. Szenarien hingegen sind Vereinfachungen, die bestimmte Entwicklungen be wusst überzeichnen, um z. B. auf gefahrvolle Konse quenzen, auf zu treffende Maßnahmen oder verfüg bare Optionen aufmerksam zu machen.

Prognosen, erst recht Vorausrechnungen, die sich auf gesellschaftliche, wirtschaftliche und politi sche Prozesse beziehen, gelten als schwierig und ris kant. Denn sie müssen unter anderem die Entschei dungen »eigensinniger« individueller und kollektiver Akteure einkalkulieren, die sich nicht hinreichend vor hersagen lassen. Zudem erzeugt eine Vielzahl von Einfussfaktoren in ihrem Zusammen- und Entgegen wirken schwer prognostizierbare Gesamtwirkungen.

Schließlich können die Voraussagen selbst die Ge sellschaft verändern. Es fragt sich nur, in welcher Richtung: als «self-fulflling»- oder als «self-destroy ing-prophecies». Oft kommt es daher ganz anders, als vorauszusehen war. Viele Prognosen und Voraus rechnungen haben sich in der Geschichte der Sozialund Wirtschaftswissenschaften als falsch erwiesen. Dies schließt nicht aus, dass auf Teilgebieten gesell schaftliche, wirtschaftliche oder politische Prognosen (und sogar Vorausberechnungen) mit großer Sicherheit erstellt werden können. (...) Wenn also einerseits ein starkes Bedürfnis besteht, Kenntnisse über die Zukunft zu erlangen, ande rerseits Prognosen unverantwortlich erscheinen, dann bietet es sich an, Szenarien zu entwerfen. Sie sagen nicht voraus, wie die Zukunft sein wird, sondern wie sie möglicherweise sein könnte. 1 1 Artikel online publiziert am 31.05.2012 auf: (22.01.2020)kunde/139121/wie-laesst-sich-in-die-zukunft-schauen,politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialwww.bpb.de/

Oktober 2020, www.howtoact.de/#Sym posium (20.01.2020)

Als Gestalter*innen ist es unsere Aufgabe, Menschen zu erreichen, ihnen Botschaften zu vermitteln, Gutes und Aneignungsfähiges für sie zu schaffen. Sicher ha ben Gestalter*innen in der Vergangenheit u.a. auch viel zum aktuellen Missstand der Welt beigetragen. Auf der anderen Seite war es schon immer eine zent rale Aufgabe als Gestalter*innen unsere Lebenswelt und unsere Kultur kritisch zu befragen, diese zu spie geln, auf Missstände aufmerksam zu machen, mit kreativer Kraft neue, alternative Perspektiven zu er schaffen und im besten Fall umzusetzen und in der Alltagspraxis zu implementieren. Dass wir schnell handeln müssen ist inzwi schen in der breiten Bevölkerung angekommen, trotz dem herrscht noch viel Ratlosigkeit gegenüber dem grossen Berg an Arbeit. Wir sind davon überzeugt, es braucht viele unterschiedliche Transformationen und wir sind alle daran beteiligt. So nehmen wir uns ein Fokus, der in unserer Disziplin liegt: LEBENSRAUM und STADT-KLIMA sollen uns dieses Semester be schäftigen. Wir konzentrieren uns auf das Leben in der Stadt, unser Zusammenleben im urbanen Raum und fragen uns, welche Rolle die urban scenography dabei einnehmenNACHHALTIGKEITkann.

WAHRNEHMEN

18Unsere Rolle als Gestal -

ter*innenVERANTWORTUNG

IN DER LEHRE

Als sehr hilfreich für unsere Lehrmethodik erschie nen uns Elsia und die drei diagrammatischen Folien zu den Ebenen Kontext, Zeit und Raum, welche wir konsequent in jedem Designprozess berücksichti gen

In der Lehre des Instituts für Innenarchitektur und Szeno grafe ist es uns ein grosses Anliegen, Nachhaltigkeit als Teil des Curriculums zu vermitteln. Die Bearbeitung akut relevanter, zeitgemässer Themen bereichert das Ler numfeld ungemein und fördert die Motivation auf beiden Seiten − bei Studierenden wie auch Dozierenden. Es stellt sich die Frage: Inwieweit können wir als Desig ner*innen oder Gestalter*innen dazu beitragen, eine nachhaltigere Gesellschaft zu prägen? Teamgeist erwacht, wenn Studierende gleich gestellt mit den Lehrenden Neuland erkunden, refektieren und Victorevaluieren.Papanek unterrichtete bereits in den 1970er-Jahren systemisches Denken und die Einbe ziehung unterschiedlichster Gesellschaftsgruppen in den Entwurfsprozess. Inhärente Botschaft war: Nach haltigkeit darf nicht rein auf Materialbedenken und Recycling reduziert werden, sie muss als ganzheitli ches Lebenssystem verstanden werden und somit unsere Einstellung und unser Verständnis für das Sein auf dieser Erde nachhaltig prägen. Während eines Drei-Tage-Workshops des Do zierendenteams mit Tom Bosschaerd, Gründer und Direktor von EXCEPT, im Sommer 2018 wurde uns die SID-Methode nähergebracht. Tom Bosschaerd entwickelte mit seinem Team im Büro EXCEPT über Jahre hinweg eine Methode, welche nun open source in Form des SID Quickguide heruntergeladen werden kann.

BILD:müssen.HowtoAct-Symposium

Nachhaltigkeit in der LehreWICHTIGER

19 Schule des Denkens NEUE, ANDERE POSITIONEN DENKEN

Unser Denken ist geprägt durch eine Kultur, die unse re Welt zu dem Punkt gebracht hat, an dem sie heute steht. Unser Fokus lag lange auf Material und Form, auf Sichtbarkeit, auf einer grossen, steigenden Pro duktion, ohne weiter zu refektieren, was eigentlich wirklich gebraucht wurde. Die Hierarchien zwischen einem globalen Süden und einem globalen Norden sit zen oft selbstverständlich und unhinterfragt in unse ren Köpfen. Ebenso praktizieren wir die Ausblendun gen von Präsenz und Bedürfnissen weniger privilegierter Gruppen, aber auch die Selbstverständ lichkeit von fragwürdigen Machtverhältnissen, die ei ner nachhaltigen, gerechten Welt im Wege stehen. Um uns in neuem, anderem – sozusagen zu kunftsfähigem – Denken zu üben, werden wir in die sem Semester gemeinsam als Gruppe ein Repertoire aus wichtigen, zeitgemässen Schriften der Theorie so wie Positionen in der Gestaltung erarbeiten. Dies soll uns auch neue Perspektiven für die eigene gestalteri sche Praxis öffnen. Wir suchen darüber hinaus nach Verfechtungen von Theorie und Praxis und werden konkrete Methoden im Prozess anwenden, wie bei spielsweise die unterschiedlichen Strategien der Stadtforschung oder die Methode SiD. Wir widmen uns im Kollektiv Fragen wie: Wie sieht die Zukunftsperspektive unseres Berufs aus? Welche Rollen können wir als Gestalter*innen in einer Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Gesell schaft einnehmen? Wo und in welcher Form wird (räumliche) Gestaltung in Zukunft wichtig sein? In wel chen Punkten müssen wir selbstkritisch unsere Praxis ändern, um eine nachhaltige Welt zu befördern? Und wie kann dies konkret aussehen? Welche Gestal tungsparameter und Vorgehensweisen können wir dabei festlegen?«DieSchule des Denkens» wird uns das ganze Semester hindurch begleiten. Dieses Format wird immer donnerstags ab 16 Uhr stattfnden. In diesem Zeitfenster werden wir Texte lesen und diskutieren, werden wird interessante Positionen aus der Wissen schaft und der Praxis zu uns auf den Campus einladen und uns ihr Wissen und ihre Haltung anhören, wir wer den Dokumentationen oder Talks von namhaften Men schen aus dem Dunstkreis unseres Themenfeldes an sehen.

FOKUS IN DER LEHRE

In der Lehre des Instituts für Innenarchitektur und Szeno grafe ist es uns ein grosses Anliegen, Nachhaltigkeit als Teil des Curriculums zu vermitteln. Die Bearbeitung akut relevanter, zeitgemässer Themen bereichert das Ler numfeld ungemein und fördert die Motivation auf beiden Seiten − bei Studierenden wie auch Dozierenden. Es stellt sich die Frage: Inwieweit können wir als Desig ner*innen oder Gestalter*innen dazu beitragen, eine nachhaltigere Gesellschaft zu prägen? Teamgeist erwacht, wenn Studierende gleichge stellt mit den Lehrenden Neuland erkunden, refektieren und evaluieren.VictorPapanek unterrichtete bereits in den 1970er-Jahren systemisches Denken und die Einbezie hung unterschiedlichster Gesellschaftsgruppen in den Entwurfsprozess. Inhärente Botschaft war: Nachhaltig keit darf nicht rein auf Materialbedenken und Recycling reduziert werden, sie muss als ganzheitliches Lebens system verstanden werden und somit unsere Einstel lung und unser Verständnis für das Sein auf dieser Erde nachhaltig prägen. Während eines Drei-Tage-Workshops des Do zierendenteams mit Tom Bosschaerd, Gründer und Direktor von EXCEPT, im Sommer 2018 wurde uns die SID-Methode nähergebracht. Tom Bosschaerd entwickelte mit seinem Team im Büro EXCEPT über Jahre hinweg eine Methode, welche nun open sour ce in Form des SID Quickguide heruntergeladen werdenAlskann.sehr hilfreich für unsere Lehrmethodik er schienen uns Elsia und die drei diagrammatischen Fo lien zu den Ebenen Kontext, Zeit und Raum, welche wir konsequent in jedem Designprozess berücksichti gen müssen.

Urbaner Kontext BILD: Die Steinenvorstadt. Swissimage, Bundesamt für Landestopografe. (20.01.2020)

«Städte sind komplexe Felder zwischen divergenten Interessen und Lebensmodellen. Sie sind zugleich Artefakte und Prozesse, da sie sich als physische, gesellschaftliche, politische und ökonomische Umgebungen stets im Wandel befnden. Die schnellen Entwicklungen im fortgeschrittenen Spätkapitalismus erfordern mit erneuerter Dringlichkeit, alternative Möglichkeiten der Stadtgestaltung hervorzubringen.

2 Hrsg.: Assmann Katja, Bader Markus, Shipwright Fiona, Talevi Rosario: Exploration in Urban Practice. dpr-barcelo na, Barcelona, 2017 : S. 25. 3 Eine Gruppe von Architekt*innen bezieht Position zur Frage was bedeutet Stadt und wie sieht ihre Zukunft aus. Diese Aussage stammt von Ebers hen_Position_1416733.html,baunetz.de/meldungen/Meldungen-Architekten_bezieArchitekten.(22.01.2020)

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Diese neuen Modelle sollten sich in den Komplexitäten bewegen, Gleichzeitigkeiten erkennen und Wege fnden können, um eine soziale urbane Praxis zu ermöglichen. Urbane Praxis kann als transversaler Ansatz für die Umsetzung räumlicher Veränderung verstanden werden. Es ist eine soziale und gemeinschaftliche Praxis, denn die Kunst der Stadtgestaltung kann nicht auf eine einzige Disziplin begrenzt oder einer binären Logik von Problem und Lösung entworfen werden.» 2 Exploration in Urban Practice

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Ebers Architekten

«Stadt ist dort, wo die Dichte von Innen- und Aussenräumen zusammen Orte ergibt, in denen Handlung und Bedeutung zur Form wird. Jedes Haus ist einzigartig und Kommentar seines Kontextes. Architektur muss Aneignung ermöglichen und die Räume der Gegenwart für die Zukunft abbilden»3

24Der Birsig Der Birsig entspringt in der Nähe des elsässischen Wol schwiler und strebt in 21 Kilometer langem Lauf durchs Leimental dem Rhein entgegen. Angereichert wird er durch den im Allschwiler Wald entspringenden Doren bach, der ihm beim Margarethenbrücklein zufiesst.4

Die Keimzelle Basels liegt auf dem Münsterhü gel, wo in der Antike schon die Kelten siedelten. Zu Füssen des Hügels fiesst der Birsig zum Rhein. Sein Tal prägt noch heute das Bild der Grossbasler Innen stadt, auch wenn der Fluss selbst längst nicht mehr zu sehen ist. Als er im Mittelalter noch offen foss, war er die Lebensader der so genannten Talstadt, die an sei nen Ufern heranwuchs Es liegt nahe, dass ein fiessendes Gewässer die Entwicklung einer Siedlung förderte und auch die Grundlage für die Entstehung von Gewerbe bot, wel ches Wasser brauchte. Am Fusse des Petersbergs entstand etwa am Ort des heutigen Spiegelhof ab dem 9. Jahrhundert eine Siedlung. Dort wurde unter ande rem Metall und Leder verarbeitet, wie Ausgrabungen 2018 erneut belegten. In schlichten Holzhäusern lebte die frühe Bevöl kerung am Birsig, dessen Lauf im 10. und 11. Jahrhun dert eingedämmt wurde. Ausgrabungen an der Stadt hausgasse 20 förderten 1981 mächtige Eichenstämme zutage, die von der Uferverbauung stammten. Der zu vor frei fiessende Birsig wurde reguliert, womit die Grundlage für eine sichere Besiedlung entlang seiner Ufer geschaffen wurde. (...) Der Birsig gab dem Steinenquartier den Namen. Sein mit Steinen bedecktes Ufergebiet war der Ur sprung der Redewendung «in der Steinen». An der oberen Steinen foss er seit dem späten 14. Jahrhun dert neben dem Steinentor in die Stadt. Vor dem Bau der äusseren Stadtmauer nach dem Erdbeben 1356 lag der Birsigeinfuss an Fuss des Steinenbergs beim Wasserturm der inneren Stadtmauer. (...) Schon im Mittelalter wurde mit der Überdeckung des Birsig begonnen.5 Über das offene Flussbett spannten sich auf Stadtgebiet mehrere Stege und Brücken. In der Steinenvorstadt konnte der Birsig beim Tor, unterhalb des Klosterbergs, bei der Webernzunft und beim Wasserturm überquert werden. (...) Mit Ge wölben überdeckt war der Birsig einzig dort, wo Markt gehalten wurde: am Barfüsserplatz, am Kornmarkt und am Fischmarkt. 1760 wurde der Birsig auch zwi schen dem Kronengässlein und dem Blumenplatz (vor dem Hotel Drei Könige) überwölbt. (...) Verschiedene Male trug der Birsig durch gewal tige Wassermassen, die in wildem Sturm über die Ufer traten und ungeheuren Schaden anrichteten, grosses Unheil in die Stadt. (...) So gefährlich der Birsig bei Hochwasser war, so unerträglich war er bei Wasser mangel und Trockenheit. Enea Silvio nannte ihn die grosse Kloake der Stadt und Rudolf Wackernagel schilderte ihn als einen mächtigen stinkenden Pfuhl, eine die ganze Stadt durchziehende Pfütze, in die nach Belieben alles geworfen werde (...).6 An der Ufer linie angelegte Rinnen sollten in seinem unebenen Bett dafür sorgen, dass jener Unrat weggeschwemmt wurde, den Anwohner aus ihren Häusern in ihn hinein warfen. Die Rinnen mussten nach jedem Hochwasser neu ausgehoben werden. Im 19. Jahrhundert gab es 125 Abtritte (WC`s) entlang des Birsig in der Stadt. Diese Abtritte, die auf allen Etagen wie hölzerne Erker über die Ufer ragten, wurden im Volksmund auch «Or gelpfeifen» genannt. Zu den Abtritten kamen 16 Dolen, die Abwasser in den Fluss leiteten. In den warmen Mo naten des Jahres verbreiteten nicht nur die Fäkalien einen üblen Gerucht. Auch Tierkadaver wurden häufg erschreckend unbesorgt in den seichten Birsig gewor fen. Bis in die 1870er Jahre gab es zudem beim heuti gen Marktplatz die School (Fleischhalle mit Schlacht haus) der Metzger, wo man Schlachtabfälle im fiessenden Birsig entsorgte. Bei der Beseitigung des Unrats im Bett des Birsig verliess man sich noch ins 19. Jahrhundert auf die Hochwasser. Da der Fluss we nig Gefälle hatte, blieb dennoch vieles liegen das er nicht wegzutragen vermochte. (...) Das bequeme Entsorgen des Hausabfalls im Birsig sollte sich immer wieder rächen. Ein seichtes Gewäs ser voller menschlicher Fäkalien und anderem musste zwangsläufg zur Gefahr für das Grundwasser werden. (...) Der offene Birsig war ein Seuchenherd voller Bakte rien. (...) Der offene Birsig war eine Gefahr für die Ge sundheit der Bevölkerung der begegnet werden muss te. Über die Vorgehensweise war man sich aber uneins. Einige Kreise drängten darauf, das Flussbett nur zu überwölben und das Problem lediglich optisch zu besei tigen. Andere glaubten, dass man bloss die Flussrinnen an den Ufern verbessern müsse. Beides war keine wirk liche Lösung.EinProjekt zur Kanalisierung scheiterte 1876 am Novum des Referendums, bei welchem das Stimmvolk das Vorhaben verwarf. Hinter der Ablehnung standen zum einen die Besitzer anliegender Häuser, welche hohe Kosten mit der Sanierung befürchteten. Zum an deren waren viele Leute der Meinung, dass der Bau ei ner zweiten Rheinbrücke vorerst wichtiger war als eine Birsigsanierung.Eineerste Teilkorrektion des Flusses fand schliesslich 1885 Billigung. Das Ziel des Projekts war die weitgehende Überwölbung des Birsig inklusive der Sanierung seines Betts. Begonnen wurde mit dem Abschnitt zwischen Hauptpost und Barfüsserplatz. Dort verschwanden 1887/90 die Aussentoiletten an den Fassaden und wurden durch Balkone ersetzt. Der Birsig be kam ein gemauertes Bett. In einer zweiten Etappe folgte 1897 die Überwöl bung der Flusspartie zwischen Fischmarkt und Schiff lände. Der in der vorangegangenen Bauetappe kanali sierte Abschnitt zwischen Hauptpost und Barfüsserplatz sollte nun überwölbt und als neue Verkehrsader genutzt werden. Das Projekt wurde im Jahr 1898 vom Grossen Rat verabschiedet und konnte bis 1900 vollendet wer den. Das seit 1895 durch die obere Gerbergasse fah rende Tram konnte jetzt durch diese moderne und brei te Strasse geführt werden. An die veränderte Linienführung erinnert noch heute die S-Kurve des Trams vor Hauptpost.

PLAN: Löffelplan mit vielrorts noch offenem Birsigverlauf – erstellt um temid=126&hmvObject=197,www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=144&I1857-59,(10.2.2020)MitdervollständigenÜberdeckungdesBirsigzwischen

7 www.altbasel.ch/dossier/birsig.html, (10.2.2020) 8 (10.2.2020)www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100365/000000365818.pdf

Der überdeckte Birsig schaffte aber nicht nur ober irdische Nutzfäche, sondern der neu entstandene unter irdische Raum («Birsigtunnel») konnte zusätzlich als Lei tungstunnel verwendet werden (Bild 4). Heute verlaufen in diesem Bereich grosskalibrige Versorgungsleitungen der Industriellen Werke Basel, Fernwärme und Elektrizi tät, sowie anderer Infrastrukturanbieter. 8 Obwohl der Birsig heute bei der Heuwaage im Bo den verschwindet, taucht er in Projekten zuweilen wie der auf. 2008 bemühte sich eine politische Partei um die Freilegung des Birsig im Bereich der Steinenvorstadt,

Schiffände und Barfüsserplatz war um 1900 die erste Etappe der Überwölbung abgeschlossen. Fast ein hal bes Jahrhundert später folgte die zweite Etappe. 1948/50 deckte man die Partie in der Steinenvorstadt ein (heute Birsigparkplatz). 1953 erfolgte die abschliessende Über wölbung des Birsig unterhalb der Heuwaage.7

um den Birsigparkplatz in eine Rivetta umzugestalten. Das Vorhaben sollte sich jedoch nicht durchsetzen, und so bleibt der Fluss vorwiegend weiterhin im Unter grund.94

w=article&id=197:birsig&catid=55&Itemid=139,www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_content&vie(10.2.2020) 5 www.altbasel.ch/dossier/birsig.html, (10.2.2020) 6 (10.2.2020)view=article&id=197:birsig&catid=55&Itemid=139,www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_content&

9 www.altbasel.ch/dossier/birsig.html, (10.2.2020)

Historischer Blick auf den Birsig

BILD RECHTS: Der Birsig in der Steinen, Blick von der Lohhofbrü cke fussaufwärts, rechts Hinterseite der Häuser an der Steinentorstra sse, links die am Steinenbachgässlein, im Hintergrund die neue Elisa bethenkirche. Aquarell von J.J. Schneider um 1865, tid=55&Itemid=139ch/index.php?option=com_content&view=article&id=197:birsig&caSchneiderBildmitteStadtmauerBILDtid=55&Itemid=139(10.2.2020)ch/index.php?option=com_content&view=article&id=197:birsig&cawww.basler-bauten.UNTEN:FlusseinlaufdesBirsigindieSteinen,hinterdermitWehranlage,linksimHintergrundSteinentor,inderLohhofbrückeundrechtsLohhofgebäude.AquarellvonJ.J.1865.AusStaatsarchivBasel-Stadt,www.basler-bauten.(10.2.2020)

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27 BILD OBEN: Birsigbett, zwischen Klosterbergbrücke und BILDtaItem-il6t27l91www.verschwundenesbasel.com/der-birsig-um-1886?lightbox=daTheatersteg,(10.2.2020)LINKS:InderSteinenbliebderBirsigamlängstenoffen:Birsig in der Steinen, vermutlich vor 1864. Schwarzweiss-Fotografe, Staatsarchiv Basel-Stadt, Fotoarchiv Höfinger B 63, www.regionatur.ch/Orte/Natur (10.2.2020)raeume-Flusslandschaften/Birsig-Marchbach?a=image&bild_id=7682

«DerBirsigführungBirsig–früherEnergielieferant (Rümelinsbach) und Kanalisation – wurde in den letzten Jahrhunderten schrittweise überdeckt. Der Stadtbach wird heute kaum mehr wahrgenommen, obwohl er die heutige Gestalt der Stadt deutlich mitprägte.» 10 Die Birsigführung: Ein Spaziergang durch den Birsigtun nel mit historischen Rückblicken und Bezug zum aktuel len Stadtkontext.10www.ideenreich.ch/ (06.08.2021)

BILDER: Birsigführung, Aufnahmen Eva Hauck und Lea Kuhn

30 PLAN: Birsigtunnel Querschnitt, ohne Massstab, www.grosserrat. bs.ch/dokumente/100365/000000365818.pdf , (10.2.2020) Querschnitt Birsigtunnelsdesheute

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DIE VORSTADT

DIE BEVÖLKERUNG

DIE POLITISCHEN ORGANISATIONEN

In Steinen haben im 15. Jahrhundert viele Weber, Blei cher und Färber gelebt und gearbeitet, welche im Ver gleich zu anderem Handwerker eher armselig gewe sen waren. Das Potenzial zu einer revolutionären Bewegung war da am grössten und ist den Steinlemer habe dann am anfangs des 16. Jahrhundert zu dem eifrigsten Unterstützer der Reformation gehört. 11

PLAN LINKS: Stadtplan 1946, www.baslerstadtbuch.ch (18.08.2021)

BILD MITTE: Die Zunftstube, ch/archivBILDhistorischelandkarten/?p=304PLANvon-750-jahren-ubrig-bleibt-ld.1525259silberbecher-wappen-und-symbole-sollen-nicht-alles-sein-was-www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/(18.08.2021)RECHTSOBEN:Stadtplan1642,www.landkartenindex.de/(18.08.2021)RECHTSUNTEN:SiegelderWeberzunft,www.webernzunft.(18.08.2021)

Die Steinenvorstadt ist draussen vor den Stadtmauern im Birsigtal entstanden. Es hat wahrscheinlich schon eine Vorbefestigung gegeben, bevor man im 14. Jahr hundert die äussere Stadtmauer gebaut hat und in Steinen wie alle anderen Vorstadt von den an sicher hinter der grossen Stadt Bauer gewesen ist. In der Alt stadt hat man durch das alte Eselturm oder zu Fuss durch das Eseltürmchen neben dem Eseltor beim Bar füsserplatz gehen können. Zu Stadt raus musste man dann durch das Steinentor und von dort ist man am Birsig entlang in das Leimental gekommen. Die Birsig ist lange offen durch die Vorstadt ge fossen mit Weidenbäume und Geröll an seinem Ufer und es hat viele Brücken und Stege. Immer wieder gab es Hochwasser, welches viel Schaden angerichtet hat oder er ist fast ausgetrocknet und der ganze Dreck ist liegen geblieben und hat begonnen zu stinken.

Die Weber sind seit 1238 In der Zunft der Weber orga nisiert gewesen. Zuerst war die Zunft an der Weber gasse (heute die untere Heuwaage) zu Hause gewe sen, seit 1360 ist sie der Steinenvorstadt zugehörig. Ausser ihren Pfichten als Zunft hat sie lange auch die Rolle gespielt, welchen in anderen Vorstädten die Vor stadtgesellschaften gespielt hatte. So hat sie sich dar um gekümmert, dass sich die Leute anständig benom men haben, hat die Strassen- und Brunnenordnung durchgesetzt, hat Abhilfe gesucht, wenn die bis ich wieder mal Hochwasser gehabt hat, hat zusammen mit der Äschenvorstadt Hirte anstellte um das Vieh von den Einwohner in den Wald zu bringen, hat aufge passt, dass niemand im Bach fschen ging, hat die Vor stadt bewacht, ist für die Feuerschau verantwortlich gewesen und hat bei kleinen Handel aus Friedensge richt fungiert. Für das haben sie 1584 eine Urkunde erhalten. 1757 haben die Weber aber genug gehabt und haben vom Rat verlangt, dass sie die Zunft von Aufgaben, welche die Vorstadtgesellschaften über nehmen sollte, wurden sie befreit und im Sommer die ses Jahres ist die Vorstadtgesellschaft zu den drei Eidgenossen gegründet worden. 12 11 www.wikipedia.org/wiki/Steinen-Vorstadt (18.08.2021) 12 www.wikipedia.org/wiki/Steinen-Vorstadt (18.08.2021)

DER NAME Der Name von Stein kommt vom Geröll welche die Bir sig dort abgelagert hat. Schon 1231 ist die Gegend als ad lapides (an den Steinen) bezeichnet worden. Zur Steinenvorstadt haben auch alle anderen Strassen und Gassen ums Steinkloster und den Birsig dazu ge hört, wie der Steinberg, der Stadtmauer noch vom Eseltürchen hoch zum Innern Äschertor geführt hat und welche etwas seit dem 15. Jahrhundert hiess.

32Die Geschichte Steinenvorstadtder

STADT

Seit 1360 stand in der Steinenvorstadt das Zunfthaus der Weber. Umbauten gab es im 15. und im 16.Jh (1560 Verschönerung der Zunftstube,1570/71 Errich tung eines Hintergebäudes). Das Vordergebäude wur de 1830 abgerissen um durch einen Neubau ersetzt zu werden. Im 20.Jh wurde auch dieses Haus abgeris sen, heute steht dort die 1938/39 von den Architekten Walter Spiess und Karl Heinrich Wackernagel erbaute fünfgeschossige Liegenschaft Nr 23.

DAS ZUNFTHAUS IN DER STEINENVOR

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13 www.altbasel.ch/zunft/webern.html

DAS WAPPENTIER DER WEBER

Das Fabeltier Greif mit dem Ellstab in den Klauen tritt schon 1378 auf dem ältesten erhaltenen Siegel der Zunft auf. Nebst seiner Darstellung auf dem Weber brunnen kann man ihn auch noch am genannten Haus Steinenvorstadt Nummer 23 entdecken, wo heute die Zunftstube der Weber untergebracht ist. Er zierte be reits die Fassade des alten Zunfthauses als Malerei zwischen dem ersten und dem zweiten Stock. Am heutigen Haus prangt er golden eine Etage höher an der Fassade neben dem Wappen der Zunft zum Stern, welches 1950 als Zeichen der Freund schaft zwischen den damaligen Zunftmeistern dort an gebracht wurde. Im Hauseingang begrüsst zudem ein stolzer gemalter Greif jene die das Gebäude betreten, er ist neben dem Text abgebildet. 13 (18.08.2021)

34WEBERNBRUNNEN 1672 (Original) / 1925 (Kopie) / 1968 (renoviert) / 1994 (renoviert) Der Brunnenstock ist dreigeteilt. Im unteren Abschnitt hat es Masken und der Mittelteil ist mit Engelsköpfen verziert. Der obere Teil ist mit einem Blumen- und Fruchtbündel versehen. Bekrönt wird dieser Brunnen von einem bewaffneten Bannerträger mit Schwert und Schild. Bei ihm soll es sich um einen Grafen von Thier stein namens Oswald handeln, der im Burgunderkrieg den Adel gegen Karl den Kühnen führte. Auf dem Schild stehen die vier Buchstaben S.P.Q.P., was "se natus populusque basiliensis" bedeutet und besagt, dass Rat und Volk den Brunnen errichtet haben. Die eine Seite der Fahne ist dem Wappen der "Zunft zu Webern" und die andere mit dem Baslerstab ge schmückt. Neben den Füssen des Bannerträgers steht ein Igel. Früher wurden die Igelbälge als Werk zeug zur Herstellung von "Grautüchern" verwendet. Der Igel ist deshalb auch heute noch auf dem Webern banner zu fnden. Seit 1925 wird das Original des Brunnenstocks samt dem Bannerträger im Histori schen Museum aufbewahrt. 14 14 www.brunnenfuehrer.ch/brunnen/webern.html (18.08.2021)

35 BILD LINKS: Ansicht des Webernbrunnensvor der BILDticle&id=179:webernbrunnen&catid=47&Itemid=118www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_content&view=arSteinenvorstadt,(18.08.2021)RECHTS:AnsichtdesWebernbrunnensvorderSteinenvorstadt 27 um 1913, w=article&id=179:webernbrunnen&catid=47&Itemid=118www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_content&vie(18.08.2021)

Basels wildeste Strasse

36 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 1/12 Basels wildeste Strasse M Alexander Preobrajenski (Fotos) und T imo Posselt 20 02 2014, 11:09 Uhr (Bild: Alexander Preobrajenski) M M 20.1.2020 Basels wildeste Strasse | TagesWoche https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 2 12 P P 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche Ging um 8 Uhr zur Arbeit in der «Steinen» und verliess sie morgens um 4 Uhr: Ergün Incesu (Bild: Alexander Preobrajenski) I 20.1.2020 Basels wildeste Strasse | TagesWoche W

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ /12 eine Kloake, heute hippe Ausgeh und Shoppingmeile (Bild: Alexander Preobrajenski) A A I A 20.1.2020 wildeste Strasse TagesWoche

Früher

Basels

A

37 20.1.2020 Basels wildeste Strasse | TagesWoche

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ /12 T T K T

Klamotten

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ /12 D D D D D ie Unia Aktivistin Franziska Stier kämpft gegen T ieflöhne und überlange Arbeitszeiten (Bild: Alexander Preobrajenski) D D D D D 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ /12 h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h h soweit das Auge reicht (Bild: Alexander Preobrajenski) h h h h 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche

ARTIKEL: «Basels wildeste Strasse», Autor Timo Posselt, Fotograf Alexander Preobrajenski, online erschienen am 20.02.2014 auf: www.tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse, (22.02.2020) 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 11/12 Sehen und gesehen werden: D ie Steinen ist auch ein Laufsteg D D D D D D D D 20.1.2020 Basels wildeste Strasse | TagesWoche

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 10/12 m m m m m mm mm m mm m m m m m m m m m m m mm m m m m m T m m m m m m m m mm m m m m 20.1.2020 Basels wildeste Strasse | TagesWoche

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https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 12/12

https://tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/ 12 Kinos, Strassenbeizen, Läden aller Art und auch spät abends flanierende Menschen, soweit das Auge reicht: An der Steinenvorstadt scheint der Mix zu stimmen, seit die Strasse autofrei ist Für die Polizei ist die Steinen andererseits zum «Brennpunkt» geworden (Bild: Alexander Preobrajenski) B B B 20.1.2020 Basels wildeste Strasse TagesWoche

BILDER: Eine Nacht auf dem Laufsteg von Basel: Alexander Preobra jenski fotografert für die Tageswoche. Artikel in Zusammenarbeit mit Timo Posselt online erschienen am 12.02.2014 auf: ch/gesellschaft/eine-nacht-auf-dem-laufsteg-von-basel/www.tageswoche.(22.01.2020)

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Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, 09.12.2019

Präqualifikation,

DOKUMENT: Auszüge aus dem Wettbewerbstext für die Präqualif kation des Studienauftrags zur Umwidmund des Birsig-Palrplatz mit dem Titel «Vom Hinterhof zur Stadtnische – Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel», lanciert durch das Planungsamt Basel Stadt, Städtebau & Architektur. (09.12.2019)

Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister Vorsitzender des Beurteilungsgremiums Vorwort

Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum ist ein wichtiger Aspekt der Lebens- und Standortqualität einer Stadt. Spontane wie geplante Aktivitäten im Freien und der ungezwungene Aufenthalt in öffentlichen Räumen fördern den Zusammenhalt der städtischen Gemeinschaft. Eine hohe Nutzungsdichte sowie ein reichhaltiges Gesellschafts- und vielfältiges Kulturleben schaffen eine urbane Atmosphäre.

Die Stadt Basel erlebt eine zunehmende Lust am öffentlichen Raum. Dabei finden Erholung, Bewegung und Aufenthalt immer öfter auch ausserhalb der gängigen Parkanlagen statt. Plätze und Strassenräume rücken damit stärker in den Fokus einer qualitativ hochwertigen Stadtentwicklung. Der Blick richtet sich vermehrt auf unkonventionelle Orte, etwa den BirsigParkplatz, wo derzeit wertvoller Stadtraum an einer an sich attraktiven Innenstadtlage durch Parkplätze belegt wird. Deren sukzessive Verlagerung in Parkhäuser schafft öffentlichen Raum für weitere Nutzungen. Im konkreten Fall können mit der Realisierung des „Parking Kunstmuseum Basel“ die Parkplätze des Birsig-Parkplatzes aufgelöst werden. Im Gegenzug kann ein vielfältig nutzbarer öffentlicher Raum gewonnen werden. Politische Vorstösse regten bereits in Vergangenheit an, den Birsig-Parkplatz auch für kulturelle Nutzungen freizugeben. Es handelt sich um einen Ort mit vielen Chancen. Er soll mit der Kompensation der Parkplätze bereits jetzt für die nächsten 10-15 Jahre neu gedacht werden, bis dann die notwendige Sanierung der Birsigüberdeckung und damit eine eigentliche Umgestaltung ansteht. Mit diesem frühzeitigen Vorgehen soll eine bislang einzigartige Herangehensweise zur neuen Ausgestaltung des öffentlichen Raums ermöglicht werden. Gesucht werden explizit szenografische Vorgehensweisen, um dem temporären Charakter der Intervention gerecht zu werden. Aufgrund des übergeordneten Charakters der Aufgabenstellung werden die federführenden Büros ermutigt, interdisziplinäre Teams zu bilden.

Der öffentliche Raum ist mehr als der Zwischenraum zwischen Gebäuden. Er entsteht durch Handlung, Wahrnehmung und Vorstellungen der einzelnen Nutzer. Entscheidend wird er über die Atmosphäre definiert. Das durch diese Ausschreibung angestrebte neue Image, einhergehend mit einer neuen Ortsbezeichnung, wird das zukünftige Nutzungsverhalten am Ort beeinflussen. Wir freuen uns auf frische, neue Konzepte, die den heutigen Parkplatz in der Basler Innenstadt positiv zu transformieren vermögen.

40Birsig-ParkplatzWettbewerb

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42 Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 19 / 28

Das Hochhaus Heuwaage Für das Hochhaus Heuwaage (Steinenvorstadt 77/79, Parzelle 1073), welches 1955 erbaut wurde, ist im 2017 ein Studienauftrag ausgeschrieben worden. Die Eigentümerin ist die Basellandschaftliche Pensionskasse. Zu erarbeiten waren Lösungsvorschläge mit einem attraktiven Angebot an Mietwohnungen, Büros und Praxen sowie geeigneter Flächen für Verkaufs-, Dienstleistungs- und Gastronutzungen. Das Projekt von Miller & Maranta wurde von der Jury zur Weiterbearbeitung empfohlen. Zur Steinenvorstadt hin wird eine neue Situation geschaffen. Die heutige blockrandähnlich geschlossene Situation wird geöffnet. Das neue Hochhaus wird freigestellt und wird damit zum Solitär. Die Schaffung eines durchgängigen Platzraums wird eine neue Durchlässigkeit zum Birsig-Parkplatz ermöglichen. Dieser neu gewonnene Freiraum ist im Detail noch nicht definiert. Voraussichtlich ab 2022 soll die Realisierung des Gebäudes beginnen. Die Fertigstellung ist im Jahr 2024 geplant. Der Grundriss des Gebäudes ist im Grundlagenplan bereits aufgenommen (Kapitel 2.9). Die eingereichten Ideen im Rahmen dieses Studienauftrags sollen Vorschläge zum Übergangsbereich des neu geschaffenen Freiraums aufzeigen. Im Anschluss an diesen Studienauftrag wird der neu gewonnene Freiraum in Abstimmung auf die Umwidmung des Birsig-Parkplatzes definiert werden. Mit dem Abriss und dem Bau des Hochhauses wird im südlichen Bereich keine Zufahrt mehr möglich sein. Zudem ist von Bauinstallationsflächen auszugehen.

Aufgabenstellung Heutige Situation Der heutige Birsig-Parkplatz zeichnet sich durch einen eigenwilligen Charakter aus. Er ist zentral gelegen, umgeben von reichlich Publikumsverkehr (Steinenvorstadt, Theaterplatz, TinguelyBrunnen) und entlang einer viel genutzten Verbindung zwischen Barfüsserplatz und dem Zoo Basel beziehungsweise dem Nachtigallenwäldeli. Ein buntes gastronomisches Angebot mit Bars, Einzelhandel und auch Etablissements macht ihn zu einem grundsätzlich gut frequentierten Ort. Derzeit leben rund 300 Einwohner in den angrenzenden Gebäuden des Birsig-Parkplatzes und rund 2‘000 Beschäftigte sind an 200 Arbeitsstätten zu zählen. Zahlreiche Personaleingänge undausgänge werden tagsüber von den Angestellten für kleine Pausen genutzt. Den Schülern des „Academia International School College“ dient der Birsig-Parkplatz als Aufenthaltsort. Zugleich ist der Birsig-Parkplatz aber auch stark befahren. Durch die Parkplatznutzung wird der Raum unübersichtlich und eine soziale Kontrolle ist erschwert. Zudem kann der langestreckte und gebogene Raum nicht als Gesamtes überblickt werden. Abends und nachts wird der Parkplatz von Passanten daher eher gemieden, was seine Entwicklung zu einem sozialen Brennpunkt verstärkt. Einige Fassaden – insbesondere auf der Höhe der unteren Geschosse wie beim Küchlin-Theater – unterstreichen überdies die Hinterhofatmosphäre. Die vereinzelt vorhandene Boulevardgastronomie schafft kleine Refugien, um sich gegenüber der Umgebung abzugrenzen und eigene Räume zu schaffen. Der Veloverkehr führt heute durch die Fahrgasse der Parkplatzsuchenden. Die Fussgänger müssen sich über Schwellen, Schrammborde und zwischen den parkenden Autos sowie durch die wachsende Boulevardgastronomie schlängeln. Die fünf Passagen und zwei Durchgänge, welche durch die Gebäude hindurch auf den Parkplatz führen, sind als solche nicht erkenntlich, und zudem niedrig, meist schlecht beleuchtet, verwinkelt und unübersichtlich. Grundsätzlich sind die Grundvoraussetzungen zu einer positiven Entwicklung durch die vielseitigen Nutzungsangebote der Umgebung – wie Wohnungen, Arbeitsstätten, Einkaufsläden, Restaurants sowie Bars, Kino, das Schauspielhaus, das Stadtcasino und das Theater – gegeben. Zu unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten sind somit verschiedene Nutzergruppen vertreten und können auf dem Birsig-Parkplatz auch in Zukunft erwartet werden. Zukünftige Situation Gesucht werden Ideen, die den Raum neu programmieren und einen Imagewechsel herbeiführen. Die möglichen Qualitäten des Raums sind herauszuschälen und sollen sich vom Nutzungsspektrum der angrenzenden Steinenvorstadt unterscheiden. Überraschende Vorschläge werden begrüsst. Der Trend der Boulevardgastronomie ist dabei zu berücksichtigen. Da das Element Wasser bei einer späteren Umgestaltung eine zentrale Rolle einnehmen soll, kann das Thema – wenn sinnvoll und möglich – bereits für die Umwidmung aufgegriffen werden.

ZielDurch das Verfahren soll Klarheit darüber gewonnen werden, mit welchen gestalterischinszenatorischen Konzepten und Mitteln der Birsig-Parkplatz in einen Raum des sozialen Austauschs, der Begegnung, des Aufenthalts und des Flanierens transformiert werden kann. Mit dem Studienauftrag „Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel“ soll das Ziel erreicht werden, Hinweise dafür zu gewinnen, wie die Aufenthaltsqualitäten am Ort deutlich gesteigert werden können und durch welche Massnahmen es möglich wird, unterschiedliche Aktivitäten bei Tag, bei Nacht und im Laufe der Jahreszeiten zu strukturieren. Mit dem Studienauftrag ist die Absicht verbunden, die mikroklimatische und akustische Beschaffenheit des Freiraums mit Blick auf den stadträumlichen Kontext des Ortes zu verbessen. Die Ziele bezüglich der Weiterbearbeitung, sind dem Kapitel 2.5.1 zu entnehmen. 3.2 ANFORDERUNGEN 3.2.1 Vorbereitungsarbeiten Der südliche Birsig-Parkplatz weist heutzutage Schrammborde für die Parkplatznutzung auf. Diese sind teilweise für die Boulevardgastronomie bereits entfernt worden. Es ist möglich, diese gänzlich zu entfernen. Es bleibt jedoch ein Absatz von 2.5 cm bestehen. Der nördliche BirsigParkplatz, beginnend ab den Hausnummern 30 und 31, weist Trottoirränder auf, die im Kreuzungsbereich der Stänzlergasse für die Boulevardgastronomie ausgeebnet wurden. Mit dieser bereits getroffenen Massnahme ist bezüglich der Traglasten das Maximum ausgereizt worden. Im nördlichen Bereich sind daher keine weiteren baulichen Anpassungen möglich, die Trottoirränder bleiben bestehen. Die Lage der Schrammborde und Trottoirränder sind dem Situationsplan Kapitel 2.9 zu entnehmen.

Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 21 28 3.1.4

Antworten auf folgende Fragen werden erwartet: Was sind die örtlichen Vorzüge, die diesen Raum ausmachen und den Aufenthalt angenehm gestalten könnten? Welches Image soll der Raum in Zukunft haben? Welche Ortsbezeichnung kann die Identitäts-Entwicklung unterstützen? Wo und wie können beliebte Orte zum Verweilen zu jeder Tageszeit gestaltet werden? Wie kann das Sicherheitsempfinden verbessert werden? Wie können tendenziell unbehagliche Situationen annehmlicher gestaltet werden? Wie können die Passagen sowohl vom Birsig-Parkplatz als auch von der Steinenvorstadt und Steinentorstrasse her klar ersichtlich und freundlich gestaltet werden? Welche Massnahmen begünstigen ein angenehmes Empfinden zu den jeweiligen Jahreszeiten und Witterungen? Welche attraktiven Aussichten und Sichtachsen können geboten werden? Wie kann der Ort optisch und sinnlich erlebbar gestaltet werden? Wie kann das Element Wasser erlebbar gemacht werden? Wie können aktives als auch passives Dasein und verschiedene Nutzungen nebeneinander funktionieren?

Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 20 28 3.1.3 Perimeter und Grösse Der Projektperimeter beinhaltet die Strassenparzellen 9025, 9015. Die Fläche umfasst insgesamt knapp 5‘000 m2. Die unter Kapitel 3.1.4/3.2.3 genannten Passagen und Durchgänge sind konzeptionell mitzudenken. Deren Lage ist dem Situationsplan Kapitel 2.9 zu entnehmen.

Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, Präqualifikation, 09.12.2019 Wie kann freies Schlendern als auch zielstrebiges Durchschreiten ermöglicht werden? Wie können Velofahrer zügig und entspannt durch den Raum geführt werden? Wie kann dieser öffentliche Raum als Schnittstelle zwischen Kunst und Mensch funktionieren?

3.2.2 Erschliessung ÜberLangsamverkehrdensüdlichen Birsig-Parkplatz bis zur Stänzlergasse führt eine Veloverbindung (Basisroute). Sie wird stark genutzt und muss weiter gewährleistet bleiben. Dafür ist eine Breite von 3.40 m zu berücksichtigen. Sie muss jedoch nicht zwingend markiert werden. Das Basisroutennetz ist für Velofahrende mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis und geringeren Anforderungen an die Schnelligkeit vorgesehen. Zu den Nutzergruppen gehören Schülerinnen, Pendlerinnen mit Abb. 11: Südlicher Birsig-Parkplatz, entferntes Schrammbord (Quelle: Planungsamt Basel-Stadt) Abb. 12: Nördlicher Birsig-Parkplatz, bestehende Trottoirränder (Quelle: Planungsamt Basel-Stadt)

Abb. 9: Übersichtsplan angrenzende Projekte Abb. 10: Projektperimeter Birsig-Parkplatz (Quelle Grundlage: Geoviewer Kanton Basel-Stadt und Planungsamt Basel-Stadt)

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Neuorganisation Binningerstrasse, Heuwaage Im Rahmen der notwendigen Anpassungen an der Allmendinfrastruktur wird eine Neuorganisation der Binningerstrasse und der Heuwaage angestrebt. In direkter Nähe zum Wettbewerbsperimeter Birsig-Parkplatz bedeutet das, dass der heutige unübersichtliche und ungeregelte Verkehrsknoten an der Heuwaage zu einem Kreisel umgestaltet wird. Damit können Übersichtlichkeit und Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden erhöht werden, besonders für den Fuss- und Veloverkehr. Die Umsetzung wird in Etappen stattfinden. Die Kreiselrealisierung wird voraussichtlich im Jahr 2025 mit der letzten Etappe ihren Abschluss finden. Abb. 7: Neuer Platz zwischen Steinenvorstadt und Birsig(Quelle:ParkplatzMiller & Maranta) Abb. 8: Hochhaus, Ansicht Binningerstrasse

Ganzjahresbewilligungen:TheStone 80 m2 Artigiano Cafe 70 m2, Bewilligung für zusätzlich knapp 50 m2 läuft derzeit Buddha Bar 7.50 m2 Phoenix Shisha Lounge 28.50 m2 Tibits 74 m2 (davon 32 m2 Stänzlergasse) Union Diner 35 m2 (davon 21 m2 Stänzlergasse) Negishi 38 m2 (davon 18 m2 Stänzlergasse) Bar Lounge Club 59 22.50 m2 Ciapa ün Osteria 8 m2 Abb. 14: Theatergässlein 2019 (Quelle: Städtebau & Architektur / Planungsamt Basel-Stadt) Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 25 / 28 Saisonbewilligung (15. Februar -15. November): O’Neills Irish Pub 109 m2 Zem Stainlemer Cafe / Bar 7 m2 Zwei weitere Gesuche mit insgesamt 140 m2 wurden zur Bewilligung eingereicht und sind derzeit in Bearbeitung.

Der Belag wird nicht erneuert, daher ist nur ein Farbanstrich möglich.

3.2.7 Ausstattung Infrastruktur HeutzutageBeleuchtungist der Parkplatz mit Überspannleuchten ausgeleuchtet. Für die neue Beleuchtung sind Aussagen zur gewünschten Atmosphäre und allfälligen Effekten zu treffen und zu vermitteln. Es sind Antworten zu finden, wie die Atmosphäre zu unterschiedlichen Jahreszeiten, Tageszeiten oder auch bei Veranstaltungen sein könnte und wie das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum gesteigert werden kann. Bei der Lichtinszenierung und -choreographie ist darauf zu achten, dass keine baulichen Änderungen für das Erzielen eines weiteren Effekts nötig sind. Grundsätzlich sind jedoch andere Leuchtmittel oder ein Umhängen der Leuchten möglich. Es sind keine Kandelaber ausführbar. Lediglich oberirdische Lösungen sind anzustreben. Die technische Projektierung und Realisierung obliegt den Industriellen Werken Basels (IWB) und ist nicht Teil dieses

3.2.4 Nutzung Die Nachfrage an Boulevardgastronomie-Flächen am Birsig-Parkplatz steigt. Sie ist derzeit mit elf Betrieben und insgesamt gut 500 m2 bedeutend für den Ort. Diese Entwicklung ist im Konzept aufzunehmen und zu stärken. Das vorhandene Bedürfnis, sich kleine Refugien und eigene Räume zu schaffen, ist der Parkplatznutzung und der unwirtlichen Gesamtsituation geschuldet. Es sind Ideen aufzuzeigen, wie dieser Tendenz hin zur Kleinräumigkeit und Privatisierung entgegengewirkt werden kann. Die Hinweise im Kapitel 3.2.9 sind dabei zu berücksichtigen. Für den Birsig-Parkplatz ist gemäss dem „Boulevardplan Innenstadt“ eine Betriebsdauer jeweils von Sonntag bis Donnerstag 7-23 und von Freitag bis Samstag 7-24 Uhr möglich. Die folgenden elf Betriebe haben eine Aussenbestuhlung, deren Fläche im Rahmen der Umwidmung nicht reduziert werden darf.

3.2.5 Stadtklima Mit dem Klimawandel wird es in urbanen Gebieten zunehmend heisser. Vor diesem Hintergrund hat das Lufthygieneamt beider Basel die klimatische Situation heute und in Zukunft (2030) flächendeckend für den Kanton Basel-Stadt modellieren lassen. Die Ergebnisse enthalten Informationen zu Lufttemperaturen, Kaltluftströmen und bioklimatischen Bedingungen am Tag und in der Nacht während einer sommerlichen Schönwetterlage. Sie werden in Analyse- und Planhinweiskarten zusammengefasst. Damit wird das Ziel verfolgt, weiterhin eine hohe Aufenthaltsqualität auch im dicht überbauten Siedlungsgebiet zu erhalten.

3.2.6 Stadtakustik Durch die Lage (Wohnen und Büros) und räumliche Situation des Birsig-Parkplatzes sind besondere Anforderungen an den Umgang mit der Akustik gestellt. Überlegungen sind im Konzept aufzuzeigen. Der Einsatz beispielsweise von Wasser oder gewisser Materialien, wie auch die Setzung von Gefässen können u. a. die Klangqualität beeinflussen. Für akustische Überlegungen ist den Grundlagen als Anregung eine Planungshilfe mit Gestaltungsprinzipien zu entnehmen (Kapitel 2.9).

43 Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag, Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 23 28 erhöhtem Sicherheitsbedürfnis, Freizeitvelofahrende, Neuvelofahrende und Touristinnen. Auf Basisrouten sind in der Regel mehr Velos mit Anhänger, bzw. Cargo-Bikes zu erwarten. Bei einer Spurbreite von 4.50 m (Kap.3.2.9) sind die Anliegen der Feuerwehr, des Anlieferungsverkehrs und der Velofahrenden berücksichtigt. Die Fussgänger-Verbindungen müssen bestehen bleiben und gewährleistet werden. Wie Fussgänger, Velofahrende und die Boulevardnutzung gut miteinander funktionieren und aneinander vorbeikommen, ist aufzuzeigen. DieAnlieferungZufahrt zum Güterumschlag sowie zu den Velo- und Motorradparkplätzen muss gewährleistet bleiben. Die bestehenden Verkehrsbeziehungen sollen grundsätzlich beibehalten werden (siehe Abb. 12). Für die Anwohnerinnen ist nichts Spezielles zu berücksichtigen.

Der heutige Birsig-Parkplatz ist ein thermisch hochbelastetes Gebiet (Wärmeinsel). Die neue solitäre Setzung des Gebäudes „Hochhaus Heuwaage“ (Kapitel 3.1.2) wird sich positiv auswirken. Denn die nächtlichen Kaltluftströme aus dem Leimental bzw. Birsigtal können mit der zukünftigen Gebäudesetzung zwar geschwächt, jedoch besser als heute auf den Birsig-Parkplatz strömen. Für eine Verbesserung der Situation am Tag muss an Begrünung und / oder Beschattung im Sommer gedacht werden. Die temporäre Aufwertung des Birsig-Parkplatzes ist für die nächsten 15 Jahre gedacht. Für diesen Zeitraum müssen hierzu Antworten gefunden werden. Da durch die Birsig-Überdeckung keine Bäume gepflanzt oder Grünflächen geschaffen werden können, kommt bei der Konzeptentwicklung nur mobiles Grün infrage. Positive Auswirkungen hätte auch eine Installation von (un-)bewegtem Wasser.

DasAbstellflächenStudienauftrags.heutigeAngebot

– vorhandene Kunst Das Kunstprojekt „Luege-Lose-Laufe“ von Marc Covo aus dem Jahr 1993, ein gelb beleuchteter Fussgängerstreifen an der Decke, ist im Theatergässlein (Theaterstrasse 12) installiert und muss bestehen bleiben. Ursprünglich gehörten zum Kunstobjekt auch je drei Rahmen an den Gangseiten, welche kopfüber auf die aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen im Theater Basel, in der Kunsthalle Basel, im Kunstmuseum Basel und im Historischen Museum Basel hinwiesen. Aufgrund des schwindenden Interesses, die Wände zu bespielen, ist mit Einverständnis des Künstlers 2016 beschlossen worden, die Plakatwände zu entfernen.

Die heute bestehenden über 60 gebührenpflichtigen Autoparkplätze und die beiden Behindertenparkplätze werden aufgehoben. FürMobiliardieWahl von Mobiliar, Pflanztrögen oder ähnlichem sind keine Einschränkungen gegeben. Selbstverständlich kann auch das Standardmobiliar des Kantons Basel-Stadt gemäss aufgeführtem Katalog Kapitel 2.9 gewählt werden. 3.2.8 Materialisierung Für etwaiges Mobiliar, Pflanztröge, strukturierende Elemente oder raumbildende Konstruktionen sowie Kunstobjekte sind wegen der Traglasten robuste Leichtbauweisen vorzuschlagen.

3.2.9 Traglasten Der gesamte Birsig-Parkplatz stellt die Überdeckung des Birsig dar (siehe Abbildung 1). Bauliche Massnahmen oder eine Öffnung der Birsigüberdeckung sind aus Gründen der Tragfähigkeit und der darunter vorhandenen Werkleitungen nicht möglich. Die heutige Flächenlast durch die parkierenden Autos wird zukünftig nicht mehr gegeben sein. Ein Ersatz der Flächenlast (maximale Auflast anstelle der parkenden Autos) ist im heute durch die Boulevardgastronomie vorzufindenden Ausmass möglich. Für nicht durch Personen belegte Flächen (Pflanztröge, Möblierung) kann eine Flächenlast vom maximal 300 kg/m2 verwendet werden. Eine allgemeine Aussage kann aufgrund der Deckenkonstruktion nicht getroffen werden. Sie muss im Einzelfall geprüft werden. Das Kreuzen von schweren Fahrzeugen wird heute durch die Parkplätze oder durch die Pflanzkübel der Boulevardgastronomie verhindert. Diese permanente Einschränkung der Spurbreite von 4.50 m muss aufgrund der ausgereizten Traglasten auch zukünftig eingehalten werden. 3.2.10 Denkmalpflegerische Aspekte Die Gebäude rund um den Birsig-Parkplatz stammen aus verschiedenen Epochen. Die Fassaden sollen weder baulich noch gestalterisch verändert werden. Gedanken zur Aufwertung des Erscheinungsbildes (z. B. Beleuchtung) sind jedoch grundsätzlich möglich. Nachstehende Bauten sind ImDenkmalverzeichnisDenkmalobjekte:Denkmalverzeichnis eingetragene Objekte sind hochrangige Denkmalschutzobjekte, für welche die Regelungen gemäss §§14-23 des Denkmalschutzgesetzes gelten. - Theater Küchlin, 1912, Steinenvorstadt 55 / Birsig_Parkplatz 40. Neoklassizistische Hausfassade an der Steinenvorstadt. Eines der ältesten erhaltenen, ehemaligen VarietéTheater der Schweiz InventarobjekteInventarobjekte sind von der Denkmalpflege festgestellte potentielle Schutzobjekte, für die in der Regel, d.h. wenn sie nicht zufällig in der Schutzzone stehen, noch keine rechtsverbindliche Schutzmassnahme erfolgt ist (z. B. Eintragung ins Denkmalverzeichnis). Am Birsig-Parkplatz stehen keine Inventarobjekte in der Schutzzone. - Wohn- und Geschäftshaus, 1950iger Jahre, Birsig-Parkplatz 31/ Steinentorstrasse 8 - Wohn- und Geschäftshaus, 1951, Steinentorstrasse 26 Inventarisierung ausstehend - Turn- und Fechthalle, 1930/31, Theaterstrasse 12 - Spätmittelalterliche Häusergruppe, Birsigparkplatz 20 / Steinenvorstadt 25

von 60 Velostellplätzen und 20 Motorradstellplätzen ist auch weiterhin zu gewährleisten. Ein Mehrangebot ist willkommen. Der Standort kann im Rahmen des Wettbewerbs innerhalb des Perimeters definiert werden. Wenn möglich, sollten sie dezentral angeordnet werden. Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 26 28

Die Güterumschlagflächen können in Ihrer Lage frei definiert werden. In jedem Fall müssen im nördlichen Teil des Birsig-Parkplatzes mindestens 30 m Länge und im südlichen Teil mindestens 20 m Länge angeboten werden. Im nördlichen Teil ist eine Wendemöglichkeit für Lieferwagen und kleine Lastwagen zu ermöglichen.

AlleFeuerwehrGebäude im Perimeter müssen für die Feuerwehr zugänglich sein. Es sind die Richtlinien der Feuerwehr Koordination Schweiz (FKS) zu beachten. - Aufstellbereich mit 6 m Breite und 11 m Länge - Fahrspur Breite 3 m 3.2.3 Einbindung / Zugänglichkeit Im Zuge der Umsetzung des neu geschaffenen Images soll die Fussgängerfreundlichkeit in der Stänzlergasse bis zur Einmündung Steinentorstrasse ausgeweitet werden. Es wird angestrebt, eine Begegnungszone (Tempo 20) einzurichten. Der Birsig-Parkplatz ist für Fussgängerinnen zudem durch fünf Passagen und den Durchgang Theatergässlein zugänglich. Die Passagen sind heutzutage niedrig, schlecht beleuchtet, verwinkelt und unübersichtlich. Es ist aufzuzeigen, wie die Passagen sowohl vom Birsig-Parkplatz als auch von der Steinenvorstadt und der Steinentorstrasse her klar ersichtlich und freundlich Abb. 13: Verkehrsbeziehungen und heutige Lage der Güterumschlagflächen Birsig-Parkplatz (Quelle Grundlage: Geoviewer Kanton Basel-Stadt)

Städtebau & Architektur, Planungsamt Umwidmung Birsig-Parkplatz, Basel Programm Studienauftrag Präqualifikation, 09.12.2019 Seite 24 / 28 gestaltet werden können und wie das Sicherheitsempfinden in diesen Passagen verbessert werden Theatergässleinkann.

lediglich zwei Einsprachen eingegangen. Der Re gierungsrat sagt seinerseits deutlich: „Gut zum Bau!“ Er beantragt dem Grossen Rat, alle Einsprachen ab zuweisen. 15

BILDER LINKS UND RECHTS: Das Hochhaus „Steinentor“, © Miller & Maranta Architekten, www. rat-befuerwortet-hochhaus-heuwaage-von-miller-maranta/architekturbasel.ch/gut-zum-bau-regierungs(09.12.20)

15 Artikel online veröffentlicht am 18.02.2020 wortet-hochhaus-heuwaage-von-miller-maranta/www.architekturbasel.ch/gut-zum-bau-regierungsrat-befuerauf:(20.02.2020)

44Hochhaus Heuwaage

„Das Projekt von Miller & Maranta dient als Grundlage für die notwendigen nutzungsplaneri schen Massnahmen. Neben dem Bebauungsplan, den der Regierungsrat nun an den Grossen Rat ver abschiedet hat, sind auch eine Zonenänderung, eine Änderung des Wohnanteils, eine Anpassung der Lärmempfindlichkeitsstufen, Linienänderungen sowie ein Landabtausch mit dem Kanton notwen dig“, schreibt der Regierungsrat in seiner Medien mitteilung. Der Widerstand gegen das Bauprojekt ist bescheiden. Gegen die Planungsmassnahmen sind

Das Hochhaus „Steinentor“ an der Heuwaage bedarf einer Totalsanierung. Die Basellandschaftliche Pen sionskasse als Besitzerin des Gebäudes hat sich für einen Ersatzneubau entschieden, was eine zusätzli che Verdichtung erlaubt und gleichzeitig mehr Renta bilität verspricht. Win-win also. Es sollen fast doppelt so viele Wohnungen zur Verfügung stehen wie bis an hin. Der Regierungsrat hat den entsprechenden Be bauungsplan verabschiedet, der auf dem Entwurf von Miller & Maranta basiert.

„Der Vorschlag von Miller & Maranta über zeugt sowohl städtebaulich als auch architektonisch. Durch das Abrücken von den angrenzenden Häuser zeilen entlang der Steinentorstrasse und der Stei nenvorstadt entsteht ein frei stehender, eigenständiger Bau“, lobt der Regierungsrat. Gleichzeitig entsteht dadurch ein neuer Platz und das ehemalige Hotel Europäischer Hof an der Steinenvorstadt 75 kommt künftig besser zur Geltung. Mit dem Neubau entstehen knapp 30 zusätzliche Wohnungen, so dass hier künftig 70 Wohnungen zur Verfügung stehen. Der Neubau wird mit seinen 74 Metern Höhe etwa doppelt so hoch wie das bestehende Hoch haus.

Ein Baudenkmal der Nachkriegsmoderne sagt „Adieu“: Das 1955 fertiggestellte Hochhaus „Steinen tor“ von Arnold Gfeller war das erste Wohn- und Ge schäftshaus in der Innenstadt. Es besetzte den Standort des ehemaligen Stadttors neu und schloss die Steinenvorstadt gegen die Heuwaage ab. Das Gebäude beherbergt heute Verkaufs-, Gastro- und Bürofächen sowie 41 Wohnungen. Da das Hochhaus sanierungsbedürftig ist, untersuchte die Besitzerin –die Basellandschaftliche Pensionskasse – verschie dene Entwicklungsperspektiven.

Miller Maranta

Ein Artikel von architekturbasel

Neben der Sanie rung stand auch ein Ersatzneubau zur Diskussion, der am Ende als vielversprechendste Option gewählt wurde. Über einen Studienauftrag suchte die Basel landschaftliche Pensionskasse konkrete Vorschläge für einen Neubau. Das Beurteilungsgremium empfahl den Entwurf von Miller & Maranta Architekten aus Ba sel zur Weiterbearbeitung. Dieser diente als Grundla ge für den nun vorliegenden Bebauungsplan.

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Stadtforschung BILD: Lucius Burckhardt –(20.01.2020)burckhardt-1-3-von-der.1184.de.html?dram:article_id=319584www.deutschlandfunk.de/querfeldein-denken-mit-lucius-Autofahrerspaziergang,

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«Raumpraxis und Stadtforschung sind in den letzten Jahrzehnten diverser und politischer geworden. Obwohl professionelle und institutionelle Kräfte noch immer vorherrschen, gibt es ein starkes Vermächtnis an Ansätzen, sie auf relationalem Denken, Aktivismus, Kunstpraxis, sozial engagierten Initiativen und alternativen ökonomischen Strategien beruhen. Eingefochten in diese Geschichten der Raumpraxis ist ein Narrativ zu entscheidenden Fragen: darüber, wie wir solche Raumpraxis lernen können; über die historische und gegenwärtige urbane Situation und das Verhältnis des Subjekts darin« über zukünftige Vorstellungswelten der Rolle von Architekt_innen, Stadtplaner_innen und Raumpraktiker_innen; sowie darüber, das Lernen zu lernen.

Globale Krisen des Kapitalismus und des Klimawandels, zu denen extreme Ungleichheit, Massenvertreibung von Menschen und die Zerstörung von Biodiversität gehören, machen es so dringend nötig, Verantwortung zu übernehmen und die potenziellen Handlungsfähigkeiten von Raumplaner_innen zu verstehen. Zugleich reduzieren die zunehmende Bürokratisierung und die begrenzte Vorstellungskraft der neoliberalen Institution darüber, was Gesellschaft sein könnte, den Spielraum von Bildungsprogrammen. Diese Beschränkung betrifft auch das Verständnis der Rollen und Kompetenzbereiche von Raumpraktiker_innen und wo und wie sie womöglich intervenieren können.

16 Das bedeutet, über die Grenzen von Disziplinen und Praktiken hinweg zu arbeiten, wobei Praxis und Theorie vereint und das Soziale, das Politische und das Pädagogische zusammengebracht werden.» Exploration in Urban Space

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16 Felix Guatarri, «Transdisciloinarity Must Become Transver sality» In Theory, Culture & Society, 32 (5-6), (2015), S. 131-137; Collective Situaciones «Über den forschenden Militanten» In European Institute for Progressive Culutral Politics (2003).

17 ZITAT: Hrsg.: Assmann Katja, Bader Markus, Shipwright Fiona, Talevi Rosario: Exploration in Urban Practice. dpr-barcelona, Barcelona, 2017 : S. 51-52.

49 Wie können wir besser beschreiben und Verantwortung dafür übernehmen, wie wir lernen, praktizieren und forschen? Solche komplexen Anliegen sind nicht auf einen Bereich begrenzt und bedürfen laut Guattari des transversalen Wirkens.

PSYCHOGEOGRAFIE«21

Die Situationistische Internationale wird gemeinhin als die letzte große Avantgardebewegung gesehen. Ge fissentlich wird dabei übersehen, dass Guy Debord, angesichts der „Gesellschaft des Spektakels“ längst mit der Avantgarde abgeschlossen hatte. Er sah in ihr nur noch eine Chance, wenn sie dazu überginge, die Gesellschaft selbst zu besetzen und deren Verände rung als das letzte große Gesamtkunstwerk zu begrei fen. Dadurch wurde die SI zum Auslöser des Pariser Mais und über Verzweigungen, durch die Gruppe SPUR, besonders aber durch die „subversive Aktion“, auch zum Mitauslöser der Berliner Studentenbewe gung. 18Die Situationistische Internationale (S.I.) ist 1957 in der Nähe von Monaco gegründet worden. Da ihre Handvoll an Mitgliedern – ihre Zahl stieg niemals über vierzig – hauptsächlich in europäischen Städten aktiv waren, hat ihr Internationalismus nur symboli sche Bedeutung. Gründungsmitglied war unter ande rem Guy Debord, welcher auch die Schlüsselfgur in der Entwicklung der situationistischen Theorie dar stellte. Zur Gründung der S.I. verfasste er die pro grammatische Schrift Rapport über die Konstruktion von Situationen. Darin wird die unmittelbare Aufgabe der S.I. formuliert, nämlich innerhalb der Arbeiterpar teien die Notwendigkeit einer konsequenten ideologi schen Aktion zu verfechten, um auf dem Gebiet der Leidenschaften gegen den Einfuss der Propagan da-Methoden des hoch entwickelten Kapitalismus zu kämpfen.InDebords 1967 erschienenen Hauptwerk Die Gesellschaft des Spektakels wird festgehalten, dass sich die Wirtschaft im Kapitalismus verselbstständigt, zu einer autonomen Macht wird und somit das Leben der Menschen beherrscht. Demgegenüber sollte die Kunst nicht mehr in den Dienst der Revolution gestellt werden, sondern die Revolution der Gesellschaft soll te zur Kunst werden.19 1972 hat Guy Debord die Situationistische In ternationale aufgelöst. Trotzdem lebt sie als „Phantom Avantgarde“ (Roberto Ohrt) fort, fasziniert weiterhin und ist zum Bezugspunkt des theoretischen Diskurses um Kunst und Gesellschaft geworden – mit Auswir kungen auch auf Architektur und Städtebau. Haben sich doch aus der SI verschiedene, ganz praktische Strategien entwickelt, die heute in der Architektur und dem Städtebau für Furore sorgen und sich zuneh mend verbreitern und durchsetzen: der Stadtspazier gang, das cognitive mapping, die Zwischennutzung und die Orientierung am Alltag. 20

DIE SITUATIONISTISCHE

INTERNATIONALE

50Strategien Stadtforschungder 18 (22.02.2020)www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,2692,1,0.html 19 sche-internationale/www.derfunke.ch/htm/de/deutsch/kultur/die-situationisti(22.02.2020) 20 (22.02.2020)www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,2692,1,0.html 21 www.si-revue.de/theorie-des-umherschweifens, (Januar 2018) 22 www.trift.org/diary/trift-in-der-psychogeographie (Januar 2018)

DIE THEORIE DES UMHERSCHWEIFENS

BILD: www.archplus.net/home/archiv/ausgabe/46,183,1,0.html

«Psychogeographie untersucht den Einfuss der ar chitektonischen und geographischen Umgebung auf die Wahrnehmung, das psychische Erleben und das Verhalten. Der Begriff wurde vor allem durch gesell schaftskritische Gruppierungen geprägt, die in ihreren geographischen Auseinandersetzungen auch zeigen wollten, wie sehr der städtisch bebaute Raum auf das Verhalten der dort lebenden Menschen wirkt, bzw. welche unterschwelligen Vorgaben aus der Bebauung resultieren.» 22

«Unter den verschiedenen situationistischen Verfah ren ist das Umherschweifen eine Technik des eiligen Durchgangs durch abwechslungsreiche Umgebun gen. Der Begriff des Umherschweifens ist untrennbar verbunden mit der Erkundung von Wirkungen psycho geographischer Natur und der Behauptung eines kon struktiven Spielverhaltens, was ihn in jeder Hinsicht den klassischen Begriffen der Reise und des Spazier gangs Eineentgegenstellt.odermehrere das Umherschweifen experimentierende Personen verzichten für eine mehr oder weniger lange Zeit auf die ihnen im allge meinen bekannten Bewegungs- bzw. Handlungsgrün de, auf die ihnen eigenen Beziehungen, Arbeiten und Freizeitbeschäftigungen, um sich den Anregungen des Geländes und den ihm entsprechenden Begeg nungen hinzugeben. Dabei ist der Anteil des Zufälli gen weniger ausschlaggebend, als man es im allge meinen glaubt: vom Standpunkt des Umherschweifens aus haben die Städte ein psycho geographisches Bodenprofl mit beständigen Strö men, festen Punkten und Strudeln, die den Zugang zu gewissen Zonen bzw. den Ausgang daraus sehr mühsam machen.

51 BILDER: Auszüge aus archplus 183, Situativer Urbanismus, Mai 2007, S 56 – 59.

BILD: Auszug aus archplus 183, Situativer Urbanismus, Mai 2007, S. 28 – 29.

Als unmittelbare Reaktion auf die Vorhaben der Basler Verantwortlichen folgte – neben allen Möglich keiten der politischen Einfussnahme auf städtischer Ebene – 1953 die Publikation „Wir selber bauen unsre Stadt“, die Lucius Burckhardt zusammen mit seinem Kommilitonen Markus Kutter verfasste. Es gelang ih nen, den Architekten und Schriftsteller Max Frisch für das Vorwort zu gewinnen, der wesentlich bekannter war als die beiden jungen Männer und sich schon häufger

Denn Spaziergangswissenschaftler interessie ren weniger die schönen Aussichten als vielmehr Sicht weisen und das Beziehungsgefecht, das Müßiggänger mit ihrer Umwelt verbindet. Der Verleger Martin Schmitz, geboren 1956, schloss sein Studium bei Burckhardt mit einer Diplomarbeit über das ambulante Essen in der Stadt ab, 1983 erschienen im Zürcher Unionsverlag unter dem Titel „Currywurst mit Fritten –über die Kultur der Imbissbude“ (mit Birgit Knop). 2014 veranstaltete Martin Schmitz in Kassel eine Lucius Burckhardt Convention.

QUERFELDEIN DENKEN MIT LUCIUS BURCKHARDT Wir sind heute so mobil wie nie zuvor. Auto, Zug und Flugzeug bringen uns an jeden Ort der Welt. Das hat nicht nur unsere sichtbare Umgebung in Form von Straßen, Bahnstrecken, Flughäfen und Ansiedlungen verändert, sondern auch unseren Blick auf die Welt. Der Schweizer Soziologe und Planungstheoretiker Lucius Burckhardt (1925 – 2003) hat diesen Zusammenhang schon in den 1980er-Jahren erkannt. Seine Forschungen beschäftigten sich mit den Auswirkungen unserer Wahrnehmung und Mobilität auf das Planen und Bauen. Er taufte sein neues Fach Spa ziergangswissenschaft, Promenadologie oder englisch „Strollology“. Dieses Nebenfach, wie er es selbst be scheiden nannte, gibt heute entscheidende Impulse für unseren Umgang mit Städten und Landschaften, für zu künftige Architektur und Planung. Mit Spaziergängen, immer schön programmatisch, gehen Promenadologen ihren Fragen nach. Lucius Burckhardt war Dozent im Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftspla nung der Universität Kassel, wo er 1973 – 1997 lehrte. Er kombinierte Spaziergänge im Kasseler Um land mit der Lektüre über die erste Expedition Captain Cooks nach Tahiti. Kümmerliche Verkehrsinselpfänz chen wurden mit kleinen Steckschildern und lateini schen Bestimmungsnamen versehen wie „Poa annua L., das Einjährige Rispengras“. Im Seminar „Wahrneh mung & Verkehr“ zogen Burckhardt und seine Studen ten zu Fuß durch die Straßen von Kassel – jeder eine Windschutzscheibe vor sich her tragend.

„Heute Abend seid ihr alle zu einem Fest eingeladen. Dort bekommt ihr euer Diplom, und morgen fangen wir an zu studieren.“

Lucius Burckhardt Mit diesen Worten begrüßte uns Lucius Burckhardt zu Beginn meines Studiums im Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung an der Gesamthoch schule in Kassel. Das war 1976. Seit drei Jahren lehrte der Schweizer Soziologe bereits als Professor für So zioökonomie urbaner Systeme in einem reformierten Studiengang, der erstmals alle planenden Berufe un ter einem Dach versammelte. Dieser Fachbereich, der alle Disziplinen der Umweltgestaltung beherbergte, war wie geschaffen für ihn. Der studierte Nationalökonom, der als Vordenker der Urbanismuskritik der 1960er-/70er-Jahre gilt, hat zeit seines Lebens über unsere Wahrnehmung von Stadt und Land sowie deren Auswirkungen auf das Pla nen und Bauen geforscht. In den 1980er-Jahren ver sammelte er seine Arbeit unter einem Dach: Er nannte sein Fach Spaziergangswissenschaft, Promenadologie oder englisch auch Strollology. Über sich und seine Ar beit sagte er anlässlich seines 60. Geburtstages: „Ich bin Soziologe, mache aber ein bisschen was anderes, als die meisten Soziologen. Soziologie befasst sich im wesentlichen mit dem Verhalten der Bevölkerung – speziell das der Unterschichten. Ich mache etwas anderes. Ich befasse mich mit den Ent scheidungsmechanismen, das heißt, wie kommen ei gentlich die Leute, die befehlen dürfen, zu ihren Ent schlüssen? Was mich also interessiert und womit ich mich beschäftige, das sind die Einwirkungen des Men schen auf die Umwelt. Wie beschließt man eigentlich, was man in der Umwelt verändert? Wir haben dabei eine Spiegelsituation: Auf der einen Seite wirkt der Mensch auf die Umwelt. Auf der anderen wirkt die ver änderte Umwelt zurück auf den Menschen. Das geht aber nicht so direkt, sondern man muss noch eine dritte Instanz einführen: Das wäre die Politik, und es ergibt sich eine Figur, ein Dreieck: Der Mensch steht der Umwelt gegenüber – das ist die Spiegelsituation – und wir führen noch die Politik ein. Das ist ein Sammel begriff für Verschiedenes: Man kann sagen, dahinter ste hen Fachleute, Architekten, Verkehrsplaner, Spezialisten und wirken auf die Politik. Politik trifft ein, sie wird verän dern und sie verändert zuerst die Auffassung der Men schen über die Umwelt. Die Mittel, mit denen sie arbeitet, sind Lösungen. Das heißt, ein Politiker tritt auf, er sucht sich einen Übelstand – die Welt ist ja voller Übelstände –und er sucht eine Lösung. Die macht er den Menschen begreifich, dass man so die Umwelt verändern kann. Da dahinter Architekten und Verkehrsplaner stehen, ist ja die Lösung meistens ein Bau. Das komplizierte Problem, was man da verändern und lösen will, das löst man mit einer Straßenverbreiterung oder einem Bau.“ ... Lucius Burckhardt hielt die Planung für eine Zerstörung seiner Heimatstadt. So wurde das kritische Engagement zur Basis seiner Arbeit. Von da an dachte er über das Planen und Bauen in einer Demokratie nach, forderte die Be teiligung der Bewohner und kritisierte das politische Beschlussfassungssystem – viele Themen der bevorstehenden Urbanismusdiskussion der 1960er-Jah re. Was in Basel im kleineren Maßstab begann, sollte bald ganz Europa erfassen; nichts veränderte die Städte und Landschaften mehr, als die Folgen der Automobilisierung.

54Ein Artikel des Deutschlandfunks, Autor Martin Schmitz

55 äußerst kritisch zu Architektur und Planung geäußert hatte. Nach dieser ersten Publikation erschien zwei Jahre später das Büchlein „achtung: die Schweiz“, für das alle drei, Lucius Burckhardt, Max Frisch und Mar kus Kutter als Verfasser zeichneten, und das – vor allem in der Schweiz – 1955 eine der ersten, größten und hef tigsten öffentlichen Auseinandersetzungen über Pla nung auslöste. Man wünschte sich die Autoren in die Sowjetunion. Auch in der Neuen Zürcher Zeitung wurde der Begriff Planung mit Planwirtschaft verwechselt. Da bei hatten die drei Autoren lediglich darüber nachge dacht, wie unter den neuen Bedingungen des Individu alverkehrs eine neue Stadt aussehen sollte.

BILD: SRF Reportage: Der Promenadologe – auf Lucius Burckhardts Spuren in Venedig: Kulturplatz Lucius Burckhard, Ausgestrahlt:12.6.14, www.youtube.com/watch?v=vPQUrnB0d1U. (12.3.2020)

„DER STADTPLAN GEHT UNS ALLE AN“ „Wer plant die Planung?“ fragte Lucius Burckhardt ei nige Jahre später. Die Refexion der gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen von Architektur und Pla nung wurde für ihn zum Beruf, der über viele Stationen führte und wechselnde Perspektiven ermöglichte. Die Proteste vom Anfang der 1950er-Jahre gegen die Bas ler Stadtplanung wurden auch im zerstörten Nach kriegsdeutschland wahrgenommen. Am 24. Februar 1955 trat das Schweizer Autorentrio auf der Tagung „Der Stadtplan geht uns alle an“ in Dortmund auf, in der es darum ging, wie man die Öffentlichkeit an Pla nung und Wiederaufbau beteiligen könne. „So war es beabsichtigt – doch im Verlauf des Gesprächs stellte sich bald heraus, dass die Mehrzahl der Tagungsteilnehmer keineswegs geneigt war, die Öffentlichkeit in ihre Karten und Pläne schauen zu las sen. Gelegentlich hatte man den Eindruck, als sollte der Sinn des Gesprächs in sein Gegenteil verkehrt werden. Aus dem beabsichtigten Appell an die Öffent lichkeit wurde eine Demonstration der Planungsauto kratie gegen die Öffentlichkeit, als der Oberbaurat Schweizer aus Freudenstadt großen Applaus dafür erhielt, dass er laut und ungeniert forderte, man müsse ‚gegenüber diesen Leuten, die einem dreinreden wol len‘, eine kraftvolle Haltung zeigen, man müsse ‚diese Leute überfahren‘ und ‚ohne Rücksicht auf Verluste eine Tat vollbringen‘.“ So kommentierte Wend Fischer die Dortmunder Ta gung in der Zeitschrift „werk+zeit“ des Deutschen Werkbunds aus Düsseldorf und schrieb weiter: „Diese und andere Fürsprecher der Planungsautokratie machten es sich recht einfach, indem sie die ‚Öffentlichkeit‘ schlechthin mit dem berühmten, im Verlauf des Gesprächs häufg genannten ‚Lieschen Mül ler‘ gleichsetzten. Gegen diese unzulässige Simplifzierung wandte sich zuerst ein schweizerischer Teilnehmer: ‚Ich würde es bedauern‘, sagte Lucius Burckhardt aus Basel, ‚wenn der Kongress die Öffent lichkeit nur als eine anonyme Masse betrachten würde und seine Aufgabe lediglich darin sähe, eine möglichst geeignete Technik zum Beeinfussen und Überreden dieser Masse zu entwickeln‘. Es gehe vielmehr darum, dass ‚öffentlich‘ verhandelt werde, was heute vielfach in den ‚Kliquen und Klüngeln der Stadtplaner und Ar chitekten‘ gemeinschaftlich mit den pseudo-öffentli chen Funktionären der verschiedenen Interessenge meinschaften von Kaufeuten, Verkehrsteilnehmern, Hausbesitzern usw. verabredet werde.“

Design ist unsichtbar, schrieb er 1980. Zunächst klingt die se Formel paradox, denn man kann die Dinge, denen sich Gestaltung widmet, ja sehen. Den Wohnungssuchenden in einer Stadt interessiert weniger die äußere Form der Ar chitektur, sondern unsichtbare Komponenten wie Miet preis oder Hausordnung. Lucius Burckhardt vertrat die Auffassung, das beste Design einer Straßenbahn sei, wenn sie auch nachts führe. Hinter den sichtbaren Objek ten existiert eine unsichtbare soziale Dimension, Fahrplä ne oder Gesetze, die mitgestaltet werden müssen, damit die sichtbaren Dinge zusammen funktionieren.

„So kann man die Welt als eine Welt von Ge genständen auffassen und sie einteilen in – zum Bei spiel – Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske [...] Wir können uns aber die Welt auch anders einteilen –und wenn ich die Pattern Language recht verstanden habe, so hat das Christopher Alexander dort versucht. Sein Schnitt liegt nicht zwischen Haus, Straße und Ki osk, um bessere Häuser, Straßen und Kioske zu bau en, sondern er scheidet den integrierten Komplex Straßenecke gegen andere städtische Komplexe ab; denn der Kiosk lebt davon, dass mein Bus noch nicht kommt und ich eine Zeitung kaufe, und der Bus hält hier, weil mehrere Wege zusammenlaufen und die Umsteiger gleich Anschluss haben. Straßenecke ist nur die sichtbare Umschreibung des Phänomens, dar über hinaus enthält es Teile organisatorischer Syste me: Buslinien, Fahrpläne, Zeitschriftenverkauf, Am pelphasen usw. Auch diese Einteilung der Umwelt gibt einen designerischen Impuls. Aber dieser bezieht die unsichtbaren Teile des Systems ein.“ 23 23 Artikel Querfeldein denken mit Lucius Burckhardt (1/3) Von der Urbanismuskritik zur Spaziergangswissenschaft, online publiziert am 14.06.2015 auf: www. der.1184.de.html?dram:article_id=319584querfeldein-denken-mit-lucius-burckhardt-1-3-von-deutschlandfunk.de/(12.03.2020)

DESIGN IST UNSICHTBAR

FILMEMPFEHLUNG: gang-als-wissenschaftwww.srf.ch/kultur/kunst/der-spazier(12.3.2020)

Artikel online publiziert am 20.01.2019 auf: www.nzz.ch/ feuilleton/themen-des-faneurs-sie-sind-von-unserer-zeitld.1451370 (12.02.2020)

Zum Beispiel Fabian Saul: Er ist einer der Mither ausgeber eines üppigen Magazins, das sich tatsächlich «Flaneur» nennt und seit 2015 auf dem Markt ist. Ein- bis zweimal im Jahr erscheint eine Nummer, in der sich die Autoren jeweils einer einzigen Strasse in einer Stadt wid men: nach dem Beginn mit der Berliner Kantstrasse ka men Orte in São Paulo, Athen, Moskau, Montreal oder auch Leipzig. Es ist dies der Versuch, aus den «Frag menten einer Strasse» die Lesbarkeit einer Metropole abzuleiten. Eine Strasse ist sicher nicht die ganze Stadt, sie ist ein Mikrokosmos; aber eine Stadt kann sich mit ih ren ganzen Spielarten in einer Strasse spiegeln. Der Flaneur – ein Nomade: Er geht schlendernd und wachen Blicks durch die Strassen; er hat zwar nicht die Langsamkeit einer Schildkröte, mit der das Tempo der Flaneure einmal verglichen wurde, aber dafür die Zeit und Erregbarkeit für Unbekanntes. Hintergedanken in Hinter höfen. Und er fndet dabei auch das Widerständige, das Aufbegehren. Die Fragen, die den Flaneur umtreiben, sind aktuell und existenziell. Da ist einmal das Wehren ge gen Veränderung, der Protest gegen die Vernichtung von Architektur, das Umgehen der vorgeschriebenen Rau merfahrung; da erscheint der Einheimische oder Fremde an einem Ort, dem er sich erst widersetzt, bevor er ihn neu entdeckt, sich aneignet. Er (und da unterscheidet er sich vom schnöden Wanderer) muss sich hineindenken und muss die Widersprüche aushalten – oder er rebelliert ge gen diese unmittelbare Anwesenheit einer ungültigen Zu kunft: «Wenn man darüber ein Bewusstsein schafft, dann fndet man sich automatisch dort, wo man der Stadt nicht mehr ohne weiteres traut, wo man sich entgegen dieser Linien bewegt», meint Fabian Saul. Er ist ein von undeutlichen Ahnungen getriebener Akteur, der unter den verborgenen Schichten der Stadt sich selber, wenigstens ein Stück weit zu sich selber fn det, der sein eigenes Schicksal, seine Vergangenheit und Erinnerung in Beziehung setzt mit dem gerade Ge sehenen, dem Vergessenen und Verschütteten einer Stadt, einer Strasse. (...) Benjamin vermerkte (...) in seinem Tagebuch: «Man kennt eine Gegend erst, wenn man sie in möglichst vielen Dimensionen erfahren hat. Auf einen Platz muss man von allen Himmelsrichtungen her getreten sein, um ihn inne zu haben, ja auch nach allen diesen Richtungen ihn verlassen haben. Sonst springt er einem drei, vier Mal ganz unvermutet in den Weg, ehe man gefasst ist auf ihn zu stossen.»Obnunin Berlin oder in Moskau: Fabian Saul sucht stets das Widerständige, das Aufbegehren: «Das ist nicht explizit politischer Widerstand, sicher taucht der auch auf. Aber es geht auch um eine Widerständigkeit, die sich aus der blossen Bewegung im Stadtraum ergibt. Folgt man den Linien, die die Stadt vorzeichnet, versteht man dann die Strasse als eine Verbindungslinie, die mich von A nach B bringt? Oder versteht man sie auch als mögliche Mauer, als Grenze? Wenn man eine Sensibilität für das Erzählen nicht nur der grossen Geschichten, sondern des Frag mentarischen hat, stösst man schnell auf Menschen und Geschichten, die den Stadtraum viel multiperspektivi scher und viel kritischer erzählen.» (...) Wenn der Flaneur also noch ein zeitgemässes In dividuum sein kann, dann wohl nur eines, welches der einst romantischen, selbstvergessenen, dandyhaften Schlenderei eine wache Aufmerksamkeit entgegen setzt.2424

56Ein Artikel der NZZ, Autor Bernd Noack.

DER FLANEUR Der Flaneur hat kein Ziel, keinen bestimmten Ort, von dem er kommt, und keinen Punkt, zu dem er strebt. Er ist einsam, doch er geht immer weiter. Wer sagt, dass die Themen des Flaneurs nicht von unserer Zeit sind? Im Gegenteil: Die Fragen, die den Flaneur umtreiben, sind aktuell und existenziell. (...) wir wollen über den Flaneur reden, über eine Figur mithin, deren Name so schön und antiquiert klingt, über den Müssiggänger, von dem wir schon glaubten, er sei ausgestorben. Tatsächlich liegt seine Zeit lange zurück, und der Berliner Schriftsteller und Komponist Fabian Saul sagt: «Diese Figur des Flaneurs entsteht an einer Schwelle zur Moderne: zwischen Rückwärtsgewandtheit, der Me lancholie des Betrachtens der Räume, die am Ver schwinden sind, und Modernisierungsprozess, der gleichzeitig Zeit und Raum transformiert. Da nimmt der Flaneur eine Aussenseiterposition ein, also die Rolle des Beobachtenden, vielleicht auch des Verdächtigen – es wird ja zunehmend suspekt, wenn man sich ohne be stimmtes Ziel im Stadtraum bewegt.» Man muss sich den Flaneur wohl als einen einsa men Menschen denken. Er hat kein Ziel, keinen be stimmten Ort, von dem er kommt, und keinen Punkt, zu dem er strebt. Er geht verloren im Gewusel – und geht doch immer weiter. Walter Benjamin spricht von dem Passanten, der sich «in der Menge einkeilt», gegenüber dem Flaneur, der «Spielraum braucht und sein Privatisie ren nicht missen will». Er hält ihn gar mitten im steinernen Meer der Stadt für einen Naturverbundenen, der «auf dem Asphalt botanisieren geht». Das Flanieren als kontemplative Haltung in einer Alltagssituation, die allein vom Eilen, Arbeiten, Her beischaffen, Kaufen bestimmt ist. Der Flaneur, wie wir ihn aus der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts ken nen, interessiert sich für das Treiben und die Waren nur unterbewusst, die Auslagen der Schaufenster nimmt er wie Ausstellungsstücke wahr, die Warenwelt ist ihm nur Dekoration auf seinem Weg. Wenn er überhaupt etwas sucht, dann verwischte Spuren, Lesbares fernab der Leuchtschriften in den Ritzen der Fassaden, Vergesse nes auf den Gehwegen, Geheimnisvolles in dunklen Passagen, Fetzen und Fragmente – und nie den An schluss an einen anderen. Natürlich kommt der Flaneur aus einer Zeit, in der Städte noch eine Faszination auslösten, weil in ihnen alles Neue gebündelt erschien: die ununterscheidbare Menge der Menschen, das auffammende Licht, das überbordende Konsumangebot, die sinnfreie Frei zeit-Ablenkung. Das Inventar der Strassen, so Walter Benjamin in seinem «Moskauer Tagebuch» war auf ein mal «unerschöpfich». Aber heute? Hat der Flaneur nicht ausgedient, weil die in Uniformität gepressten Städte längst kein Terrain mehr sind für ziellos Abschweifende, weil sie keine Wege des Verirrens mehr bereithalten, weil sie Richtung und Verhalten vorschreiben?

Textabschnitt aus dem Buch «Transformationsdesign» Autoren Sommer Bernd und Welzer Harald.

EXPERT*INNEN DES ALLTAGS ODER DIE UN SICHTBARE TOPOGRAFIE DES VIERTELS

Genau das aber ist die Mission von „Flexen“, die Seiten mit Stimmen füllen, für die in einer männlichen und westlich dominierten Literatur wenig Raum ist, feministi sche Stimmen, queere Stimmen, migrantische Stimmen, verletzte Stimmen. Der Titel des Buches weist dabei ziem lich treffend auf seinen Inhalt, denn das Wort „fexen“ ist äußerst vielseitig. Es kann „trennschleifen“, „biegen“, „Sex haben“, „das Variieren der Geschwindkeit beim Rap“ oder das „Zurschaustellen von Muskeln“ bedeuten. Und all das passiert auch in den 30 Texten dieser Anthologie, natürlich in literarischer Form.(...) (Der Flaneur, ...) eine literarische Tradition, die sich aus einem männlichen Selbstverständnis speist, das es für Frauen so einfach nicht gibt. Ist doch der öf fentliche Raum für sie eine Zone, in der sie immer wieder auf ihr Geschlecht hingewiesen werden, manchmal eher subtil, manchmal aber auch sehr eindeutig. (...) Man könnte einwenden, hier würden Ausnahmeer scheinungen thematisiert, und frau solle sich doch nicht so anstellen. Aber allein dieser Hinweis ist Teil des Prob lems und Grund genug für ein Buch, dass keineswegs nur mit dem Finger auf das merkwürdige Verhalten männ licher Großstädter weist. Vielmehr handelt dieses Buch in großen Teilen von Widerstand, von Eroberung und kraftvoller Ermächtigung. Diese Frauen wollen sich nicht abfnden mit festgefügten Rollenzuschreibungen. (...) Hat man „Flexen. Flâneusen* schreiben Städte“ gelesen, ist auch der eigene Blick geschärft. Dafür, wie Menschen aller Couleur sich in der Stadt bewegen, wie viel Freiheit sie sich selber nehmen und dem anderen lassen. Wer noch Flaneur ist und wer schon Flaneuse.»25

Und nachdem im letzten Jahr die Amerikanerin Lauren El kin mit ihrem Buch „Flaneuse“ die weibliche Perspektive auf einige Großstädte gelenkt hat, liegt nun eine deutsche An thologie vor, die diese Perspektive noch einmal weitet. Im Vorwort von „Flexen. Flâneusen* schreiben Städte“ sprechen die Autorinnen mit einer Stimme: „Denn das, was ich mache, ist nicht einfach nur ein nettes Herum spazieren, ein Lustwandeln, eine Selbstverständlichkeit. Ich bin noch kein Teil einer Tradition, es gibt von mir noch kein Bild mit Spazierstock und Zylinder auf den großen Boulevards, keine Literaturgeschichte. Wenn ich mich in Städten bewege, heißt das: Aufpassen. Oder es heißt: Ge sehen werden. Oder: Vollkommen unsichtbar sein. In je dem Fall wurde meine Stimme bis heute zu selten ange hört und hat zu selten die Seiten von Büchern gefüllt.“

Harald Welzer beschreibt in seinem Buch «Transformati onsdesign» das Potential der Menschen, die einen Ort be wohnen und beleben, Alltag oder Arbeitszeit dort verbrin gen. Diese Menschen sind Expert*innen, die ein grosses, spezifsches Wissen über Örtlichkeiten, dessen Nutzun gen, dessen Schwachstellen, versteckten Qualitäten und Möglichkeiten haben. Bisher laufen Planungsprozesse oft immer noch ohne ausgewogenen Einbezug dieses Wis sens ab. Welzer schreibt dazu: «Dabei wären Stadtsanierungsvorhaben genauso wie Infrastrukturprojekte im Rahmen der Energiewende viel leichter zu realisieren, wenn man davon ausginge, dass die, die irgendwo wohnen, die Experten für die Struk turen ihrer Lebenswelt sind und die Planer fremde Besu cher, die erst mal keine Ahnung von den Kompetenzen und Sozialformen vor Ort haben. Diese umgekehrte Defnition von Experten und Lai en liegt zum Beispiel dem Projekt «Stadt (Er)fnden» zu grunde, das die Architektin Saskia Hebert zusammen mit ihren Studierenden von der Universität der Künste Berlin durchführt (Hebert 2014). Da geht es in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Lichtenberg darum, ein sogenanntes Stadtumbaugebiet ganz anders zu erschliessen als ge wöhnlich. In Teams aus «Externen» (Architekten, Planern, Künstlern etc.) und «Experten» (Kindern, Rentnern, Fami lien, Kioskbesitzern aus Lichtenberg) wird erst mal die un sichtbare Topografe des Viertels erschlossen, bevor man über die Umgestaltung der gebauten Orte nachdenkt. He bert geht es also zunächst nicht um die Orte im physikali schen Sinne, sondern um biografsche und auch utopische Orte, die Stadtviertel immer für diejenigen darstellen, die in ihnen leben oder grossgeworden sind. In gemeinsamen Spaziergängen, Gesprächen über Fotoalben oder Stadt plänen erfahren die «Externen», welche Häuser und Stra ssenecken welche Geschichte haben und weshalb sie trotz augenscheinlicher Hässlichkeit oder Verwahrlosung für die unsichtbare Stadt enorm wichtig sind. Der Kiosk ist die Zentralstelle für die Verteilung von Informationen, die alte Schule der uneinnehmbare Spielplatz, das alte Kino ein Sehnsuchtsort.» 26 26 Sommer Bernd und Welzer Harald: Transformationsdesign – Wege in eine zukunftsfähige Moderne. oekom verlag, München 2017. S. 132 - 133.

25 Artikel online publiziert am 24.08.2019 auf: www.deutschland funkkultur.de/anthologie-fexen-faneusen-schreiben-staed (05.02.2020)te-wenn-der.1270.de.html?dram:article_id=457082

57 Ein Artikel des Deutschlandfunk, Autorin Bettina Baltschev. FLEXEN – WENN DER SPAZIERGANG ZUR PROTESTFORM WIRD

BILD: Der Kiosk als zentraler Knotenpunkt und Speicher von Wissen und Geschichten. Szene aus dem Film Smoke, www.moviebreak.de/flm/ smoke (12.02.2020)

«Nicht alle können entspannt durch die Straßen schlen dern: Frauen etwa müssen im öffentlichen Raum mit Be lästigungen rechnen. Ein neues Buch erzählt davon, wie sie die Städte zurückerobern – und rechnet ab mit dem Mythos des männlichen Flaneurs. (...) Wer faniert, konzentriert sich ganz auf das, was er sieht, hört und fühlt. Ein Vorgang, zu dem es wenig braucht, außer Neugier und einen offenen Blick. Doch genau um die sen Blick geht es, wenn neben dem literarisch gut eingeführ ten Flaneur nun auch die Flaneuse ihren Platz beansprucht.

Jan Gehls Vorgehen: «Observation & analysis help us understand public life. Throughout our projects, we spend time counting, measuring, and analy zing the spaces that we are working to improve. Thereby recording the ‘life’ that occurs in our study areas, as well as the qualities of the surrounding ‘space’.» 29 27

www.jovis.de/de/buecher/details/product/staedte-fuer-menschen.htmlhttps://www.deutschlandfunk.de/die-stadt-planen-3-4-jan-gehl-der-menschenfreundliche.1184.de.html?dram:article_id=338681(22.01.2020)

STATISTIK «Statistik „ist die Lehre von Methoden zum Umgang mit quantitativen Informationen“ (Daten).[1] Sie ist eine Möglichkeit, „eine systematische Verbindung zwischen Erfahrung (Empirie) und Theorie herzustellen“.[1] Unter Statistik versteht man die Zusammenfassung bestimm ter Methoden zur Analyse empirischer Daten. Ein alter Ausdruck für Statistik war Sammelforschung. Die Sta tistik wird als Hilfswissenschaft von allen empirischen Disziplinen und Naturwissenschaften verwendet (...). Die Statistik stellt somit die theoretische Grundlage aller empirischen Forschung dar.»32 30 www.de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Karte (13.02.2020) 31 (13.02.2020)www.literaturhandbuch.de/textsorte-ecriture-automatique/, 32 www.de.wikipedia.org/wiki/Statistik (13.02.2020)

28 www.deutschlandfunk.de/die-stadt-planen-3-4-jan-gehl-der-menschenfreundliche.1184.de.html?dram:article_id=338681(22.01.2020) 29 www.gehlpeople.com/approach/ (22.01.2020)

BILD: Beobachten der Nutzungen des öffentlichen Raums, www.gehlpeople.com/approach/ und marieboye.com/gehl-people (22.01.2020)

KOGNITIVE KARTE «Als kognitive Karte (auch mental map) bezeichnet man die mentale Repräsentation eines geographischen Raumes oder räumlich (dreidimensional) vorstellbarer logischer und sonstiger Zusammenhänge. Mit anderen Worten: Kognitive Karten sind men tal vereinfachte Repräsentationen von mehrdimensio naler komplexer Realität. Die Abbildung der geographi schen Realität ist nur eines vieler Beispiele. Dem Begriff liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen die Infor mation über Räume und Landschaften in landkar ten-ähnliche Bilder umsetzen, so dass sich also kogniti ve Karten im Grunde auch zeichnen lassen. Jeder Mensch hat dabei eine andere kognitive Karte eines Raumes, zum einen, da er sich in seinem Heimatort und in dessen Umgebung besser auskennt als in ihm frem den Gegenden; zum anderen, weil jeder Mensch auf grund seiner individuellen Erfahrung und geistigen Ver fassung seine Umwelt anders wahrnimmt.»30

WERKZEUGE DER STADTFORSCHUNG

«Seit mehr als 40 Jahren befasst sich der Architekt und Stadtplaner Jan Gehl damit, Plätze, Straßen, ja ganze Stadtviertel zum Wohle der Bewohner neu oder umzu gestalten. Er stützt sich dabei auf Erkenntnisse, die er durch langjährige Untersuchungen von Großstadtsitua tionen in verschiedenen Ländern gewonnen hat. Indem Gehl selbst Millionenstädte kleinmaßstäblich und im Detail betrachtet, entwickelt er Mittel und Wege, dys funktionale und unwirtliche Stadtlandschaften entschei dend zu verändern. Dabei fnden demografsche Ent wicklungen und sich wandelnde Lebensstile ebenso Berücksichtigung wie gestalterische Prozesse. Wich tigster Grundsatz für Jan Gehls Stadtplanung nach menschlichem Maß: Der Stadtraum muss mit der Ge schwindigkeit eines Fußgängers erlebt werden statt aus einem Fahrzeug heraus. Nur so kann es gelingen, sowohl traditionelle Metropolen wie die schnell wach senden Städte von Entwicklungs- und Schwellenlän dern zu Städten für Menschen zu machen.»27 Jan Gehl: „Gute Architektur geht nicht in Gestalt auf, sie vermittelt zwischen Leben und Gestalt. Sie ist das Dazwischen von Leben und Gestalt. Gute Architek tur zielt darauf ab, das Leben zu unterstützen. Nur wenn das gelingt, kann es gute Städte und gute Architektur geben. Die Planungs- und Architekturkultur wurde sehr, sehr lange einseitig ausgerichtet, da man sich vornehm lich auf die Gestalt konzentrierte. Das war ein gravie rendes Missverständnis.

Denn viele Architekten folgten der Maxime: Wer gestaltet die verrückteste Form, das aufregendste Turmgebäude oder den höchsten Sky scraper. Aber letztendlich kommt es auf das Leben in und zwischen den Gebäuden an. Denn das ist entschei dend für die Lebensqualität des Homo sapiens.“

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Um eine Vorstellung zu bekommen, wie Stadtforschung festgehalten werden kann, hier einige Werkzeuge, wie Erlebnisse und Erkenntnisse im urbanen Raum festge halten werden können. Natürlich sind jegliche Formen erlaubt und experimentelle Zugänge erwünscht.

ECRITURE AUTOMATIQUE Topografen des Bewusstseins: «Ecriture automatique, was auf Deutsch so viel wie „automatisches Schreiben“ bedeutet, ist eine spezielle Methode des literarischen Schreibens. Dabei geht es einzig und allein darum, sei ne Gefühle, Ideen und Gedanken so unverfälscht und echt wie möglich wieder zu geben. - Grammatikalische Regeln, Ortographie, Satzstel lung ect. spielen keine Rolle - Der Aufbau muss nicht logisch und zusammen hängend sein - Es darf während und nach dem Schreiben nichts korrigiert werden - Es muss schnell geschrieben werden - Es dürfen keine Pausen gemacht werden (zur Not kann auch mehrmals derselbe Buchstabe oder dasselbe Wort aneinandergereiht werden)»31

JAN GEHL – STÄDTE FÜR MENSCHEN

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BILDER OBEN: Illsutrationen zu Jan Gehls Theorie, www.marieboye. com/gehl-people (22.01.2020)

BILD UNTEN: Alltagspraxis des Mappings, www.archplus.net/ home/archiv/ausgabe/46,183,1,0.html (29.04.2020)

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BILD LINKS: Fotografe von urbanen Zwischenzuständen, Ulrich Hensel: Düsseldorf, Breite Straße, III, 2003, www.atlasofplaces.com/photogra phy/sites/ (14.02.2020)

BILD OBEN: Fotografe von urbanen Zwischenzuständen, Ulrich Hensel: Düsseldorf, Leuchtenberger Kirchweg, 2007, www.stylepark.com/de/ news/ulrich-hensel-baustellen-fotografe-zwischenwelten, (30.9.2020)

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BILD Miro Board der Projektgruppe StadtKlima mit den Resultaten der individuellen Stadtforschungsergebnissen. Screenshot AW

SteinenvorstadtBestandesaufnahme

64zesterbeiter*innen)Kenner*innenmachen,UmSteinenvorstadtFragebogenSTIMMENAUSDERSTEINENVORSTADTdieStimmenausderSteinenvorstadtsichtbarzuhabenrund15langjährigeSteinenvorstadt(Anwohner*innenundinsbesondereAreinenFragebogenausgefüllt.InnertkürZeitergabesdiefolgendenResultate:

65 WEM WÜRDEST DU DIE STEINENVORSTADT

Zielgruppe Jungen,Jedem

Nein und nein Nein, Nein Bis auf ein paar Kinderflme im Kino, hat die Steinen kaum etwas für Kinder zu bieten. Aber ich fnde die Strasse muss auch nicht familien freundlich sein.

BILDER LINKS: Grafken aus den Umfragen von Alice Schwarz

Nein und muss sie auch nicht. Nein, haptsächlich Bars und Fast Food Nein- ist sie nicht und muss sie auch nicht Ja es gibt sogar eine KITAG. Da kann man die Kinder abgeben und ins Kino gehen. Tolles Konzept. Auch das Spielzeugmuseum ist ja Esnice.muss es nicht sein und ist es auch nicht. Fa milien sind selber Schuld, wenn sie die Kinder im Gegümmel verlieren; es ist kein Spielplatz Ist höchstens tagsüber. Muss sie aber nicht Ich denke tagsüber ist die Steinenvorstadt durchaus Familienfreundlich. Abends wendelt sie sich zur Ausgehmeile. Jedoch stellt sich die Frage, was ist familienfreundlich? Am Tag schon, am Abend weniger. Eher nein. Wenig Platz für Kinderwagen und Kinder gehen schnell verloren in der Menschen menge.

EMPFEHLEN?KinogängerTouristenEherjüngere

mittlerem Alter, nicht Kindern oder Alten, keine Tiere, Menschen die gerne andere Menschen haben jungen Leuten 15-37 Leuten, die sich gerne an einem Ort aufhalten, wo sich andere Leute gerne aufhalten, weil sich andere Leute auch gerne dort aufhalten. Bei de nen Kultur und Musik zweitrangig sind, Haupt sache es hat viel Getümmel und Leute, die ei nem das Gefühl vermitteln an diesem Ort sowieso an der richtigen Adresse zu sein, weil ja sovieso soviel andere Leute auch dort sind. Leute die gerne Pelzkragen tragen, auch im Winter draussen etwas trinken möchten (weil Heizsäulen) und dabei Freude haben andere aufgestylte Menschen zu beobachten. Men schen die sich nicht zuviele Gedanken machen möchten, sondern sich einfach mit dem Strom treiben lassen möchten. Personen die gerne etwas trinken gehen möch ten oder sich einem Film ansehen wollen

IST DIE STEINENVORSTADT FAMILIENFREUND LICH? MUSS SIE DAS ÜBERHAUPT SEIN?

Leute die ins Kino wollen 17 Jährige die sich cool fühlen und möglichst bald einen geleasten BMW wollen. Cineasten Basic ErwachseneBitchesbis

WELCHECoolereSalatbarMehrKeinenMindestgeschwindigkeitBachIndividualismusBarsGERÄUSCHEVERBINDEST

ForgetKonzeptlosAusgangsmeileglücklichitall,eceptthe money. Die Steine will die Ausgangsmeile sein Uueeeh Saufen geil! Teuer aber egal. «Freizeitstrasse für Erwachsene» mit Shishas, Alkohol und Kinos. Ohne Sex «WeilKonsumierenBaselnichts besseres hat.»

WAS IST DAS SKURRILSTE WAS DU IN DER STEI NENVORSTADT ERLEBT/ GESEHEN HAST?

Fussballspiele: z.B Arsenal oder WM 2018 Kro Ichatienhab mich mal mit Freunden zu einem jungen Paar hingesetzt, die am Geld sammeln waren. Sie hatten drei Becher aufgestellt und mit Krei de angschrieben für was das Geld gebraucht wird. Hundefutter, Essen und neue Socken glaub. Als dankeschön haben sie uns Drinks gemixt. Nach einer Weile plaudern, haben wir uns auch zu ihnen gesetzt und den Hund ge streichelt. Das waren die vielleicht besten und skurrilsten 2 Stunden in der Steinen die ich bis dato hatte. Es gibt immer eine ältere (ca. 60j) Balletttänze rin die mit ihrem Tütü zwischen den Bars tanzt. Jungesellen Abend, in dem einer im Peniskos tum shirtless Bilder von sich und getragene Un terwäsche verkaufen musste

Heizausstellerqualm,

Alle Geschäfte mit hohen Mieten auspressen bis nur noch Ketten-Unternehmen überleben. (Ist nicht wirklich ein Konzept - aber ist so.) Mache sie do halt, es git alles für jung und alt! Viele Bars und Restaurants, Ausgehmeile Etwas trinken gehen, sehen und gesehen wer den

66WELCHE DÜFTE VERBINDEST DU MIT DER

WAS IST DAS KONZEPT DER STEINENVOR STADT? (FALLS ES AKTUELL EINES GÄBE)

Winter, Shisha Dampf Burger King, Popcorn Popcorn, Shisha, Stadtluft halt Bier, Popcorn, Shisha Shisha, Parfum, Alkohol, Fastfood und Urin Winter:Keinen Sommer: Shisha Shisha,Shisharauch Alkohol, Rauch, Essen Parfümdüfte der einzelnen Leute WAS WÜRDE DER STEINENVORSTADT GUT TUN? Mehr Grün Mehr Grün/ Luft Ein veganer Dürüm Stand Rex wieder öffnen! mehr Lokale mit alternativer EtwasMusik Grün, vielleicht Entlastung durch Nut zung der Nebenstrasse, billigere Preise Ein

STEINENVORSTADT?Stimmen,MusikLachen,Musik,StimmenHouseundChillOutMusik, schrilles Gelächter, Geplapper, Schritte, Rauschen Menschen, Fussball, Musik aus Bars Laut,lachen, viel Gerdede Baustellenlärm, Menschengerede,TrämmlilärmFilmmusik, eher lärmig Kino Foyer Musik, fussballjubel und Gebuhe, Skateboardrollen, Strassenmusik, Akkordeon, Gittarre bis hin zu Ballet Lärm, schreiende Kinder, Geschwätz - Baulärm, Menschengelaber, Musik Gespräche, Lachen, Rufen - Viel Gerede, nznznznznz von Bar 59, Bierfaschenklirren, betrunkene Menschen, Gegröle

STEINENVORSTADT?Rauch,AbgaseShisha,Alkohol,UrinParfüm,Heizsäulenim

DU MIT DER

67 BILD: Grafk aus den Umfragen von Alice Schwarz

Wikipedia defniert Kultur als alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt – im Unter schied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur.34 Bedient man sich dieser Defnition im Bezug auf die Steinenvorstadt und denkt das ein seitig herrschende Verhältnis zwischen „freier Natur“ und Mensch-Erschaffenem hinzu, müsste die Stadt als solche Kultur an sich sein, oder? Interessanter wird es, wenn man den darauffolgenden Abschnitt liest, in der Kultur als System von Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten von Menschen lei ten, defniert wird. Diese Beschreibung ist zwar etwas konkreter, bringt die Recherche jedoch schnell auf eine persönliche Ebene, dessen Ergebnisse auf eigene Er fahrungen zurückgreift. Doch auch dem soll hier nach gegangen werden. Kultur (29.02.2019)

Der Duden versteht unter dem Begriff Kultur die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestal tenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung.33.

| Umgebung Nach Google Maps

68Carwalk. SteinenvorstadtClubwalk.Catwalk.KulturbegriffederZUMBEGRIFFKULTUR

Zunächts fragen wir aber Google, was uns unter dem Begriff Kultur angezeigt wird. Mit folgendem Ergebnis: ein Übersichtlichtiches Angebot an Möglichkeiten, sich musisch (oder auch nicht) zu betätigen. Sowohl Mu seen und Theater als auch Schulen und Abendkurse fallen unter diesen Begriff. Um jedoch auf konkrete Verwendungen des Kulturbegriffs zurückzugreifen, wird die Rubrik Kultur und Gesellschaft auf der Seite von Geoportal herange zogen. Dazu folgende Doppelseite.

33 Duden 34 Wikipedia:

Um eine Analyse der Kultur in der Steinenvorstadt zu machen, scheint mir wichtig, zunächst den Begriff als solchen zu betrachten und zu defnieren, unter wel chem Aspekt er behandelt wird.

SteinenvorstadtKulturanalyseKurseSchulhäuserKinoTheaterMuseen

69 69 69 Historisches Museum Basel Musikmuseum Klavier spielen mit Freude SAMKunsthalle Basel Spielzeugwelten Tattoo Museum Sek Holbein Berufsfachschule Gymnasium Leonhardt International SchoolCinemaCollege Capitol Cinema Capitol Kult.Kino.Atelier Stadtkino Theater Basel Schauspielhaus Pathé Küchlin PLAN: Bearbeitete Karte Emily Vollmer

PLAN 3: Jugendlichenanteil, geo.bs.ch (29.02.2019)

PLAN 1: www.geo.maps.ch (29.02.2019)

PLAN 4: Seniorenanteil, geo.bs.ch (29.02.2019) Geoportal fasst unter der Rubrik Kultur und Besell schaft folgende Kapitel zusammen: Alterspfege, El ternberatung, Karten der öffentlichen Statistik, Kinder und Jugendangebote, Quartiertreffpunkte, Sanitäre Anlagen, Schulstandorte, Sport & Bewegung und Ta gesheime und Kitas. Zur Vereinfachung wurden hier die Elternbera tung, Alterspfege, Kinder und Jugendangebote, Quar tiertreffpunkte und Tagesheime auf einer Karte zusam mengefasst. Das Angebot gestaltet sich extrem mager. Etwas Aufschluss über die Gesellschaft bietet aller dings das Kapitel Karten der öffentlichen Statistik, in der sich die geringe Sesshaftigkeit, der wunderlich kleine Anteil an Jugendlichen und die beträchtliche Menge an Senioren abzeichnet. Erstaunlich für Basels Ausgehmeile.

PLAN 2: Sesshaftigkeit, geo.bs.ch (29.02.2019)

70

71

SteinenvorstadtKulturanalyse | Umgebung Nach Erleben und Fragen

ÄhnlichCARWALKwiederCatwalk

funktioniert zu später Stun de der Carwalk: Das Auto herausgeputzt, möglichst Laut die Musik. Auf dem knapp 200 Metern der Heu waage rollen die Räder langsam, denn Tempo ist ent scheidend. Bloss nicht zu schnell, denn dass die Autos schnell fahren können ist nicht teil der Diskussion. Viel mehr entscheidend ist, wie es von Nahem funktioniert, Blicke einfängt und möglichst viel über den Fahrer er zählt! Und kaum am Ende angekommen folgt entweder der komplizierte Weg zurück zum Start des Car walks, oder aber der U-Turn auf den Birsigparkplatz, eine fes getarnte Sackgasse. Doch niemals den Wa gen hier alleine lassen, was ihm doch alles Zustossen könnte! Im Gegenteil, der Wagen wird zum Fangnetz und die Position in der Bar entscheidend. Denn jetzt ist Geschick gefragt: Bewegt sich ein Objekt der Begierde in Richtung der Falle, ist eine schnelle Reaktion die einzige Chance, um nicht alleine nach Hause gehen zu müssen. Beisst Nichts an heisst es, kompliziert aus der Sackgasse entwischen und den Wagen ein weiteres Mal dem heisshungrigen Publikum vorführen. Es handelt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um ein zeitgenössisches Balzverhalten, dessen Infrastruktutr unbedingt erhalten werden muss.

72 ClubwalkCarwalkCatwalk vor 00:00 Clubwalk nach 00:00 Clubwalk ab 5:00

Kulturbegriff weiten

CLUBWALK Ob ClubwalkerInnen bewusst ist, welchen Weg sie in einer einzelnen Nacht zurücklegen bleibt zu fragen offen. Anzumerken ist auf jeden Fall, dass die For mulierung „eine ganze nacht“ viel länger klingt, sich länger anfühlt und man beim neutralen Gedanken an die tatsächliche Stundenanzahl beinahe in eine Het ze kommen müsste. Denn die späten Öffnungszeiten der Clubs ab 00:00 und das allgemeine Heimstürmen um etwa 5:00, kombiniert mit Toiletten- Raucher- oder Snackpausen lässt für den aktuellen Clubbesuch noch knapp etwa 4 Stunden übrig. Und dabei unterscheiden sich die unterschiedlichen Geschmäcker knapp noch in der Wahl des Ortes, mit fortschreitender zeit jedoch nicht einmal mehr in dieser hinsicht.

Die Catwalk Kultur ist die zur Tageszeit am stärksten ausgeprägte Verhaltensweise des Steinenvorstadtgän gers. Dabei wichtig ist das Zusammenspiel mehrerer Parteien: Die Restaurants richten ihre Stühle mit Blick auf die Strasse, wer früh kommt ergattert einen Platz an vorderster Front. Und da biegen die ersten Outfts in die Strasse ein, präsentieren sich im passenden tem po und halten Modebanausen auf dem neusten Stand. Oben angekommen ein möglichst unauffälliger Kehrt auf dem Absatz und noch einmal die Strasse hinunter. Einzelne wagen sich bis zu 4 mal auf den Laufsteg. Das Outft sei präsentiert unter jedem Umstand. Fly aussehen ist angesagt, Flyrtbereitschaft aufgeschal tet. Über Jogginhose zum Minirock hin zur perfekten Mützen-Brillen Kombination, für jeden ist was dabei. Das Schöne: es ist kein vorherrschender Stil erkenn bar. Was sie verbindet: Gut kombiniert, zufällig faniert. Dabei ist Zufall die grosse Frage: Die Steinenvorstadt wird im seltensten Fall zufällig passiert um an einen anderen Ort zu gelangen. Für die Steinenvorstadt ent scheidet man sich - oder eben nicht. Es handelt sich hier vermutlich sogar um eine nicht offziell als solche defnierte Art der Stadtforschung.

CINEWALK Ins Kino zu gehen ist naheliegen in der Kinostrasse, auch wenn die Preise explodieren. Doch sprechen wir hier nicht vom typischen Bild mit Popcorn in der einen und Cola in der anderen Hand. Gemeint sind nicht die, die den nächsten Blockbuster jagen. Wir sprechen von einem ganz bestimmten Anlass einmal in der Woche: Denn an diesem einen Abend treffen sich zahlreiche Senioren und Seniorinnen für die Übertragung irgend einer Oper auf die grosse Leinwand. Treffen sich, ver schwinden für mehrere Stunden in den riesigen Räum lichkeiten und tauchen ein in ein Meer von Klängen. Was im Kinosaal passiert bleibt im Kinosaal. Zugleich rüstet sich die Aussenwelt für das Ende der Vorstellung: es fahren Taxis vor, die Steinenvorstadt wird zugeparkt. Ende der Vorstellung und das Publikum strömt oder wackelt viel eher aus den Säälen in die einzelnen Autos um nach Hause gebracht zu werden. Bis in einer Woche, Vreni.

CATWALK

73 PLAN: Bearbeitete Karte Emily Vollmer

Tätigkeiten Steinenvorstadtder BILDER: Fotografen und Beobachtungen Emily Vollmer

PERSONENFLUSS IN DER NACHT Nachts wandelt sie der Ort zu einer Ausgangsmeile mit vielen Bars. Hier befndet sich der grösste Besu cherfuss zwischen den Restaurants, Clubs und Bars. Auch hier verwenden die Besucher die Parkhäuser in der Umgebung, sowie den Birsigparkplatz. Wichtige Lokalitäten und Ausgehorte sind auf den folgenden Seiten vermerkt.

Autofahrer nutzen die umliegenden Tiefgaragen „Stei nenvorstadt Parking“ und „Theater Parking“ um an den Ort zu gelangen. Zulieferer und Arbeiten parken vor allem auf dem Birsigparkplatz. Der Zustrom der Fussgänger erfolgt von den Haltestellen „Heuwaage“ und Barfüsserplatz“ die von diversen Tramlinien be fahren werden. Zusätzlich kommen viele Passanten aus Richtung der Gerbergasse. Dargestellt wird das auf dem Grundriss der folgenden Seite.

BILD UNTEN RECHTS: Die Steinenvorstadt am www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/streit-in-steinenvorstadt-ploetzSamstagabend lich-fiegt-ein-fahrrad-und-verletzt-einen-26-jaehrigen-amkopf-133669326 (29.02.2019)

76AbendweiseeinemchebeliebteAufgrundangeht,DieFussgänger*innenströmePERSONENFLUSSAMTAGSteinenvorstadtisteineder,wasdieFussgängerammeistfrequentiertenStrasseninBasel.derGeschäfteundKaffeesistderOrteineEinkaufsmeile.Nachmittags,unterderWowirdhiereingekauft,sowiemitFreundenetwas,inderzahlreichenLokalegetrunkenbeziehungsgegessen.DasgleichegiltvomVormittagbisauchamWochenende.

BILDER OBEN RECHTS: Sehen und gesehen werden in der Steinen vorstadt. Fotografen Alex Herbst (29.02.2019)

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78 Quelle: Geodaten Kanton Basel-Stadt, map.geo.bs.ch Dieser Ausdruck hat nur informativen Charakter, www.geo.bs.ch/agb Ausdruck vom 19. Februar 2020 14:05 Uhr MassstabEZentrumskoordinaten2'611'297 Personenfluss Mittagszeit, unter der Woche SteinenGrill TibitsBurgerking PLAN: Bearbeitete Karte Alex Herbst

79 Zentrumskoordinaten LV95: 2'611'297 / N 1'266'897 Massstab 1:1'000 McDonalds YamYam Burgerking

80

Quelle:

Geodaten Kanton Basel-Stadt, map.geo.bs.ch Dieser Ausdruck hat nur informativen Charakter, www.geo.bs.ch/agb Ausdruck vom 19. Februar 2020 14:05 Uhr MassstabEZentrumskoordinaten2'611'297 Personenfluss Mitternacht, Wochenende Burgerking SteinenGrill BuddaBarDelMarCafèVice Club Balz BarJerry‘s Bar SoHo PLAN: Bearbeitete Karte Alex Herbst

SaxophonTheaterplatzExcalibar

81 Zentrumskoordinaten LV95: 2'611'297 / N 1'266'897 Massstab 1:1'000 McDonalds BurgerkingMr. Pickwicks

Auch der Detailhandel leidet in der Steinenvorstadt. Immer mehr große Firmenketten fnden ihren Platz in der Straße und machen es für Besitzer von Läden fast unmöglich ihren Standort zu behalten. Die Mieten für die Geschäftsfächen steigen ständig.

BILD 2: Konsumfäche Steinenvorstadt, Fotografe Hannah Pichler

Das Angebot an Gastronomie in der Steinenvorstadt ist ansehnlich. Fast jedes zweite Gebäude beherbergt ein Restaurant, eine Bar oder eine Fast Food-Kette. Jedoch trügt der Schein - durch die hohen Mieten in der Steinenvorstadt wechseln die Gastronomiebetrie be ständig. Die Lage der Straße bringt den Restau rants nicht unbedingt Erfolg. Viele Besitzer von klei nen Restaurants kämpfen um ihre Existenz.

82Konsumfächen GASTRONOMIE

PLAN: Steinenvorstadt Plan mit nach Beobachtungen gekenn zeichneten Konsumfächen. Erstellt durch Hannah Pichler.

BILD 3: Konsumfäche Steinenvorstadt, Fotografe Hannah Pichler

BILD 5: Konsumfäche Steinenvorstadt, Fotografe Hannah Pichler

DAS LEBEN ALS ANGESTELLTE*R

Die Bedingungen als Angestellter in der Steinenvor stadt sind erschöpfend. In den letzten Jahren wurden die Ladenöffnungszeiten der Läden immer mehr aus geweitet. Dazu kommt, dass die Löhne viel zu niedrig sind, kaum einer liegt über 4000 Franken. «Die Ange stellten leiden unter unzusammenhängenden und un regelmässigen Arbeitszeiten» meint Eva Süd beck-Baur. Dennoch setzen sich die Angestellten für ihre Läden ein und versuchen somit Einfuss auf den Geschäftserfolg zu haben, jedoch scheitert jener Ver such meistens. Leute werden bei Bedarf eingestellt und wieder entlassen, sobald sie nicht mehr gebraucht werden. Zwei Drittel der Arbeitnehmer sind Frauen, jene beschweren sich, dass das Leben ohne zusätzli ches Einkommen eines Partners unmöglich wäre. 35 35 Auszüge aus dem Artikel «Basels wildeste www.tageswoche.ch/gesellschaft/basels-wildeste-strasse/Straße»:(29.02.2020)

BILD 4: Konsumfäche Steinenvorstadt, Fotografe Hannah Pichler

DETAILHANDEL

Gastronomie Detailhandel Gastronomie Detailhandel

PLAN

Genutzte Aussenfächen Dienstag,

Genutzte Aussenfächen Donnerstag,

Beide Stadtpläne bearbeitet durch Hannah Pichler.

83 83Genutzte Aussenfächen

PLAN OBEN: Sonnig 12:00. UNTEN: Regen 23:00.

84WohnraumWOHNRAUMIN DER STEINENVORSTAD In fast jedem Haus in der Steinenvorstadt befnden sich mindestens ab dem dritten Geschoss Wohnungen. Eine genauere Aufschlüsselung der jeweiligen Wohnty pen fndet sich auf der rechten Seite. PLAN: Plandarstellung der Steinevorstadt von Geoportal Basel von 2Seite 1

plätze angeht: Zum einen gibt es viel weniger Velopark plätze als Velofahrer in der Stadt aber zum Anderen wer den Velos in Basel auch einfach überall abgestellt. Dies ist ein für eine Grossstadt ungewöhnliches System, wel ches aber in der Bevölkerung durchgehend akzeptiert ist. Dies führt auch zu einer Art Bottom-Up Parkordnung bei Velos, es bilden sich Hotspots. In der Steinen befn den sich diese primär an den Zugangspunkten: Bei der Heuwage Beim Barfüsserplatz Im Theatergässlein (neben Mr. Pickwick Pub)

PLAN:ParkplätzePlandarstellungderSteinevorstadt

85

Der Birsigparkplatz ist, wie der Name schon sagt, ei gentlich ein einziger Parkplatz. Er wird primär als Wen deschlaufe und zur Anlieferung von Gütern für viele in der Steinenvorstadt ansässige Geschäfte genutzt.

Seite 1 von 2

BIRSIGPARKPLATZ

Bei der Einfahrt des Birsigparkplatzes befndet sich ein offzieller Veloparkplatz mit ca. 30 Plätzen. Dieser ist je doch bekannt für seine hohe Diebstahlgefahr. Die Stadt Basel hat eine Besonderheit was Velopark von Geoportal Basel

LEGENDE Blaue Zone: Fussgängerzone Rote Zone: Birsigparkplatz Nummer 1: Veloparkfäche

VELOPARKPLÄTZE

Diese Kapitel lässt sich relativ kurz zusammenfassen. Wir befnden uns in der Steinenvorstadt in der Innen stadt von Basel. Mit einem Blick auf den Grundriss lässt sich erahnen, dass die Parzellenaufteilung noch aus der Zeit des Mittelalters stammt. Was bedeutet, dass dieser Bereich schon lange städtischen Struktu ren unterliegt. Natürliche Strukturen wurden schon vor

EINSATZ VON BEGRÜNUNG

86Begrünung

Auf einigen Balkonen und Fenstersimsen der Anwohner in der Steinenvorstadt lassen sich Begrünungen ausmachen. Bars und Restaurant setzten Begrünung ein um ihre Aussensitzplätze aufzuwerten. Es macht aber eher den Anschein als sollen die Pfanzen einen gewissen Parameter begrenzen.

NATUR IN DER STEINEN

87 BILD 1 - 6: Fotodokumentation Steinenvorstadt Luana Bürki am 20.02.2020. Begrünung Anwendung und Einsatz vor Ort

sind so vielsei tig wie deren Besucher und Anwohner. Auf Basis der Ortsbegehung haben wir versucht ein Muster in der Verwendung von Materialien zu erkennen. Auffällig war dabei die Verwendung von mineralischen Materi alien wie beispielsweise Beton, Granit, Verputz oder Keramik.

Die ältesten Häuser aus der Steinenvorstadt stammen aus dem späten 13. Jahrhundert, sind also aus ver putztem Mauerwerk, gestützt von massiven Eichen holzbalken. Von denen aber nur 2 Gebäude erhalten sind. Weiterhin trifft man historisierende Bauten aus dem späten 19. Jahrunderd, sowie dem frühen 20. Jahrhundert an. Diese sind teilweise gut saniert und teilweise vernachlässigt worden. Diese Gebäude wur den grundsätzlich so errichtet. beziehungsweise so saniert, dass sich ein Läden im Erdgeschoss befnden. Gebäude aus dieser Zeit scheinen sich verteilt über den ganzen Standort zu befnden. Am häufgsten anzutreffen sind Bauten aus dem spätem 20. Jahrhundert . Die Materialität der Ge bäude tendiert auch hier deutlich Richtung Stein, Be ton und Glas. BILDER OBEN RECHTS: Roter Sandstein aus dem Mittelalter und 19./20. Jahrhundert, mentationweisengesammtenBILDschichte/baugroesse-und-baumaterialwww.baslermuenster.ch/bauwerk/bauge(29.02.2020)UNTENRECHTS:AsphaltierteStrasse,anzutreffeninderSteinenvorstadt.ZahlreicheKaugummirückständeaufeinehoheFrequentierungderStrassehin.FotodokuAlexHerbstundKevinPeterhans.

VON MITTELALTERLICHEN, BISHIN ZU ZEITGENÖSSISCHEN GEBÄUDEN

88DieMaterialienERSTEREINDRUCKMaterialieninderSteinenvorstadt

STEIN UND ASPHALT

Hier wurde roter Buntsandstein aus Degerfelden in Deutschland, bei Rheinfelden, verwendet, während für fgürliche und ornamentale Bauteile der leichter zu bearbeitende, feinere rote Buntsandstein aus dem Wiesental in Deutschland, verwendet worden. Die De gerfelder und Wiesentaler Steinbrüche waren in der Neuzeit bereits erschöpft. Im 19. Jahrhundert und der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendete man roten Sandstein aus dem nördlichen Schwarzwald, den Vo gesen und später vor allem aus dem deutschen Main tal bei Wertheim/Würzburg.Beizeitgenössischen

89

Gebäuden trifft man mehrfach rot gefärbte Zementmischungen an. (3. Bild oben rechts)

BILD: Die Materialcollage zeigt die vielfältigen Materialien und Struktren der Steinenvorstadt. Farbgebungen der Materialien weisen keine eindeutigen Muster auf. Jedoch sind die meisten Materialien in Alex Herbst und Kevin Peterhans.

Erdtönen. Fotodokumentation

Alex Herbst und Kevin Peterhans.

VIELSEITIGE OBERLÄCHENSTRUKTUREN

92

Ebenso vielseitig wie die Farbgebung der Oberfächen sind auch deren Strukturen. Raue und Grobkörnige Oberfächen sind glatten, teilweise spiegelnden Struk turen gegenübergestellt.

GRAFFITI UND FASSADENMALEREI In den 90er Jahren gab es in der gesamten Steinenvor stadt viele Grafftis. In den folgenden Jahren, nachdem sich vermehrt Geschäfte und Lokale ansiedelten, ver schwanden die Grafftis nach und nach aus der Steinen vorstadt. Anzutreffen sind sie heute im Steinenbach gässlein, welches parallel zur Steinenorstadt verläuft. Nicht nur illegale Grafftis sind vorhanden, sonder auch Auftragsmalereien.

BILDER:

Fotodokumentation

Recherche

BILD Auslage Literaturquellen.

Am Beispiel der Stadt Leipzig sollen Einsatzmöglich keiten und Funktionen von Urbanen Wäldern unter na turschutzfachlichen, stadtökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten erproben werden. In dem Experiment geht es darum, diesen in der Stad tentwicklung innovativen, interdisziplinären und integ rativen Ansatz zu untersuchen, der wirtschaftliche, so ziale und naturschutzfachliche Aspekte zusammen -führt und gleichzeitig einen Beitrag zu Erholung und zum Naturerleben der Bevölkerung leistet. 37

Im Rahmen dieser Recherche habe ich nach verschie denen Projekten gesucht um zu sehen wie andere Städte das Konzept von einer grüneren Stadt versu chen umzusetzen. Zusätzlich habe ich die Versicke rungfäche in Basel untersucht und bin dabei auf inter essanten Fakten zum Thema Hochwasser, ausgehend von der Birsig, gestossen. Dazu habe habe ich die Recherche in folgende Teile gegliedert:-Stadtbegrünung-Fassadenbegrünung-Stadtklima - Versickerungsfächen

LANGFRISTIGES PROJEKT

96 URBANER STADTWALD IN LEIPZIG

Ziel des Projektes ist es, Wälder auf innerstädtischen Brachen modellhaft anzulegen, langfristig zu sichern, sowie Akzeptanz durch die Bevölkerung zu entwickeln und ihre Eignung im Stadtumbau zu testen. Es ist einge bettet in eine wissenschaftliche Begleitung und wird vom deutschen Bundesamt für Naturschutz gefördert.36

Stadtbegrünung Stadtpfanzen

Während die Schaffung von Parks und Grünfächen relativ schnell geht und eindeutig ist, zieht sich dieser Prozess beim urbanen Wald länger hin und ist weniger eindeutig. Generell stellt sich daher insbesondere die Frage, wie der urbane Wald in der Innenstadt ausse hen wird und welche Nutzungsqualitäten er besitzen wird. Stadtbegrünungsprojekte wie das in Leipzig müssen als Prozess verstanden werden. Meist um fasst ein Projekt mehrere Jahrzehnte bis es vollendet ist. Da funktionierende Ökosysteme sich nur langsam und stetig entwickeln. Flora und Fauna braucht eine gewisse Zeit um eine Balanace zu entwickeln. Dabei ist die Auswahl der Pfanzen essentiell. Beispielswei se ist der Lebensraum bestimmter Käfer abhängig von vorhandenen Pfanzen vor Ort. Und diese Käfer bilden die Nahrungsgrundlage für bestimmt Vogelarten. Dies kann man nicht in einem Ruck aus dem Boden stamp fen, sondern muss es mit Geduld und Fachwissen wachsen lassen. 38 36 UFZ-Bericht 03/201. Urbane Wälder: Ökologische Stad terneuerung durch Anlage, Urbane Wälder: Ökologi sche Stadterneuerung durch Anlage, urbaner Wald ächen auf innerstädtischen Flächen im Nutzungswandel ISSN 0948-9452 37– 39 dex_DEwaldwissen.net/wald/erholung/wsl_urbaner_wald/in(20.02.2020)

GLIEDERUNG DER RECHERCHE

97 FOLGENDE BAUSTEINE WERDEN UMGESETZT:-Neuanlage und forstliche Bewirtschaftung von Waldlfächen auf städtischen Standorten unter Einbeziehung vorhandener Biotopstrukturen - Verwendbarkeit WaldstrukturtypenunterschiedlicherundWaldbilder für den Klima- Immissions- und Prozessschutz - Gestaltung der «Urbanen Wälder“ mit Stadtteilparkfunktion - Akzeptanzförderung, Kommunikation und Beteiligung der Bürger Langfristige planerische und rechtliche Sicherung der 39

BIODIVERSITÄT ALS GRUNDLAGE EINES ÖKOSYSTEMS Auf dem Grundriss sind die geplanten Bepfanzungen dargestellt. Hier lässt sich ein Artenreichtum erken nen, welcher einer Vielzahl von Tieren neuen Lebens raum bietet. Ist die Grünfäche ausgewachsen und eingependelt, bedarf es wenig Aufwand an Instand haltung und Bewässerung. OBEN: Aufsicht auf das Projektgebiet, google.ch/maps BILD UNTEN: Vermittlung des Projekts «Urbaner Wald», (20.02.2020)www.waldwissen.net/wald/erholung/wsl_urbaner_wald/index_DE

FUNTIONIERENDEN

BILD

VORTEILE DER FASSADENBEGRÜNUNG:

98Konzepte Fassadenbegrünungder

WELCHE FASSADE KANN BEGRÜN WERDEN? Fast jede intakte Fassade kann mit Kletterpfanzen be grünt werden. Schadhafte Fassaden sollten vor der Be grünung, insbesondere bei der Verwendung von selbst kletternden Pfanzen, saniert werden. Für problematische Fassaden wie feuchte Fassaden, außengedämmte Fas saden beziehungsweise Wärme dämmverbundsyste me, vorgehängte hinterlüftete Fassaden, Luftkollektorfas saden, Holzoberfächen, Kunstharzputze, Putzfassaden mit Rissen oder dünnen Oberputzen eignen sich nur Ge rüstkletterpfanzen ohne lichtfiehende Triebe. Insbeson dere bei außengedämmten Fassaden sollten die Kletter hilfen in die tragenden Bauteile montiert werden. Wärmebrücken lassen sich durch spezifsche Befesti gungselemente minimieren. Informationen erhalten Sie bei Fachbetrieben. Ist eine Fassadenbegrünung nicht möglich, können al ternativ Stützmauern, Sichtschutzzäune, Balkone, Ga ragen oder Carports begrünt werden. So erhalten Sie natürlichen Wind-, Sicht- und Sonnenschutz. Kleine Be grünungen können Sie auch mit Spalierobst umsetzen.

40 ganzer Text: Fassadenbegr%c3%bcnung.pdf9d3b0-d375-4758-96ef-0761ad3f6eeb/Merkblatt%20www.stadtgaertnerei.bs.ch/dam/jcr:78b(20.02.2020)

Verbesserung von Luftqualität und Raumkli ma Begrünte Fassaden verbessern die Luftqua lität im nahen Umfeld und in den Innenräu men. Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Feinstäube werden gebunden. Kletterpfan zen wirken temperaturregulierend und ver bessern das Stadtklima. Begrünte Wände sind in den Sommermonaten in der Regel deutlich kühler als ihre Umgebung. Schutz der Fassade Besonders dichtes und großfächiges Blatt werk hält UV-Strahlung, Hagel und Schlagre gen von der Fassade ab. Die Bausubtanz wird geschont und bleibt trocken. Wissen schaftlich widerlegt ist die verbreitete Mei nung, dass durch Kletterpfanzen Feucht schäden verursacht werden. Kletterpfanzen können auch vor Vandalismus schützen.

- Abfussregulierung bei Starkregen Kletterpfanzen entlasten bei Starkregen das Kanalnetz durch den natürlichen Wasser rückhalt und leisten somit einen Beitrag zum Hochwasserschutz. Steigerung der Lebensqualität und Lärmmin derung Kletterpfanzen verschönern und werten das Wohn- und Arbeitsumfeld auf. Medizinische Studien belegen, dass Pfanzen sowohl leis tungsfördernd als auch entspannend wirken. Die Lebensqualität wird erhöht. Zugleich wird Lärm durch Schallbrechung deutlich reduziert. Lebensraum vieler Tierarten Begrünte Fassaden verbinden bestehende Grünfächen und bilden Lebensraum, Refu gium und Nahrungsquelle für Vögel, Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insektenar ten. Tierökologisch besonders wertvoll sind Efeu, Wilder Wein und Geißblattarten.

selbstkletternden

Besonderheiten: Efeu und Wilder Wein sollten alle 2 Jah re unterhalb des Dachbeginns eingekürzt werden. Efeu ent- wickelt nur an den jungen Trieben für etwa 3 Jahre Haftwurzeln. Wenn die jungen Efeutriebe jährlich ent fernt werden, besteht Gefahr, dass die Pfanze abstürzt.

GERÜSTKLETTERPFLANZEN

Gerüstkletterpfanzen benötigen Kletterhilfen. Die Be pfanzung ist daher aufwendiger und mit höheren An schaf- fungskosten verbunden als bei selbstkletternden Pfanzen. Dafür können jedoch Gerüstkletterpfanzen gezielt gelenkt und begrenzt werden. Gerüstkletter pfanzen werden je nach Kletterform als Schlinger (Starkschlinger), Ranker und Spreiz- klimmer bezeichnet. 40

99 SELBSTKLETTERNDE

-SelbstklimmerWurzelkletterer (z.B. Efeu)

- Haftscheibenranker (z.B. wilder Wein)

PFLANZEN Selbstkletternde Pfanzen wie Wilder Wein, Efeu, Immer grüne Kriechspindel und Kletterhortensie bilden Haftwur zeln oder Haftscheiben aus, mit denen sie sich direkt an ihrer Unterlage festhalten. Große Flächen können so gleichmäßig und ohne Kletterhilfe begrünt werden. Bei Pfanzen ist die Pfege besonders wichtig, damit die Triebe nicht in Rollladenkästen, Dach rinnen und in das Dach hineinwachsen. Achten Sie dar auf, dass Sie Rückschnitte unkompliziert durchführen können. Zudem sind selbstkletternde Pfanzen für Fas saden mit Fugen, Wärmedämmungen oder rissigem Verputz ungeeignet, da lichtfiehende Triebe in Risse und Fugen wachsen können. Auch moderne behandelte Fassaden können für Selbstklimmer zu glatt sein.

Zum Problem für unsere Lebensqualität wird das vor allem an heißen Sommer tagen, in denen nur noch der Aufenthalt im Grünen Ent lastung bringen kann. Am Beispiel der Stadt Leipzig sollen Einsatz möglichkeiten und Funktionen von Urbanen Wäldern unter naturschutzfachlichen, stadtökologischen, sozia len und wirtschaftlichen Aspekten erproben werden.

In dem Experiment geht es darum, diesen in der Stadtentwicklung innovativen, interdisziplinären und in tegrativen Ansatz zu untersuchen, der wirtschaftliche, soziale und naturschutzfachliche Aspekte zusammen -führt und gleichzeitig einen Beitrag zu Erholung und zum Naturerleben der Bevölkerung leistet.

WENIG GRÜN UND VIEL BETON

ZEHN GRAD CELSIUS UNTERSCHIED ZWISCHEN STADT UND LAND

100StadtklimaSTADTKLIMA-

WAS IST DAS?

Die geschlossene Bebauung und tiefe Straßenschluch ten verringern zudem den Luftaustausch mit dem Um land und höher liegenden Luftschichten und behindern somit die Frischluftzufuhr. Kommen jetzt noch die Ab wärme von Industrie, Verkehr sowie Heiz- und Kühlpro zessen hinzu, ist es nicht verwunderlich, dass der Tem peraturunterschied zwischen Stadt und Land im Sommer bis zu zehn Grad Celsius betragen kann. Zu sammen mit diversen Luftverunreinigungen, bestehend aus Feinstaub und Luftschadstoffen, entsteht ein unge sundes Stadtklima. Vor allem Kindern, alten und kran ken Menschen, insbesondere solchen mit Herz- und Kreislaufproblemen fehlt dann die Möglichkeit, den Kör per durch Abkühlung zu regenerieren und der Aufent halt in der Stadt wird in Hitzeperioden zu einer echten Belastungsprobe. Tagsüber wirkt zudem die Sonnen strahlung bei fehlendem Schatten und die hell refektie renden Oberfächen in der Stadt wie ein Heizpilz auf un seren Körper, was im Winter vielleicht als angenehm, im Sommer aber als stark belastend empfunden wird. Je windstiller und sonniger es ist, desto stärker tritt der Stadtklimaeffekt in Kraft. Die genannten Proble me des Stadtklimas werden im Zuge des Klimawandels zunehmen. Extremereignisse wie der Hitzesommer 2003 werden in ihrer Häufgkeit und Intensität zuneh men. Das bedeutet, dass es in Zukunft immer wichtiger sein wird, das Klima in unseren Wohnorten zu verbes sern. Dass das geht, zeigen viele, teilweise leicht umzu setzende Beispiele.41 41 nung/bauen/stadtklima/stadtklima.html,www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenscho(20.02.2020)

In unseren Städten ist aber heute ein Großteil der Flä che versiegelt, das heißt, Vegetation ist kaum vorhan den und die natürliche Bodenoberfäche ist durch un durchlässige Materialien nahezu vollständig abgedichtet. Davon abgesehen, dass somit das Nieder schlagswassers schnell und ungehindert in die Kanali sation abgeführt wird und nicht mehr zur kühlenden Ver dunstung im Boden gespeichert bleibt, haben die für die Versiegelung verwendeten Materialien Stein, Beton, Stahl und Asphalt ein höheres Wärmeaufnahme und –speicherverhalten als natürliche Vegetation. Das führt vor allem im Sommer zu Problemen, wenn sich diese Materialien in der Sonne stark aufheizen und große Wärmemengen speichern. Die tagsüber aufgenomme ne Wärme wird dann in der Nacht abgegeben und verhindert die Abkühlung der Stadtluft. Das Phänomen ver stärkt sich durch die hohe Gebäudedichte und die Oberfächenvergrößerung durch die dreidimensionale Struktur.

BILDER map.geo.bs.ch/?lang=de, (20.02.2020)

Unter dem Begriff Stadtklima wird heute die menschen gemachte Veränderung des Klimas und der Luftqualität in städtischen Ballungsräumen zusammengefasst. Die se Veränderungen basieren hauptsächlich auf dem Ein fuss von Versiegelung und Bebauung sowie Industrie und Verkehr. Typische Phänomene des Stadtklimas sind neben der Luftverschmutzung erhöhte Luft- und Oberfächentemperaturen sowie veränderte Wind- und Niederschlagsverhältnisse.

101 STADTKLIMA IN BASEL

Grundsätzlich ist zu erkennen, dass die Stadt relativ heiss zu ihrer Umgebung ist. Eine deutliche Kaltschnei se stammt von Gewässern und Wäldern in der Umge bung. Daraus lässt sich schliessen, dass Gewässer und Begrünung die Temperaturen an heissen Som mertagen in Grenzen halten.

JahrzehnteMobilitätsformenderZukunftMOBILITÄTlangprägtedasKonzeptder

autogerech ten Stadt unsere Metropolen. Das Auto als das Zei chen der Individuellen Freiheit nimmt in unserenIn nenstädte unheimlich viel Platz in Form von Stassen,Viadukten und Parkplätzen ein. Die gravie rende Luftverschmutzungen und die sich abzeichnen den Folgen der Klimaerwärmung zwingen uns nach und nach über eine neue Form der Mobilität nachzu denken. 42 In den untenstehenden Grafken lässt sich die C02 Emissionen des Verkehrs nach Verkehrsmittel in der Gesamten Schweiz herauslesen. Das Auto macht den grössten Anteil aus, während Öffentliche Verkehrsmit tel wie Bus, Tram und Zug einen relativ kleinen Teil 42 Hofmaster, Sandra. Konzepte für die neue Äre der Mobi litär, in Magazin Detail, 3/20 Mobilität, S.1 ausmachen. Hier zeigt sich aber deutlich, dass grö ssere Strecken in der Schweiz hauptsächlich mit dem Auto zurück gelegt werden, während kleinere Stre cken mit dem Bus und Tram und mittlere Strecken mit dem Zug zurück glegt werden. Das Auro ist in der Schweiz also das beliebteste Fortbewegungsmittel für Langstrecken. Wie sieht es aber in den Städten aus, wo immer mehr Bewohner auf das Auto verzichten? 3% 4%

102

103 BILD 1: Anteile der Verkehrsmittel an den zurückgelegten Personen kilometern in der Schweiz(auf Strasse und Schiene, elle-umweltauswirkungen/umweltauswirkungen.htmlwww.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/unfaSchweizBILDelle-umweltauswirkungen/umweltauswirkungen.htmlwww.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/unfa2017)(02.03.2020)2:CO2EmissionendesVerkehrsnachVerkehrsmittelinder2017(OhneInternationalerFlugverkehr)(02.03.2020) 4% 2%PersonenwagenBusseundTramsEisenbahnzuFussVelosübrige

110,0114,8102,5 G 3 finanziellenKosten,

©

© BFS 2019Quelle: BFS – Statistik der Kosten und der Finanzierung des Verkehrs (KFV) 100951051101152010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Strasse 2Schiene Luft 1 Entwicklung der Kosten des Verkehrs nach Verkehrsträgern BILD LINKS: Entwicklung der Kilometerkosten des personenver kehrs nach Verkehrsformen; www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/ statistiken/mobilitaet-verkehr/kosten-fnanzierung.assetde tail.10887966.html (28.03.2020) TEXT RECHTS: Preisvergleich für eine Familie; und-gegen-den-zug-ld.1118054schweiz/die-kostenbilanz-spricht-immer-staerker-fuer-das-auto-www.tagblatt.ch/(28.03.2020)

104 KOSTENBILANZ Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, welches Verkehrsmittel im Endeffekt kostengünstiger ist. Ist es das private Auto, bei dem immer wieder Zusatzkosten für Sprit und Reperaturen entstehen, oder die Fortbe wegung mit dem Zug auf Schinen, wo die Ticketpreise der Anbieter ständig steigen. Von 2010-2015 stiegen die Kosten pro Personenkilometer für die Zugfahren den um 7% an. Für die Autofahrenden sanken die Kos ten in der gelcieh Zeitspanne um 7%. Die Preise für benzin und Autos sanken ab, während die Billiettprei se für den Schienenverkehr teurer wurden. Das Bundesamt für Statistik Schweiz kommt 2019 zum Schluss, dass das der Kilometerpreis für den Zug im Durchschnitt noch immer 8 Rappen billiger ist, als der Kilometerpreis für das Automobil. Und dies obwohl sich die Zugfahrenden nur mit rund 46% Pro zent an den von ihnen verursachten Gesamtkosten beteiligen. bei den Autofahrenden liegt die Beteilli gung beiDaniel86%.43Müller-Jentsch ist Ökonom bei Avenir Suisse und befasst sich mit Verkehrsfragen. In einem Interview mit dem Tagblatt meint er, dass der Benzin preis starken Schwankungen unterliegt und wenn die Preise sich erhöhen, die Pendler nicht umbedingt vom Auto auf den Zug umtsiegen. Im Strassenverkehr wür de eine relativ hohe Innovationsdynamik beobachtet werde, im Schienenverkehr wäre dies kaum der Fall. Die SBB gibt an, dass ihre Auslastung im Fernverkehr nur bei 32% liegt und dies daher durch variable Preise ausgeglichen werden müsse. Die Auslastung müsse auch zu Randzeiten gewährleistet sein, damit sich die Preise redzzieren können. 44 BFS AKTUELL Milliarden Franken Kosten des Personen- und Güterverkehrs nach Verkehrsträgern, 2016 1 ohne Langsamverkehr 2 ohne General Aviation BFS 2019Quelle: BFS – Statistik der Kosten und der Finanzierung des Verkehrs (KFV) 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Luft StrasseSchiene21 53,4 18,9 9,2 2,1 Personenverkehr6,2 Güterverkehr 72,3 6,2 G 2 11,2 Index 2010=100 1 Daten nur für 2010, 2015 und 2016 erhoben; ohne General Aviation 2 ohne Langsamverkehr

43 to-faehrt-dem-zug-davon-134460386www.bzbasel.ch/wirtschaft/kostenbilanz-fuer-familien-das-au(29.03.2020) 44 (29.03.2020)staerker-fuer-das-auto-und-gegen-den-zug-ld.1118054www.tagblatt.ch/schweiz/die-kostenbilanz-spricht-immer-

45 (03.03.2020)gast-ist-die-niederlande-denken-verkehr-anders-100.htmlwww.zdf.de/nachrichten/heute/plan-b-wo-das-auto-nur-noch-

BILD OBEN LINKS: Der Raum des Autos; tur-projekte-fuer-die-urbane-fahrrad-nutzung/news/bicycle-architecture-biennale-zukunftsweisende-infrastrukBILDde-houten-blick-am-imkerseind-richtung-stadtmitte-2015BILDon-gegen-zaemme-besser-initiativenprimenews.ch/news/2020/01/junge-linke-und-greenpeace-aktiBILDon-zeigt-wie-viel-raum-wir-an-autos-verschwenden-87002/utopia.de/diese-kluge-illustrati(28.02.2020)OBENRECHTS:AktiongegenInitiative«Zämebesser»;(28.02.2020)UNTENLINKS:Houten2015;qimby.net/image/343/niederlan(03.03.2020)UNTENRECHTS:FahrradparkhausinUtrecht;urbanbike.(03.03.2020)

105

DIE STADT OHNE AUTOS Eine Stadt ohne Autos ist bei uns vielerorts noch undenkbar. In den 70er Jahren plante man die Städte rund um das Auto. Der Ausbau und die Instandsetzung der Strassen kostet jedes Jahr viel Geld und der Irrtum, dass durch den Bau von mehr Strassen der Verkehr zurück gehen würde sitzt immer noch in den Köpfen.Doch es gibt bereits einige Städte die diesbezüglich umden ken. Utrecht in den Niederlanden hat die Infrastruktur der Autostra ssen vielerorts in Fahrradstrassen umgenutzt. Dort gibt es nun auch das grösste Fahrradparkhaus. Durch Umbauten sind nun viele Bereich der Stadt autofrei und der Anteil der Verkehrsteilnehmer die Fahrradfahren beträgt 40 Prozent. Unweit von Utrecht in der Stadt Houten, wurde die Infrastruk tur bereits in den 70er Jahren nicht für die Autos ausgelegt, sondern die Planung begann mit den Grünf lächen, dem Radfahren und dem Laufen. Die Gemeinde mit ihren 50`000 Einwohnern gilt als Modell der Zukunft wenn es um Ver kehrskonzepte geht. Viele Wege werden hier mit dem Fahrrad zu rückgelegt, weil sich die Fahrzeit mit dem Auto verlängert. Autos und Fahrräder verkehren getrennt und die Autos müssen oft Umwege fah ren. Die Autos gelten in der Stadt als Gäste. 45

106

BILD RECHTS: www.tagesspiegel.de/wirtschaft/mobilitaet-fiegen de-autos-werden-realitaet/20932396.html (03.03.2020)

Der Traum vom fiegenden Auto könnte schon bald wahr werden. Um dem drohenden Verkehrskol laps entgegenzuwirken plant man nun den verkehr in die Luft zu brin gen. Es gibt bereits einige Modelle und Unternehmer, die sich an der Forschung und Entwicklung solcher fiegenden Autos beteiligen. 48 Diese Variante entlastet zwar die Strassen, es löst aber nicht das Verkehrsproblem. Für Flugobjekte in der Luft müssten neue Regelungen und Gesetzte her und der verkehr würde sich nicht nur auf den Strassen sondern auch in der Luft ausbreiten.

46 burg-mit-gratis-oev-gegen-das-verkehrschaoswww.srf.ch/news/international/verkehrswende-in-luxem(03.03.2020)

GRATIS ÖV LUXEMBURGIN

BILD LINKS: lin-und-bringen-5-000-fahrrader-auf-die-strase/ke-reagieren-auf-steigende-mobilitatsbedurfnisse-in-berBILDfahrt-mit-bus-und-bahn/www.saldo.ch/artikel/artikeldetail/luxemburg-freie-(02.03.2020)MITTE:www.deezer-blog.com/press/deezer-und-nextbi(03.03.2020)

47 te_gibts_schon_lange/2020.9575/www.immobilien-magazin.at/artikel/autofreie_staed(02.03.2020)

48 www.tagesspiegel.de/wirtschaft/mobilitaet-fiegende-au tos-werden-realitaet/20932396.html (03.03.2020)

FLIEGENDE AUTOS

In den letzten Jahren sind immer mehr «Shear Mobility» Angebote auf den Markt gekommen. Neben dem Teilen von Fahrrädern wie bei spielsweise der Marke «Next Bike» oder dem Teilen von Autos der Mar ke «Mobility» gibt es auch Angebote für Roller, Scooter und andere elektrifzierte Fortbewegungsmittel. Das Prinzip folgt der Idee, Güter die man zwar braucht, aber nicht immer miteinander zu teilen. Ein privates Auto steht beispiels weise 98% der Zeit nur herum . 47

SHEARING IS CARING

Ab März 2020 fahren die Bürger*in nen der EU Stadt Luxemburg gratis mit den Öffentlichen Verkehrsmit teln. Dies ist eine rapide Massnah me, da das Herzogtum an einer massiven Verkehrsüberlastung lei det. Mit der Kampagne sollen die Pendler*innen animiert werden, auf das Auto zu verzichten. Luxemburg ist das erste Land, dass den ÖV gratis macht, jedoch muss noch viel Geld in die Infrastruktur inves tiert werden, um das Netz dementsprechend anzupassen. In der est nischen Hauptstadt Tallinn ist der ÖV bereits seit 2013 gratis. 46

BILD UNTEN: Mobilitätsszenario 2035 vom Wuppertal Institut im Aufrtrag von Greenpeace, www.greenpeace.de/fles/publicati pdfons/20170830-greenpeace-kursbuch-mobilitaet-kurzfassung.pdf.I(03.02.2020) 49 www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/fles/ taet-kurzfassung.pdf.pdfpublications/20170830-greenpeace-kursbuch-mobiliI(03.03.2020)

107

MOBILITÄTSSZENARIO 2035 Eine Studie des Wuppertaler Instituts hat im Auftrag von Greenpeace eine Strategie entwickelt, wie der Verkehr in Deutschland bis 2035 emissionsfrei wer den kann. Auf der Basis des 1.5°C Ziels von Paris wurden konkrete Ansätze erarbeitet um eine Ver kehrswende zu ermöglichen. Bis 2025 sollen Ver brennungsmotore verboten werden, wo sie unver zichtbar sind sollen sie mit synthetischen Treibstoffen aus erneuerbarem Strom ersetzt werden. Bundes weit sollen nur noch durchschnittlich 200 Pkws auf 1000 Einwohner*innen kommen, heute sind es rund doppelt so viele. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs durch das Fahrrad soll sich demgegenüber verdoppeln. In die In frastruktur von Bahn, Zug, Bus und Velo soll investiert werden, um den umstieg auf den ÖV attraktiver zu ma chen, die Wege zu verkürzen und die Mobilität komfor tabel zu gestalten. Die Digitalisierung soll helfen die verschiedenen Players im öffentlichen Verkehr wie beispielsweise Shearing-Angebote besser zu vernetz ten.Der Güterverkehr soll sich von der Strasse auf die Schienen verlagern. Diese lassen sich hauptsächlich durch Oberleitungen betreiben. Neben dem Ziel den CO2 Ausstoss im Bereich Verkehr zu verringern bringt das Szenario auch mehr Lebensqualität zurück in die Städte. Die Anzahl von Unfällen, die Länge der Staus und der Lärm würde sich reduzieren. Geschweige denn die Luftqualität könnte sich erholen. 49 Dass eine Mobilitätswende nötigt ist um diese Ziele zu erreichen ist absehbar, das Szenario trifft aber in vielen Bereichen auf Ge genwehr.

VERKEHR UND MOBILITÄT Mobilität kann als Grundbedürfnis verstanden wer den, denn wer nicht mobil ist, sich also nicht ohne fremde Hilfe bewegen kann, kann an der Gesellschaft nicht teilhaben. Ein Begriff der mit der Mobilität immer wieder auftaucht ist der Begriff des Verkehrs. Dabei beschreibt die Mobilität den Zweck von A nach B zu kommen- der Verkehr beschreibt die Mittel, die dafür vorausgesetzt werden müssen. 50 Harald Welzer beschreibt, dass Mobilität heut zutage in die Falsche Richtung optimiert wird. So wird nicht die Raumüberwindung optimiert, sondern die Zersiedelung wird immer weiter fortgeführt, was Ver kehr unabdingbar macht. Dabei sollte Bewegung re duziert werden anstelle von optimierten Verkehrsmit tel, die sich ohne Fahrer fortbewegen, oder nur noch elektrisch fahren. Pendler sind wissenschaftlich be legt unglückliche Menschen, da sie viel Zeit unnütz un terwegs verbringen. Würden wir uns also alle nur noch zu Fuss, oder mit dem Fahrrad bewegen, dann müsste sich der Raum um dem Schritttempo anpassen. Die Geschwindigkeit würde sich verändern und auch die Erreichbarkeit also Distanzen würden sich wieder am Massstab des Menschen messen lassen und nicht dem des Autos. Mobilität ist nach Welzer stark hierar chisch strukturiert, wer viel Geld hat und mehr unter wegs wird ist im Vorteil, erhält Prämien und Rabatte, obwohl gerade sie der Welt am meisten schaden. 51 Demnach stellt sich die Frage ob wir Mobilität nicht grundsätzlich neu denken sollten, in eine Rich tung die Geschwindigkeit aus unserem System nimmt und den Menschen wieder ins Zentrum der Bewegung setzt, als unser altes Modell ständig zu optimieren. Da die Mobilität eine grosse Triebkraft in den Städten ist, sie viele Systeme miteinander verbindet und auch beinfusst, ist sie ein Bereich der tiefgreiffende Verän derung in der Gesellschaft mit sich bringt, wenn sie BILD: Illustration von Bosshart, Daniel. in Zukunft Wohnraum & Stadtumfeld in Basel. H.g Stiftung Habitat, Basel, 2018.

50 Hänggi, Marcel, In der Anderen Stadt verkehren, in Die Andere Stadt, Paranoia City Verlag, Zürich 2017, S. 249-293.

51 Welzer Harald, Alles könnte anders sein. Eine Gesell schaftsutopie für freie Menschen, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2019.

110Recht auf Stadt

au ville» (dt: Das Recht auf Stadt) vom französischen Soziologen und Philoso phen und Henri Lefebvre im Jahre 1968.Darin ben nent er das Recht auf Stadt als Recht auf ein transfor miertes, erneuertes urbanes Leben. Er reagiert damit auf die sozialen Probleme der Stadtentwicklung in der Nachkrigszeit vorallem mit Fokus auf den Massen wohnungsbau und die Qualitätseinbussen welche da durch im städtischen Leben entstanden. Zurückzuführen seien diese Einbussen vorallem auf die Verwertungslogik, so dass die Städte als ehe malige Orte des kreativen Entfaltens zu unmenschli chen Wohngebieten reduziert würden. Also steht das Recht auf Stadt für ein gesamtgesellschaftpolitisches Anrecht auf diese in Urbanisierungsprozessen entste hendenSeitQualitäten.derJahrtausendwende

Im deutschsprachigen Raum hat das hamburgi sche Netzwerk Recht auf Stadt (RaS) die bisher größ ten Mobilisierungen erzielt und damit Vorbildcharakter für weitere Städte erlangt. Daneben ist das Recht auf Stadt auch zum Gegenstand akademischer Tagungen und Debatten geworden. Insbesondere die Vertreter einer kritischen Stadtforschung wie David Harvey,Pe ter Marcuse oder Margit Mayer nutzten dabei Lefebv res Ansatz als Basis für eine radikale Gesellschafts- und Systemkritik.AlsAntwort auf die urbanen Probleme des globa len Südens wie die Slumbildung mit den entsprechenden prekären Wohn-, Lebens- und Rechtsverhältnissen ha ben zudem auch Nichtregierzungsorganisationen Lefeb vres Forderung in ihre Arbeit integriert. So hat etwa die Habitat International Coalition (HIC), ein Zusammenschluss zahlreicher in den sozialen Bewegungen verankerter NGOs eine Welt-Charta für das Recht auf Stadt ausgearbeitet. Solche Bemühungen wurden schließlich auch von den UN-Organisationen UN-HABITAT und UNESCO unterstützt, die ihrerseits ein Recht auf Stadt postulieren. 53

In zahlreichen Städten formierten sich unter dem Mot to Recht auf Stadt sozialen Protestbewegungen, so beispielsweise in Istanbul, New Orleans, Madrid oder Hamburg. In den USA ist seit 2007 die Right to the City Alliance (RTTC) aktiv, ein bundesweiter Zusammen schluss, der sich Gentrifzierungprozessen widersetzt.

RECHT AUF STADT UM DIE WELT

wurde Lefebvres Forderung von ganz unterschiedlichen Seiten verstärkt aufgegriffen. Diese vielfältigen Bezugnahmen auf das Recht auf Stadt unterscheiden sich allerdings erheblich und wurden für ihre zum Teil beträchtliche Distanz zu Lefebvres Intention auch immer wieder kritisiert. Das Recht auf Stadt ist also primär als ein Motto zurückgekehrt welches sich aber nicht immer deckt mit den ursprünglichen Ideen Lefebvres. 52

«Recht auf Stadt bedeutet Quartier selber machen zu dürfen!» 52+53 Nach Wikipedia, Recht auf Stadt: www. de.wikipedia. org/wiki/Recht_auf_Stadt (11.03.2020)

ErstnennungSATZHERKUNFTinBuch«ledroit

111 BILD OBEN: Recht auf Stadt Basel - Manifest - Seite 1 Von Stadt für Alle: http://stadtfueralle.info (16.04.2018)

KLAUS RONNEBERGER Gesellschaftliche Ressource der Stadt ist die Zentralität, diese ist jedoch staatlich. «Recht auf die Stadt» steht deshalb für eine Partizipation an der städtischen Zentralität, also Information, Soziabilität, Vergnügen et cetera. Letztlich kann sie nur durch soziale Kämpfe erstritten werden.

112KERNPUNKTE AUS EINEM INTERVIEW MIT STADTFORSCHER

Der «Kampf» gegen organisierte Freiräume (siehe auch Besetzungen) ist wiedersprüch lich zum Ziel eines Rechts auf Stadt, aber er klärbar durch den Versuch einer konsumori entierten Vermarktung der Stadtkultur Zitat von Klaus Ronneberger zum Recht auf Stadt: «Der Kampf um das «Recht auf die Stadt» in den europäischen Metropolen ist eben nicht nur eine Sache der Unterprivilegierten. Es sind eher diejenigen sozialen Gruppen, die das «urbane Versprechen» an treibt: also Jugendliche, Studenten und Kulturschaf fende. Aus ihren Aktivitäten entstehen immer wieder Räume, in denen sich die subversiven Kräfte des «Bruchs» und des «Spiels» begegnen und – gegebe nenfalls – gemeinsam versuchen, sich städtische Zen tralität anzueignen oder neu zu erfnden.» 54 54

Stadtzentrum unterliegt zum gewissen einem Kontrolltrieb, vergleichbar mit der Sicherheits oder Gestaltunklogik von Shoppingmalls.

Artikel in der woz.ch/-4d3fWoZ:(09.03.2020)

113 uns selbst gestalten und nicht für eine DaherRendite.machen wir bei der «Stadtent wicklung» von oben nicht mit – wir organisieren uns! Wir undgemkämpfen,einsamfürAlle.

Kein Geist geht um im Stadtgebiet –sondern die Abrissbirne. Die Geschichte der Verdrängung in Basel ist lang und sie geht weiter. Die Abrissbirne schlägt tiefe Schneisen in unsere Stadt, durch die der kalte Wind der Verdrängung weht. Wer will Massenkündigungendas? an der Mülhauserstrasse durch die Pensionskasse Basel-Stadt zwecks Luxussanierung; Abriss einer ganzen Häuser zeile an der Solothurnerstrasse/Hochstrasse, um Platz für teure Neubauten zu schaffen; die historischen Liegenschaften am Steinengraben sollen planiert werden für einen weiteren Büroklotz des Versicherungskonzerns Helvetia; Einschüchterung und Vertreibung durch die Immro AG an der Klybeckstrasse/Markgräf lerstrasse; Rauswurf von Familien durch eine christliche Vereinigung an der Mattenstrasse... Und wen trifft es als nächstes?

Dies betrifft alle, denen das Einkommen fehlt, um überzogene Mieten zu bezahlen oder Wohnei gentum zu kaufen – es geht uns alle an. Alle Stadtbewohner*innen haben Anspruch, den Stadtraum mitzuge stalten, unabhängig von Herkunft oder Grösse des Portemonnaies. Stadt ist Dichte an Leben, an Mensch lichkeit: In der Stadt wird gewohnt, gearbeitet, gewirkt, gelebt, gestritten, geliebt, gemeinsam gebaut, gestorben und Wenngeboren.Bewohner*innen isoliert, funktionierende nachbarschaftliche Netzwerke durch Aufwertung und Abbruch zerstört und Migrant*innen ins Gefängnis gesperrt werden, wird die Vereinzelung vieler zur Realität und der Pro t kann ohne Widerstand in die Tasche von wenigen gewirt schaftet werden. Doch Stadt ist ein demokratisches Projekt, das täglich von allen Anwesenden gelebt werden will. Teilhabe braucht Raum für Begeg nungen und beschränkt sich nicht allein auf Abstimmungen, bei denen

Unsere Stadt ist nicht zu verkaufen.

Wenn in Basel nur für die Gier nach Rendite gebaut wird, dann ist das weder alternativlos noch logisch. Es ist eine politische Entscheidung, die wenigen nutzt und viele benachteiligt. Das neue Wohnraumfördergesetz von 2013, der Investitionsdruck der Pensi onskassen oder die niedrigen Zinsen der Banken fördern den Gedanken, dass unsere Stadt als Investitionsobjekt bestens geeignet sei, und installieren eine per de Logik. Versucht mal, einem Kind zu erklären, warum es gerecht ist, dass ein Investor, der nie durch ein Haus gegangen ist, nie dort gewohnt und niemals dort gearbeitet hat, nun entscheiden kann, dass diejenigen verschwinden müssen, die viel Zeit, Zuwendung und Energie in diesen Ort investiert haben: Weil die Welt eben ungerecht ist? Weil sie kapitalistisch ist? Weil wir uns dem Markt unterordnen? Weil am Rhein? VerstehtNein.

Bewohner*innenArbeitskräfteStattUtopienwerden,Zwischennutzungsmanagerfür*InnensondernsollenRaumfürsein.ScheinpartizipationbeiCocktailtomatenanStehtischenfürdiejenigendiesichrechtzeitigangemeldethaben:Neindanke,wirlassenunsnichtmissbrauchen,umeureEntscheidungenzulegitimieren.alsKonsument*innenundverstehenwirunsalsvonBasel,daswirfür

Wohnen ist keine Ware Ein Grundrecht auf Wohnen für alle. Kein grenzenloses Wachstum und Rendite für Wenige – denn der Markt kennt keine Rücksicht.

Teilhabe statt Scheinpartizipation Für demokratische Abläufe, die sämtliche Teile der Quartierbevölkerung miteinbe ziehen. Kommende Entwicklungsprojeke müssen zu Orten direkter Mitbestimmung werden. Kein Raum für Spekulation Finanzstrafen, Geschäftssperren und Besitzentzug für Firmen und Eigentümer, die Wohnraum offensichtlich zur reinen Renditesteigerung verwenden.

54321Stadtbewohner* innen haben Anspruch, den Stadtraum mitzugestalten, unabhängig von Herkunft oder Grösse Portemonihresnaies. Wir fordern selbstverunddemWohnungsbausozialenaufBruderholzmehrwalteteVillenimKleinbasel.EineStadtStadtentwicklungAlle Kein Raum für SpekulationFüreinRecht auf Stadt in Basel – von unten! BILD OBEN: Recht auf Stadt Basel - Manifest - Seite 2, Von Stadt für Alle; http://stadtfueralle.info (16.04.2018)

Das neu gebaute Erlenmattquartier als Modell zukünftigen Wohnens: Befriedigt werden Investorenträume und nicht die Bedürfnisse von uns Bewohner*innen. Für uns, die Arbei tenden, die sich Zeit nehmen, um Familienstrukturen, Freundschaften, Gärten und Quartiere zu p egen und selbstbestimmt leben wollen, bleibt darin kein Platz.

uns nicht falsch, wir sind nicht per se gegen Neubauten: Wir fordern sozialen Wohnungsbau auf dem Bruderholz und mehr selbst verwaltete Villen im Kleinbasel.

Wir, die Bewohner*innen Basels, wollen frei, gleichberechtigt und kreativ über unsere Stadt bestimmen, unsere Lebensweisen selbst aussuchen und Raum haben, um einander zu begegnen, nebeneinander zu leben und miteinander zu gestalten.

1«.!:

in Basel über ein Drittel der Bewoh ner*innen aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossen wird. Wenn prekäre Lohnarbeit, Angst vor Verdrängung und die Zerstörung öffentlicher Plätze durch Konsum zwang unseren Bewegungsfreiraum zusehends einschränken, wird Basel immer mehr zur leeren Hülle ihrer selbst. Eine Stadt, die nur diejenigen mit viel Geld verschnaufen lässt, erstickt sich selbst. Immer grösser daher die Werbeplakate, die uns ein lebendiges und buntes Basel vorgaukeln: Es bleibt ein kaltes Hochglanzabziehbild.

Eine Stadt für Alle Selbstbestimmung für alle Bewohner*innen, die hier leben – unabhängig von nanzieller Lage, sozialer Klasse, Geschlecht, Aufenthaltsstatus und Staatszugehörigkeit. Stadtentwicklung zum Selbermachen Eine demokratische Stadtplanung von unten. Dafür muss das Eigentum an Grund und Boden vergemeinschaftet werden.

Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit den Hausbesitzer*innen, die ihre Mieter*innen wertschätzen und nicht vergessen haben, dass Eigentum verp ichtet, statt sich am höchsten Marktpreis zu orientieren. Wir solidarisieren uns mit allen, die den Mut haben, Mietkündigungen in Frage zu stellen; mit allen, die sich für andere engagieren, ohne daran Geld zu verdienen; mit allen, die leerstehende Häuser wiederbeleben und Freiräume schaffen. Und nicht zuletzt ganz besonders mit jenen, denen Rechte aberkannt werden, weil sie keinen oder den falschen Pass haben: mit Sans-Papiers, Ge üchteten und Migrant*innen, die genauso zu Basel gehören und mit ihren Kräften die Stadt zu dem machen, was sie ist. Damit Basel nicht zum Pro tcenter ausgebaut wird und uns nur noch die Leere des unerfüllten Konsums, das Leben am Stadtrand und die glänzenden Hochhäuser der Pharma über ausgestorbenen Strassen bleiben, sagen wir:

Die mutwillige Zerstörung – z.B. vom Uferlos im Hafenareal oder der Schwarzen Erle – hat schon viel Freiraum kaputt Zwischennutzungengemacht.werden zum trojanischen Pferd von Regierung, Behörden und Investoren: «Brachen» sollen zu kontrollierten Räumen werden, um sie später als Investitions objekte verwertbar zu machen. KlybeckPlus, Hafen, Lysbüchel, Wolf und Dreispitz dürfen nicht zu Spielplätzen

55

114

FAZIT Die Forderung nach einem Recht auf Stadt ist in Basel in den letzten Jahren wieder vermehrt aufgekommen. Verwendet werden sie primär im Zusammenhang mit der Forderung auf selbstverwaltete autonome Frei räume, auf bezahlbaren Wohnraum und vorallem auch mit der Forderung danach Quartiere selber «Bot tom-Up» zu gestalten. Dadurch auch die häufg zu hö rende Parole «Quartier selber machen». Vorallem verwendet wird das Motto Recht auf Stadt also von linken Kollektiven. Man wehrt sich ge gen renditeorientiertes Bauen und gegen die Gentrif zierung. Ziel dieser neuen Basler «Recht auf Stadt» -Bewegung scheint primär der Miteinbezug in die Stadtplanung zu sein. 55

DER STEINENGRABEN In Basel wird das Motto RECHT AUF STADT primär im Zusammenhang mit dem Kampf für günstigen Wohn raum verwendet, ferner auch für die Erhaltung subver siver Freiräume.Fürmicherstmals aufgetaucht ist dieser Slogan im Zusammenhang mit der Wohnhäuserzeile am Stei nengraben 30 - 36. Die Bewohner dieser Häuser führ ten eine lange Kampagne gegen ein Bauvorhaben der Helvetiaversicherung und zwar zwischen 2011 und 2019. Während dieser Kampagne fanden mehrere Demonstrationen sowie Stadtspaziergäng eben unter dem Motto «Recht auf Stadt» statt. Es wurde argumentiert, dass einmal mehr güns tiger Wohnraum Renditeparadiesen weichen soll. Auf grund mehrer Ungereimtheiten im Bauvorhaben wur de der Entscheid bis vors Bundesgericht gezogen, wo dann die Helvetiaversicherung dennoch Recht bekam. Zu erwähnen bleibt, dass die ganze Kampagne zu viel Sensibilisierung geführt hat und wahrscheinlich einen grossen Teil zum Abstimmungserfolg der Recht auf Wohnen Initiative sowie den 3 dazugehörigen Initi ativen für verbesserten Mieterschutz beigetragen hat. Artikel zum Steinengraben: Woz - Im Visier verkabelter Männer; www.woz.ch/-862e (11.3.2020)

BILD OBEN: Recht auf Stadt-Demonstration im Zusammenhang mit dem Steinengraben am 23.September 2017, www.woz.ch/-862e (11.3.2020)

Aneignung der Stadt

RECHERHCE

Die Steinenvorstadt ist eine Allmende. Also eine Form des gemeinschaftlichen Eigentums. Also diese Stra sse gehört rechtlich allen, doch wieso eignen wir uns nicht an, was uns eigentlich schon gehört? In meiner Recherche bin ich auf Projekte gestossen, die sich mit der Rückgewinnung von Stadt befasst. Ich stellte mir aber die Frage: «Wie eignen sich die Leute ohne Zuhause diese Stadt an, die ihnen eigentlich ja schon gehören sollte und können sie das überhaupt?» Vom Pfuusbus bis hin zu den Notschlafstellen und ChillnSoup hab ich mir das Angebot an Hilfsorga nisationen und Hilfsprojekten durchgelesen. Was braucht Basel um sein gemeinschaftliches Eigentum wirklich der Gemeinschaft zu übergeben?

BILD RECHTS: Auszug aus Mindmap, Aneignung der Stadt, Kevin Peterhans.

Unprogramierte, unvorhergesehene Aneignung der Stadt: In wie fern ist die Planung des urbanen Raums überhaupt möglich? Wie offen sollte urbaner Raum gestaltet werden? Wie kann eine Nutzungsoffenheit erzielt werden? Welche Beispiele gibt es?

118 BILD OBEN: «Bern möbliert», sollNutzer*innenmöglichkeitentenMöbelöffentlichesEinlierung-und-aneignung-des-oeffentlichen-raumes-begleiten/BILDbern-moebliert/story/20637982www.bernerzeitung.ch/region/bern/(31.03.20)UNTEN:«MöblierungundAneignung»,www.gbbern.ch/blog/moeb(31.03.20)ANEIGNUNGDERSTADTDURCHMÖBELAufrufzurAneignungwurdeinBerngetätigt.Daeseigentumist,sollmenschseineeigeneninderStadtplatziernumselbstSitzmöglichkeizuschaffen.DielangjährigePolitikgegenSitzinderInnenstadt,umungewünschtedesöffentlichenRaumsfernzuhalten,einenParadigmawechselerleben.

119 BILD OBEN: «Piazza Pop-Up Zürich», www.stadt-zuerich.ch/piaz za-pop-up.html (31.03.20) BILD MITTE: «Auswertung», www.stadt-zuerich.ch/piaz za-pop-up.html (31.03.20) BILD UNTEN: «DAMMSTEG mit und ohne Piazza», www.stadt-zue rich.ch/piazza-pop-up.html (31.03.20) In Zürich hingegen wurden vom Tiefbauamt kleine Pop-Up Piazzen aufgestellt. Interessant war, dass mensch seine Meinung zu den aufgestellten Plätzen abgeben konnte. Mittels einfachem Knopfdruck konn te mensch seine Bewertung abgeben.

In der Schweiz gibt es keine genaue Da tenerfassung zum Thema der Obdach losigkeit. Die Christoph Merian Stiftung hat mit der FHNW in Basel-Stadt ein Studie zu genau diesem Thema erar beitet. Mittels Statistiken werden die prekären Wohnsituationen verdeutlicht.

BILD OBEN: Rückseite Umschlag der Publikation der Christoph Merian Stiftung, «(K)ein Daheim?, Studie zur Obdachlosigkeit in Basel-Stadt und Engagement der Christoph Merian Stiftung» BILD UNTEN: Cover, «(K)ein daheim?», Christoph Merian Stiftung BILD RECHTS OBEN: Statistik, «(K)ein daheim?», Christoph Merian Stiftung, S. 33 BILD LINKS OBEN: Statistik, «(K)ein daheim?», Christoph Merian Stiftung, S. 23 BILD RECHTS UNTEN: Statistik, «(K)ein daheim?», Christoph Merian Stiftung, S. 48 BILD LINKS UNTEN: Statistik, «(K)ein daheim?», Christoph Merian Stiftung, S.44

STUDIE DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

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BILD OBEN LINKS: Magazin Schwarzer Peter «Peter / Sozialhil fe», No 44, 02/2019, Titelseite. Foto: Fabienne Althaus BILD UNTEN LINKS: Magazin Schwarzer Peter «Peter / Sozialhil fe», No 44, 02/2019. ZITATE RECHTE SEITE: Magazin Schwarzer Peter «Peter / Sozialhilfe», No 44, 02/2019. BILD UNTEN RECHTS: Magazin Schwarzer Peter «Peter / Sozialhilfe», No 44, 02/2019.Foto: Fabienne Althaus

Der «Schwarzer Peter» ist ein Verein für Gassenarbeit. Der Schwarze Peter steht für Aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen Raum Basels. Die Gassen arbeiterInnen arbeiten im Lebensraum der Klientel – Menschen, deren Lebens mittelpunkt im öffentlichen Raum ist. Sie bauen Kontakte auf und stellen den Zugang zum Helfernetz wieder her. Der Schwarze Peter bietet Orientierungshil fe, Information, Krisen- und Soforthilfe, Beistand, Beratung, Vermittlung und Begleitung. Zudem stellt der Verein Menschen, die ohne festen Wohnsitz sind und ihren Lebensmittelpunkt in Ba sel haben, eine Meldeadresse zur Ver fügung. 56 56 Auszug Website «Schwarzer Peter»: www.schwarzerpeter. ch/ueber-uns/ (09.09.2021)

ORGANISATIONEN FÜR MENSCHEN OHNE ZUHAUSE

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FÜR

ORGANISATIONEN MENSCHEN OHNE ZUHAUSE «Soup and Chill». Lange Zeit gab es in Basel keinen Ort, an dem sich so genann te «randständige Menschen» in Ruhe treffen können. Vor allem im Winter führte dies immer wieder zu Konfikten insbe sondere im Bahnhof SBB. Claudia Adra rio, Catherine Darge und Irène Lengacher gründeten 2006 deshalb zusammen die Wärmestube «Soup&Chill». Sechs Win tersaisons lang war Soup&Chill in provi sorischen Räumlichkeiten (Abbruch-Lie genschaften, Containern) untergebracht. Am 1.11. 2012 wurde das neue feste Do mizil in der Solothurnerstrasse 8, in unmit telbarer Nähe des Bahnhofs SBB eröff net. Seither haben sich die Besucherzahen vervielfacht. Das Soup&Chill ist zu einer wichtigen sozialen Institution in Basel ge worden. 57 57 Auszug Website «Soup and Chill»: www.soupandchill. com/%C3%BCber-uns/ (09.09.2021)

124

BILD OBEN LINKS: www.soupandchill.com/, (31.03.20) BILD MITTE LINKS: www.soupandchill.com/, (31.03.20) BILD UNTEN LINKS: www.soupandchill.com/, (31.03.20) BILD OBEN RECHTS: www.planet13.ch/, (31.03.20) BILD MITTE RECHTS: www.planet13.ch/, (31.03.20) BILD UNTEN RECHTS: www.planet13.ch/, (31.03.20)

125 ORGANISATIONEN FÜR MENSCHEN OHNE ZUHAUSE «Internet Café Planet 13». Aus der «Bas ler Armutskonferenz von unten» entstand der Impuls, ein Internetcafé aufzubauen und mehrere Betroffene beschlossen im Jahre 2004 das Projekt selbstständig zu realisieren, welches an der CMS-Fachta gung «Armut in Basel» vorgestellt wurde. Ein Internetcafé, welches EDV- und Internet-Zugänge für alle gratis zur Verfü gung stellt. Ein Treffpunkt für die unter schiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen, um die gegenseitigen sozialen Kontakte und das Verständnis – insbesondere von Nicht-Betroffenen zu Armutsbetroffenenzu fördern. Und ein Ort, in dem das «Selbst hilfehandwerk» so vielen Menschen wie möglich zugänglich gemacht wird.

126 BILD OBEN LINKS: www.little-home.eu/ (31.03.20) BILD MITTE LINKS: www.little-home.eu/ (31.03.20) BILD UNTEN LINKS: eln-baut-rollende-wohnboxen-fuer-obdachlose-5282de/haus-garten/bauen/obdachlose-koeln-little-home-koBILDBILDde-wohnboxen-fuer-obdachlose-5282bauen/obdachlose-koeln-little-home-koeln-baut-rollenwww.ecowoman.de/haus-garten/(31.03.20)OBENSEITE:«Städte»,www.little-home.eu/(31.03.20)UNTENSEITE:«BaudeslittleHome»,www.ecowoman.(31.03.20)PROJEKTEFÜRMENSCHENOHNEZUHAUSE«LittleHome».Ende2016sahderKölnerFotografSvenLüdeckeeinenTV-BeitraginderSen dung „Galileo. Darin wurde die Geschichte des kalifornischen Innenarchitekten Gregory Kloehn erzählt, der mit einer Kunstaktion ein Zeichen gegen Armut und Obdachlosigkeit set zen wollte. Sein Projekt: einzig aus Materialien, die er auf dem Sperrmüll sammelt, baut er klei ne Wohnboxen für Menschen, die auf der Stra sse leben und schlafen. Das Ergebnis sind kunstvolle kleine Holzhäuser, die Obdachlosen einen Schlafplatz und ein Dach über dem Kopf bieten. Einen abschliessbaren Ort, an dem sie sich und ihre wenigen Habseligkeiten trocken unterbringen und im Idealfall ein Stück weit zur Ruhe fnden können. „«Warum sollte dies nicht auch in Deutschland möglich sein?», fragte sich Lüdecke. Schnell stand sein Entschluss fest: Er krempelte seine Ärmel hoch, fnanzierte, baute und verschenkte zwei kleine Holzhäuser, soge nannte Wohnboxen, an Obdachlose. Im Inne ren des Hauses: lediglich eine Matratze und ein Regal. Er taufte die Häuser Little Homes. 58 58 Text über «Little Home» veröffentlicht auf: www. im.allmendenetz.de/profle/little-home (09.09.2021)

128 BILD LINKS: map.geo.bs.ch/ (31.03.20) BILD UNTEN: map.geo.bs.ch/ (31.03.20)

Die Frage nach dem Grundbedürfniss des Waschens und der Toilettenanlagen, stellt sich heutzutage fast keiner mehr. Jede Person hat eine Dusche und eine Toilette zuhause. Was ist aber, wenn mensch auf der StrasseAuflebt?der linken Abbildung sieht man die Verteilung der Toiletten in der Stadt Basel, doch sind das genug?

TOILETTENANLAGENÖFFENTLICHE

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ALLMEND UND

In der unteren Abbildung sind die Allmendpar zellen der Stadt Basel grau markiert. Was könnte mensch mit diesen Flächen alles nur anstellen?

Die Frage nach öffentlichen Duschen kann mensch sich ersparen. Es hat keine. Wie können sich den die Men schen ohne Zuhause waschen und pfegen? Können sie zu Freunden oder Verwandten gehen?

BILD OBEN LINKS: Pro und Contra Stimmen BILD UNTEN LINKS: Ginto App, wordpress.com/2015/06/25/a-slice-of-kindness/BILDdie-idee-ginto-die-app-fuer-rollstuhlfahrer.www.srf.ch/sendungen/10vor10/(20.03.2020)RECHTS:PostitsforPizza,www.allaboutinstantkarma.(20.03.2020)

beitsloseDasligenlichkalen,AufINKLUSIONBEISPIELEon-11-eu-cities.blications/living-together-projects-promoting-inclusiwww.opensocietyfoundations.org/pu(20.03.2020)PROJEKTE&UNTERNEHMEN:GINTOAPPeinenBlickzeigtdieApp«Ginto»,inwelchenLoHotelsundGeschäftenderZugangCundwirk-barrierefreiist.DieMachersinddabei,mitFreiwildieAppmitDatenzufütternJOBFACTORYUnternehmenbietet120ArbeitsstellenfürarjungenMenschenohneAusbildungundqua-

130Beudeutung:DurchmischunginderStadtDIVERSITÄTVielfalt,Vielfältigkeit.Fülle von verschie denen Arten, Formen o. Ä., in denen etwas Bestimm tes vorhanden ist, vorkommt, sich manifestiert; große Mannigfaltigkeit.5959Duden:duden.de/rechtschreibung/Vielfalt (20.03.2020) 60 Living Togehther:

lifziert jährlich mehr als 250 junge Erwachsene im Ar beitsmarkt für eine Lehre.

60POST

ITS FOR PIZZA Anhand von Post Its, können Pizzastücke für Bedürf tigte vorfnanziert werden. Freundliche Botschaften werden auf diese «alternative Währung» notiert.

CAFE BISTRO GLASHAUS Das Café-Bistro GLASHAUS ist neben seiner Funkti on als Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung auf diese Weise zu einem selbstverständlichen und unge zwungenen Begegnungsort zwischen Menschen mit und ohne Behinderung mitten in der Innenstadt von Lörrach Rotterdam,geworden.DAYOFDIALOGUEtheNetherlands.«Since 2001, Rotterdam has held a Day of Dialogue (Dag van de Dialoog) every year, which is partly funded by the municipality. Follo wing the terrorist attacks in the United States on 11 September 2001, several organisations in Rotterdam, including the anti-discrimination agency Art.1,created this initiative to enhance social cohesion. People of different backgrounds, cultures and religions across the city are given the opportunity to participate in roundtable discussions to share thoughts and con cerns. Workshops and network meetings are also or ganised. This initiative has proved very successful in stimulating contact between different people, and it now takes place in 50 municipalities in the Nether lands.»

Duden:duden.de/rechtschreibung/Gentrifzierung (20.03.2020) 62 Gentrifzierung:www.sagwas.net/pro-contra/hinter grenzung/grund-berliner-bezirke-zwischen-aufwertung-und-aus(20.03.2020)

BILD OBEN: Pro Contra Stimmen. BILD UNTEN: Gentrifzierung; stadtgeographie/laufende-prozesse/gentrifcation-defnition-phawww.geohilfe.de/humangeographie/ sen-beispiel/ (20.03.2020)

131

Bedeutung:AufwertungGENTRIFIZIERUNGeines

Stadtteils durch dessen Sanierung oder Umbau mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bevöl kerungsschichten verdrängt wird. 61 STELLUNGSNAHME Gentrifzierung ist lebensnotwendig für jedes Quartier, sonst droht die Brache“, sagt Wolff. Es handele sich jedoch nicht um eine Gentrifzierung im klassischen Sinne. „Die Bemühungen gehen nicht dahin, höhere Mieten zu erzielen, sondern überhaupt Mieten zu er zielen“, so Wolff. Bestimmte soziale Schichten sollen nicht ver drängt werden. „Im Gegenteil: Wir wollen sie haben. Wir sind froh über die niedrigen Mieten und ganz inter essiert daran, Leute zu beherbergen, die in anderen Quartieren keinen Unterschlupf fnden.“ Inzwischen ist das Kultviertel sozial und ge werblich sehr durchmischt. Wolff: „Es ist ein gewisses Image entstanden. Junge, kreative Leute sagen: Da müssen wir unbedingt hin, das ist unsere kleine Hei mat, die wir erreichen wollen.“. 62

61

Hasskriminalität: «Dem Themenfeld ‚Hasskriminalität‘ werden politisch motivierte Straftaten zugeordnet, wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orien tierung, Behinderung, ihres äußeren Erscheinungs bilds oder ihres gesellschaftlichen Status richtet.» 63 63 www.dserver.bundestag.de/btd/19/215/1921507.pdf (09.09.2021)

132KRIMINALITÄT UND VANDALISMUS

133 BILD: Auszug Miro Board, Prävention Kriminalität. miro.com/app/ board/o9J_kwXRl_A=/ (20.03.2020)

Das Klima ist ein wesentlicher Bestandteil der Funktion des Ökosystems, und die menschliche Gesundheit wird direkt und indirekt durch die Ergebnisse der kli matischen Bedingungen auf terrestrische und marine Ökosysteme beeinfusst. Veränderungen der Biodiversität wirken sich auf das Funktionieren des Ökosystems aus und er hebliche Störungen der Ökosysteme können zu le benserhaltenden Gütern und Dienstleistungen des Ökosystems führen. Der Verlust der Biodiversität be deutet auch, dass wir vor der Entdeckung viele Che mikalien und Gene der Natur verlieren, die der Menschheit bereits enorme gesundheitliche Vorteile gebracht haben. Spezifsche Belastungen und Zu sammenhänge zwischen Gesundheit und biologi scher Vielfalt umfassen: – Auswirkungen der Biodiversität auf die Ernährung: Die Biodiversität spielt durch ihren Einfuss auf die Welternährungsproduk tion eine entscheidende Rolle in der menschlichen Ernährung, da sie die nachhaltige Produktivität der Erde gewährleistet und die genetischen Ressourcen für alle Lebensmittel geernteten Pfanzen, Tiere und Meeresspezi es bereitstellt. Der Zugang zu einer ausrei chenden Anzahl nahrhafter Lebensmittel ist eine grundlegende Determinante für die GesundheitsforschungGesundheit. und traditionelle Medizin: Die Verwendung von Heilpfanzen ist das weltweit am häufgsten verwendete Medikament in der traditionellen Medizin und der Komplementärmedizin. Heilpfanzen werden durch Sammlung aus Wildpopulatio nen und Anbau geliefert. Viele Gemeinden «Wir haben vergessen, dass endlose Reihen von Backsteinkästen, die nach trostlosen Strassen und schmutzigen Hinterhöfen sehen, tatsächlich nicht menschliche Behausungen sind und es auch nicht werden können.»65 Raymond Unwin

134Gesundheitmenschlichen AbLebensnicht-menschlichenundinderStadtKLIMAWANDEL19JahrhunderthatdieWeltbevölkerung

sich sechsmal erhöht, wovon die städtische Bevölkerung in der ganzen Welt fast sechzigmal zugenommen hat. In den letzten 50 Jahren haben menschliche Ak tivitäten, insbesondere die Verbrennung fossiler Brennstoffe, grosse Mengen an Kohlendioxid und an deren Treibhausgasen freigesetzt, wodurch mehr Wärme in der unteren Atmosphäre zurückbleibt und das globale Klima beeinfusst wird. Der Meeresspiegel steigt, die Gletscher schmelzen, die Niederschlagsfrequenz ändert sich und die Biodiversität ist stark beeinträchtigt. Extreme Wetterereignisse werden schwerer und häufger. 64

AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS

AUF DIE MENSCHLICHE GESUNDHEIT

BIODIVERSITÄT66UND

GESUNDHEIT

Obwohl die globale Erwärmung einige lokalisierte Vor teile mitbringen kann, wie z. B. weniger Todesfälle im Winter in gemässigten Klimazonen und eine erhöhte Lebensmittelproduktion in bestimmten Gebieten, sind die allgemeinen gesundheitlichen Auswirkungen ei nes sich ändernden Klimas wahrscheinlich überwie gend negativ. Der Klimawandel beeinfusst soziale und ökologische Determinanten der Gesundheit - sau bere Luft, sauberes Trinkwasser, ausreichende Nah rung und sicherer Schutz.

65 Zitat: Raymond Unwin, englischer Ingenieur, Architekt und Stadtplaner 1922 (09.03.2020)

BILD: Food chain; pubs.usgs.gov/circ/circ1316/html/circ 1316chap14.html (11.03.2020) 64 www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health (11.03.2020) 66 www.who.int/globalchange/ecosystems/biodiversity/en/(11.03.2020) 67 ange-and-healthwww.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-ch-(11.03.2020)

gen verringern die Häufgkeit einiger Organis men, verursachen bei anderen ein Bevölke rungswachstum, verändern die Wechselwirkungen zwischen Organismen und verändern die Wechselwirkungen zwi schen Organismen und ihrer physikalischen und chemischen Umgebung. Muster von Infektionskrankheiten reagieren empfndlich auf diese Störungen. Zu den wichtigsten Prozessen, die die Reservoire und die Über tragung von Infektionskrankheiten beein fussen, gehören die Entwaldung; Landnut zungsänderung; Wassermanagement, z.B. durch Dammbau, Bewässerung, unkontrol lierte Verstädterung oder Zersiedelung; Resistenz gegen Pestizidchemikalien zur Bekämpfung bestimmter Krankheitsüberträger; Klimavariabilität und Klimawandel; Migration und internationale Reisen und Handel; und die zufällige oder absichtliche Einschleppung von Krankheitserregern durch den Menschen. 67

135 verlassen sich neben Lebensmitteln auch auf natürliche Produkte aus Ökosystemen für medizinische und kulturelle Zwecke. Obwohl synthetische Arzneimittel für viele Zwecke verfügbar sind, besteht der weltweite Bedarf und die weltweite Nachfrage nach Naturprodukten für die Verwendung als Arzneimittel und für die biomedizinische Forschung, die sich auf Pfanzen, Tiere und Mikroben stützt, um die menschliche Physio logie zu verstehen und menschliche Krank heiten zu verstehen und zu dieFunktionentenInfektionskrankheiten:Menschlichebehandeln.AktivitästörensowohldieStrukturalsauchdievonÖkosystemenundveränderneinheimischeArtenvielfalt.SolcheStörun

TERRA PRETA Durch Waldrodung, Pestizide und Monokulturen befn det sich zu viel CO2 in der Luft und zu wenig im Boden. Einen Ansatz, das überschüssige CO2 aus der Atmo sphäre zu ziehen bietet eine uralte Technik. Durch Ver brennung von Gartenabfällen entsteht Pfanzenkohle und sogenannte Terra Preta, eine extrem fruchtba re Erde welche den Kohlenstoff in sich bindet. Die Technik selbst ist über 7000 Jahre alt und stammt ursprünglich von Menschen aus dem Amazonasge biet. Die Technik fndet jedoch immer mehr Anklang als Chance, den Klimawandel zu stoppen. Kon-Tiki, eine schweizer Firma stellt dafür geeignete Behälter her. Sie bieten einerseits Grös sen für Landwirtschaftliche Betriebe an, anderer seits jedoch auch kleinere Behälter für den Privatge brauch. Die Industriellen Werke Basel (IWB) planen derzeit ausserdem eine Pfanzenkohle-Anlage auf ihrem Betriebsgelände. Damit ist geplant, Wärme ins Fernwärmenetz einzuspeisen und dabei Pfan zenkohle zu produzieren 69

136Urbane LuftverschmutzungKRANK DURCH DRECKIGE LUFT

Feinstaub fügt dem Körper erhebliche Schäden zu. Diese reichen über Kreislaufprobleme bis hin zu De menz, niedrigerem IQ und Herzinfakten. Die Bekämp fung dieser Belastung schein also naheliegend, insbe sondere in einer Strasse, in der überwiegend draussen gesessen wird. Die Belastung liegt zwar in Basel unter dem Jahresgrenzwert, ist jedoch trotz allem vorhan den, was nicht gut sein kann und womit niemand sich zufrieden geben muss. In diesem Kapitel werden Projekte vorgestellt, die das CO2 Problem erkennen und einen Lösungs ansatz verfolgen. Anhaltspunkte bietet dabei der Film Stadt ohne Smog - Neue Ideen für saubere Luft.68

69 zer-wald/zahlen-fakten/www.waldschweiz.ch/schweizer-wald/wissen/schwei(11.03.2020)

Eine weitere Verwendung fndet das CO2 in der Getränke Produktion: Es wird verwendet um Kohle säurehaltige Getränke herzustellen. Doch auch die Automobilbranche nutzt das CO2, denn es wird für die Herstellung von Biotreibstoff verwendet.

Eine Firma in Zürich entwickelte einen, wie sie es nennen, gewaltigen Staubsauger, mit dessen Hilfe das überschüssige CO2 aus der Luft gesaugt werden kann. Die eingesaugt Luft wird gefltert und das CO2 anschliessend konzentriert. Auf der anderen Seite strömt CO2 freie Luft in die Atmosphäre. Das konzentrierte CO2 kann nun von der nahe gelegenen Gärtnerei verwendet werden, um es den Pfan zen zuzuführen, die so stärker wachsen können.

BILD OBEN: www.iwb.ch/Ueber-uns/Projekte/Innovationsprojekte/ Pfanzenkohleanlage.html (11.03.2020)

68 Stadt ohne Smog: b-stadt-ohne-smog-100.htmlwww.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-(11.03.2020)

Um das CO2 jedoch längerfristig aus der Atmo sphäre zu verbannen, wird es nach Island geliefert, um dort von speziellen Maschinen über 700 m in die Tiefe befördert zu werden. Durch den entstehenden Druck entsteht ein Kalkstein, der das CO2 ein schliesst. Dieser kann weiter verwendet werden.

BILD UNTEN: gative-emissionenwww.klimareporter.de/erdsystem/mysterioese-ne(11.03.2020)

CLIMEWORKS

Ebenfalls in Paris läuft seit einigen Jahren das projekt 100 Hektar Paris. Dabei handelt es sich um ein Vorha ben mit dem Ziel, 100 Hektar der französischen Haupt stadt zu begrünen. Fokus legen die Aktivisten dabei auf die Dachbegrünung privater wie öffentlicher Ge bäude.

137 STADTBEGRÜNUNG Eine naheliegende Lösung für das Feinstaub und CO2 Problem in Städten ist das Pfanzen von Bäumen. Durch Photosynthese entziehen sie Co2 aus der Luft und wan deln es in Biomasse um. Ausserdem nehmen fltern sie die Luft und verringern Feinstaub. Ein grosser Baum (mit Blättern, nicht Nadeln) entzieht der Atmosphäre bis zu 30 Tonnen CO2 über seine Le bensdauer. Das sind schäztungsweise 50 Kilo pro Jahr. Bedenkt man die 5 Tonnen, die der durchschnittliche Schweizer pro Jahr produziert, bräuchte es 100 Bäu me pro Kopf. Mit dem Bestand von 535 Mio. Bäumen in der Schweiz besitzen wir derzeit etwa 66 Bäume pro Einwohner1. Gar nicht mal so schlecht. Ruft man sich jedoch ins Gedächtnis, dass die Schweiz eine enorme Menge an grauer Emissionen im Ausland produziert, schwindet die Freude. Ein paar mehr können also nicht schaden.Die Wahl der richtigen Baumart und die Platzie rung spielt dabei jedoch eine erhebliche Rolle. So muss ein Baum im Sommer idealerweise Schatten spenden, um Kühlung zu erzeugen. Dabei kann ein Baum etwa 10 Klimaanlagen ersetzen. Im Winter allerdinbgs muss die Sonneneinstrahlung gewährleistet sein, da sonst höhe re Heizkosten anfallen. Zur Baumwahl: Schnell wachsende Bäume entziehen mehr pro Jahr, haben jedoch auch kürzere Lebensdauer und geben CO2 schneller wieder ab. Langsam wachsende Baumarten leben länger und kön nen mehr speichern. In Städten ist die Lebensdauer viel kleiner, daher lohnt es sich bei Strassenbepfanzung die kurzlebige Baumart zu wählen. In Parks jedoch emp fehlt sich ein langlebiger Baum, da die Möglichkeit zum Wachstum und starker Entfaltung gegeben ist. Bäume im urbanen Raum funktionieren neben dem CO2 Entzug aus der Atmosphäre zudem als Schattenspender und Kühlungsanlage. Die Bepfanzung eines urbanen Raumes hat also nicht nur aus Klimagründen ein starkes Potenzial, sondern trägt auch zum allgemei nen Wohlbefnden der Stadtbewohner bei.

100 HEKTAR PARIS

HYDRO PROFI LINE In eine ähnliche Richtung bewegt sich dieses Vorha ben in München. Es startet mit dem Gedanken, die Dächer des gesamten Münchener Viktualienmarkt zu begrünen. Dabei wurde ein System entwickelt, wie die Pfanzen auf sogenannten Pavillons installiert werden. Dabei schweben sie in ihren Töpfen im Wasser behälter. Durch das geschlossene System befndet sich das Wasser in einem Kreislauf und der Verbrauch wird dementsprechend stark reduziert.

CLOUD AND HEAT Laufende Server an Hochschulen oder ähnlichen Insti tutionen produzieren am laufenden Band Wärme. Die se Wärme nutzt das Unternehmen Cloud and Heat, in dem sie die Servergeräte in Wohnhäusern platzieren und diese mit der entstehenden Wärme heizen. Dies funktioniert momentan bereits, ist jedoch vermultich mit zu grossem technischen Aufwand verbunden.

PLUME LABS In Paris wird ein Ansatz verfolgt, der zwar das Problem des CO2 Überschusses nicht löst, sich jedoch um die Gesundheit der Stadtbewohner kümmert. Dazu wurde eine App entwickelt, die übrigens auch in allen ande ren Städten angewendet werden kann. In der App er hält man Informationen über den aktuellen Grad der Belastung am eigenen Standort. Dieser ändert sich fortlaufend und so kann man darüber entscheiden, wann man beispielsweise körperliche Aktivitäten vor nimmt. Oder man erfährt, wie geeignet die Situation ist, um draussen zu Mittag zu essen.

BILD: Scan Cover des Magazins «Mistgabel» von «Stadt für alle»

Ernährung in der Stadt

EINE ESSBARE STADT Stadtbegrünung ist in aller Munde. Doch was, wenn man die Bepfanzung auch als Snack zwischendurch nutzen kann. Die Vorstellung einer essbaren Stadt trifft nicht nur auf Begeisterung, sondern ist vielerorts bereits Tatsache.INCREDIBLE

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EDIBLE 2008 starteten zwei Frauen in Yorkshire UK ein städti sches Gartenprojekt mit dem Ziel, essbare Pfanzen in urbanen Situationen anzupfanzen. Das Projekt hatte grossen Erfolg und so starteten auch andere Städt ähnliche Versuche. Die Stadt Todmorden kann sich durch die angelegten Gemüse- und Fruchtgärten komplett selbst versorgen. Ausserdem hatte das Pro jekt grosse Auswirkungen auf die Gesellschaft. Durch das Arbeiten an einem gemeinsamen Projekt wurden die sozialen Beziehungen gestärkt und die Kriminali tätsrate stark gesenkt. 70

WAS ESSEN WIR Unter das Thema Gesundheit in der Stadt fällt neben der CO2 Belastung auch das Thema Ernährung. Was wird gegessen? Woher kommt das Essen? Wie wird es angebaut? Was passiert mit dem Überschuss? Ge hört ein Apfel mir wenn ich ihn auf offener Strasse pfü cke? Die Antworten auf diese Fragen geben laufende Projekte, die hier vorgestellt werden. Als Grundlage dienen der Film Tomorrow sowie die Onlineseite der Basler Zeitung bzbasel.ch unter dem Begriff: Urban Farming VEGANE ERNÄHRUNG Nicht nur aus Klimaschutzgründen ist der verzicht auf Tierische Produkte sinnvoll. Auch gesundheitlich sind vermutlich viele Erkrankungen auf den Verzehr von Milch, Fleisch etc. zurückzuführen. In diesem Schritt wird nun überprüft, wie sehr sich die Steinenvorstadt an diesen Trend adaptiert.

PLAN: Stadtkarte bearbeitet durch Emily Vollmer

Vollmer

URBAN AGRICULTURE BASEL

GREENS FOR GOOD Ebenfalls in Grossbritannien, genauer in Liverpool, startete vor einigen Jahren das Projekt Greens For Good mit dem Ziel, die gesamte Stadt mit frischem ge müse zu versorgen. Die Lösung waren hier nicht urba ne Grünfächen oder Tröge auf den Strassen, sondern ein neues Konzept des Urban Gardening: Vertical Far ming. In unterirdischen Gewölbekellern pfanzen sie in vertikalen Gärten Gemüse, Salate und Obst an. Das Sonnenlicht wird durch ein UV Licht ersetzt. So lassen sich die Pfanzen ganzjährig ziehen und versorgen die gesamte Stadt mit frischem Gemüse. 71 71 www.greensforgood.co.uk (10.03.2020) 72 www.urbanagriculturebasel.ch/ (10.03.2020)

Ähnliche vorhaben hat der Verein Urban Agriculture in Basel. Er fördert insbesondere die Erzeugung von Le bensmitteln, kümmert sich jedoch auch im Verteilung, und unterstützt sogar private Projekte. 72 TO GOOD TO GO Wenn es um die Verteilung von überschüssigem Es sen geht, ist die App To Good To Go Vorreiter in Basel und anderen Schweizer Städten. Am laufenden Band werden Angebote aus Restaurants zusammengestellt und für einen Bruchteil des Preises ausgeschrieben. Wer die App benutzt und gerade in der Nähe ist, darf zugreifen. Tatsächlich gehören in der Steinenvorstadt vier Unternehmen dazu und stellen Essen zur Verfü gung: Negishi, Tibits, SPAR und Bäckerei Kübler. Emily

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BILD: Collage

BILD OBEN: www.libelium.com/smart_santander_environment_ smart_ctiy/ (10.03.2020)

einer Smart City gelten als besonders kreativ, fexibel, sozial und vernetzt - das Leben der Bewohner wird durch technische Innovationen einfacher und besser gestaltet «Smart Living»: Sharing-Kultur - gemeinsa me Nutzung oder Mitbenutzung von Geräten und Infrastruktur, z.B. Car-Sharing, Mitfahr gelegenheiten, Integrationsgärten 74

140Smart City

DEFINITION

BILD UNTEN LINKS: www.spiegel.de/consent-a-?targetUrl=htt ps%3A%2F%2F (10.03.2020)

BILD UNTEN RECHTS:www. tanders-city-council-in-collaboration-with-ideas4all/here-is-santander-city-brain-the-ideas-platform-launched-by-sanideas4allinnovation.com/innovators/(10.03.2020)

SMART CITY Es gibt verschiedene Defnitionen des Begriffes “Smart City”. Wikipedia defniert ihn als: “Sammelbe griff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effzienter, technologisch fort schrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten”. Die indische Regierung behauptet es gäbe keine all gemeingültig Defnition: „Die Antwort ist, dass es keine allgemein akzeptierte Defnition einer intelligenten Stadt gibt. Die Konzeptualisierung einer Smart City variiert daher von Ort zu Ort und Land zu Land, je nach Entwicklungsstand, Veränderungs- und Reformbereit schaft, Ressourcen und Ansprüchen der Stadtbewoh nerInnen.“ Der Begriff wird seit den 1990er-Jahren ver wendet um technologiebasierte Veränderungen und Innovationen in urbanen Räumen zusammenzufas sen. Im Fokus der Smart City stehen der Umgang mit Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzung, Fi nanzkrisen, dem demographischen Wandel und Res sourcenknappheit.

KERNZIELE DER SMART CITY «Smart Economy»: Wirtschaftswachstumum Investoren, Besucher, Unternehmen und Bürger «SmartanzuziehenMobility»: Mobilität – um es Besu chern, Arbeitern und Bürgern zu vereinfa chen, sich in einer Stadt zu bewegen, sei es mit öffentlichen Verkehrsmittel, dem Fahr rad, dem Auto oder zu Fuß «Smart Environment»: Nachhaltigkeit –Wachstum und Entwicklung einer Stadt unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen «Smart Governance»: Maßnahmen, Pla nungs- und Entscheidungsprozesse trans parenter und partizipativer zu gestalten«SmartBürgerbeteiligungPeople»:Bewohner

Viele defnieren die Smart City als ein “IoT” - ein “Internet of Things and Services”. Die Stadt wird mit Sensoren ausgestattet, welche sämtli che Daten erfassen und jene in der Cloud für jeden zu gänglich machen. So werden die Bewohner der Smart City Teil der technischen Struktur und es gibt eine ständige Interaktion zwischen den Bewohnern und der Technologie, welche sie umgibt. In der Regel gibt es drei gemeinsame Kernpunkte die ein Smart City Projekt ausmachen - IoT Sensiren, Konnektivität und Daten. Durch das Verbinden der drei Punkte ist es möglich durch neue und effziente Möglichkeiten eine lebenswertere Stadt zu schaffen. 73 73+74 www.axis.com/blog/secure-insights-de/was-ist-einesmart-city/ (11.03.2020)

Die Stadt Santander in Spanien gilt als eines der ge lungensten Smart City Projekte. Im Jahr 2010 wurden bereits 13,000 Sensoren in der Stadt positioniert, wel che jeden Aspekt der Smart City messen. So wird zum Beispiel die Menge des Mülls im Mülleimer, die Anzahl freier Parkplätze und die Größe einer Menschenmen ge am Gehsteig gemessen. Zusätzlich messen Sen soren auf Taxis und Polizeiautos die Luftverschmut zung und analysieren die Verkehrssituation.

Diese Daten werden dann auf diverse Compu ter übermittelt, welcher jene Informationen verarbei tet. So kann berechnet werden, wie viel Energie die Stadt benötigt, wie viel Wasser genutzt wird und wie viele Müllabfuhren in der Woche notwendig sind. San tander ging sogar einen Schritt weiter und setzte eine App auf, welche die Bewohner über die Events und wichtigen Ereignisse in der Stadt informiert.

SANTANDER - EINE GELUNGENE SMART CITY

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Die Smart City versucht auch die Regierung so trans parent wie möglich zu halten: “We want to create a new, cooperative relationship between the people and the city government.”75 Damit ist Santander einigen Smart City Projekten auf der Welt voraus. Es werden immer mehr Städte die damit beginnen Sensoren zu nutzen um die Informationen ihrer Stadt zu erfassen. 75 Zitat Satander, www.theinternetofthings.eu/santan der-may rative-relationship-between-people-andor-inigo-de-la-serna-we-want-create-new-coope(09.09.2021)

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SMART CITY BASEL Auch die Stadt Basel will einen Schritt Richtung Smart City machen. Das Projekt Smart City Basel soll die Le bensqualität, die Standortattraktivität und die nachhal tige Entwicklung fördern. Der Kanton hat mehrere Zie le: die Grundbedürfnisse und das Wohlergehen der Bevölkerung sicherstellen, die natürlichen Lebens grundlagen durch sparsamen Ressourcenverbrauch erhalten, den staatlichen Handelsspielraum mit einem gesunden Finanzhaushalt erhalten, den gesellschaft lichen Zusammenhalt stärken und die wirtschaftliche Entfaltung fördern. Die zentrale Idee ist es neue Ideen zu testen und Innovationen zu ermöglichen. Beson ders im Fokus stehen Ziele im Bereich Smart Govern ment, so will der Kanton, dass es Vertrauen in die Ver waltung gibt, dass der Zugewinn an Informationen groß ist und dass die Standortattraktivität Basels wächst. Die Leistungsziele des Smart Governments werden in drei Aufgabenfelder unterteilt: Ressourcen, Infrastrukturen und Transparenz. 76

Das Smart City Lab Basel ist ein Ort an dem Experten aus der Wissenschaft, Verwaltung oder der Öffentlich keit miteinander vernetzt. Diese lernen von einander und können ihr Wissen gemeinsam nützen um neue Ideen für eine Smart City Basel zu schaffen. Das Smart City Lab kann als Raum für Ideen, Prototypen oder Services in mehreren Bereichen genutzt werden. 77 City EGovernment conomy P e o pl e Mobility Living vnE i r o n ment smartcity.bs.ch (11.03.2020) smartcitylabbasel.ch (11.03.2020)

SMART CITY LAB BASEL

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143 BILD 1 LINKS: (11.03.2020)BILDking.html#!#&gid=1&pid=2ty-Strategy-Index-Vienna-and-London-leading-in-worldwide-ranBILDking.html#!#&gid=1&pid=2ty-Strategy-Index-Vienna-and-London-leading-in-worldwide-ranBILDBILDBILDal-wird-zur-smart-city/story/22189335BILDheiten/al-wolf-mich-interessiert-der-ort-seine-geschichte-und-besonderwww.architekturbasel.ch/beat-aeberhard-zum-are(11.03.2020)2LINKS:www.bazonline.ch/basel/stadt/wolfare(11.03.2020)3LINKS:www.smartcity.bs.ch(11.03.2020)4LINKS:www.smartcity.bs.ch(11.03.2020)1RECHTS:www.rolandberger.com/fr/Publications/Smart-Ci(11.03.2020)2RECHTS:www.rolandberger.com/fr/Publications/Smart-Ci(11.03.2020)3RECHTS:www.skillzme.com/smart-city-box-city-infographic/

Die Prozesse der Hydrosphäre sind sehr eng mit der Atmosphäre verbunden und haben einen be sonders hohen Einfuss auf unser Klima. Ozeane spei chern und transportieren Wärme, was zu regionalen

WAS BEEINFLUSST DAS KLIMA AUF DER ERDE? Das Klima der Erde wird durch komplexe, interaktive Vorgänge auf der Erde sowie durch äußere Faktoren bestimmt. Die Sonne ist dabei der wichtigste dieser Faktoren – sie liefert die Energie für unser Klimasystem.

KLIMAWANDEL

Man kann sich den Zusammenhang anhand ei nes Würfels vorstellen. Das Wetter ist dabei die Seite des Würfels, die gerade oben liegt. Das Klima hinge gen beschreibt, wie oft jede der sechs Seiten im Durchschnitt gewürfelt wird sowie die Wahrscheinlich keit, dass beispielsweise dreimal die gleiche Seite oben liegt. Überträgt man das Beispiel auf den Begriff Klimawandel, so beschreibt dieser eine Veränderung der statistischen Parameter zum Beispiel durch einen gezinkten Würfel. Ein einzelnes Wetterereignis ist da mit noch kein Anzeichen eines Klimawandels, denn nur im Kontext langer Beobachtungszeiträume lässt sich feststellen, ob Klimaveränderungen stattgefun den haben. Der Rekordsommer 2003 zum Beispiel kann nicht allein als Indiz für Veränderungen des Kli mas gewertet werden, viele überdurchschnittlich war me Sommer jedoch können zeigen, dass eine Verän derung der statistischen Parameter und somit des Klimas stattgefunden hat.

Die Atmosphäre, die als gasförmige Hülle die Erde um gibt, ist für die als kurzwellige Strahlung ankommende Sonnenstrahlung, welche wir u.a. als Licht wahrneh men, überwiegend durchlässig. Etwa 30 Prozent der einfallenden Strahlung jedoch wird bereits in der Atmo sphäre oder an der Erdoberfäche refektiert und geht ohne Einfuss auf das Klimasystem zurück ins All. Diese Refexivität – genannt Albedo – auf der Erdoberfäche ist in Schnee- und Eisregionen am höchsten.

144Wetter und Klima Ein Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung, Autorin HannaWETTER,HügingKLIMA,

Dass die durchschnittliche Temperatur auf der Erde +15°C beträgt, verdanken wir dem natürlichen Treib hausgaseffekt. Dieser bewirkt, dass nur ein Teil der langwelligen Wärmestrahlung die Atmosphäre verlas sen kann und der Großteil absorbiert und zum Teil zur Erde zurückgestrahlt wird, was einen wärmenden Ef fekt auf die Erdoberfäche und die tieferen Schichten der Atmosphäre hat. Ein Treibhaus funktioniert ganz ähnlich. Das Glasdach ist durchlässig für die kurzwellige Sonnen strahlung, jedoch nicht für die langwellige Wärme strahlung, so dass sich das Innere des Treibhauses erwärmt. In der Atmosphäre übernehmen sogenannte Treibhausgase die Rolle des Glasdachs. Wasser dampf und Kohlendioxid (CO2) sind die wichtigsten Treibhausgase. Daneben haben aber auch Methan (CH4), Stickoxide (NOx), Ozon (O3) und weitere Gase der Atmosphäre eine Treibhausgaswirkung. Insge samt machen die Treibhausgase jedoch nur einen sehr geringen Teil unserer Atmosphäre aus. Ca. 99 Prozent der Atmosphäre besteht aus Stickstoff und Sauerstoff, die keine Treibhausgaswirkung haben. Verändert man die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, verändert sich somit auch der Treibhausgaseffekt und hat Auswirkungen auf die Temperaturen und das gesamte Klimasystem der Erde.

Die Atmosphäre besteht neben Gasen und Wol ken auch aus kleinen Partikeln wie Staub oder Ruß –sogenannten Aerosolen –, die beeinfussen, wie viel Strahlung refektiert wird. Die verbleibende Sonnen strahlung wird von der Atmosphäre und der Erdoberfä che absorbiert, was eine Temperaturerhöhung zur Fol ge hat und dadurch zu einer stärke Abstrahlung von Wärme von der Erdoberfäche in die Atmosphäre führt. Würde diese Wärmestrahlung die Erde ungehindert verlassen, läge die globale Durchschnittstemperatur bei -18°C.

DER NATÜRLICHE TREIBHAUSGASEFFEKT

Die verschiedenen Komponenten sind durch Energie- und Stoffströme verbunden und die Wechselwirkungen zwischen ihnen haben Einfuss auf un ser Klima. Beispielsweise bindet die Biosphäre durch den Aufbau von Biomasse CO2 und hat somit einen Einfuss auf die Konzentration dieses Treibhausgases in der Atmosphäre. Da Schnee und Eis (Kryosphäre) eine hohe Refexivität haben, wirkt sich die Größe die ser Flächen auf die Refexion der Sonnenstrahlung aus. Dabei besteht ein positiver Rückkopplungsme chanismus, das heißt, dass eine Veränderung des Kli mas durch diesen Zusammenhang verstärkt wird: Je wärmer es auf der Erde ist, desto mehr Schnee und Eis schmilzt, desto geringer ist die Refexion der Son nenstrahlung und desto höher steigen die Temperatu ren auf der Erde.

WECHSELWIRKUNGEN INNERHALB DES VerschiedeneKLIMASYSTEMSKomponenten

Was unser Klima heute und in der Vergangenheit be einfusst: «Eine Schwalbe macht noch keinen Som mer“ und ein heißer Sommer bedeutet nicht unbedingt Klimawandel.

bilden gemeinsam das Klimasystem der Erde. Die Atmosphäre ist die Haupt komponente. Sie beeinfusst, wie viel Energie in Form von kurzwelliger Sonnenstrahlung oder langwelliger Wärmestrahlung ins Klimasystem eingeht. Weitere Komponenten des Klimasystems sind: Die Hy drosphäre, bestehend aus den Ozeanen sowie Was ser in Seen, Flüssen oder Wolken. Die Kryosphäre, die alle Formen von Eis (z.B. Gletscher, Meereis) um fasst. Die Biosphäre, die aus der Gesamtheit der Tiere und Pfanzen besteht, sowie die Pedosphäre und die Lithosphäre, die den Erdboden und das darunterlie gende Gestein umfassen.

Wetter und Klima hängen jedoch eng zusammen und werden durch komplexe Wechselwir kungen im Klimasystem der Erde geprägt.

145 Temperaturunterschieden führt. Das Klima in Europa ist beispielsweise stark durch den wärmenden Golf strom bestimmt. In der Atmosphäre hat Wasser in Form von Wolken oder Wasserdampf einen maßgebli chen Einfuss darauf, wie viel Sonneneinstrahlung re fektiert wird (Wolken) und wie durchlässig die Atmo sphäre für langwellige Wärmestrahlung ist (Pedosphäre) hat durch seine Farbe bzw. seine Pfanzendecke einen Einfuss auf die Re fexivität der Erdoberfäche. Zudem sind Böden durch Stoffkreisläufe wie dem Kohlenstoffkreislauf mit der Atmosphäre verbunden. Die Veränderungen von Bo deneigenschaffen wie beispielsweise die Trockenle gung von Mooren oder das Auftauen von ursprünglich ganzjährig gefrorenen Böden (Permafrostböden) kann große Mengen von CO2 und Methan freisetzen. Auch bei der Verwitterung von Gestein (Lithosphäre) kann CO2 aus der Erdkruste freigesetzt werden. Unser Klima auf der Erde ist folglich ein sehr komplexes System und jeder Eingriff in dieses System kann eine Reihe von Veränderungen hervorrufen, die in ihrer Komplexität und ihrem Ausmaß kaum vorher sehbar sind.VERGANGENE

(Wasserdampf).DerBoden

KLIMAVERÄNDERUNGEN

Das Klima hat sich im Verlauf der 4,6 Milliarden Jahre Erdgeschichte etliche Male verändert. Nach sehr warmen Phasen kamen lange Eiszeiten, die wiederum wieder von warmen Perioden abgelöst wurden. Zur Zeit der Dinosaurier im Erdmittelalter (ca. 251 bis 65,5 Millionen Jahre vor unserer Zeit) war die globale Durchschnittstemperatur ca. sechs bis acht Grad hö her und es herrschte warmes, tropisches Klima. Der Meeresspiegel lag etwa 80 Meter höher als heute, wo bei jedoch die Kontinente und Ozeane anders verteilt waren. Erst vor ca. zwei Millionen Jahren bildeten sich die Kontinente und Ozeane, wie sie uns in ihrer heuti gen Form bekannt sind. Seit dieser Zeit ist das Klima durch zyklisch wiederkehrende Eiszyklen gekenn zeichnet.Der Temperaturverlauf der letzten 400.000 Jah re zeigt insgesamt einen Wechsel zwischen lang an haltenden Eiszeiten und darauf folgende Warmzeiten. Seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 15.000 Jahren erwärmten sich über einen Zeitraum von etwa 5.000 Jahren die Temperaturen global langsam um 5 Grad Celsius. Seitdem befnden wir uns in einer Warmzeit mit relativ stabilen Temperaturen. Der vom Menschen induzierte Klimawandel droht einen ähnlich starken Temperaturanstieg über einen wesentlich kürzeren Zeitraum – innerhalb hundert Jahren – herbeizuführen. Die nächste Eiszeit wäre nämlich erst in 30.000 bis 50.000 Jahren zu erwarten. Ursachen für natürliche Klimaveränderungen Die Klimaveränderungen in der Vergangenheit haben vielfältige Ursachen und neben Auslösern haben Rück kopplungseffekte einen großen Einfuss. Verschiede ne Veränderungen des Strahlungshaushalts der Erde können eine Klimaänderung auslösen bzw. verstärken:

1. eine Veränderung der einfallenden Sonnen strahlung, z.B. durch Änderungen im Ab stand zwischen Sonne und Erde oder der Aktivität der Sonne; 2. eine Veränderung des Anteils der refektier ten Sonnenstrahlung z.B. durch eine verän derte Refexivität der Atmosphäre oder der Erdoberfäche; 3. eine Veränderung der von der Erde ausge strahlten Wärmestrahlung z.B. durch Ände rung der Treibhausgaskonzentration. (...) Vergangene Klimaveränderungen zeigen, dass es sich beim Klimasystem auf der Erde um ein sehr sen sibles System handelt und wie sehr CO2-Konzentrati on und globale Durchschnittstemperaturen voneinan der abhängen. 78 78 Artikel onlline erschienen am 31.05.2013 auf: ma-und-klimawandeldegesellschaft/umwelt/klimawandel/38427/wetter-kliwww.bpb.(22.04.2020)

MIT DER KLIMA-NORM ZUR KLIMAÄNDERUNG In den letzten Jahrzehnten lag die Temperatur immer häufger über der Norm. Dazu gibt es eine spannende Darstellung der Schweizer Jahrestemperatur als Abwei chung zur Norm 1961−1990. Sie zeigt eindrücklich, wie die Temperatur seit Ende der 1980-er Jahre kräftig ange stiegen ist. (BILD)

DAS KLIMA DER ZUKUNFT Basierend auf den heutigen Klima-Normwerten können Szenarien für die Klimaänderung in den nächsten Jahr zehnten berechnet werden. So hat MeteoSchweiz zu sammen mit anderen namhaften Instituten die CH2018-Klimaszenarien erstellt. Diese zeigen die möglichen zukünftigen Entwicklungen basierend auf verschiedenen, global getroffenen Annahmen zum Treibhausgasausstoss. In diesem Sinn unterscheiden sich Klima-Szenarien grundsätzlich von Wetterprog nosen. 79

BILD OBEN: Schweizer Temperaturentwicklung zwischen 1864 –2019 mit Abweichung vom Mittel der Klimanormperiode von 19611990;

ma_ist_das_nicht_das_gleiche.htmlmeteoschweiz.admin.ch/data/blogs/2020/4/wetter_und_kli(22.04.2020)79AuszugausdemArtikel«WetterundKlima:IstdasnichtdasGleiche?»vonMeteoSchweiz,onllineerschienenam20.04.2020auf:meteoschweiz.admin.ch/data/blogs/2020/4/wetter_und_klima_ist_das_nicht_das_gleiche.html(22.04.2020)

146Klimaveränderung in der Schweiz Ein Artikel des Meteo Schweiz

WAS IST DAS KLIMA? UND WAS HAT ES MIT DEM WETTER ZU TUN?

Der Begriff «Klima» bedeutet grundsätzlich nichts Ande res als alle Wetterereignisse über eine längere Zeit zu sammengenommen. Zur Beschreibung des Klimas wer den langjährige Durchschnittswerte verschiedener meteorologischer Messgrössen wie Temperatur, Nieder schlag oder Sonnenscheindauer verwendet. Das Klima wird unter anderem global oder aber auch national be schrieben.Die Berechnung der Durchschnittswerte erfolgt weltweit über den gleichen Zeitraum von 30 Jahren. Da mit können wir das Klima verschiedener Regionen mitei nander vergleichen. Die Dauer von 30 Jahren für eine Klimanormperiode wurde 1935 von der Weltorganisation für Meteorologie defniert .

QUELLE ARTIKEL: Artikel onlline erschienen am 06.12.2012 auf: zung_Klimaschutz_und_Anpassungwww.klimascout.de/kommunen/index.php?title=Abgren(29.07.2021)

147 Ein Artikel des Klima Scout Die Konzepte Klimaschutz [Mitigation] und Anpassung [Adaptation] an den Klimawandel sind eng miteinander verknüpft und beschreiben in Kombination unseren Handlungsspielraum, den fortschreitenden Klimaver änderungen sinnvoll zu begegnen. Klimaschutz beinhaltet Handlungen, die dazu geeignet sind, die Veränderungen des Klimas aufzu halten, zu verlangsamen oder zu mindern. Es handelt sich also um Vermeidungsstrategien, die auch unter dem Begriff Mitigation („Abmilderung“) zusammenge fasst werden. Hauptmechanismus des Klimaschutzes, bzw. der Mitigation, ist die Reduktion von Treibhaus gasemissionen.Demgegenüber handelt es sich bei Anpassung an den Klimawandel, oder auch „Adaptation“, um einen Handlungsansatz, der versucht, mit den bereits einge tretenen oder noch erwarteten klimatischen Verände rungen umzugehen und dabei die negativen Folgen zu bewältigen, Risiken zu mindern und Chancen zu nut zen. Anpassung kann auf sozialer, ökologischer oder wirtschaftlicher Ebene erfolgen. 80 Hier werden nicht nur Klimawirkungen betrach tet, sondern auch die strukturellen Beschaffenheiten eines betroffenen Systems (einer Landschaft, Sied lungsstruktur, Gesellschaft o. ä.) und wie diese vom Klimawandel beeinträchtigt werden. Diesen Aspekt bezeichnet man auch als Verwundbarkeit bzw. Vulner abilität.Der81 4. IPPC Sachstandbericht geht davon aus, dass weder Anpassung noch Klimaschutz allein in der Lage sind, negative Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden.82 Da auch die größten Mitigationsbemü hungen nicht verhindern werden, dass der Klimawan del in den nächsten Jahzehnten spürbare Folgen zeigt, ist Adaptation unabdingbar.83 Die Auswirkungen des Klimawandels sind überdies mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verknüpft. Auch um diese zu begrenzen bedarf es vorausschauender Anpassungsstrategien.84

80 Dr. Mahammad Mahammadzadeh (23. September 2008) Anpassung an den Klimawandel, Vortrag, 5. BMBF-Forum für Nachhaltigkeit 81 Empfehlung des Beirats für Raumordnung zu „Klima schutz, Klimafolgen, Regenerative Energien und Raument wicklung“ (verabschiedet auf der Sitzung am 14. Juli 2008)

Die Entscheidungen für diese Prozesse erfolgen auf sämtlichen Levels, vom Privathaushalt bis zu globalen Konzernen, von kommunalen Planungsinstanzen bis zu internationalen Abkommen. 85

82 IPCC Fourth Assessment Report (2007): Climate Change: Synthesis Report, Kapitel 5:Die langfristige Perspektive: wissenschaftliche und sozioökonomische Aspekte, die relevant für Anpassung und Emissionsminde rung und konsistent mit den Zielen und Vorgaben der Konvention sind sowie im Zusammenhang mit nachhalti ger Entwicklung stehen, S 74 ff. 83 Klein, R.J.T., S. Huq, F. Denton, T.E. Downing, R.G. Richels, J.B. Robinson, F.L. Toth, 2007: Inter-relationships between adaptation and mitigation. Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, M.L. Parry, O.F. Canziani, J.P. Palutikof, P.J. van der Linden and C.E. Hanson, Eds., Cambridge University Press, Cambridge, UK, 745-777 , Executive Summary. 84 Dr. Mahammad Mahammadzadeh (23. September 2008) Anpassung an den Klimawandel, Vortrag, 5. BMBF-Forum für Nachhaltigkeit 85 Klein, R.J.T., S. Huq, F. Denton, T.E. Downing, R.G. Richels, J.B. Robinson, F.L. Toth, 2007: Inter-relationships between adaptation and mitigation.

Konzept der Mitigation und Adaptation in Bezug auf den Klimawandel

PRODUKTE IM KREISLAUF HALTEN

Die Nutzungs- und Lebensdauer von Produkten wird er höht, indem sie geteilt, wiederverwendet, repariert und wiederaufbereitet werden. Über die ganze Produktele bensdauer betrachtet, schont das in den meisten Fällen nicht nur die Umwelt, sondern auch das Portemonnaie der Konsumentinnen und Konsumenten. Der auf Inno vation und Qualität ausgerichteten Schweizer Wirt schaft eröffnet die lange Produktenutzung neue Ge schäftsfelder. So lassen sich beispielsweise Reparaturdienstleistungen anbieten, oder Produkte können vermietet statt verkauft werden. Erst wenn sich ein Produkt nicht mehr länger nutzen lässt, wird es dem Recycling zugeführt, um das Ma terial weiterverwerten zu können. Aus Umweltsicht ist es jedoch in fast allen Fällen besser, Produkte mög lichst lange zu nutzen, da auch Recycling wegen des Verbrauchs von Energie, Wasser oder Chemikalien um weltbelastendMATERIALIENist.

Auch die meisten anderen Materialien sollten in einer Kreislaufwirtschaft idealerweise sortenrein ge sammelt und recycelt werden. Dabei entstehen Sekun därrohstoffe von hoher Qualität, wie beispielsweise PET oder Aluminium, die vermarktet und für die Produk tion neuer Waren verwendet werden können. Wichtig ist, dass beim Sammeln und Recyceln Schadstoffe ent fernt und aus dem Kreislauf ausgeschieden werden. Im Produktionsprozess lassen sich Primärrohstoffe durch die mit Recycling und Rohstoffaufbereitung gewonne nen Sekundärrohstoffe ersetzen. Aus diesem Grund sind solche Werkstoffe nicht nur aus ökologischer Sicht vorteilhaft, sondern oft auch wirtschaftlich für die Schweiz interessant.ÖKODESIGN

IN DER SCHWEIZ

Die Kreislaufwirtschaft, auch «Circular Economy» ge nannt, unterscheidet sich von den noch verbreiteten li nearen Produktionsprozessen. In einem linearen Wirt schaftssystem werden Rohstoffe abgebaut, Produkte hergestellt, verkauft, konsumiert und weggeworfen (vgl. nachfolgende Grafk). Das führt zu Rohstoffverknap pung, Emissionen, grossen Abfallmengen und damit verbundenen Umweltbelastungen. In der Kreislaufwirtschaft werden Produkte und Materialien im Umlauf gehalten (grüne Pfeile in der nachfolgenden Grafk). Dadurch werden im Vergleich zum linearen Wirtschaftssystem weniger Primärroh stoffe verbraucht. Zudem bleibt der Wert der Produkte länger erhalten, und es fällt weniger Abfall an. Kreislaufwirtschaft ist ein ganzheitlicher Ansatz, der den gesamten Kreislauf betrachtet: Von der Roh stoffgewinnung, über das Design, die Produktion und die Distribution eines Produkts bis zu seiner möglichst langen Nutzungsphase und zum Recycling. Damit Pro dukte und Materialien in diesem Kreislauf verbleiben, braucht es ein Umdenken aller Akteure.

Die Schweiz als rohstoffarmes Land verfolgt bereits seit Mitte der 1980er Jahre Ansätze hin zu einer Kreis laufwirtschaft – und es ist ihr gelungen, gewisse Kreisläufe zumindest teilweise zu schliessen. Beispielswei se wurden im Jahr 2018 von 17.5. Mio. Tonnen Rückbaumaterialien wie Beton, Kies, Sand, Asphalt und Mauerwerk knapp 12 Mio. Tonnen wiederverwer tet. Mehr als 5 Mio. Tonnen, insbesondere Mischab bruch, befanden sich noch nicht in einem Kreislauf. Bei den Siedlungsabfällen wird etwas mehr als die Hälfte der Abfälle separat gesammelt und stoffich wie derverwertet. Der hohen Recyclingquote der Schweiz steht allerdings eine gewaltige Abfallmenge gegen über. In kaum einem anderen Land fällt gemessen an der Wohnbevölkerung derart viel Siedlungsabfall an. Auf dem Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft bleibt noch einiges zu tun. Beispielsweise bei Textilfasern,

148Die Kreislaufwirtschaft Ein Artikel des Bundesamt für Umwelt WAS IST KREISLAUFWIRTSCHAFT?

IM KREISLAUF HALTEN Material biologischen oder organischen Ursprungs (bspw. Rüstabfälle) sollte nach der Nutzung möglichst stoffich verwertet oder vergärt werden. Beispielsweise in Form von Kompost können so Nährstoffe wieder zu rück in die Landwirtschaft geführt werden und dazu bei tragen, dass neue Rohstoffe heranwachsen.

FÜR EINE KREISLAUFFÄHIGE ÖkodesignPRODUKTIONisteinAnsatz, der ökologische Überlegun gen (Ökobilanz) systematisch und von Beginn weg in Planung, Entwicklung und Gestaltung von Produkten einbezieht. Ökodesign sucht nach Konzepten, Materia lien und Bauweisen, die sicherstellen, dass ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg möglichst wenig Ressourcen und Rohstoffe verbraucht. Das er möglicht nicht zuletzt Kosteneinsparungen. Damit sich Produkte möglichst lange nutzen lassen und damit sie schliesslich recycelt werden kön nen, gilt es bereits beim Design Aspekte der Kreislauf wirtschaft zu beachten: Produkte müssen möglichst ressourcenschonend, langlebig, reparaturfähig, mo dular und zerlegbar sein und entsprechend entworfen und hergestellt werden. Auch die Wahl der Materialien ist wichtig; es gilt möglichst trennbare, sichere und recycelbare Materialien einzusetzen. Wichtig ist zu dem, dass auf einem Produkt nicht nur «recyclebar» steht, sondern vor allem auch wie hoch der im Produkt enthaltene Anteil an Recyclingmaterial (Sekundärroh stoff) ist. Während des gesamten Prozesses werden, wo immer möglich, weder umwelt- noch gesundheits schädliche Chemikalien verwendet. Zentral ist im Konzept der Kreislaufwirtschaft auch, dass erneuer bare Energie eingesetzt wird. Die Energie soll so eff zient und sparsam wie möglich verwendet werden, denn auch die Bereitstellung von erneuerbarer Ener gie braucht Rohstoffe und natürliche Ressourcen. Sicherstellen, dass neue Kreislaufwirtschafts projekte und -massnahmen unter dem Strich die Um weltbelastung tatsächlich reduzieren, lässt sich nur mit Hilfe vonKREISLAUFWIRTSCHAFTÖkobilanzen.

86 Artikel «Kreislaufwirtschaft» des Bundesamt für Umwelt; onllineerschienen am 19.06.2020 auf: kreislaufwirtschaft.html#-1638562904bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/fachinformationen/www.bafu.admin.ch/(04.2021)

149 Baumaterialien, Kunststoffen und biogenen Abfällen könnte in Zukunft ein höherer Anteil des Materials im Kreislauf gehalten werden. Seit einigen Jahren wird das Prinzip der Kreislaufwirtschaft von Unternehmen immer öfter berücksichtigt. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft spielen auch Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Rolle. Sie können zum Wandel beitra gen, indem sie nachhaltig konsumieren, und indem sie Produkte so lange wie möglich nutzen. Ebenfalls in ihrer Hand liegt, dass Produkte vermehrt geteilt, wie derverwendet, repariert und wiederaufbereitet wer den. Und schliesslich auch, dass Produkte, wenn sie sich nicht mehr nutzen lassen, separat gesammelt und entsorgt werden. Dieselbe zentrale Rolle im Wan del hin zu mehr Kreislaufwirtschaft fällt den Beschaf fungsstellen der öffentlichen Hand auf Bundes-, Kan tons- oder Gemeindeebene sowie den Beschaffungsstellen der Privatwirtschaft zu. 86

BILD OBEN: Grafk Kreislaufwirtschaft des Bundesamt für Umwelt; fachinformationen/kreislaufwirtschaft.htmlwww.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/(04.2021)

Das Problem ist naheliegend: Viele Bauten, sogar ganze Areale werden heute aufgrund einer rendite orientierten Investitionspraxis oft frühzeitig abgerissen oder ersetzt. Damit werden Bausubstanz, graue Energie und im Quartier verankerter Lebensraum zerstört. Im Wesentlichen umfasst das Re-use-Prinzip, das diesem Sachverhalt entgegenwirken soll, die Idee, Bauen nicht als Teil eines linearen, sondern eines zirkulären Systems zu verstehen.Ineinem linearen System sind im Normalfall Rohstoffabbau, seine Weiterverarbeitung zu Baumaterial, der Bau selbst, später das Recycling einzelner Teile davon und der endgültige Abbruch Etappen – deren letzte ist in den meisten Fällen die Deponie. Damit endet der Zyklus. Bauen als Teil eines zirkulären Prozesses zu ver stehen bedeutet hingegen, gemäss dem ersten Punkt der Kreislaufwirtschaft «Reduce» den Abbruch zu ver meiden bzw. den Zeitpunkt dafür aufzuschieben. Kommt es eines Tages trotzdem dazu, sollen die einzelnen Bauteile für andere Bauten wiederverwendbar sein und erst ganz am Ende – viel später, als das heute in der Praxis geschieht – rezykliert werden. Dies setzt vor aus, Bauten zukünftig so zu konstruieren, dass sie länger bestehen und dann wieder in ihre Einzelteile zerlegbar sind, statt sie abzubrechen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine gegenüberstellende Energie bilanz – nachhaltiger Neubau mit kurzem Lebenszyklus vs. konventioneller Altbau mit langem Lebenszyklus. Neben Energie- und Kosteneffzienz spielen aber genauso übertragene, nicht in Zahlen messbare Werte eine Rolle: Bauten oder Siedlungen können Heimat be deuten, sind Orte des eingespielten sozialen Austauschs, von Freundschaften, die über Jahrzehnte bestehen. Zu dem umfasst ein Bau oft altes Handwerk, schön gealter tes Material und grosse alte Bäume in der Umgebung.

MADASTER: BAUSCHUTT IN WERTVOLLE ROHSTOFFE VERWANDELN

Der Ort bildet die Basis für eine langsame, organische Entwicklung, die Teil der kollektiven Erinnerung wird –ein Abbruch mit Ersatzneubau ist ein Bruch darin.

Auf Madaster werden ressourcenrelevante Daten von Bauwerken inventarisiert und strukturiert zugänglich. Dies birgt Potenzial, neue Wege auszuprobieren, beste hende Prozesse und Modelle zu hinterfragen und in in telligente Designs zu investieren, die das Schliessen von Wertstoffkreisläufen fördern. Indem die Digitalisierung Transparenz schafft, erleichtert sie den Wandel hin zu in einer zirkulär organisierten Bauwirtschaft. Digitale Tech nologien helfen, doch es braucht das Branchen-Knowhow, um die Digitalisierung sinnvoll einzusetzen und zu kunftsfähig zu bauen. (...)

RE-USE: TAKTIKRN DES UMDENKENS Als Teil der zirkulären Bauwirtschaft verändert Re-use die baulichen Rahmenbedingungen um Planung, Ent wurf und Ästhetik. Die Hindernisse sind derzeit noch zahlreich – vor allem bei grösseren Bauten fallen die Bauteilbeschaffung und die einseitigen Kostenrechnun gen insRe-useGewicht.von Bauten und Bauteilen hat viele Um setzungsformen (...). An manche haben wir uns gewöhnt – bei jedem Umbau, jeder Renovation kommt die Idee zum Tragen. Geht es aber darum, systematisch ge brauchte Bauteile wiederzuverwenden oder damit gar ein ganzes Gebäude zu errichten, dann verändert das Prinzip die Ästhetik und die gewohnten Bauprozesse. Es ist daher nicht verwunderlich, dass unter ande rem die Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung ein grösseres Projekt mit 100 % Abbruchtei len aus dem Landkreis plant und im Vorfeld das Ziel ver folgt, ein Netzwerk an Akteuren für die zukünftige Wie derverwendung von Baustoffen aufzubauen. Auch am Institut Konstruktives Entwerfen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW begleitete das Baubüro in situ im Frühling 2018 ein Semester zum The ma «Bausubstanz erhalten».

150Architektur als Kreislauf denken oder die Stadt als Rohstoffager Ein Artikel des TEC21, Autorin Danielle Fischer

Mit jährlich 17 Millionen Tonnen generiert der Bausektor den mit Abstand grössten Abfallstrom der Schweiz. Wür den Aushubmaterial und mineralischer Bauschutt nicht mehr als Abfall betrachtet, sondern als Ressource, könn te die Bauwirtschaft effzienter arbeiten und langfristig sogar Abfall eliminieren. Voraussetzung dafür ist die digi tale Erfassung verbauter Materialien und Produkte in Be stand und Neubau. «Materialien erhalten eine Identität und können nicht mehr als Abfall in der Anonymität ver schwinden», bringt es Thomas M. Rau, Architekt und Vordenker der zirkulären Wirtschaft, auf den Punkt. Ein Tool, das dies umsetzt, hat er mit «Madaster» ins Leben gerufen. Die gemeinnützige Onlineplattform stellt Materialpässe für Bauwerke bereit. Diese enthalten Informati onen über Materialien und Produkte und zeigen deren Standort im Gebäude. Ein Gebäude wird so zu einem Materiallager, was die Wiederverwendung und Rückgewinnung von Materialien erleichtert. In den Niederlanden ist die Plattform seit 2017 live, und in der Schweiz entwi ckelt sie gerade eine landesspezifsche Version.

Deshalb enthält die heutige Rechnung – der Bau herr übernimmt die Kosten für den Ersatzneubau und die Entsorgung des Bauschutts und erhält im Gegenzug die Rendite – nicht alle Werte. Schon bei der Bauschuttent sorgung gibt es Unklarheiten, denn nicht alle Emissio nen, die dabei entstehen, sind in den Kosten enthalten. Die zerstörte graue Energie des vorzeitig abgeris senen Altbaus könnte mit etwas Aufwand noch beziffert werden, doch müsste sie auf die theoretisch mögliche verbleibende Anzahl Jahre des Baus hochgerechnet werden. Das Verschwinden alter Baumbestände, die nur zum Teil durch neue, junge ersetzt werden – die dann Jahrzehnte benötigen, um eine gewisse Grösse zu errei chen –, lässt sich ebenfalls nur schwer mit konkreten ZahlenVollendsbeziffern.unmöglich erscheint eine Aufrechnung des Verlusts an Wurzeln und der Verbindung zur Ge schichte der Bewohner. Und trotzdem sind dies Fakto ren, die, wenn man sie in die Neubaukalkulation mitein beziehen würde, «Soll» und «Haben» der Bilanz zwischen Neubau und Re-use-Bauten beeinfussen würden.

onlline erschienen am 29.08.2019 auf: ch/de/aktuelles/re-use-taktiken-des-umdenkenswww.espazium.(20.05.2020)

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Die verschiedenen Wege der Bauteilbeschaffung hängen von der Arbeitsweise der Architekturbüors ab: Manche Bü ros haben hausinterne «Scouts», andere arbeiten mit spezialisierten Büros zusammen, oder sie holen sich klei nere Mengen an Bauteilen in einer Börse. Hier liegt das Problem darin, dass Lagerfächen für grosse Bauteilmen gen teuer sind. Bauteile gibt es genügend, doch liegt die Herausforderung beim Timing. Im besten Fall stimmt die ses bei Abbruch und Neubau überein – dann können die ausgebauten Bauteile direkt vom Altbau zum Neubau trans-portiert werden. In Zukunft könnte sich die Suche mit der Erstellung eines Bauteilpasses für jeden Bau vereinfachen.8787Artikel

BILD OBEN: Grafk: TEC21 / Laurent Guye, 29-08-2019 www.espazium.ch/de/aktuelles/re-use-am-bau, (20.05.2020)

Imsollen.Bau

Architektur muss als

Ruinen werden in der Architektur dann zum Thema, wenn sie Vergänglichkeit thematisieren und Bezüge zu Ver- gangenheit und Geschichte aufbauen sollensei es negativ im Zeichen von Nostalgie und Melan cholie oder positiv, um an vergangene Grösse anzu knüpfen und sich daran zu messen. Das Interesse an Ruinen entstand zeitgleich mit der Denkmal pfege und der archäologischen Auseinandersetzung mit der An tike. Es entwickelte sich rasch ein wissenschaftlicher Anspruch gepaart mit der Suche nach einem «korrek ten» und möglichst objektiven Umgang mit Ruinen. Dieser trat aber immer wied r in inen Konfikt mit Kräf ten, welche die Ruinen politisch instrum ntalisierten. Das hat zu permanenten Spannung n zwis h n «rea ler» und «konstruierter» Geschichte geführt. Ge schichte wird mitunter über Ruinen «kuratiert» und ei nem jeweiligen gesellschaftlichen Bedürfnis angepasst. Dies war etwa paradigmatisch bei den Ru inen im englischen Landschaftsgarten der Romantik der Fall, die beim blasierten Betrachter Schauder und ein Gefühl der Erhabenheit evozieren sollten. Oder man denke an den Umgang mit Ruinen nach dem Zweiten Weltkrieg. In Deutschland wurden bewusst ei nige Bauten im Zustand der Zerstörung belassen und als Mahnmale inszeniert. So etwa die Kaiser-Wil helm-Gedächtniskirche in Berlin, die als Turmruine zwischen 1959 und 1961 um einen Bau von Egon Eier mann ergänzt wurde. Geht es hingegen um die damnatio memoriae oder die abolitio nominis, dürfen keine Spuren - sprich Ruinen - übrigbleiben, wenn auch, wie bekannt, gera de jene Erinnerungen an Persönlichkeiten aus der An tike, die hätten ausgelöscht werden sollen, am stärks ten erhalten geblieben sind. Ruinen können daher auch als Zeichen von Ewigkeit gelesen werden. Hitlers erster Architekt Al bert Speer hat das zu instrumentalisieren verstanden und seinen Entwürfen jeweils eine Zeichnung der anti zipierten zukünftigen Ruine beigelegt. Seine Absicht war zu zeigen, dass die Gebäude sogar oder beson ders als Ruine für Jahrhunderte von der Grösse des untergangenen Reichs zeugen würden. Ruinen sind in dieser Hinsicht immer ambivalent, weil sie zum Jetzt verschoben wirken und verschiedene Zeiten überla gern und gleichzeitig schalten. Diese Wirkung kennt man aus vielen städtischen Räumen: Zeit lässt sich in ihnen als Akkumulation von Phasen deutlich ablesen. Doch erst wenn die Zeitspanne ausreichend gross ist, erlangt die Stadt jene Erhabenheit, die in Tourismus broschüren wirkungsvoll in Szene gesetzt werden kann.

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VERTAUSCHTE INHALTE

Ruine gedacht werden

( ... um politisch zu sein) Mit dem Errichten neuer Architektur vergewissert sich eine (unsichere) Gesellschaft ihrer Handlungs fähigkeit. Beschädigte oder obsolete Architektur wird meist renoviert oder entfernt; Ruinen werden als Zei chen von Gefahr verstanden. Doch damit werden die Möglichkeiten zur Darstellung von Zeitlichkeit in der Architektur unnötigerweise stark limitiert und auch die politische Dimension wird ausgeblendet. Dabei kann Scheitern in der Architektur produktive Möglichkeits räume Autoren:aufspannen.AndriGerber und Philippe Koch Mit der Sprengung der Mehrfamilienhäuser von Pruitt Igoe in St. Louis ab dem Jahr 1972 sah der Architektur historiker Charles Jencks die Architektur der Modeme in Trümmern. Was blieb, waren die Ruinen vergange ner Architekturträume. Wenige bauliche Überreste der Siedlung sind noch immer sichtbar als Teil einer halb verwilderten Landschaft, die an das Schicksal der Tra bantenstadt aus Asterix der Gallier erinnert. Jencks› Interesse galt jedoch nicht der Sprengung oder den physischen Überresten. Dies ist symptomatisch. Ar chitektur-ruinen machen sichtbar, was die Architektur standhaft zu verdrängen sucht: ihre Vergänglichkeit und Machtlosigkeit gegen das Eindringen der Zeit und damit das Offenlegen ihrer eigenen Geschichte und Kontingenz. Ruinen sind Symptome jener zeitlichen Dimension, die zugleich auf die politische und kulturel le Bedingtheit von Architektur verweisen. Architek tur muss sich immer wieder erneuern und überdauern, verdrängt die Vergänglichkeit der Menschen und ihrer Gesellschaften und besteht in einem ewigen Jetzt-Zu stand, bei dem weder die Bedingungen ihrer Produkti on noch ihrer Aufösung - die Ruinen - erkennbar sein vergewissert sich eine unsichere Gesellschaft ihrer Handlungsfähigkeit. Die Festigkeit des Gebauten bestätigt als Stein gewordenes Potenzial die eige ne Zukunftstaug-lichkeit. Spätestens seit der Modeme mit ihrem Erneuerungswahn und blinden Fortschritts glauben symbolisiert und erzeugt Architektur gesellschaftlichen Fortschritt und damit Sicherheit. Ruinen hingegen werden als Anzeichen von Gefahr verstan den: Das Eindringen der Zeit erzeugt Angst vor Insta bilität. Das Scheitern prestigeträchtiger Bauprojekte wird gar zum Zeichen grundsätzlicher politischer oder gesellschaftlicherKURATIERTEMalaisen.GESCHICHTE

Es ist kein Zufall, dass gerade Architekten der Postmoderne wie Aldo Rossi, Ricardo Bofll oder Arata Isozaki sich vom Fortschrittsglauben der Modeme nicht zuletzt über den expliziten Gebrauch von Ruinen - oder ruinös erscheinenden Teilen von Neubauten - abge wandt haben. Dem Fortschrittsglauben qua weisse und glatte Fassaden wurde die Vergänglichkeit (auch) der Architektur qua (falsche) Ruine entgegengehalten. Ruinen-Architektur als Symbol der eigenen Ver gänglichkeit fndet man beispielsweise in den Skizzen von Aldo Rossi (im Italienischen bedeutet rovina übri gens sowohl «Ruine» als auch «fnanzieller Unter gang»). Auch Projekte von Ricardo Bofll zeigen das Motiv häufg. Sein nur teilweise umgesetztes Projekt für Les Halles (1975-1978) sollte sogar eine ganze Ruinenlandschaft darstellen. Auch in den Collagen von Arata Isozaki tauchen sie auf. Allen gemeinsam

UNZULÄNGLICHKEITEN

POTENZIALE Die Ruine kann aber - so unsere These - im Kontext der AI chitektur viel mehr leisten als nur der Gegenpol des moder- 11 lsl ischen Fortschrittswahns zu sein: Über ihre offengelegte i›.1•ill ichkeit kann sie auf das politische Potenzial der Architek-111 r verweisen. Ar chitektonische Praktiken vermögen dann 1•111e politische Spannung aufzubauen, wenn sie sich weigern, dl•m Sozialen schlicht Raum und Form zu geben, und stattdes- 11 •n Fragilität abbilden und doch zugleich das Streben nach 1•i nem soliden Fundament offenle gen. Die Gegenüberstellung zweier prestigeträchtiger sowie umstrittener Bauten - der Elbphilharmonie in Hamburg von Herzog&deMeuron (2001-:w16. Siehe hierzu: J0rg Himmelreich, «Eine Hafenstadt fndet (wieder) zum Wasser», in: archithese 1.2017, Swiss Performance 2017, S.8-14.) und der unvollendeten Ciudad de la Cultura in Santiago de Compostela von Peter Eisenman (1999-2013) - macht diese Spannung von Zeitlichkeit und Räumlichkeit offensichtlich. Beide Projekte wurden während des Bauprozesses von Po lemiken und Diskussionen begleitet, was auf ihren im manenten politischen Charakter und Anspruch ver weist. Während bei der «Elphi» der konfikthafte Prozess zwischen den verschiedenen Akteuren und die drastischen Überschrei- 1 u ngen der kalkulierten Baukosten keine Spuren hinterlassen haben, liegen diese beim unfertigen Gerippe der Ciudad de la ultura als Wunden offen da. Auch die zahlreichen Probleme, cl ie sich beim Hamburger Projekt nach Fertigstellung auf- 1 aten - Wasserschäden, Unfälle und notwendige Nachbesserungen -, fnden in der Presse kaum noch Erwähnung und gehen in der allgemeinen Euphorie für das neue Wahrzeichen und der «Magie» seiner Ar chitektur unter. Die Philharmonie wird nicht nur ge schätzt für das, was sie ist, sondern auch für das, was sie macht. Ist nicht ein stabiles, aber gleichwohl ver führerisches Gebäude der beste Beweis dafür, dass es einer Stadt möglich ist, sich neuen ökonomischen und politischen Imperativen nicht nur zu fügen, son dern sich als Gewinnerin der Umwälzung darzustellen oder diese Impulse gar selbst aktiv zu setzen? Das ist nicht neu: Grosse Kirchen wurden eben falls nicht gebaut, weil eine Stadt Bischofssitz geworden war, sondern um einen solchen zuge sprochen zu bekommen. Die lnszenierungsmacht von HdM besteht nun da rin, die politische Refexi on der performativen Kraft der Elphi im Keim zu ersticken: Wer will mitmachen beim globa len Städtewettstreit um Aufmerksamkeit? Zu welchen Kosten und für wie lange? Soll Hamburg für das stehen, was der Konzertbau darstellt?

Im Falle der Ruine von Santiago hingegen lassen sich die unzähligen Probleme des Projekts unmittelbar ablesen. Das Zentrum wurde von Manuel Fraga Iribarne initiiert, einem Politiker, der wegen seiner Vergangenheit in der Regierung von Francisco Franco höchst umstritten war. Bereits während der Planung war klar: Das Projekt ist völlig überdimensioniert und unrealis tisch. Die Wahl des US-amerikanischen Architekten Peter Eisenman, die 1999 über einen Wettbewerb ge troffen wurde, war ebenfalls problematisch; schliess lich ist er nicht gerade für die Dauerhaftigkeit seiner Projekte bekannt. All dies ist nun an den Ruinen des nie fertiggestellten Zentrums sichtbar geworden. Auf Schritt und Tritt wird man mit Lücken konfrontiert. An stelle eines spektakulären Baus, der die Bezie- hung zwischen Innen und Aussen zu thematisieren beabsichtigte, ist ein terrain vague ohne lesbare Gren zen zwischen Erdreich, Gebautem, schon wieder Zer fallenem und wuchernder Flora entstanden. Anstelle eines überdimensionierten Monuments für Fraga ent stand eine tragische räumliche Manifesta tion seiner masslosen politischen Ambitionen.

153 war der Versuch, in der Vergangenheit eine Rechtferti gung der Gegenwart zu fnden. Besonders paradox und ironisch ist die Tatsa che, dass jüngst zahlreiche Ikonen der Modeme aus einem realen Ruinen-Zustand aufwendig gerettet wer den mussten, etwa die Villa Savoye (1928-1931) von Le Corbusier. Die Anwendung neuer, zum Teil uner probter Technologien kombiniert mit schlechten De taillösungen führte zum «Scheitern» vieler Häuser. Wohlbekannt ist die zeitweilige Konversion einzelner Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung (1927), deren Flachdächer durch geneigte ersetzt wurden. In einem wunderbaren Chiasmus haben sich somit - was die Ruinen angeht - moderne und postmoderne For men und auch Inhalte vertauscht: Die Ruine ist entwe der eine Konsequenz technischer Unzulänglichkeit oder ein Bild.POLITISCHE

«Vollendete Schönheit und tragische Romantik schimmern in [... den Ruinen] auf und wecken eine Sehnsucht nach verlorener Einheit.[ ... ] Im Augenblick der Fertigstellung würden meine Gebäude ihren schicksalshaften Weg zur Ruine antreten, so wie auch das Leben dem Tod entgegengeht. Tatsächlich schliesst der erste Gedanken an ein Gebäude immer schon seinen Verfall mit ein. Architektur muss als Ruine gedacht werden.» Arata Isozaki

154Ruinen, die aus Fehlplanungen, Grössenwahn oder schlicht Unfähigkeit entstehen, sind für jeden Auftrag geber unglücklich, bieten aber zugleich auch die Mög lichkeit, die politische Geschichte und die dahinterlie gende Vision am Objekt abzulesen. Es braucht scheinbar Unfälle und Fehlplanun-gen, um der Zeit lichkeit Raum und Form zu geben. Dass dies im Fall der Ciudad nicht ganz zufällig war, zeigt sich einerseits in der Tatsache, dass fast alle realisierten Projekte Ei senmans grosse bauliche Mängel aufweisen und an dererseits daran, dass er immer schon Architektur als Ruine - im Sinne ihrer Unvollkommenheit oder, wie er es kryptisch formuliert hat, als «presence of absence» - gedacht hat. Sei es als explizite Ruine - etwa der um strittene Backsteinturm am Wexner Center in Ohio (1983-1989) -, sei es über das Entwerfen von Pro zessen und Strukturen, die sich kaum auf eine bauli che Realität fxieren liessen. Eisenman ging es dabei jedoch nie um eine politische Aussage, vielmehr um ein Verständnis der Architektur als Problem und Krise, in Anlehnung an die Kunst und deren nicht-funktionale Daseinsform.ZWISCHEN

BEFREIUNG UND

DAS ZEITLICHE ZULASSEN Der Urban-Think Tank hat die Publikation zur Torre um einen Comicstrip ergänzt: Darin wird die Vergangen heit grau und die Intervention des U-TT farbig darge stellt. Das macht deutlich, dass es nicht um ein lear ning from slums, sondern um die Manipulation ebendieser Slums geht. Schimmert in die sem Blick auf das informelle Bauen oder besser gesagt Hausen das romantisierende Leiden an den Folgen der Ent zauberung der (westlichen) Welt durch? Es geht gar nicht darum, aus dem Unfertigen und seiner politi schen Lesart etwas zu lernen. Es soll lediglich die zeit liche Dimension relativiert und durch den architektoni schen Blick die politische Dimension neutralisiert werden. Doch damit wird die Ruine missbraucht. Paradigmatisch dafür ist auch der Pavilion of the Western Sahara - ein aus Beton gegossenes Zelt, das Manuel Herz 2016 an der Architekturbiennale Venedig gezeigt hat. Obschon die paradoxe Erstarrung einer ei gentlich mobilen Architektur die langsame Verfestigung von Flüchtlingscamps in stadtarti-ge Gebilde symboli sieren soll, lässt sie das tragische Schicksal der gefohenen Sahauris vergessen und wird zu einer räum-liehen, zeitlosen Architektur, die jegliche politische Relevanz verliert. Alle Probleme, die über das Zelt vermittelt wer den sollen, unterliegen der Magie der Architektur und die Möglich-keit, die gesellschaftliche Unsicherheit dieser Siedlungen dar- zustellen, geht verloren. Spannend wäre gewesen, wenn auch die Ruinen dieses Zelts zum Thema gemacht worden wären und man damit auch auf jene politischen Prozesse innerhalb der Architektur ver wiesen hätte, die den Modecharakter gewisser Erschei nungen ablesbar machen. Es stellt sich die Frage, inwie fern die Biennale in Venedig der richtige Ort ist, um auf die Rolle der Architektur und der Architekten im Umgang mit den dringlichen Problemen der Dritten Welt aufmerk sam zu machen. Auch hier wird über Ruinen Geschichte kuratiert - aber nicht die eigene, was es natürlich gerade so unwiderstehlich, aber zugleich auch ungefährlich macht. Dass man diese Ruinen als Modell für den Wes ten sieht, wirkt dann eher karikaturhaft als ernst ge meint.

VERNICHTUNG Dass kaum ein Architekt bewusst Ruinen baut, ist ver ständlich. Es sei denn, er kann selber als Bauherr wir ken - was immer noch viel Mut voraussetzt. Dies war bei Arno Brandlhuber und seiner Antivilla (2012) bei Potsdam der Fall. Hier baute der in Berlin ansässige Architekt eine Fabrik um, versah sie mit einem neuen Dach und perforierte in einer Art «Hap pening» die Fassade mit dem Hammer, um neue, ruinenhafte Öff nungen zu erzielen. Wenn auch das Hauptthema der Villa eine Auseinandersetzung mit dem zeitgenössi schen «Dämmwahn» war, erregte vor allem der Rui nen-Ausdruck der Fassade grosse Aufmerksamkeit, weil damit eine Art Tabubruch zelebriert wurde, der ein Streben nach Perfektion des architektonischen Aus drucks verspottete (siehe hierzu auch das Interview von Christoph Ramisch mit Arno Brandlhuber, S.1829). Eine bemerkenswerte Parallele zu diesem Zer störungsakt fn-det sich im Film Themroc ( 1973) von Claude Faraldo, in dem der Protagonist - gespielt von Michel Piccoli - in einem Akt der diese ihr inhärente Spannung macht sie zu einem Vehikel des Politischen für die Architektur.SLUMROMANTIK

Aus dieser Perspektive zeigt sich die seit einigen Jahren lebhafte Auseinandersetzung mit städtischen Phänomenen des globalen Südens ähnlich problema tisch. Informelle Siedlungen, makeshift cities und bau liche Improvisationen sind 11 icht nur zum Untersu chungsobjekt, sondern für manche gar zum universellen städtebaulichen Modell in Zeiten der glo bal n Urbanisierung geworden. Das Ungeplante, Cha otische und Prekäre wird untersucht und zum Modell erhoben. Die Befürworter dieses Transfers artikulie ren damit vor allem einen Wunsch nach mehr Sponta neität und grösseren Spielräumen beim Bauen. Das ist insbesondere für die überregulierte Schweiz nach vollziehbar. Doch statt von informellem Urbanis mus zu sprechen, wäre für die meisten der untersuchten notdürftigen Behausungen der Begriff «Ruine» tref fender. So etwa beim Paradeprojekt dieser Bewe gung, dem nie fertiggestellten Bürogebäude Torre Da vid in Caracas. Er wurde vor der Räumung im Jahr 2014 zum bekanntesten (vertikalen) Slum. Als paradigmatische Ruine stellte ihn der Ur ban-Think Thank als wertvolles Beispiel für ein «alter natives» Bauen dar. Trägt aber nicht das Bild der Rui ne, als das der Torre David gezeigt wird, zur Verklärung und Ästhetisierung des Lebens der Menschen darin bei? Die Torre David wurde gar von Hollywood ent deckt und diente in einer Staffel der erfolgreichen Fernsehserie Homeland als Kulisse. Die von den Be wohnenden halbwegs bewohnbar gehaltene Ruine wurde von diversen Urbanisten romantisiert und die Bedingungen - Wohnungskrise, Ungleichheit, Speku lation-, welche das Bürohaus-Projekt zum Stillstand gebracht und die prekäre Situation seiner Bewohner erzeugt hatten, wurden ausgeblendet. Die dergestalt architektonisch geadelte Ruine erliegt damit der glei chen Entpolitisierung wie die Elbphilharmonie.

155 FÜR MEHR ZEITLICHKEIT IN DER ARCHITEKTUR Ruinen stehen für Vergänglichkeit und demonstrieren die Macht der Zeit über den Raum und alle von Men schen errichteten Strukturen. Sie vergegenwärtigen uns die Dominanz des statischen Blicks in der Architektur. In einem provokati-ven Essay haben Bruno Latour und Al bena Yaneva gefordert, dass Architektur in Bewegung gebracht werden muss, um sie richtig verstehen und poli tisch relevant machen zu können. Oder anders ausge drückt, muss der Architektur etwas Zeit-lichkeit, die über nostalgische Patina hinausgeht, induziert werden, damit sie relevant wird. Architektur ist immer in Bewegung, ihre auf Solidität und Perfektion beruhende Natur versteinert sie jedoch und verhindert Einblicke auf ihre zeitliche Dimension. Wie Perseus bei seiner Begegnung mit der Me dusa müssen wir Architektur über einen Spiegel betrachten, um nicht ebenfalls zu erstarren. Die zeitliche Dimension sollte vermehrt bereits im Entwurf Anwen-

BILD OBEN: Torre David, Caracas, Bau 1994 eingestellt; www.biorama.eu/torre-de-david-caracas/ (04.2021) BILD UNTEN: Titelbild archithese www.archithese.ch/Shop/ruinen.html4.2017,(04.2021)

88 Gerber , Andri; Koch, Philippe Koch. archithese 4.2017; AndriRuinen.Gerber ist Städtebauhistoriker und Stadtmetaphorologe. Er hat an der ETH Zürich Architektur studiert. promoviert und habilitiert. Zurzeit ist er Gast- und Privatdozent am Institut gta der ETH Zürich und Professor für Städtebaugeschichte am Institut Urban Landscape der ZHAW. Philippe Koch ist Politikwissenschaftler mit Fokus auf den städtischen Raum. Er hat an der Universität Zürich zu Fragen der Governance in Agglomerationen promoviert. Seit 2016 forscht und unterrichtet er als Dozent mit Schwerpunkt Stadtforschung am Institut Urban Landscape der ZHAW. dung fnden, so unmöglich das auch erscheinen mag. In sofern erscheint das in Beton gegossene Zelt in seiner Gegenüberstellung von Wandel und Dauerhaftigkeit be reits anachronistisch. Denn das geschmeidige Diktum «Nichts ist so beständig wie der Wandel» trifft nirgends so zu wie in der Architektur. Gebäuden, die sich nicht ad aptieren und verändern lassen, bleibt als Zu-kunftspers pektive nur die Ruine. Die Herausforderung besteht dar in, Zeitlichkeit und Veränderbarkeit in die Architektur refexiv und kommunikativ zu integrieren und so dem Politisehen verfügbar zu machen. Der Möglichkeitsraum, der durch Scheitern entsteht, wäre dann nicht Problem, sondern Stärke der Architektur. 88

PUBLICATION

This book offers the frst comprehensive overview of alternative approaches to architectural practice. At a time when many commentators are noting that alter native and richer approaches to architectural practice are required if the profession is to fourish, this book provides multiple examples from across the globe of how this has been achieved and how it might be achie ved in the future. Particularly pertinent in the current economic climate, this book offers the reader new approaches to architectural practice in a changing world. It makes essential reading for any architect, as piring or practising.90 89 www.spatialagency.net/ (11.05.2022) 90 www.routledge.com/Spatial-Agency-Other-Ways-of-Doing-Architecture/Awan-Schneider-Till/p/book/9780415571937(11.05.2022)

In all the examples on this website, there is a transfor mative intent to make the status quo better, but the means are very varied, from activism to pedagogy, pu blications to networking, making stuff to making policy - all done in the name of empowering others. In Bruno Latour›s terms, critical attention is shifted from archi tecture as a matter of fact to architecture as a matter of concern. As matters of fact, buildings can be subjected to rules and methods, and they can be treated as ob jects on their own terms. As matters of concern, they enter into socially embedded networks, in which the consequences of architecture are of much more signi fcance than the objects of architecture. Although Spatial Agency started out as a critique of the conservative tendencies of mainstream practice, it en ded up as a celebration of the bravery, canniness and optimism of an inspiring group of historical and contemporary fgures. We do not expect everyone to agree with our selection (the whole point of lists is not to agree with them but wrangle with them and in that form your own interpretation of the subject) but if you feel that anyone in particular has been left out, then please do contact us via the form provided or by writing directly to us. We also welcome any feedback, comments, or suggestions on the website itself and the projects fea tured.89

Spatial Agency is a project that presents a new way of looking at how buildings and space can be produced. Moving away from architecture›s traditional focus on the look and making of buildings, Spatial Agency pro poses a much more expansive feld of opportunities in which architects and non-architects can operate. It suggests other ways of doing architecture. In the spirit of Cedric Price the project started with the belief that a building is not necessarily the best soluti on to a spatial problem. The project attempts to unco ver a second history of architecture, one that moves sharply away from the fgure of the architect as indivi dual hero, and replaces it with a much more collabora tive approach in which agents act with, and on behalf of, others.

156Spatial Agency: Other Ways of Doing Architecture

WEBSITE, ARCHIVE

Cover des Buchs «Spatial Agency: Other Ways of Doing Architec ture», tecture/Awan-Schneider-Till/p/book/9780415571937www.routledge.com/Spatial-Agency-Other-Ways-of-Doing-Archi(11.05.2022)

BILD:

Schule des Denkens

BILD Wöchentliches Zoom-Meeting der Projektgruppe StadtKlima zur Schule des Denkens. Hier wurde jede Woche der gelesene oder gehörte Beitrag rund um die Thematik StadtKlima gemeinsam besprochen und diskutiert.

Screenshot AW

Krise oder Verheissung?

160Axel Klimaapokalypse:Schubert

BILD LINKE SEITE: Plakat zum Vortrag «Klimaapokalypse: Krise oder Verheissung? Eine radikale Gestaltaufgabe» von Axel Schubert. Gestaltung Eva Hauck und Lea Kuhn. BILD LINKS: Axel Schubert während des Vortrags an der FHNW HGK. Foto Andreas Wenger. BILD UNTEN: Auszug aus Axel Schuberts Präsentation «Klimaapo kalypse: Krise oder Verheissung? Eine radikale Gestaltaufgabe». Grafk zu Folgen der Erderhitzung, abrupte Veränderungen.

Die Konzentrationsunterschiede zwischen den letzten Eis und Warmzeiten betru gen dabei „nur“ um die 100ppm:

ERHITZUNG DER ERDE

Klimabewegung Basel | Spenden willkommen, Details siehe webpage | AG Argumentation, ahs | Mai Sept. 19(b) | kontakt@klima ag basel.ch b.w.

Der CO2 Ausstoss bedroht damit ganze Ökosysteme & maritime Nahrungsketten So blieben an der US Westküste bereits 2014 die Austernnetze leer ↗ Schon 50% der Korallenriffe sind abgestorben , keines überlebt einen globalen 2°C Anstieg. ↗

162

Der CO2 Gehalt ist heute höher, als in den letzten 2,5 evtl. sogar 15Mio (!) Jahren. ↗

Dass wir eine das weltweite, friedliche Zusammenleben bedrohende Klimakrise haben, steht mittlerweile ausser Zweifel. Weltweit haben bis April 2019 schon über 5 00 Gemeinden den Klimanotstand ausgerufen! ↗ Als erste deutschsprachige: Basel ↗ Doch wie steht’s ums Klima? Wie dringlich ist das Handeln? Einen kompakten Überblick in 15 min gibt dieses Infoblatt Es steht mit Quellenangaben hier ↗ und ist verlinkt auf www.klimabewegung basel.ch & www.klimaverantwortungjetzt.ch >Argumente

Ohne natürlichen Treibhauseffekt wäre die Erde 33°C kälter und ganz eingefroren. Treibhausgase (Wasserdampf, CO 2, Ozon, Lachgas, Methan) halten einen Teil jener Wärme zurück, die von der Erde ins All zurückgestrahlt wird. Dies erwärmt sie. Dabei hat CO2 insgesamt den grössten Effekt, auch wenn es als Spurengas nur 0.04% der Atmosphäre ausmacht. ↗ CO2 ist langlebig. Es bleibt bis zu Jahrtau senden in der Atmosphäre Emissionen summieren sich so. Dies ist für den fra gilen Kohlenstoffkreislauf zwischen Luft, Wasser und Land sehr relevant. ↗ „Gestörter“ CO2-Haushalt Seit Beginn der Industrialisierung stieg die Konzentration von CO2 in der Atmo sphäre von 280ppm auf 410ppm. ↗ ↗

CO2 Gehalt in Warm und Eiszeiten & heute Heute liegen wir schon 100ppm über den CO2 Konzentrationen der Warmzeiten

Es besteht in der Klimawissenschaft ein überwältigender Konsens (97%), dass die Erderhitzung menschengemacht und durch Treibhausgasemissionen verursacht ist ↗ Andere Effekte ob Ozon, Vulkane oder Sonnenaktivitäten spielen nur eine untergeordnete Rolle und haben sogar leicht kühlende Wirkung. ↗ ↗

Auf eine kühlende Eiszeit können wir da bei nicht hoffen, sie stünde erst in 50‘000 Jahren an... Vor uns liegt eine heisse Zeit.

Globale Erderhitzung Die Folgen der Erhitzung sind vielfältig, tiefgreifend und einschneidend! Auch in Industrieländern, wie hier in der Schweiz ↗ Doch am stärksten betroffen sind Länder mit niederen Einkommen ↗ Veränderungen der Klimasysteme haben grossmassstäbliche Folgen: polare Wirbel brechen auseinander, Meeresströmun gen verändern sich, der globale Wärme ausgleich wird modifiziert.

KLIMANOTSTAND Klimawissen für alle.

CO2 ANSTIEG: FOLGEN Versauerung der Ozeane ↗ Ozeane absorbieren gut ¼ des CO2’s aus der Atmosphäre ↗ Sie versauern, da CO2 mit Wasser zu Kohlensäure reagiert Wie sich Kalk in Essig auflöst, stresst ein saures Milieu im Meer kalkhalt ige Lebe wesen, wie Korallen, Austern, Plankton.

Anstieg Temperaturen Schweiz: 1864 2018 ↗ ... und ist mensch-/systemgemacht

Der Klimawandel findet statt... Globale Hitzerekorde: Die letzten 5 Jahre waren die heissesten seit Messbeginn. ↗ ↗ Seit Messbeginn (1880) stieg die Tempe ratur im globalen Mittel um 1,1°C an. ↗ Über Landmassen steigt sie dabei etwa doppelt so stark, als über den Meeren. So beträgt der Anstieg in der Schweiz be reits 2°C allein 1,8° seit 50 Jahren

Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürren, Wirbelstürme, Starkregen, Überflutungen ↗ und Kälteeinbrüche führen zu ausblei benden Ernten, zu Hunger, Waldbränden, Bodenerosion, Hitzestress, Hitzetoten... Eine globale Erhöhung um 4° führt regel mässig zu Hitzesommern wie 2018, nur ca.8° heisser ( ~50°C in Mitteleuropa). ↗ Dauerhafte Erwärmung führt zu auftau endem Permafrost, Murgängen, Ausbrei tung von Schadorganismen, Krankheiten durch invasive Arten, steigendem Meeres spiegel, höheren Sturmfluten, Versalzung küstennaher Grundwässer, Gletscherrück gang & ausbleibenden Trinkwasservorkom men, bedrohter Ernährungssicherheit etc. Das 6. Massenartensterben : Ökosysteme und Klimazonen verändern sich schneller, als sich Fauna & Flora anpassen können, mit fatalen Folgen für die Artenvielfalt. ↗ ↗ (Volks ) Wirtschaftliche Folgen : ob direkt, z.B. auf den (Winter ) Tourismus, durch eingestellte Rheinschifffahrt od indirekt, als enorme, klimabedingte Folgekosten. ↗ Gesellschaftliche Folgen: schon heute ver lassen vom Klimawandel betroffene Men schen wegen Trockenjahren & Missernten ihre Heimat. Regionale Konflikte werden geschürt, Gesellschaften extremisiert. Zu erst in Fluchtregionen (Darfur ↗ Syrien ↗), dann in Zielregionen (Rechtspopulismus). Konfliktherde durch Wasserknappheit ↗ Kipp Punkte Klima und Ökosysteme verändern sich nicht immer linear, sondern auch abrupt. Kippelemente führen (Öko ) Systeme in neue Zustände; dabei können selbstver stärkende Prozesse ausgelöst werden. ↗ Über ein Dutzend solcher Tipping Points könnten eintreten, wie z.B. : Auftauender Permafrost : Die seit der letz ten Eiszeit gefrorenen Permafrostböden in Kanada, Russland & Europa speichern ein Mehrfaches an Kohlenstoff, als in der Atmosphäre ist und vom Menschen je frei gesetzt wurde. Sie tauen heute schneller auf, als bis vor kurzem geschätzt , teils abrupt. Dabei können sehr grosse Mengen CO2 und Methan freigesetzt werden ↗ ↗

Dafür verantwortlich: das Freisetzen von CO2 durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen, wie Kohle, Erdgas, Öl (Benzin, Diesel, Kerosin ), durch Abholzungen und durch die Herstellung von Zement.

DOKUMENT: Kimawissen über den Klimanotstand von Axel Schubert; online erschienen auf: www.klimaverantwortungjetzt.ch/ (15.04.2020)

Vergleich verschiedener Einflüsse seit 1850 ↗ Erst das auf Wachstum & fossilen Rohstoffen basierende System führte zur Erderhitzung. Der Treibhauseffekt

www.klimabewegung

ZIELE & CO2 BUDGETS 1992 beschlossen die Regierungen am Rio Nachhaltigkeitsgipfel das Klimarahmenab kommen. Seither stieg der jährl. globale CO2 Ausstoss um 65% ↗, allein 2018 fast 2% ↗ Bisherige Politik hat offensichtlich versagt. Die reichsten 10% der Welt emittieren 49% allen CO2s, die ärmsten 50% nur 10% ↗ D.h. nicht der Bevölkerungsanstieg ist aus schlaggebend, sondern v.a. die Lebensweise Extreme Carbon Inequality, Oxfam ↗ Zudem verstärkt die Erderhitzung die globale ökonomische Ungleichheit. ↗ Klimaabkommen von Paris 2015 wurde völkerrechtsverbindlich in Paris vereinbart: Der Temperaturanstieg ist auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, möglichst auf 1.5°C ↗ (dt. Wortlaut ↗).

Es wird angenommen, die 1.5°C zeitweilig zu überschiessen („overshoot“, bis 1,8°!) und CO2 aus der Atmosphäre zu binden, um es dauerhaft einzulagern (Negativemissionen).

Hochriskante Absenkpfade

So ist viel problem adäquater als Null bis 2050: CO2 Emissionen auf Null bis 2030! SCHWEIZ Die Schweizer CO2 Emissionen liegen noch immer so hoch, wie in den 90ern! Pro Per son sind es heute jährlich 14t; 2/3 davon fallen im Ausland an. ↗ Dazu kommen 6,4t für alle Pensionskassenversicherten in ausländischen Aktienanlagen; Insgesamt binden Schweizer Aktienfonds im Ausland CO2 Reserven in Höhe des Schweizer CO2 Ausstosses der ganzen letzten 20 Jahre ↗ Die Schweiz ist ein Global CO2 Player! Auch national verfehlen wir das 2° Ziel eklatant. Nationalstrassen werden ausge baut ↗, der Flugverkehr steigt dramatisch ↗, die Autoflotte ist die durstigste Europas, die Endenergie grösstenteils fossil ↗ , D.h.: „Unser“ Entwicklungspfad ist falsch .

Dies ist aber hochriskant, in grossem Massstab unerprobt und konfliktreich, wie etliche Studien darlegen. ↗ ↗ ↗ ↗ Zudem wird idealistisch angenommen, dass Emissionsabnahmen schnell einsetzen. Auch rechnen die verwendeten klima ökonomischen Modelle schön. ↗ ↗ ↗

163 KLIMAGERECHTIGKEITNetto-Nullbis2o3o

Die IPCC Berichte tendieren zu vorsichti gen Aussagen. Der Klimawandel erfolgt tatsächlich schneller und stärker. ↗ Verbleibendes CO2 Budget

HISTORISCHE DIMENSION

„ ... we argue that social and technological trends and decisions occurring over the next decade or two could significantly influence the trajectory of the Earth System for tens to hundreds of thousands of years and potentially lead to conditions that resemble planetary states that were last seen several millions of years ago , conditions that would be inhospitable t o current human societies and to many other contemporary species. ” Steffen et al. 2018, PNAS No.33, 8253 ↗

Mit der Klimakrise geht es nicht nur um den Erhalt lebenswichtiger Ökosysteme, sondern um den Frieden in dieser Welt Sie zu lösen ist extrem dringlich und fordert uns heraus. Wir müssen sie dazu in ihrer historischen Dimension annehmen und alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren Zu warten hilft nicht. Für Enkeltauglichkeit SEI AUCH TEIL DER VIELEN!

Willst Du dabei sein? Mach mit bei Streiks, Demos, in Regionalgruppen der CH ↗ & Arbeitsgruppen! | basel.ch

Das Abkommen stützt sich auf wissen schaftliche Berichte des Weltklimarats (IPCC), die zugleich von den Regierungen der Länder beschlossen werden müssen

Abschmelzendes Polareis : Weisses Eis spiegelt bis 90% des Sonnenlichts zurück ins Weltall. Dies hat kühlende Wirkung. Dunkle Ozeane absorbieren die Sonnen strahlen fast komplett. Dies heizt sie auf und beschleunigt die Eisschmelze. ↗ ↗ ↗

Global Tipping Point: Heisszeit Solche, durch die Erderwärmung ausge lös ten Prozesse einer weiteren Erwärmung können auch andere Kipp Punkte auslösen Solch ein Kaskaden oder Domino Effekt wird bei einer Temperaturerhöhung um 2°C vermutet. Wird diese Schwelle erreicht, hilft auch ein Stopp aller menschlichen CO2 Emissionen nicht weiter: Unumkehr bar bewegt sich die Erde in eine Heisszeit : Stabilisierung oder Heisszeit Erde? Steffen et al., 2018, PNAS No. 33 ↗ Die Heisszeit Lebensbedingungen sind gänzlich anders als jene, in denen sich die menschliche Zivilisation im Holozän seit der letzten Eiszeit entwickelt hat. Schmelzen alle Gletscher der Erde, steigt allein der Meeresspiegel um 80m. ↗ Selbst ohne Kipppunkte steigt er bis 2100 um bis 2,5m, wenn die Emissionen hoch bleiben (+4°C) ↗ Das zwingt bis 760 Mio. Menschen vor dem Wasser zu fliehen . ↗ Wegen der dramatischen Klimaf olgen & dem globalen Kipppunkt ist unbedingt eine Begrenzung auf 1.5°C zu erreichen

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Wieviel CO2 darf noch ausgestossen wer den, um die 1.5° zu halten? Dies zeigt ein Sonderbericht des IPCC von 2018 auf. ↗ Mitte 2019 sind es global noch 360 GtCO2 Heute werden 42Gt/Jahr freigesetzt ↗ blau: verpasste Chancen durch Abwarten schwarz: 18% Abnahme/Jahr ab 2019! rot: Absenkpfade bei weiterem Hinwarten CO2 Minderungspfade f ür 1,5°C ↗ Bis 2100 mindert auftauender Permafrost das Budget um 100Gt. Zudem setzt jede Zementproduktion chemisch CO2 frei. Wird Zement (reduziert) weiterhin genutzt (nachholende Entwicklung), setzt auch dies bis 2100 ca. 100Gt CO2 frei ↗ ↗ Das 2mal um 100Gt geschmälerte Budget reicht bei einem Weiter So noch 4 Jahre Gemäss IPCC Bericht sollen die CO2 Emis sionen aber erst gegen 2050 auf Null sein. Wie kommt das? ↗

KEINE ALARMISTISCHE STUDIE“ Der Sozialpsychologe und Zukunftsforscher Harald Wel zer weist darauf hin, dass die Studie 1972, als sie erschien, nicht ganz so war, wie sie heute – gewissermaßen in der Folklore – interpretiert wird.

1972 stellen Dennis und Donella Meadows ihre Studie

164Die Grenzen des

FRAGEN DES GLEICHGEWICHTS VON ÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE Dennis Meadows hatte zusammen mit seiner Frau Donel la anhand von Systemanalyse und Computersimulationen Szenarien durchgerechnet, wie es um die Erde als Wachs tumsraum bis zum Jahre 2100 bestellt sein würde. Auch wenn das Ehepaar hierzu nur eine erste Orientierung lie fern wollte, schien dieser Zugang doch einem Paradig menwechsel im Verhältnis zu Natur und Umwelt gleichzu kommen. Demnach war es der Mensch, der die Natur bedrohte – nicht umgekehrt. Claudia Kemfert, Mitglied der deutschen Sektion des “Club of Rome“, aus heutiger Sicht: “Das war damals so die erste Studie, die das auch sehr, sehr deutlich gemacht hat, dass wenn wir so weitermachen wie bisher, wir ein fach über unsere Verhältnisse leben, den Planeten aus beuten und den zukünftigen Generationen jede Menge Probleme hinterlassen.“

Probleme, die mit Fragen des Gleichgewichts von Ökolo gie und Ökonomie zu tun haben, und deren Lösung völlig neue Wege und Methoden erforderlich zu machen schie nen. “Unsere gegenwärtige Situation ist so verwickelt und so sehr Ergebnis vielfältiger menschlicher Bestrebun gen, dass keine Kombination rein technischer, wirtschaftli cher oder gesetzlicher Maßnahmen eine wesentliche Besserung bewirken kann. Ganz neue Vorgehensweisen sind erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurich ten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichts zustände hin führen“. Bei dem Bericht handelt es sich auf der empiri schen Ebene um eine wissenschaftliche Studie, vom “Club of Rome“ in Auftrag gegeben, von der Volkswagen stiftung gefördert.

“Denn die Autoren haben ja damals gesagt: Ok, wir kriegen ein Problem zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wenn unsere Wachstumsraten so weiter laufen, wie sie damals sich abzeichneten. Das heißt, das Anwachsen ist das Problem. Und man hätte von 1972 aus betrachtet noch dreißig Jahre Zeit für einen Pfadwechsel. Insofern war das nicht eine alarmistische Studie, sondern eine, die auf der Ebene der damals vorhandenen Computer-Tech nologie und statistischer Verfahren der Hochrechnung versucht hat, in bestimmten Bereichen zu identifzieren, wo es Probleme mit dem Wachstum geben wird.“ Und das betraf die fünf Bereiche, die eine enorme globale Wirkung befürchten ließen: die Industrialisierung, das Bevölkerungswachstum und die Unterernährung, die Ausbeutung von Rohstoffreserven und die Zerstörung von Lebensraum.PROBLEME

„Die Grenzen des Wachstums“ vor. Nicht die Natur sei eine Gefahr für den Menschen – sondern umgekehrt. Das passte weder kommunistischen noch kapitalisti schen Politikern ins Konzept. Der Bericht für den „Club of Rome“ geriet zum Gründungsdokument für die Umwelt bewegung. “Es ist, als ob dein Freund Krebs hat, und auch Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzen sind ein Symptom, nicht das wirkliche Problem. Du kannst Schmerztablet ten nehmen. Aber wenn die Kopfschmerzen weg gehen, erwartest du nicht, dass das Grundproblem gelöst ist. Kli mawandel und Energiemangel sind auch Symptome. Selbst wenn wir sie in den Griff bekommen, lösen wir nicht das Grundproblem, nämlich materielles Wachstum, Bevölkerungswachstum, anhaltendes Wachstum der materiellen Lebensstandards in einer Welt, die endliche Grenzen hat.“ Die Menschheit ist auf ihre Grenzen gestoßen. Dies anzuerkennen, sei die Zukunftsfrage. Unter diese Losung stellte der amerikanische Ökonom Dennis Meadows den ersten Bericht für den „Club of Rome“, der weltweit Aufsehen erregen sollte. Es war ein Appell an die ganze Welt, insbesondere aber an die Industriege sellschaften, ihre Wirtschaftsweise umzustellen: Die bloße Nutzung der Natur zur Befriedigung immer weiter wachsender Bedürfnisse könne nicht weitergehen.„“The Limits to Growth“ – übersetzt mit “Die Grenzen des Wachstums“ – lautete der Titel. Die alarmierende Bot schaft am Ende: “Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltver schmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Aus beutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert an hält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

ArtikelWachstumsdesDeutschlandfunk, Autor Norbert Seitz

DURCH KAPITALISMUS UND

SOZIALISMUS

Die Verfasser der “Grenzen des Wachstums“ empfanden ihren Bericht längst nicht als “der Weisheit letzter Schluss“. Der “Club of Rome“, eine Gruppe, 1968 von Industriellen, Diplomaten und Wissenschaftlern gegründet, gab gleich weitere Berichte in Auftrag. Schon die zweite Studie des “Club of Rome“, von Mihailo Mesarovic und Eduard Pestel – unter dem Titel “Menschheit am Wendepunkt“ erschienen – lieferte genauere Berechnungen für die in zehn Re gionen eingeteilte Erde.

Ziel war es herauszufnden, wie man vom wirt schaftlichen Wachstum zu einem “dynamischen Gleich gewicht“ gelänge. Alternativszenarios wurden entwickelt, ohne dass damit mehr Optimismus verbreitet worden wäre. Dies galt vor allem für die düster beurteilten Berei che Rohstoffe, Energieträger, Wasserversorgung oder Umweltschutz, am besorgniserregendsten jedoch für das Verhältnis Bevölkerungswachstum und Lebenschancen.

Als dem “Club of Rome“ 1973 als erster Organisati on der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verlie hen wurde, legte der deutsche Studienautor Eduard Pes tel in seiner Dankesrede dar. “Die immense, immer rascher sich vollziehende Ausweitung der verschiedenen Problemfelder – insbe

STARTPUNKT DER ÖKOLOGIEBEWEGUNGMODERNEN

KRITIK KAM AUCH VON LINKS

“Man sollte es Politikern nicht verübeln, wenn sie mit dem ersten Bericht des “Club of Rome“ – der Meadows-Studie – wenig anfangen konnten, sogar dann, wenn sie ihn nicht als Hirngespinst wildgewordener Futu rologen abtaten. Von der, überdies umstrittenen, Global rechnung, wonach die Fortschreibung von Wachstumsra ten gegen die Mitte des kommenden Jahrhunderts zur Katastrophe führen müsse, bis zu einer verantwortbaren politischen Entscheidung hier und heute ist ein weiter Weg.“ Andere erkennen in den “Grenzen des Wachs tums“ wie in der ganzen Ökologiedebatte bis heute die Tendenz, soziale Folgen der Umweltzerstörung auszub lenden oder unterzubelichten.

Und dennoch war der Appell des „Club of Rome“ “nicht mehr aus der Welt zu schaffen“, wie Eduard Pestel nach ersten Enttäuschungen trotzig bekannte. Als Folge der “Grenzen des Wachstums“ entstand eine Fülle von Lehr stühlen für Umweltwissenschaften, Umweltsoziologie, Umwelttechnologie. Außerdem ein Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium, NGOs ohne Ende, eine grüne Partei, und internationale Klimakonferenzen wur den aufwändig einberufen.

“Das dynamische Gleichgewicht, da geht es in ers ter Linie darum, dass man die Nachhaltigkeit mit einbe zieht. Weil die Wirtschaftssysteme im Grunde ja nicht wirk lich im Gleichgewicht sind, obwohl sie das ja von der Ökonomie her behaupten, dass man sagt: Angebot und Nachfrage ist im Gleichgewicht. Hier geht es aber darum, dass man die Nachhaltigkeit, den Umweltschutz mit ein bezieht, dass man dieses dynamische Gleichgewicht ent wickelt. Dieser nachhaltige Pfad heißt eben, dass man die Umweltschäden und alle Klimaschäden mit einpreist in das Wirtschaftssystem. Dass man sich genau anschaut, welche stabilen Gleichgewichte tatsächlich auftreten kön nen, wenn man es schafft, die Nachhaltigkeit in das System mit einzubeziehen.“

So fasst Dieter Rucht, langjähriger Bewegungsfor scher am Wissenschaftszentrum Berlin, die damalige Po lemik gegen die Studien zusammen. Aber die Kritik kam auch von links. Der Machtfaktor sei unterschätzt worden, zum Beispiel die erschreckende Willkür bei der Verteilung von Ressourcen oder feudale Gesellschaftsstrukturen vor Ort, die den Weg aus Hunger und Analphabetismus ver sperrten. Ein enttäuschter Anhänger des “Club of Rome“ wie der SPD-Politiker Erhard Eppler, der in seiner traditionell industrialistisch geprägten Partei das ökologische Denken eingeführt hatte, erklärte später, der Meadows-Bericht sei mehr im Feuilleton als im politischen Teil der Presse disku tiert worden.

Immerhin: Die Gedanken des Club of Rome wurden in den folgenden Jahren weitergeführt. So

“Also der – Neudeutsch – „“impact“ der Studie besteht in der Tat darin, dass es im Grunde einer der Startpunkte der modernen Ökologiebewegung gewesen ist. Das Buch ist neuneinhalb Millionen Mal verkauft worden. Es war da mals ein großer Aufreger. Und eigentlich hat sich die Ver dichtung einer Begriffichkeit “Die Grenzen des Wachs tums“ zu so einer Art Standardformulierung im Bereich der Ökologie-Bewegung entwickelt. Man muss hier aber un terscheiden – das wäre das Meadows-Problem – zwi schen der symbolischen Wirkung und der faktischen Wir kung. Also die Existenz einer Ökologiebewegung sagt ja noch nichts darüber aus, dass ökologische Fortschritte er zielt worden sind.“

165 sondere in den zwei Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges – hatte dazu geführt, dass diese sich immer mehr überschnitten und in ihren Verkettungen dabei fast unüberschaubar geworden waren. Die Weltkrisen der Vergangenheit ergaben sich fast ausnahmslos als Folge von Naturkatastrophen, wie zum Beispiel der großen Seu chen des Mittelalters, oder als Folge verbrecherischen menschlichen Handelns bei der Auslösung von Erobe rungskriegen, die sich schließlich auf ganze Kontinente erstreckten und in diesem Jahrhundert gar die ganze Welt erfassten.“Das spezifsch Neue an dem zweiten Bericht war auch, dass die Entstehung der Probleme keinem der da mals noch weltweit konkurrierenden Gesellschaftssyste me ideologiegerecht zugeordnet werden konnte. Die Grenzen des Wachstums betrafen den Privatkapitalismus im Westen ebenso wie den Staatssozialismus in der kom munistischen Welt. Mehr noch, verdrehte Welten kündigten sich an: Der Fortschrittsoptimismus, einst eine Domäne der politi schen Linken, schien nunmehr in einen wachstumsdog matischen Strukturkonservatismus umgeschlagen zu sein. Demgegenüber entwickelten linke Köpfe eine wert konservative Sensibilität. Dies deutete auch Eduard Pes tel in der Frankfurter Paulskirche an. Die allumfassende Krise unterscheide sich “in ih rem Charakter“ wesentlich von früheren darin, “dass sie nicht von offensichtlich bösen Menschen und Mächten verursacht, sondern durch Entwicklungen herbeigeführt wird, die wir vielfach heute noch als Ausdruck menschli chen Fortschritts, ja als Sieg über die den Menschen ge setzten natürlichen Beschränkungen und Grenzen emp fnden. Hierdurch gewinnt die Krise den Aspekt des Unentrinnbaren, wenn die Menschheit ihre Wertvorstel lungen und Ziele nicht ändert.“

Zum Beispiel der Soziologe Harald Welzer: “Das zieht sich hinein bis in die moderne klimawissenschaftli che Diskussion. Aber was die Folgeseite ist – für soziale Prozesse, für soziale Verwerfungen, für Migration, für Bin nenmigration, für grenzüberschreitende Migration, für dar aus resultierende Konfikte, für daraus resultierende Re aktionsbildungen in den Gesellschaften, in die eingewandert wird – darüber hat man sich viel zu wenig Gedanken gemacht.“ (...)

Die Kritiker des “Club of Rome“ aus der Wirtschaft spotte ten über die „“Anti-Wachstums-Apostel“ mit ihren „schlich ten Modellen“. Trotz der Fülle an erfassten Daten lasse sich das System Menschheit nicht in einem groben Raster darstellen, argumentierten sie. “Das ist zu schlicht gemacht, da werden einfach Dinge extrapoliert. Da wird der technische Fortschritt, der diese Dinge verändern, abbremsen kann oder auch Prob leme mit lösen kann, überhaupt nicht angemessen in Rechnung gestellt, und und und. Und dieser Eindruck, na ja die Wissenschaftler sind sich da ja nicht so ganz einig! –eigentlich ganz ähnlich der Klimadiskussion heute.“

DIE MEISTEN ÖKOLOGISCHEN RICHT WERTE NICHT ERREICHT Auch die Bestandsaufnahme des Club of Rome zu sei nem 50. Jahrestag enthält in den Augen des Publizisten Albrecht von Lucke eine fragwürdige Tendenz: “Es wird ein großes Problem zentral in den Mittelpunkt ge stellt und von vielen Wissenschaftlern sehr viel stärker gemacht als die letzten fünfzig Jahre: Das ist die Fra ge der Bevölkerungsentwicklung.

Strukturen in dem ‚Club of Rome‘, einerseits dieser internationale Be reich, die sich mit globalen Fragestellungen auseinan dersetzen, und dann verschiedene Ebenen wie jetzt die deutsche Gesellschaft des Club of Rome, der ich angehöre. Im Grunde genommen ist der Club of Rome ein Dachverband von Diagnostikern, Vordenkern, Wissenschaftlern, die eingeladen sind, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen.“ Als der „Club of Rome“ jüngst zum 50. Jahres tag seiner Gründung 1968 einlud, traf die deutsche Mitstreiterin auch auf den ersten Verfasser der “Gren zen des Wachstums“: “Ich erinnere mich an Dennis Meadows bei der Veranstaltung, der dann sagte: ‚Na ja, ich bin seit vierzig Jahren jetzt dabei und versuche die Themen zu platzieren‘. Dafür passiert aus seiner Sicht zu wenig. Es sind viele, viele kleine Schritte. Aber wir haben nicht eine globale Weltordnung, wo ein Welt planer letztlich das alles steuern kann. Sondern es ist immer wieder an den Staaten selber, an den Akteuren, an den Bürgern, etwas zu verändern, und das ist eben sehr mühselig und bedarf tatsächlich Jahrzehnte.“ Doch der Wunsch nach einem “Weltplan“ und nach einer robusteren Durchsetzung ökologischer Notwendigkeiten stimmt selbst ökologische Denker wie Harald Welzer misstrauisch.“Es gibt eine autoritä re Tendenz schon sehr lange. Es gibt doch die eine oder andere Äußerung, die auch genau in die Rich tung geht, dass man zugunsten der Erhaltung natürli cher Ressourcen auf freiheitliche und demokratische Verfahren verzichten müsste.“

Und das ist natürlich ein ungemein gefährliches Terrain. Wenn der neueste Bericht beispielsweise sogar den Industriestaaten vorschlägt, man solle zur Ein-Kind-Politik übergehen, dann ist das natürlich eine Form der Bevölkerungspo litik, die durchaus sich den Vorwurf von rechts einhan deln wird, dass man damit letztlich Bevölkerung regel recht marginalisiert.“ Die meisten ökologischen Richtwerte sind trotz großer Vorsätze und mehrerer Weltkonferenzen nicht erreicht worden. Im Gegenteil, es gibt kaum für mög lich gehaltene Rückschläge wie das Dementi des Kli mawandels und die Zurückweisung des Kyoto-Proto kolls und der Pariser Vereinbarungen durch US-Präsident Donald Trump. Auch die aktuellen Gefechte hierzulande um Feinstaub und Dieselmotoren, den Unkrautvernichter Glyphosat in der Landwirtschaft und das Aussterben der Bienen stimmen nicht gerade zuversichtlich. So zieht auch Ernst Ulrich von Weizsäcker von der deut schen Sektion des “Club of Rome“ am Rande von des sen jüngster 50-Jahr-Feier ein ernüchterndes Fazit. “In diesen letzten fünfzig Jahren hat sich die Weltbe völkerung mehr als verdoppelt, hat sich der Konsum mehr als verzehnfacht, haben sich die ökologischen Bedingungen der Welt dramatisch verschlechtert.“ In der gerade erschienenen Bilanz “Wir sind dran“ kann Ökoaktivist von Weizsäcker aber auch auf ein paar Fortschritte verweisen. “Vor fünfzig Jahren war es noch empirisch absolut zutreffend: Je mehr In dustrieproduktion, desto schmutziger wird die Welt. Dies ist überwunden. Wir haben heute Emissions schutzgesetze, Wassergüte, die eine Abkopplung des Wirtschafts- und des Industriewachstums von der lo kalen Verschmutzung bewirkt haben. Allerdings in puncto Klima, in puncto Bodenqualität, in puncto biolo gische Vielfalt hat diese Abkopplung noch überhaupt nicht funktioniert.“91 91 Artikel online erschienen am 21.05.2018 auf: (22.01.2020)wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360funk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-www.deutschland

166zum Beispiel im Brundlandt-Bericht der UN 1987 “Our Common Future“, der auf zwei Schlüsselbegriffen ba siert: den Grundbedürfnissen der Ärmsten der Welt als oberster Priorität, und dem Gedanken von notwen digen Beschränkungen. Längst aber überlagerten und verdichteten sich in den 80er.

“VIELE, VIELE KLEINE SCHRITTE“ Und was ist aus dem “Club of Rome“ geworden? Er besteht heute aus drei Organisationen, einem Dach verband mit nationalen Sektionen, und dem Think Tank 30, einem Netzwerk von Schulen. Claudia Kem fert, Mitglied in der Deutschen Gesellschaft “Club of Rome““Eserläutert:gibtunterschiedliche

167 BILD Die Grenzen des Wachstums von 1972, de.html?dram:article_id=418360appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.www.deutschlandfunk.de/(22.01.2020)

Das PrinzipCradle-to-CradleEinArtikeldesFOCUS-Online,Autorin:CorinnaSchneiderMitCradle-to-CradlehatMichaelBraungarteingenialesKonzeptentwickelt,wiemanProdukteohneGiftstoffeundAbfallherstellenkann.Wirhabenmitihmdarübergesprochen,wiewirunsereMüll-undUmweltproblemeindenGriffbekommen-undwarumunsfalschesNachhaltigkeitsdenkendaranhindert.Regale,diebiszurDeckereichenundmitBüchernundProduktengefülltsind,dienachdemCradle-to-Cradle-Prinziphergestelltwurden-sosiehtesimKonferenzraumdesEPEA-InstitutsinHamburgaus,dasderChemikerundVerfahrenstechnikerMichaelBraungart1987gegründethat.Seitüber30JahrenhilfterUnternehmendabei,Produktesoherzustellen,dasssieohnegiftigeInhaltsstoffeundAbfälleentstehenundanihremEndewiederalsNährstoffeindieNaturzurückkehrenkönnen.DasGanzeentsprichteinembiologischenKreislauf–vonderWiegezurückzurWiegeoderbessergesagtvomUrsprungzumUrsprung.EntwickelthatBraungartdiesesPrinzipzusammenmitdemamerikanischenArchitektenundDesignerWilliamMcDonough,

Das Besondere an diesem Stoff ist aber nicht nur die schöne Optik, seine Funktionalität und die weiche Beschaffenheit. Alle Zutaten, alle Farben, alle Hilfsstof fe sowie Flammschutzmittel, die dafür verwendet wur den, seien so gemacht, dass der Bezug sogar essbar wäre: „Sie könnten ihn kleinschneiden und morgens in Ihr Müsli geben – das unterstützt Ihre Verdauung“, erklärt er mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht.

UMWELTSCHUTZ BEDEUTET NICHT, NUR WENIGER SCHÄDLICH ZU SEIN Eine ähnliche Abwehrreaktion ruft der Begriff „klima neutral“ bei dem Wissenschaftler hervor. „Ein Baum ist nicht neutral, sondern gut fürs Klima“, führt er aus.

Nachhaltigkeit ist ein Reizwort für den streitbaren Braungart: „Sie ist langweilig und hilft uns nicht weiter – wir müssen neu denken, anders denken.“ Denn Nachhaltig keit wurde nach dem Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen von 1987 als Entwicklung beschrieben, „die ge währt, dass künftige Generationen nicht schlechter ge stellt sind“. „Wir wollen doch nicht nur weniger schlecht sein", empört sich Braungart, „wollen wir nicht gut sein für unsere Umwelt?“

mit dem er 2001 unter anderem das Buch „Cradle to Cradle: Einfach intelligent produzieren“ veröffentlichte, das mittlerweile als eine Art Bibel für Öko-Innovation gilt.

Für Braungart war das Cradle-to-Cradle-Prinzip keine nächtliche Eingabe wie man die Welt retten könnte, son dern die logische Konsequenz seines Schaffens. Denn bereits in den 80er-Jahren engagierte er sich bei Greenpe ace und baute dort den Bereich Chemie auf, deren Leitung von 1985 bis 1987 übernahm. Er schwamm in der Nord see, um Schiffe daran zu hindern, hochgiftige Dünnsäure im Wasser zu entsorgen und blockierte Abwasserrohre, durch die gefährliche Bleichstoffe in den Rhein gelangten.

„Deshalb sollten wir auch nützlich für unsere Umwelt sein, und nicht weniger schädlich“. Genauso hanebü chen fndet Braungart die Art wie wir Umweltschutz de fnieren: „Die Leute verstehen darunter, dass sie weni ger Schweinereien machen – weniger Autofahren, weniger Müll produzieren“. Doch das sei genauso als würde man sagen, schütze dein Kind und schlage es nur fünfmal statt zehnmal am Tag. Überzeugt von seiner Fähigkeit, neue Modelle zu erschaffen, gab Ciba-Geigy Braungart viel Geld, um ein zukunftsträchtiges Konzept für die Chemie-In dustrie zu entwickeln und für Produkte der Zukunft. Dafür reiste er um die Welt, sprach mit Menschen wie Gorbatschow und dem Dalai Lama, besuchte Natur völker und beschäftigte sich mit dem Denken in Kreis läufen. So sei es beispielsweise im ländlichen China üblich, dass Gäste nach der Essenseinladung die Toi lette aufsuchen, um sozusagen ihre Nährstoffe für die Düngung dazulassen. Ein Umstand, der Braungart fasziniert. Gleichzeitig betrübt es ihn, dass es bei uns kein Biolabel gibt, dass Düngung mit Fäkalien, also mit "unseren Nährstoffen", KOMPOSTIERBAREerlaube.

SITZBEZÜGE ALS ERSTES CRADLE-TO-CRADLE-PRODUKT

VOM UNGIFTIGEN KLOPAPIER ZUM RECYCELTEN TURNSCHUH

168Michael Braungart

Eines seiner ersten Cradle-to-Cradle-Produkte, die er mit Hilfe von Ciba-Geigy für einen Stoffhersteller entwi ckelte, waren kompostierbare Sitzbezüge, die zum bei spielsweise bei Lufthansa und bei Thai Airways im Ein satz sind. „Möbelstoffe sind teilweise so giftig, dass man sie als Sondermüll verbrennen muss“, erklärt Braun gart. Er hält einen buntgestreiften Stoff in der Hand, über den er andächtig seine Hand streifen lässt. „Dieser hier ist aus Wolle und Ramie gefertigt, einem Faserstoff, auf den ich in China gestoßen bin“. Er verfügt über kapil lare Eigenschaften und transportiert Feuchtigkeit ab wie sie etwa durchs Schwitzen entsteht.

Die Werkspolizei verprügelte uns mit Holz- und Eisenstöcken“ erzählt der jugendlich wirkende 61-Jährige über die damalige Zeit. Noch heute habe er bei schlechtem Wetter Rückenschmerzen davon.

«DIE WERKSPOLIZEI VERPRÜGELTE UNS MIT HOLZ- UND EISENSTÖCKEN»

Das wichtigste aber ist, dass der Stoff am Ende seiner Nutzungszeit als Torf in Gärtnereien verwendet werden kann – und so wieder seinen Weg zurück in die Natur fndet. Auch der gängigen Vorstellung, dass sol che Produkte teurer in der Fertigung wären, widerspricht Braungart vehement: „Die Herstellung dieses Stoffs ist 20 Prozent günstiger als bei konventioneller Ware, weil ich geringere Arbeitsschutzkosten und kei ne Abfallprobleme habe“.

Nach diesem Prinzip sind mittlerweile schon Hunderte von Produkte unter Braungart entstanden: seien es kompostierbare T-Shirts für das schwäbische Textilun ternehmen Trigema, recycelbare Turnschuhe für Nike, ungiftiges Klopapier und Papiertücher für den nieder ländischen Hersteller WEPA oder Druckerzeugnisse der österreichischen Firma Gugler, deren Schlämme,

169 die beim Recycling entstehen, in die Natur zurückge führt werden können. Auch für technische Produkte, die nicht in bio logische Kreisläufe gehen, bietet die Cradle to Cradle eine Lösung. «Sie werden vom Hersteller zurückge nommen, aufbereitet und für neue Produkte verwen det», so Braungart. Ein Beispiel dafür ist der Fahrrad schlauchhersteller Schwalbe, der alte Schläuche aus recycelbaren Butylkautschuk zurücknimmt, sie 100-prozentig verwertet und ihre technischen Nähr stoffe für die Produktion neuer Schläuche verwendet. Auch für den Schrauben- und Werkzeughersteller Würth hat Braungarts EPEA-Institut einen Kreislauf für Baumontageschienen nach dem Cradle-to-Crad le-Prinzip entwickelt: Nach ihrer Nutzung wird die chemisch unbedenkliche Material durch den Herstel ler demontiert, in seine Ausgangsstoffe zerlegt und wiederaufbereitet, ohne das es qualitative Einbußen gibt.Es gibt kein wirkliches Recycling, denn die meis ten Materialien sind gar nicht dafür gemacht“ Recycling wie wir es beispielsweise durch Mülltrennung praktizieren, entlockt dem gebürtigen Schwaben nur ein müdes Lächeln. „Es gibt kein wirk liches Recycling, denn die meisten Materialien sind gar nicht dafür gemacht“. So enthalten zum bei spielsweise Papier und Druckerzeugnisse, die in un ser Altpapier wandern, so viele krebserregende Stof fe, die nach der Aufbereitung als Füllstoffe unsere Pizzakartons oder Adventskalender vergiften. „Wir perfektionieren das Falsche mit diesem Down-Cy cling“, erklärt Braungart mit einem Achselzucken. Auch das EU-Verbot für Einwegplastik, das 2021 in Kraft treten soll, entlockt dem Querdenker le diglich ein müdes Lächeln. „Ein paar Wattestäbchen und Strohhalme zu verbieten, das ist doch nur ein Ali

BIS 2050 KÖNNTE ALLES CRADLE-TOCRADLE SEIN Doch trotz dieser düsteren Bestandsaufnahme bleibt Braungart optimistisch. Inzwischen ist Cradle-to-Crad le eine weltweite Bewegung geworden, bei der mittler weile 11.000 Produkte entstanden sind. „Unser Kon zept setzt sich mehr durch als ich es erwartet habe“, erzählt Braungart stolz. „Früher dachte ich, es dauert 100 Jahre, doch wenn die Umsetzungs-Geschwindig keit so bleibt, dann wird vor 2050 alles Cradle-to-Crad le sein“, prognostiziert er. „Die Frage ist nur, ob wir schnell genug sind.» Denn die Zerstörung sei leider immer noch viel schneller. 92 92 Corinna Schneider im Gespräch mit Michael Braungart. Artikel online erschienen am 16.04.2019 auf: cradle_id_10596055.html,de/perspektiven/mutmacher/cradle-to-cradle-cradle-to-www.focus.(28.04.2020)

BILD Cradle–to–cradle–Konzept Grafk, www.focus.de/perspekti html,ven/mutmacher/cradle-to-cradle-cradle-to-cradle_id_10596055.download(28.04.2020)

bi, das mit dem eigentlichen Problem nichts zu tun hat“, kritisiert er. Gerade was die Verschmutzung der Meere anbelangt sind beispielsweise Zigarettenstum mel ein weitaus größeres Problem. So sammelte Braungart, der unter anderem an der Erasmus Universität in Rotterdam und an der Leu phana Universität in Lüneburg lehrt, jüngst mit seinen Studenten 11.000 Stück davon ein – und das lediglich an einem 300 Meter langen Abschnitt eines holländi schen Flusses. Auch Servietten und Taschentücher sei en problematisch, da sie sich aufgrund von Nassfestig keitsstabilisatoren nicht schnell genug zersetzen. „Ein Papiertaschentuch braucht acht Jahre bis es am Strass enrand zerfällt, eine Papierserviette im Meer ein halbes Jahr – und ein Zigarettenstummel 500 Jahre“.

Ein Artikel des Tagesspiegel, Autor Michael Schmidt

“LIEBER KLIMAWANDEL ALS ÖKODIKTA TUR“ Herr Welzer, hängt von der Klimafrage das Überleben der Menschheit ab? “Menschheitspathos ist mir verdächtig. Es werden sicherlich die Überlebensbedingungen für viele Menschen in bestimmten Teilen der Welt schwieriger werden, das ist bitter genug. Aber ich glaube nicht, dass die Menschheit ausstirbt.“ Woher nehmen Sie Ihren Optimismus? “Anthropologisch betrachtet zeichnet sich die Spezies Mensch gerade dadurch aus, dass sie unfassbar anpas sungsfähig ist. Insofern wird sie sich auch an gravierend verschlechterte Klimabedingungen anpassen können. Die Frage ist allerdings, ob es objektive Grenzen für diese Anpassung gibt, die nicht zu überwinden sind.“ Tun wir genug, um den Klimawandel zu bremsen?

“In keiner Weise. Man muss vielmehr feststellen: Wir haben gar keine Klimaschutzpolitik. Hätten wir eine, hätten wir immer weniger Emissionen – haben wir aber nicht, im Gegenteil. Und solange wir die Reduktion nicht haben, wird sich der Planet weiter aufheizen. Laut Umfra gen halten zwei von drei Deutschen den Klimawandel für ein wichtiges Problem – dennoch ändert sich am Verhal ten nur wenig. Die Menschen leben in einer Lebenslüge. Diese Lebenslüge ist keine individuelle, sondern eine ge sellschaftliche. Die Leute sind mit zwei Botschaften kon frontiert. Einerseits soll alles immerzu weiterwachsen, sol len die Leute mehr konsumieren, mehr Autos kaufen, mehr Fleisch essen, mehr Kreuzfahrten buchen. Das ist die Benutzeroberfäche unseres Alltags. Auf der anderen Seite kriegen sie gesagt: Wir haben ein Problem, wir pro duzieren zu viele Emissionen, es wird zu heiß auf der Erde. Insofern stecken sie in der Falle, leben in einer permanen ten Dissonanz: Sie haben Schuldgefühle, wenn sie ihr Flugticket buchen, buchen es aber trotzdem.“ Ist es denn überhaupt an uns als Bürgern und Verbrau chern, immer noch mehr zu tun – ist es nicht Sache der Politik, das für uns zu regeln? “Absolut. Aber stattdessen verkauft die Politik uns als Klimapolitik, was ich „magisches Denken“ nennen wür de. Man setzt auf Konferenzen, hofft darauf, dass symboli sche Verträge das Klima ganz mächtig beeindrucken – und hält sklavisch an der Wachstumslogik fest. Wie ein Süchti ger, der den Stoff braucht und doch weiß, dass dieser Stoff ihn zerstört, sagt: Nächstes Jahr höre ich auf. Das Problem ist: Es gibt kein alternatives Konzept, um eine andere Öko nomie zu etablieren, die nachhaltig und zugleich in der Lage wäre, unseren zivilisatorischen Standard zu sichern.“ Also stellt die Klimafrage in letzter Konsequenz die Sys temfrage? “Jein. Es ist ja so: Wir leben in der historisch besten, nämlich sichersten, komfortabelsten und gesündesten Gesellschaft, die es je gegeben hat. Diese wunderbaren Lebensverhältnisse basieren auf einem wachstumswirt schaftlichen Prinzip. Und es gibt keine Idee für ein Wirtschaftssystem, das dieses Ausmaß an Lebenssicherheit gewährleistet und zugleich umweltschonend ist. Wir kennen nur das eine oder das andere: Entweder das Leben ist sehr schlecht, wie in armen Gesellschaften, da leben die Menschen in dem Sinne nachhaltig, dass sie keinen ho hen Naturverbrauch haben. Oder die Lebensverhältnisse sind prima, wie in den reichen Gesellschaften, da aber ist der individuelle und kollektiv hochgerechnete Umweltver brauch gigantisch hoch. Es ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, dass wir unsere Form von freier und si cherer Gesellschaft auf eine andere materielle Basis stel len. Und es ist ein großes Versäumnis der Gesellschafts wissenschaften, sich kaum mit dieser zivilisatorischen Frage zu beschäftigen.“ Was meinen Sie? “Es ist ein großes Manko, dass die ganze Frage stellung des Klimawandels eine ist, die wesentlich von Na

170Harald Welzer Alles könnte anders sein Ein Artikel des Deutschandfunk, Autor Christian Rabhansl

SCHLUSS MIT DER UNTERGANGSRHETORIK! Ist die Welt noch zu retten? Na sicher, sagt Harald Welzer. Damit das gelingt, müssten aber die Untergangsprophe ten ihre Uhr weglegen: “Die ist eh auf 5-vor-12 stehengeb lieben.“ Für seinen Optimismus nennt der Sozialpsycholo ge erstaunlicheJahrelangGründe.hatder Sozialpsychologe Harald Welzer vor der Klimakrise gewarnt – jetzt will er von Unter gangs-Dystopien nichts mehr hören. Denn die seien kont raproduktiv: “Damit entsteht das Gefühl, dass wir in eine Sackgasse steuern, dass es danach nicht mehr weiter geht, danach ist dann irgendwie Ende Welt oder so. Aber das ist ja irrational.“ Im Kampf gegen den Klimawandel werde zwar das 1,5-Grad-Ziel sicher nicht klappen. Aber deswegen sei danach das menschliche Leben nicht zu Ende. Egal ob Krieg, Erdbeben oder Klimawandel: “Wir Menschen bewältigen das.“ Statt Angst zu verbreiten will Welzer Lust auf die Zukunft machen.Im (...) Buch “Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen“ schlägt Wel zer keinen großen Umbruch oder gar die Abschaffung des Kapitalismus vor, sondern eine Vielzahl kleinerer Schritte, die er„“modulare Revolutionen“ nennt. So könne mit gerin gerem Aufwand mehr erreicht werden. Auch Ziele wie eine komplett Auto-freie Stadt rückten damit in greifbare Nähe. Dabei sei es ihm egal, ob seine konkreten Vorschlä ge Wirklichkeit würden.„“Mir kommt es auf den Pfadwech sel an. Denn wenn ich mit einem Schritt den Pfadwechsel mache, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein zweiter, drit ter, vierter, fünfter Schritt genau in diese Richtung folgt. Wenn ich dagegen den ersten Schritt nicht mache in die andere Richtung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite, dritte, vierte, fünfte Schritt weiter das Schlechte, das Falsche verfolgt oder optimiert. Es ist ganz einfach.“ 93

Wie ließe sich denn anders über den Klimawandel reden?

HabenwireineWirtschaftswissenschaft, die sich mit nicht-wachstumsbasierten Ökonomien be schäftigt? Haben wir eine Geschichtswissenschaft, die er klärt, wie Gesellschaften sich aus Krisensituationen wie der aktuellen herausgearbeitet haben? Nein, jedenfalls viel zu wenig. Die vernaturwissenschaftlichte Debatte macht auch die Kommunikation so schwierig. Wir werden zugeballert mit Zahlen. 1,5 Grad, zwei Grad, mit CO2, was man nicht sehen, fühlen, schmecken kann. Das ist alles unglaublich abstrakt, hat mit unserem Alltag nichts zu tun.“ Hat die alarmistische Sprache überhaupt noch den beab sichtigten aufrüttelnden Effekt – oder entmutigt sie eher?

“Man muss das Ganze umdrehen und fragen: Wie können wir proaktiv, tatkräftig, motivierend unsere Gesell schaft besser machen? Deshalb erzählen wir bei „Fu turzwei“ Geschichten von Menschen, Unternehmen, Initi ativen, die unter den gegebenen Bedingungen andere Geschäftsmodelle und andere Lebensstile nicht nur pro pagieren, sondern auch praktizieren. Die sagen, man kann auch in Deutschland unter ökologisch vertretbaren Bedingungen Textilien produzieren; man kann andere Modi des Wohnens entwickeln; man kann andere Weisen des Ernährens fnden. Das sind Projekte, die nicht aus ir gendeinem Zwang oder dem Druck drohender Katastrophen entstehen, sondern positiv motiviert sind. Ich kann Dinge besser machen, ohne dass ich die Apokalypse zur Begründung heranziehen muss: Eine autofreie Stadt ist auch ohne Klimawandel gut. Der Erhalt der Regenwälder und Wiederaufforstungen auch.“

Die machen einen hervorragenden Job, aber sie können sich nicht mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen beschäftigen. Die haben einen anderen Zugang. Deshalb sind die Rezepte, die sie vorschlagen, im Grunde rein moralischer Natur. Aber mit moralischen Argumenten verändert man nichts, kein Verhalten, keine Gesellschaft.“ Was ist das, was Ihnen fehlt? “Wir müssen nach vorn schauen und Handlungs spielräume deutlich machen. Haben wir eine Sozialwis senschaft, die sich mit positiver Veränderung von Gesell schaftbeschäftigt?

“Das sagen die seit Jahren. Das Problem an der Sache ist: Selbst wenn sie aus einer wissenschaftlichen Sicht recht haben, nützt das nichts, weil soziale Prozesse eine andere Zeitlogik haben als physikalische Prozesse. Wenn jetzt jede Initiative, die nicht das ganze große Klima problem auf einen Schlag löst, als nutzlos erachtet wird, weil es nicht reicht, dann führt das nur zu Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit. Aber so oder so müssen wir doch mit der Welt umgehen lernen, die wir haben – jetzt und in der vom Klimawandel veränderten Zukunft. Also fangen wir doch lieber mit kleinen Schritten an.“ Aber wenn, wie Sie selbst sagen, die Naturwissenschaft ler in der Sache recht haben: Ist eine Politik der kleinen Schritte angesichts der Größe des Problems nicht unan gemessen, gar sinnlos? “Wenn ich mich an eine veränderte Lebenssituati on schrittweise anpasse, ist das doch nicht unangemes sen oder gar sinnlos. Es bedeutet nur, dass ich das Maxi malziel nicht erreiche. Wenn ich einen Unfall habe, nach dem das Leben nicht so weitergehen kann wie zuvor, dann muss ich mich an die veränderten Bedingungen anpassen – wenn ich nicht zu hundert Prozent wieder so ft werde, wie ich’s war, ist doch mein Leben deshalb nicht sinnlos. In Sachen Klimawandel herrscht halt der Eindruck vor, um bei Ihrer Analogie zu bleiben, der Unfall ließe sich womög lich noch verhindern … Es weiß doch jeder, dass sich so schnell fundamental nichts ändern wird. Also sollten wir nach Wegen zu einer wirklichkeitstauglichen Veränderung suchen. Die Welt wird derweil nicht untergehen.“ Ebendas bezweifeln einige. Die Frage steht im Raum, ob die Demokratie nicht zu langsam ist, um auf die ökologi sche Frage zu reagieren? “Ja, Demokratie ist langsam. Aber der Beweis steht noch aus, dass Diktaturen besser mit solchen Problemen umgehenEinkönnten.autokratisches

“Wieso Verzicht? Es ist doch vielmehr so, dass wir unter den gegebenen Bedingungen auf unheimlich viel verzichten. Wenn Sie an die Städte denken, die komplett durch das Verkehrsmittel Automobil defniert sind: Wir ver zichten auf Ruhe, auf gesunde Luft, auf freie Bewegungs räume. In München zum Beispiel sind zwölf Prozent der Stadtfäche Parkplätze: eine gigantische Verschwendung von öffentlichem Raum. Auf all das verzichten wir – müss ten es aber nicht, wenn wir zum Beispiel den Verkehr in Richtung ÖPNV umbauen würden.“ Klimaforscher sagen, wir müssen jetzt handeln, radikal, in allen Bereichen – in ein, zwei Jahrzehnten ist es zu spät. Muss nicht alles viel schneller gehen?

171 turwissenschaftlern bearbeitet wird, von Experten, die sich mit dem Klima, dem Meer, dem arktischen Eis befassen.

“Die Apokalypse-Rhetorik haben wir seit Jahrzehn ten. Sie wird mit jeder Klimakonferenz und jedem Report noch einmal hochgerüstet, hat aber nur einen Sättigungsund Ermüdungseffekt. Weil die Lebensrealität der Men schen von dieser Sprache nicht tangiert ist. Den Leuten geht es so gut wie noch nie, sie leben so sicher wie noch nie – und dann kommt ihnen die Wissenschaft mit diesem Horrorszenario.“

Eine autofreie Stadt? Ist das Gute nur mit Verzicht zu errei chen?

Regime wie das chinesische könnte, wenn es wollte, sicher besser, schneller, umfas sender durchgreifen …Das ist aber doch kein Argument. Den Klimawandel zu bremsen, ist ja kein Selbstzweck –wir tun das, weil wir bestimmte Lebensverhältnisse aufrechterhalten wollen. Für mich gehören eine freie Gesell schaft und die Demokratie unabdingbar dazu. Das Problem liegt woanders: Wir leben zwar in einer Demokra tie, aber der Souverän, die Bürger und Bürgerinnen, bringt sich zu wenig ein. Wenn ich kleine Kinder hätte, würde ich eine Elterninitiative gründen, jeden Tag vor dem Wirt schaftsministerium für eine nachhaltigere Ökonomie de monstrieren und sagen: Leute, so geht das nicht, ihr ver spielt die Zukunft unserer Kinder! Aber das passiert nicht. So kommt es dann, dass die Autoindustrie sich durchsetzt und Frau Merkel sich in Brüssel für weniger strenge Ab gasgrenzwerte einsetzt. Da, wo Menschen sich engagie ren, siehe Gelbwesten in Frankreich, protestieren sie ge gen eine Ökosteuer, weil die den Sprit teurer macht. Da kann man mal sehen, wie wenig Umweltbewusstsein tat sächlich geschaffen worden ist in den vergangenen Jahr

Die wichtigste Frage sei für ihn: Wie können wir un seren zivilisatorischen Standard – vor allem Freiheit und Demokratie – erhalten, ohne so weiter zu wirtschaften wie bisher? Es müssten neue Wege für Produktion und Repro duktion gefunden werden. Da passiere sehr viel, meint Welzer, sowohl auf wissenschaftlicher als auch zivilgesell schaftlicher Ebene.

“Wer entscheidet darüber, was gut und was schlecht, was richtig, was falsch ist? In der Diktatur der Dik tator. Aber gerade das Langsame, das Widerstreitende, das Abwägende in unserer Demokratie hat in der Vergan genheit für gute Lösungen gesorgt. Deshalb sage ich nachdrücklichst: Bevor ich in einer Diktatur lebe, lebe ich lieber im Klimawandel.“ Harald Welzer ist Sozialpsychologe und Direktor der „Stif tung Zukunftsfähigkeit – Futurzwei“ in Berlin. Der 60-Jähri ge lehrt an der Europa-Universität Flensburg und an der Universität Sankt Gallen mit den Forschungsschwerpunk ten Transformationsdesign, Kulturwissenschaftliche Kli maforschung, Erinnerungs- und Gewaltforschung.

Der Sozialpsychologe Harald Welzer fordert zu weniger Naturverbrauch auf: So können wir nicht weitermachen –das fordern viele, sagen aber nicht, wie es besser geht. Das neue Buch des Sozialpsychologen Harald Welzer mit dem Titel „Transformationsdesign“ macht dagegen kon krete Vorschläge für alternatives Handeln.

Am 27. Februar erscheint im S. Fischer-Verlag von Harald Welzer “Alles könnte anders sein – Eine Gesell schaftsutopie für freie Menschen“. Sein erstes Buch zum Klimawandel, wie Welzer sagt, in dem er nur positive Ge danken und Ideen zum Besten gibt. 94 Ein Artikel des Deutschlandfunk, Autorin Shelly Kupfer berg

172zehnten. Wenn es zum Schwur kommt, wenn die ökologi sche in Konkurrenz zur sozialen Frage tritt, ist die ganze Warnerei in den Wind gesprochen.“ Wenn es so weitergeht und sich die Erde weiter erhitzt –wird der Ruf nach staatlichen Eingriffen lauter werden? Und: Bedeutete das ein Problem für die liberalen Gesell schaften des Westens?

TRANSFORMATIONSDESIGN – FÜR EINE KULTUR DES WENIGER

“Unwahrscheinlich. Aber als Sozialpsychologe kann ich nur sagen: Grundstürzende Bewegungen wer den niemals vorhergesehen. Vor 1968 hat man in Studien konstatiert, dass man es mit einer total unpolitischen Ju gend zu tun hat, und wenige Monate später brach die Stu dentenrevolte los; niemand hat am 8. November 1989 den Mauerfall oder vor Dezember 2010 die Arabellion kommen sehen. Aber: Generationelle Ungerechtigkeit ist eine sehr starke Triebkraft für Veränderung – insofern: Vielleicht steuern wir da auf etwas Umstürzendes zu. Wenn wir ein paar Jahre vorausschauen, alles geht weiter wie bisher … Das wird nicht passieren. Betrachten wir das Phänomen noch mal anders. Dann sehen wir, dass sich unsere Le bensverhältnisse infolge des Klimawandels sehr wohl be reits radikal geändert haben. Und zwar in Form einer in nergesellschaftlichen Stressreaktion. Die Migration, die unter anderem eine Folge des Klimawandels ist, hat die innen- und sicherheitspolitischen Parameter in diesem Land seit 2015 radikal verändert. Es gibt nationalistische Parteien, Rassismus, Populismus. Das ist aus meiner Sicht die wesentliche Folge dessen, worüber wie hier reden: Erhöht sich der äußere klima- und umweltbedingte Druck, werden die Verhältnisse im Innern, die Wertigkeit von Freiheit, Toleranz und Menschenrechten, verändert, werden unsere zivilisatorischen Standards infrage gestellt. Das ist das eigentliche Problem: Dem Klima ist egal, ob es sich verändert – aber das gesellschaftliche Klima wird massiv tangiert und unsere Freiheitsstandards ge senkt.“ Sie sprechen von autofreien Städten, wollen SUVs verbie ten und Flugreisen verteuern. Sind das nicht auch frei heitseinschränkende Maßnahmen? “Nein. Das sind klassische ordnungspolitische Fra gen. Forderungen wie die nach einem Tempolimit, einer Limitierung von Fahrzeuggrößen und -gewicht, einer De ckelung von Maximalverbräuchen sind doch nichts Neu es. Denken Sie ans Rauchverbot. Das war lange unvor stellbar – und hat sich in ganz Europa durchgesetzt. In modernen Gesellschaften wird Verantwortung eben auch dadurch wahrgenommen, dass man dafür sorgt, dass Le bensmöglichkeiten von Menschen nicht eingeschränkt werden durch die Freiheitsbedürfnisse anderer. Das gilt auch für die Klimapolitik und das Auto.“ Wenn die Ökopolitik versagt – droht dann die Ökodiktatur?

“Ich würde sagen, das bedeutete einen Moderni sierungsschub. Gesellschaften des westlichen Typs ha ben sich immer durch soziale Bewegungen modernisiert, durch die Frauenbewegung, die Bürgerrechtsbewegung, die Ökobewegung. Dieses Bewegungsmoment fehlt der zeit. Ich würde das aber gar nicht fatalistisch sehen, denn es gibt in meiner Wahrnehmung eine neu heranwachsen de, politisch engagierte Generation. 2018 gab es, anders als in den Jahren zuvor, wieder sehr viele Demos – vom Hambacher Forst über #unteilbar in Berlin bis zu den Pro testen gegen das Polizeiaufgabengesetz in Bayern –, und das Erstaunliche war, dass es einen unglaublich großen Anteil junger Leute dort gab.“ Was passiert, wenn dieser jungen Generation der Geduld sfaden reißt? Halten Sie so etwas wie einen ökologisch motivierten Terrorismus für denkbar?

Der Wissenschaftler und Bestseller-Autor («Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand») legt mit seinem neuen Buch „Transformationsdesign“ eine konkrete Handlungsanleitung vor. Er setzt nicht erst bei all den Pro dukten an, die wir zwar nicht brauchen, aber trotzdem ver brauchen. Gemeinsam mit dem Co-Autor Bernd Sommer tritt er einen Schritt zurück und wirbt für eine neue kulturelle Produktion: Warum eigentlich wollen wir all diese unnöti gen Dinge verbrauchen? Die Menschheit habe im 20.

Die Auswirkungen unseres zukunftsversessenen Lebensweise seien jetzt schon spürbar, sagte der Sozial psychologe Harald Welzer in Interview mit Deutschlandra dio Kultur. Er sehe schon in der Gegenwart eine „unendliche Menge an Stressfaktoren, die zeigen, dass unser Typ von Gesellschaft in Schwierigkeiten gerät“. Dazu zählt Welzer geopolitische Stressfaktoren, aber auch Umwelt probleme und einen Mangel an Zukunftsvisionen.

ge Nutzung des öffentlichen Raums und um dezentrale ZudemEnergieversorgung.bietenliterarische Stadtgeschichten jede Menge Inspiration, um sich selbst das gute Leben nicht mehr aus der Hand nehmen zu lassen. 96

96 Buchbeschrieb des Herausgeberverlags S.Fischer Verlage online auf: www.fscherverlage.de/buch/futurzwei-zukunftsal manach-2017-18-9783596036936 (06.08.2021)

So wie die expansive Kultur der konsumistischen Moderne die beständige Vermehrung von Produkten und die unendliche Ausweitung der Komfortzone als ihre Defnition von gutem Leben setzt und daraus die designerische Aufgabe der attraktiven Gestaltung immer neuer Produkte für immer neue Bedürfnisse annimmt, folgt aus der Defnition des guten Lebens in einer reduktiven Kultur das exakte Gegenteil: die Umgestaltung des Vorhandenen, das Verschwinden des Überfüssigen, die Vermeidung von Aufwand, die Reduktion von Energie und Material. (...) Das Design hätte demnach nicht mehr die Aufgabe, unablässig hinzukommende Dinge zu gestalten, sondern jene Dinge, die man nicht braucht aus der Welt zu schaffen.

95 Artikel online erschienen am 27.09.2014 auf: niger.1270.de.html?dram:article_id=298749,landfunkkultur.de/gesellschaftskritik-fuer-eine-kultur-des-wewww.deutsch(06.08.2021)

94 Artikel online erschienen am 23.01.2019 auf: land/23886600-2.html,mawandel-veraendert-die-verhaeltnisse-im-innern-deutschgel.de/themen/reportage/erderwaermung-und-politik-der-kliwww.tagesspie(06.08.2021)

93 Artikel online erschienen am 23.03.2019 auf: mit-der.990.de.html?dram:article_id=444470,landfunkkultur.de/sozialpsychologe-harald-welzer-schluss-www.deutsch(6.7.2021)

– Themenschwerpunkt Stadt: Alternativlos? Gibt es nicht. Der dritte FUTURZWEIZu kunftsalmanach, herausgegeben von Harald Welzer, Dana Giesecke und Saskia Hebert, erzählt in über 50 Ge schichten von gelebten Gegenentwürfen zur Leitkultur des Wachstums und der Verschwendung. Erstmals bietet er dabei auch eine internationale Perspektive. Gemein sam mit dem Goethe-Institut ist FUTUREPERFECT ent wickelt worden, das in inzwischen 32 Ländern Geschich ten des Gelingens sammelt, von denen die besten hier erzählt werden und die einmal mehr zeigen, was es heißt, seine Handlungsspielräume zu nutzen. Der Themenschwerpunkt Stadt widmet sich aktuellen ge sellschaftspolitischen Entwicklungen: Jenseits hierarchi scher Stadtplanung und gegen Gentrifzierung, Verdrän gung und Luxussanierung werden neue, kreative Formen der Urbanität und des Umgangs mit dem Lebensraum Stadt aufgezeigt. Hierbei geht es unter anderem um alter native Wohnprojekte, die gleichberechtigte und nachhalti

173 Jahrhundert weltweit etwa zehnmal mehr Energie ver braucht als während ihrer gesamten vorangegangenen Existenz, schreibt Welzer. Dieses System komme erst zum Innehalten, wenn es keinen Treibstoff mehr habe. (...) Buchbeschrieb95 des S. Fischer Verlage

ZukunftsalmanachFUTURZWEI2017/18

Der

174 Ein Artikel des Deutschlandfunk, Autorin Andrea Roedig

LEBEN IN DER ZUKUNFT Um auf der Erde überleben zu können, brauchen wir andere Formen der Verwandtschaft, sagt die utopi sche Feministin Donna Haraway. Wie man sich das vorstellen muss, führt sie in „Unruhig bleiben“ auf schwindelerregende Weise vor. Das viel beschworene Anthropozän war ges tern. Zumindest für Donna Haraway, die fndet, dass der Begriff des Anthropozän, der in kritischer Absicht das Zeitalter beschreibt, in dem der Einfuss des Men schen sich handfest in der Erdgeschichte nieder schlägt, nicht weit genug geht. „Wir müssen denken“, schreibt sie, also überlegen, wie es nach dem Anthro pozän oder auch dem „Kapitalozän“ weiter gehen kann, und wie ein Leben auf der beschädigten Erde möglich sein wird. Hierfür erfndet sie das „Chthulu zän“ als ein Zeitalter fortdauernden Lernens. Dass solche Thesen von der Wissenschaftsthe oretikerin Donna Haraway kommen, ist wenig verwun derlich, denn spätestens seit ihrem feministischen „Cyborg Manifesto“ ist die Autorin bekannt dafür, Kate gorien gründlich durcheinander zu bringen. SF nennt sie ihr Verfahren, was sowohl für Science Fiction steht, als auch für science fact, für spekulativen Feminismus oder für sting fgures: Fadenspiele, die verschiedens te Elemente als Punkte locker miteinander verbinden. Wie ein Fadenspiel solle auch das Denken sein, es solle Fiktionen mit Fakten verbinden, neue Geschich ten erfnden mit offenen Enden, an die sich weiter an knüpfenNURlässt.ALS

BILD Donna J. Haraway: Unruhig bleiben. Aus dem Englischen von Karin Harrasser. Frankfurt am Main, Campus Verlag, 2018, www. unruhig_bleiben-14845.htmlcampus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/soziologie/(15.04.2020)

Der Anlass ist ernst: Wir sind dabei, den Planeten durch Raubbau, Überproduktion und Überbevölkerung nachhaltig zu zerstören. In dieser Situation sei weder Technikoptimismus noch zynische Endzeitstimmung die angemessene Haltung, meint Haraway – stattdessen müssten wir „unruhig bleiben“ und aus der alten, männlichen Erzählung, in dem der einzelne Held raumgreifend die Feinde besiegt, aussteigen. Wir werden nicht als Individuen überleben, sondern nur im „Mit-Werden“ mit anderen Arten, in der „Sym poiesis“ und als Symbionten, schreibt Haraway. „Make kin, not babies“ («Macht euch verwandt, nicht Babys») ist daher der oft wiederholte Slogan ihrer ökologischen Ethik, die auch darauf abzielt, dass die bislang Verdrängten, etwa indigene Bevölkerungen oder aussterbende Tierarten, einen Teil der Erde zu rückgewinnen.Besonders eindrücklich im Buch sind Haraways utopische Geschichten, die die Zukunft auf der Erde über fünf Generationen anhand der Protagonistin Ca mille imaginieren: In der Zeit ab 2025 haben Kinder drei Eltern und sogenannte „Syms“ sind menschliche

Träger von Erbmaterial bedrohter Tierarten. Camille 1 erhält einige Gene des Monarchfalters und wird eine orange-schwarz gemusterte Haut haben, Camille 2 bekommt

www.deutschlandfunkkultur.de/donna-haraway-unruauf:hig-bleiben-der-mensch-war-gestern.1270.de.html?dram:article_id=418111(22.04.2020)

Donna Harraway Mensch war gestern

RADIKALESSchmetterlingsfühler.DENKENDER VERWANDLUNG

„Unruhig bleiben“ ist ein wildes Buch, und auch ein an strengendes. Die Mixtur aus Science Fiction und Pro grammschrift mit ihren nicht immer schönen Wortun getümen ist nicht leicht zu verdauen und enthält, da es sich um eine Aufsatzsammlung handelt, auch etliche Wiederholungen. Doch es lohnt, sich durch „Unruhig bleiben“ beunruhigen zu lassen. Haraway praktiziert ein radikales Denken der Verwandlung, das keine Angst hat, die Idee des „Menschen“ über Bord zu wer fen. „Human“ komme nicht von „homo“ sondern von „Humus“, sagt Haraway. Wir sind nichts weiter als Kompost.9797Artikel online erschienen im Mai 2018

«SYMBIOTEN» HABEN WIR ZUKUNFT

DONNA HARAWAY: STORY TELLING FOR EARTHLY SURVIVAL

Der Filmemacher Fabrizio Terranova hat Donna Haraway über längere Zeit in ihrem kalifornischen Zu hause besucht und präsentiert nun ein persönliches, pro vokantes, humorvolles und eindrückliches Portrait dieser großen Intellektuellen. Der Film bietet sich insbesondere auch für Interessierte ohne große und kleine Vorkenntnis se an und eröffnet so einen Einstieg in das spektakuläre Denken Haraways und anderer Technofeministinnen.98 98 Text online erschienen im Jahr 2018 auf: story-telling-earthly-survival,org/event/mittwoch-25-april-2018/donna-haraway-www.neubad.(12.11.2019)

Ein Artikel des Neubad Luzern

Haraway unterzieht die angebliche Objektivität der Naturwissenschaften genauso einer unnachgiebi gen Prüfung, wie sie sich nachdrücklich für ein Gefähr ten- und Gefährtinnentum über althergebrachte Grenzen von Spezies hinweg einsetzt. Hunde, Monster, Cyborgs, der Planet Erde, Menschliches oder Unmenschliches geraten als Kategorien in solch firrende Bewegungen, dass sich in widerständigen Zukunftserzählungen atemberaubende Wahlverwandtschaften auftun. Warum sollte ein solches Erzählen und Denken auf der Grenze von Science und Fiction in unserer Zeit voller Unzumutbarkeiten und Ernüchterungen schaden?

BILD: Donna Harraway: Story Telling for Earthly Survi val, Film, Belgien, 2016, Sprache: Englisch; raway-story-telling-earthly-survival,www.neubad.org/event/mittwoch-25-april-2018/donna-ha1h30min(12.11.2019)

175

Donna Haraway gilt als eine der einfussreichsten, radi kalsten und humorvollsten Denkerinnnen unserer Zeit, die seit über dreißig Jahren traditionelle Unterscheidungen zwischen Menschen, Maschinen und Tieren durchkreuzt.

Am Horizont dieser verwegenen Auseinanderset zungen mit scheinbar «natürlichen» Dualismen eröffnet uns die feministische Technikphilosophin Spekulationen über ganz andere (Geschlechts-)Identitäten und ein ganz ande res Zusammensein. Haraway behauptete schon in den 1980ern betont ironisch, dass wir doch schon alle längst Cy borgs seien, und konnte an der Verschmelzung von kalter High-Tech, warmen Körpern, spiegelnden Screens und ka pitalistischen Informationsströmen zeigen, wie feministi sche Theorie und Praxis auf Höhe der Zeit und ohne falsche Kompromisse (auch heute noch) aussehen kann.

Auch wenn die Ökoszenografe als ein entmuti gendes Konzept erscheinen mag, liegt hier letztend lich die Herausforderung und die Aufregung. Die An nahme eines ökoszenografschen Ansatzes ermöglicht es dem Szenografen, sich Ideen weit über die Aufführung hinaus vorzustellen - zu überlegen, wie Ideen der «kreativen Expansion» einen Beitrag zur weiteren Welt leisten können. Die Ökoszenografe geht von der Prämisse aus, dass es nichts Erfüllen deres gibt, als sich mit der lebendigen Welt auf eine grundlegende, positive und inspirierende Weise zu verbinden.99EinArtikelAkademie

Der Kern der Kombination von Ökologie und Szenografe ist das Verständnis der Schnittstelle bzw. der Verbindungen zwischen lebenden Systemen und menschlichem Design. Ökologisches Denken erkennt an, dass Materialität und Umwelt bei der Gestaltung von Wesen, Dingen und Orten sich gegenseitig bedin gen - es erkennt den Menschen als Teil des Systems der Natur an und nicht als eine separate Einheit, die die ihr zur Verfügung stehende Natur nutzt. Ökolo gisch» zu sein bedeutet, das Bewusstsein zu integrie ren, dass keine Entscheidung für sich allein steht: Jede Entscheidung ist mit sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen ver bunden, die weitreichend und in der Lage sind, lang fristige Auswirkungen zu haben. Die Ökoszenografe zeigt, dass diese Folgen nicht unbedingt negativ sein müssen; dass die Entscheidungen, die Ökoszenogra fen treffen, genauso gut positive soziale, politische und ökologische Ergebnisse erzielen können und dass dies neue Formen der künstlerischen Praxis und des Engagements inspirieren kann.

Soll der Klimawandel gestoppt werden, muss über das Thema «Klima» gesprochen werden Klimakommuni kation ist deshalb ein essentielles Thema für einen ge sellschaftlichen Wandel. Doch häufg herrscht bei diesem komplexen Thema passives Schweigen. Mentale, soziale und psychologische Barrieren machen den Klimawandel im Wortsinn zum sperrigen Thema. Diese Mechanismen gilt es zu verstehen – anstatt die Appelle und Mahnungen zum Handeln zu steigern.

100 Artikel online erschienen auf: (20.02.2020)ch/topics/climate/topics/climate_communication,www.naturwissenschaften.

176Ecoscenography EinKlima-KommunikationundArtikelvonecoscenography.com,AutorinTanjaBeerECOSCENOGRAPHY

KLIMA-KOMMUNIKATION

Wie die Ökologie befasst sich die Szenografe mit den Wechselbeziehungen - der Interaktivität zwischen Ar chitektur, Licht, Klang, Körpern und Sinnen; eine Me tapher für das «Ökosystem» der gesamten Theaterer fahrung. Ich schlage jedoch Living_Stage vor, dass eine Kombination der beiden Begriffe «Ökologie» und «Szenografe» etwas Umfassenderes und weitrei chenderes suggeriert als das rein Metaphorische. Ökologisch» zu sein bedeutet, sich mit den weiteren Auswirkungen der szenografschen Produktion zu be fassen und zu überlegen, wie sie sich auf das breitere Ökosystem (über das Theater hinaus) auswirkt und sich auf dieses bezieht. Es bedeutet, die Prinzipien der Ökologie einzubeziehen, um wiederverwertbare, biologisch abbaubare, restaurative und/oder regene rative Aufführungsräume zu schaffen. Dies ist der ökoszenografschen Praxis immanent.

Wichtige Fragen dabei sind: Wie kann Kommu nikation über den Klimawandel wirksamer werden? Welchen Beitrag kann Kommunikation für das Gelin gen des gesellschaftlichen Wandels, einer grossen Transformation hin zu einer nachhaltig agierenden Gesellschaft leisten? Wie kann sie die Entscheidungs fndung in politischen, gesellschaftlichen oder unter nehmerischen Prozessen unterstützen und zu Hand lungen motivieren, die den Klimawandel stoppen? (Quelle: K3 Kongress 2017) 100 99 Artikel online erschienen auf: Übersetztcom/what-is-ecoscenography/,www.ecoscenography.(20.02.2020)mitwww.DeepL.com/Translator,20.02.2020

der Naturwissenschaften Schweiz

Die Ökoszenografe ist von den oben skizzierten Vorstellungen von ökologischer Leistung inspiriert und darf nicht mit der Oberfächlichkeit der von der Na tur inspirierten Bühnendekoration oder der Verwen dung der natürlichen Umwelt als szenische Kulisse verwechselt werden. Während die Ästhetik wichtig ist, geht es dem Ökoszenographen auch um den inhären ten ökologischen Wert seiner oder ihrer Gestaltungs absichten. Dies bedeutet, dass die Qualität und der Erfolg der Szenografe nicht nur an ihrem ästhetischen Ergebnis gemessen wird, sondern auch daran, wie sie sich auf soziale, ökologische, wirtschaftliche und poli tische Systeme außerhalb des Theaters bezieht und zu ihnen beiträgt. Während die Ökoszenografe ökolo gisches Denken nutzt, um neue Ästhetiken und künst lerische Paradigmen zu erforschen, die von der Natur inspiriert sind, ist sie auch an der szenografschen Praxis als einer Form des Aktivismus interessiert, die für positive soziale und ökologische Veränderungen genutzt wird. Folglich kann der Ökoszenograph leicht eine Fürsprecherrolle bei der Herausforderung und Verbesserung der Aufführungspraxis übernehmen. Der Reiz der Ökoszenografe besteht darin, dass sie kein Stil ist, sondern eine Form der Auseinan dersetzung mit der Natur oder der Ökologie, die nicht an eine bestimmte Methodik gebunden ist. Es handelt sich um einen ganzheitlichen Ansatz zur Berücksichti gung von Umweltauswirkungen, der auch auf eine Reihe von Plattformen anwendbar ist, die sowohl den hohen Kunst- als auch den Gemeinschaftssektor um fassen. Der Ökoszenograph erkennt an, dass der kre ative Prozess nicht einfach ist, aber er ist bereit, uner forschte Gebiete zu erforschen und neue Maßnahmen nicht nur im Design, sondern auch in der persönlichen und kreativen Entwicklung zu ergreifen.

177 Céline TheParliamentBaumannofPlantsEinArtikeldesETHLehrstuhlsProf.MilicaTopalovic,ProfessorshipofArchitectureandTerritorialPlanningEINEPOST-ANTHROPOZÄNESICHTAUFDIENATURplantkingdomisinfactarepublicandtheParliamentofPlantsgrantsNatureitsownrepresentativebody.Bygivingavoiceofthebotanicalworld,theParliamentofPlantstacklesissuesofraces,gender,normativity,andinclusivitythroughanintersectionallens.It opens a post-anthropocene space for refection, chal lenging the belief that matter and intelligence should be dissociated and regarding fora as more than a mere commodity. It explores the power of trees, shrubs, fo wers, and herbs as a source of inspiration, providing al ternatives to the way we design and act, whether on the scale of a territory, a public space or a private garden.

BILD OBEN: Screenshot des Vortrags von Céline Baumann vom 09.04.2020, AW BILD LINS: (20.02.2020)www.topalovic.arch.ethz.ch/news/parliament-of-plants/CÉLINEBAUMANNisaFrenchlandscapearchitectbasedinBasel.Hereponymousstudiooperatesinthe felds of urbanism, landscape architecture, and exhibi tion. She aims through an intersectional lens to create dynamic open spaces, informed by the interactive ecology between people and nature. This design work is complemented by a commitment to writing and re search, allowing her to explore the collective value of nature and its impact on individuals. Baumann is currently Future Architecture alum na, Akademie Solitude fellow, and recipient of the youth awards of the International Federation of Landscape Architects Europe. Her work has been pre sented in institutions including the Oslo Architecture Triennale, the the Royal Academy of Arts in London, the Museum of Architecture and Design in Ljubljana and the Swedish University of Agricultural Science in Alnarp. 101 101 Artikel online erschienen im Jahr 2019 auf: www.topalovic. arch.ethz.ch/news/parliament-of-plants/ (20.02.2020)

BILDER: Teil der Präsentation «Stadtklima in Bau und Raumplanung — von der Forschung in die Praxis» von Andreas Wicki im Rahmen des PlanSalon am 29.04.2020, Screenshots AW

Andreas Wicki von GEO Partner hat (...) via Zoom eine «Mini-Vorlesung» zum Thema «Stadtklima in Bau und Raumplanung — von der Forschung in die Praxis» ge halten. Er hat uns anhand von Beispielen aus Forschung und Praxis gezeigt, wie die aktuellen Erkenntnisse aus der Stadtklimaforschung in die Planung einbezogen wer den können. 102 102 Kurzbeschrieb zur Veranstaltung PlanSalon 8. plansalon. ch/salons/plansalon08/ (12.08.2021)

178Andreas Wicki Hitze in der Stadt «STADTKLIMA IN BAU UND RAUMPLANUNG — VON DER FORSCHUNG IN DIE PRAXIS» PLAN SALON 8

179

«Aus den bisherigen Ergebnissen der Stadtklimaanalyse kann festgehalten werden, dass es in Baselthermisch belastete Siedlungsbereiche

103 Aus der Studie «Stadtklimaanalyse Basel-Stadt 2019», an welcher Andreas Wicki mitbeteiligt war. map.geo.bs.ch/fle_ sel_Klimaanalyse_Rev09_ohne_Anhang.pdfproxy/KL_Stadtklima_Windstroemungsfeld/Endbericht_Ba(12.08.2021)

gibt, deren bioklimatische Situation mindestens erhalten, möglichst durch geeignete Maßnahmen verbessert werden sollte. Die Versorgung der Innenstadt mit Kaltluft in der Nacht ist bereits jetzt schon durch die Talbebauungen deutlich eingeschränkt und gewissen Gebieten z.B. Birstal degradiert.Eine ausreichende Belüftung ist nicht nur dafür da die thermische Belastung zu mildern, sondern kann sich auch positiv auf die (...) Luftqualität auswirken. Entsprechend sollte die Verbesserung der Durchlüftung durch geeignete Maßnahmen im Fokus stehen, was jedoch durch die historisch gewachsene Bebauungsstruktur in Basel sehr schwierig wird.»103 Stadtklimaanalyse Kanton Basel-Stadt 2019

180

ANDREAS WICKI

StadtklimaTHEMA in der Raumplanung in der Verantwortung

Prof. em. Dr., Professor Emeritus, MCR Universität Basel.

Planung

Das Jahr 2018 war schweizweit das wärmste Jahr seit Be ginn meteorologisch flächendeckender Temperaturmessungen. An der offiziellen Messstation der MeteoSchweiz in Basel/ Binningen wurde beispielsweise eine mittlere Jahrestemperatur von 12.3 °C aufgezeichnet, ein klarer Höchstwert in der mehr als 250 Jahre langen Messreihe. Dieser Wert, welcher 2.6 °C über dem langjährigen Mittel von 1961–1990 liegt, reiht sich in eine Folge enorm warmer Jahre in jüngster Vergangenheit ein. Neun der zehn höchsten Jahresmitteltemperaturen wurden dabei in Basel/Binningen innerhalb der letzten 18 Jahre gemessen. Kurioserweise sind die offiziellen Messstationen der MeteoSchweiz per Definition rurale Messstationen. Auch Basel/ Binningen befindet sich auf einem Hügel am Stadtrand, umge ben von Schrebergärten, Parkanlagen und offenem Agrarland. Die mittlere Temperatur, welche für die knapp 750’000 Per sonen im Metropolitanraum Basel relevant wäre, liegt jedoch nochmals etwas höher, was gemeinhin als «städtische Wärme insel» bezeichnet wird [1]. Dieser Unterschied akzentuiert sich im Tagesgang jeweils nach Sonnenuntergang, hat sein Maximum gegen Mitternacht und schwächt sich allmählich gegen Mor gen wieder ab. Die maximalen Temperaturunterschiede können dabei nachts 6–8 °C erreichen, liegen im sommerlichen Mittel jedoch bei knapp 3 °C [ABB 1]. Vergleichsmessungen der letzten 15 Jahre in Basel haben ergeben, dass innerhalb des Stadt zentrums knapp dreimal mehr Tropennächte auftreten als an der offiziellen Messstation der MeteoSchweiz. Am Tag schwan ken die Lufttemperaturunterschiede zwischen Stadt und Land in einem Bereich von +/-0.5 °C, abhängig von der Messhöhe und dem genauen Ort der Messung. Da für das thermische Wohlbefinden eines Individuums auch andere meteorologische Parameter wie direkte und diffuse Sonneneinstrahlung oder Wind ausschlaggebend sind, fallen solch geringe Differenzen am Tag nicht ins Gewicht. Die Gründe für die nächtlichen Temperaturunterschiede lassen sich mehrheitlich mit der Bebauungsstruktur und der damit veränderten Energiebilanz an der städtischen Ober fläche erklären. So wird die ankommende Energie, welche sich aus den lang- und kurzwelligen Eingangs- und Verlustgrössen errechnet, unterschiedlich verarbeitet. Während auf unversie geltem Boden ein Grossteil der Energie in die Verdunstung –abhängig von Pflanzenbewuchs und Wasserverfügbarkeit 40 bis 70 % [2,3] – investiert wird, wird das Gros der Energie (30 bis 60 %) im urbanen Raum in den Fassadenbauteilen und in nerhalb der versiegelten Flächen gespeichert [4,5]. Für die Er wärmung der Luft, dem dritten Wärmestrom der Energiebilanz, steht an beiden Standorten ungefähr gleich viel Energie zur Verfügung, abhängig jedoch wiederum von der Wasserverfüg barkeit auf dem Land und dem Versiegelungsgrad der städti schen Umgebung [6]. Fälschlicherweise wird oft den anthropo gen verursachten Wärmeströmen (Verkehr, Heizen, Industrie etc.) ein starker Einfluss auf die höheren Aussentemperaturen [ABB.1] Thermoisoplethendiagramm mit dem mittleren Tages- (y-Achse) und Jahresgang (x-Achse) der Temperaturdifferenz Basel/ Klingelbergstrasse (urban) minus Basel/Binningen (rural) zwischen 2003 und 2019. (Quelle: Daten von MCR Universität Basel) Tageszeit

181 4 COLLAGE 5/19

EBERHARD PARLOW

Zahlreiche Hitzesommer in jüngster Vergangenheit zei gen deutlich, dass die Folgen des Klimawandels bereits Tatsache sind. Während lang anhaltender Hitzeperioden macht die fehlende nächtliche Abkühlung der Bevölkerung zu schaffen, dies insbesondere in Städten, welche nachts aufgrund der dichten Bebauung und starken Versiegelung einige Grad wärmer sind als ihr rurales Umland. Die Ge meinden stehen nun in der Pflicht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse umzusetzen, um sich für die klimatischen Herausforderungen zu wappnen.

Dr. phil. nat., Promovierter Meteorologe, GEO Partner AG und MCR Universität Basel. FABIAN STÖCKLI Raumplaner FSU.

[2] Parlow, E. (1996). Net radiation in the REKLIP-area – A spatial approach using satellite data, pages 429–435. Balkema, Rotterdam. [3] Oke, T. (1988). The urban energy balance. Progress in Physical Geography, 12(4): 471–508. [4] Grimmond, S. und Oke, T. (1999). Heat storage in urban areas: Local-scale observations and evaluation of a simple model. Journal of Applied Meteorology, 38(7): 922–940. [5] Christen, A., Vogt, R., Rotach, M., und Parlow, E. (2002). First results from BUBBLE II: Partitioning of turbulent heat fluxes over urban surfaces. Fourth Symposium on the Urban Environment, 137–138. [6] Parlow, E. (2003). The urban heat budget derived from satellite data. Geographica Helvetica, 58(2). 99–111.

182 5COLLAGE 5/19

[1] Parlow, E., Vogt, R., und Feigenwinter, C. (2014). The urban heat island of Basel – seen from different perspectives. DIE ERDE – Journal of the Geographical Society of Berlin, 145(1–2): 96–110.

Anhand dieser bekannten Abhängigkeit der Temperatur und Durchlüftung von der städtischen Bebauungsstruktur können empirische Modelle helfen, die Verteilung und Aus masse der städtischen Wärmeinsel zu bestimmen [ABB 2] und Ventilationskorridore auszuscheiden [ABB 3] Da sich innerhalb einer Stadt Gebiete hinsichtlich Versie gelungsgrad, Bestandshöhe, Bebauungsdichte, Grünflächen dichte etc. stark unterscheiden, sollte theoretisch auch das jeweilige städtische Klima entsprechend variieren. Es ist dabei eher unpräzise von einer Wärmeinsel zu sprechen, da sich die Temperaturen nachts sehr heterogen verteilen – ähnlich ei nem Wärmearchipel mit vielen Hitzeinseln und Kältebecken [12] In der Fachliteratur haben sich in den letzten Jahren für die klimatische Einteilung von Städten «Local Climate Zones» (LCZ) als gängiges Klassifikationsschema etabliert [13]. Die Idee da hinter sind global universell einsetzbare Klassen, welche mit klar abgegrenzten Schwellenwerten für stadtklimatologisch relevante Parameter der urbanen Morphologie dem Nutzer eine objektive Einteilung seiner städtischen Umgebung ermög lichen. Um die tatsächlichen Einflüsse der unterschiedlichen Bebauungsstrukturen zu erfassen, muss jedoch auch inner halb dieser Klimatope gemessen werden. Idealerweise wird ein städtisches Messnetz so geplant, dass möglichst viele Stadt klimazonen abgedeckt sind.

[7] Christen, A. und Vogt, R. (2004). Energy and radiation balance of a central European city. International Journal of Climatology, 24(11): 1395–1421. zugesprochen. Effektiv handelt es sich dabei um einen Bruch teil der Energie, welche dem System zur Verfügung steht und während der Heizperiode dominiert. Christen und Vogt (2004) haben für Basel dereinst über Energiebilanzmessungen ei nen jährlichen anthropogenen Wärmestrom von 5–20 W m-2 für Basel ermittelt, was gegenüber den knapp 550 W m-2 an verfügbarer Energie an einem typischen Sommertag und den gegebenen Messunsicherheiten vernachlässigbar ist [7] Die Energie, welche am Tag in der städtischen Bausub stanz gespeichert wird, hilft nach Sonnenuntergang und der damit ausbleibenden solaren Einstrahlung, der nächt lichen Auskühlung entgegenzuwirken. Abhängig davon, wie viel Energie gespeichert wird, kann sich dies unterschiedlich stark ausprägen. Zusätzlich kommt eine weitere Eigenart der städtischen Oberfläche ins Spiel. Die Energie, welche in Form von langwelliger Wärmestrahlung abends verloren geht, wird innerhalb der urbanen Geometrie von den umliegenden Ge bäuden und deren Fassaden absorbiert und in alle Richtungen wieder emittiert. Es ergibt sich eine sogenannte Strahlungs falle, welche wiederum abhängig von der Gebäudedichte und -höhe, die nächtliche Abkühlung unterschiedlich stark ab schwächen kann [3,8]. Eine weitere Möglichkeit zur Abkühlung bieten allochthone Luftmassen, welche über Hangwindsysteme erzeugt werden und die Stadt mit kühler und frischer Luft ver sorgen [9]. Auch hier hängt der Erfolg massgeblich von der Ge bäudedichte einer Stadt ab, denn die nächtlichen Hangwinde brauchen einen gewissen Korridor, um in die innerstädtischen Gebiete einzudringen. Abgeleitet von der Gebäudedichte und der Gebäudefront lassen sich dafür Rauhigkeitsparameter ab leiten, welche für eine geeignete Durchlüftung innerhalb eines Korridors mit einer Mindestbreite einen gewissen Grenzwert nicht überschreiten sollten [10,11]

[8] Oke, T., Mills, G., Christen, A., und Voogt, J. (2017). Urban climates. Cambridge University Press, S. 171. [9] Kaufmann, P., und Weber, R. (1996). Classification of mesoscale wind fields in the MISTRAL field experiment. Journal of Applied Meteorology, 35(11), 1963–1979. [10] Matzarakis, A. und Mayer, H. (1992). Mapping of urban air paths for planning in Munich. Wiss. Ber. Inst. Meteor. Klimaforsch. Univ. Karlsruhe, 16: 13–22. [11] Gàl, T. und Unger, J. (2009). Detection of ventilation paths using highresolution roughness parameter mapping in a large urban area. Building and Environment, 44(1): 198–206. [12] Kuttler, W. (2012). Climate change on the urban scale-effects and counter-measures in Central Europe. In Human and social dimensions of climate change. In: Tech., S. 108. [13] Stewart, I. und Oke, T. (2012). Local climate zones for urban temperature studies. Bulletin of the American Meteorological Society, 93(12): 1879–1900. [ABB.2] Verteilung der Anzahl Tropennächte während der 16-tägigen Hitzewelle Juli/August 2018 in Basel. Berechnung mittels multiplem Regressionsmodell und empirischen Messungen in einem 200-m Gitter. (Quelle: Wicki, A., Parlow, E., und Feigenwinter, C. (2018). Evaluation and modeling of urban heat island intensity in Basel, Switzerland. Climate, 6(3): 55) Anzahl Tropennächte 0 5 10 15 Messstationen Basel / Binningen Basel / Klingelbergstrasse übrige Stationen

Mit der Revision des Bundesgesetzes über die Raumpla nung sind alle Planungsebenen zur Innenentwicklung unter Be rücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität verpflichtet.

183 6 COLLAGE 5/19

DOKUMENT DIESE UND VORAUSGEGANGENE SEITE: Artikel «Stadtklima in der Raumplanung – Planung in der Verantwortung». Dr. phil. nat. Wicki, Andreas; Stöckli, Fabian; Prof. em. Dr. Parlov, Eberhard. Collage 05/19; Klimaveränderung im städtischen Raum.

Le conseguenze del cambiamento climatico globale che ci at tendono sono già oggi chiaramente visibili. Nove dei dieci anni più caldi a Basilea sono stati rilevati in questo millennio. Nu merose estati calde degli ultimi anni hanno avuto un impatto diretto anche sulla popolazione, che soffre della mancanza di recupero dopo un forte stress termico durante il giorno. La domanda di misure di pianificazione urbana volte a ridurre lo stress da calore diventa sempre più forte. Soprattutto in città, il calore estivo può diventare un problema dato che l’energia immagazzinata nel tessuto urbano riduce la possibilità di raf freddamento durante le ore notturne. Inoltre, l’elevata densità di edifici rende più difficoltosa l’afflusso di aria fresca neces sario per il raffreddamento, in particolare nelle aree urbane. La differenza di temperatura tra città e campagna, nelle notti estive, può essere di diversi gradi Celsius. Le misurazioni ef fettuate nella città di Basilea dimostrano che le notti tropicali sono tre volte più frequenti nelle aree urbane. Le cause e le possibili contromisure sono note agli scienziati e sono state studiate per diversi decenni. È responsabilità degli attori della pianificazione territoriale dare il giusto peso al clima cittadi no e considerarlo come elemento fondamentale, utilizzando i risultati della ricerca scientifica, un compito che rende lo sviluppo centripeto degli insediamenti ancor più complesso.

Ob die Innenentwicklung in den vergangenen Jahren für Planungen im Sinne eines nachhaltigen Stadtklimas vorteilhaft war, kann bezweifelt werden. Diverse Interessen haben dazu geführt, dass die oben genannten Faktoren Versiegelung und Bebauungsdichte weiter vorangetrieben wurden. Ein Umstand, der auch daher kommt, dass Innenentwicklung herangezogen wurde, um insbesondere die bauliche Dichte in der Siedlung zu erhöhen.MitBlick auf die zu erwartende Häufung und Intensivierung von Hitzewellen [14] stehen Ge meinden in der Verantwortung, das Klima als bedeutungsvolle Thematik integral in ihren Orts planungen zu berücksichtigen.

IlRIASSUNTOclima nella pianificazione urbana

Das Beispiel von Basel –ein für schweizerische Ver hältnisse sehr urbanes Stadt gefüge – zeigt, dass bereits heute tikStadtumbaukungbestehen,HerausforderungendiesichwohlaufdieSchnellenichtmeisternlassen.ErnsthafteLösungsansätzemitumgehenderWirwürdenwohlinRichtunggehen.EinwiederumfürdieSchweizerPoliundauchfürdieRaumplanung

nicht realistisches Szenario, denn die Planungsprozesse sind nachvollziehbarerweise auf mittel- bis langfristige Horizonte ausgelegt. Dennoch sind es die Raumplanung und ihre AkteurInnen – Behörden, Planungs büros und auch die kantonale Verwaltung – an denen es nun zu agieren ist. Ihnen obliegt es, die Ziele und Aufträge des nominalen Raumplanungsrechts umzusetzen.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN Aktuelle Daten auf www.mcr.unibas.ch/dolueg2 KONTAKTE wicki@geopartner.ch [ABB.3] Windkorridoranalyse nach Rauhigkeitsgrenzwerten für die Stadt Basel und Umgebung. (Quelle: «The Urban Climate of Basel/ Switzerland: Analysis, Investigations and Perspectives Using Remote Sensing and GIS Techniques», Andreas Wicki, 2019) Ventilation Oberfläche blockiert Wald minimal Kantonsgrenze schlecht Landesgrenze ungehindertmittel [14] Meehl, G. A., und Tebaldi, C. (2004). More intense, more frequent, and longer lasting heat waves in the 21st century. Science, 305(5686), 994–997.

LeRÉSUMÉclimat urbain en aménagement du territoire Les conséquences prévisibles du changement climatique glo bal se font déjà sentir aujourd’hui. Parmi les dix années les plus chaudes jamais enregistrées à Bâle, neuf se sont pro duites au XXIe siècle. Les étés caniculaires qui se succèdent depuis quelque temps ont un impact direct sur la population, qui souffre de ne pas pouvoir récupérer du stress généré de jour par les fortes chaleurs. De plus en plus de voix s’élèvent pour réclamer que des mesures urbanistiques soient prises pour réduire cet impact. Dans les villes, les grandes cha leurs estivales peuvent se révéler particulièrement probléma tiques, car l’énergie thermique accumulée par la substance bâtie amoindrit l’effet rafraîchissant des nuits. En outre, les fortes densités bâties entravent l’apport d’air frais, surtout dans les centres-villes. De ce fait, les différences de tem pérature entre la ville et la campagne peuvent atteindre, de nuit, plusieurs degrés Celsius. Les mesures effectuées en ville de Bâle ont montré que les nuits tropicales étaient trois fois plus fréquentes en milieu urbain. Les causes et les mesures envisageables pour y remédier sont connues; elles font l’objet d’études scientifiques depuis de nombreuses années. Il ap partient aux acteurs de l’aménagement du territoire de tenir compte de cette problématique fondamentale et d’exploiter les résultats des recherches effectuées – une contrainte qui rend le développement vers l’intérieur encore plus complexe.

Kevin Lynch «The Image of The City»

4

so dass die Lektüre nicht ein Verständnis erzeugt, das nur auf einer individuell subjektiven Ebene Gültigkeit hat, sondern allgemein verständlich ist. 3

«Eine Stadt lesen»?

Input zu Kevin Lynch

KomplexitäteinerseitsBeschreibungihrer(ansatzweise)diedesThemasUrbanistik[Städtebau,Stadtplanung]undanderseitsdieGrundlegendeFragenachplanerischenMitteln.Mandarfdarausschliessen,dass(sogar)eineeinheitlicheLeseartvonStadtfehlt.

«Wie Stadt lesen?» im Rahmen von Jahre hier und heute als ForschungsansatzForschungofthe City» Aussichten

BILDER: Teile der Präsentation durch Dr. Prof. Claude Enderle«Eine Stadt lesen», Input zu Kevin Lynch Screenshot, AW

Was heisst «eine Stadt Fazitlesen»?zurFragestellung

184

«Eine

Nebenstehende aktuelle Einladung zu einem Kolloquium für «Urbane Transformationen» der ETH Zürich, wiederspiegelt in

Dr. Prof. Claude Enderle Stadt lesen»

Zur Situierung von «The Image of The City»

Ein Vortrag von Dr. Prof. Claude Enderle über Kevin Lynchs Schrift «The Image of The City». Dabei wurde der Frage nachgegangen, wie eine Stadt gelesen werden kann. Ebenfalls erfolgte eine historische Übersicht von theoretischen Schriften zur Stadt.

Wenn man aus der gezeigten aktuellen Einladung zu einem Kolloquium für «Urbane Transformationen» der ETH Zürich schliessen kann, dass (sogar) eine einheitliche Leseart von Stadt fehlt, dann stellt sich die Frage: Was heisst «eine Stadt lesen»?

oder Kevin Lynch «The Image of The City» 1

2

Dem wäre beizufügen, dass Lynch dank dieser Fokussierung das heisst einer so erreichten Komplexitätsreduktion – eine Lesemethode der Stadt überhaupt erst entwickeln konnte.

Das zeigt sich an den kollektiv evaluierten 5 Stadt-Bild-Marker sowie an den 10 Beispielen «[…] allgemeiner Charakteristika physischer Formen […] die der Gestalter beeinflussen kann […]»

185 LynchFazit ginge es – so summiert Seifert Seite 21 die Zielsetzungen der Studie «The Image of City «[…] in erster Linien um den Erlebniswert, die Interessantheit von Räumen und Raumsequenzen. Als Architekt und Planer verstand er Stadtgestaltung wie auch die Musik als eine zeitbemessene Kunst. Aus dem Anspruch, Räume und Raumsequenzen architektonisch städtebaulich zu komponieren, erklärt sich auch sei vielfach kritisierter starker Fokus auf visuell formale Aspekte.»

Lynchs angestrebter Designer Ansatz einer «Nützlichkeit des Formalen» oder einer «Ästhetik des Nützlichkeit» ist – sowohl bezüglich Vorgehen als auch Resultate – für eine Frage nach der «Lesbarkeit von Stadt» sehr erhellend – wenn man sich darauf einlässt.

Lynch, K., Das Bild der Stadt, Übers. H. K. S. R. Michael, Birkhäuser, Basel 2010, S.125.

SinngemässAussichten könnte ergänzend zu den vorangegangenen Überlegungen nun in Gedankenexperimenten imaginiert werden, wie eigene frühere Städtereisen abgelaufen sind. Welche Vor Bilder allein schon beim Erwähnen von Städtenamen aufpoppen. Wie eine erste intuitive Recherche nach lohnenden Städtereisezielen viele unterschiedliche Bilder hervorruft und speichert. Wie dabei Städte verglichen werden auf ihre Attraktivität hin und wie schliesslich Städtebilder Entscheidungen beeinflussen und eine Leseart des Zielortes schon vor Ankunft umfassend prägen können. Erwartungen nennen wir wohl das VielleichtResultat. würde sich dabei auch zeigen, wie viel verallgemeinertes Geschichtswissen uns eine intuitive Orientierung in (europäischen) Städten nicht nur erleichtert sondern erst ermöglicht. Ob wir mit dem Auto, dem Fahrrad, der Eisenbahn oder dem Flugzeug an unserer Destination Stadt ankommen in aller Regel wird sich uns die Stadt in einer anderen Epoche ihrer Entwicklungsgeschichte erschliessen. Das wissen wir und navigieren ganz selbstverständlich und zielsicher durch verschiedenste Epochen.

WährendeineseinjährigenReisestipendiums,dasderErforschung europäischerStädtediente,betrachtetederamerikanischeStadtplanerKevinLynchimHerbst1952FlorenzvonderlinkenArno-Seite aus.DerDommitseinerdieumliegendenBautenweitüberragenden KuppelundderCampanilebeherrschtendasStadtbild.AlsGebäudeensemble,dasauchvonanderenOrtenderStadtsichtbarblieb,sollte esfürLynchzumInbegriffeinerLandmarkewerden.InseinenReisetagebüchernnotierteer:„NearS.Donatoatnoon:firstthefactory whistles,thenthegunandbellsofcentralFlorence.Eveninthisindustrialarea,thedomeandtowerarevisible[tothen.],markingthecity

DievisuelleOrdnungderStadt.DasBildderStadtbeiKevin Lynch vonKirstenWagner DieweltweiteVerstädterung,vonderHenriLefèbvrebereitsinden 1970erJahrengesprochenhat,stelltnichtnuraufPlanungsebeneein bisheuteungelöstesProblemdar.

BedeutungsowievonBildundRaumzuerweitern.Dazusollhierein kleinerBeitraggeleistetwerden.

WährendeineseinjährigenReisestipendiums,dasderErforschung europäischerStädtediente,betrachtetederamerikanischeStadtplanerKevinLynchimHerbst1952FlorenzvonderlinkenArno-Seite aus.DerDommitseinerdieumliegendenBautenweitüberragenden KuppelundderCampanilebeherrschtendasStadtbild.AlsGebäudeensemble,dasauchvonanderenOrtenderStadtsichtbarblieb,sollte esfürLynchzumInbegriffeinerLandmarkewerden.InseinenReisetagebüchernnotierteer:„NearS.Donatoatnoon:firstthefactory whistles,thenthegunandbellsofcentralFlorence.Eveninthisindustrialarea,thedomeandtowerarevisible[tothen.],markingthecity

Urbansprawl,Ghettoisierungwie MusealisierungderInnenstädte,zunehmendePrivatisierungdesöffentlichenRaumes,dassindnureinigederSchlagworte,unterdenen seitden1980erJahrendieKrisederStadtdiskutiertwird.Leitbild dieserDiskussionistmehroderwenigerdeutlichdasderhistorischen europäischenStadtmitihrenklarenBegrenzungenzumUmlandund ihremIdealvonÖffentlichkeit.Entsprechendistimmerwiedervon einemVerlustderForm,aberaucheinemVerlustderBedeutungvon StadtdieRede.

KevinLynchsTheoriederStadtplanung,wieersieexemplarisch in„TheImageoftheCity“1 entwirft,hateinebensotraditionellesBild vonStadtzurGrundlage.ZugleichstelltsiedenVersuchdar,dieStadt nichtnurübereineMengevonGestaltelementenerfassen,sondern sieauchnachdiesenordnenzukönnen.WaseinerseitsdiebesondereAttraktivitätvonLynchsAnsatzerklärt,eineuniverselleMethode derStadtplanunggefundenzuhaben,beschreibtandererseitseine radikaleVerkürzungvonStadt,dieebennichtineinernachMöglichkeitkontrastreichenOrdnungbesondersprägnanterFormenaufgeht. DaswurdebereitsbeidenerstenFolgestudienzuLynchdeutlich,in denensichderAspektdersozialenundkulturellenBedeutungder FormalsdaseigentlicheProblemderStadt-undRaumwahrnehmung unddamitauchderPlanungvonStadtzeigte.HeutemitLynchzu arbeitensetztdemnachnichtnureineAuseinandersetzungmitden strukturalenundgestalttheoretischenVoraussetzungenseinerStadtplanungstheorievoraus,sondernwäreumdiein„TheImageofthe City“weitgehendausgeblendetenZusammenhängevonFormund 1 Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960.

BedeutungsowievonBildundRaumzuerweitern.Dazusollhierein kleinerBeitraggeleistetwerden.

Abb.1:FlorencefromtheSouth(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageof theCity,Cambridge/Mass.1960,S.93)

DasStadtBildder Stadt bei Kevin Lynch

DOKUMENT: Artikel «Die visuelle Ordnung der Stadt – Das Bild der Stadt bei Kevin Lynch» von Wagner, Kirsten in: Lynch Jöchner, Cornelia (Hrsg.): Räume der Stadt. Von der Antike bis heute. Berlin 2008, S.317-334.

DievisuelleOrdnungderStadt.DasBildderStadtbeiKevin Lynch vonKirstenWagner DieweltweiteVerstädterung,vonderHenriLefèbvrebereitsinden 1970erJahrengesprochenhat,stelltnichtnuraufPlanungsebeneein bisheuteungelöstesProblemdar. Urbansprawl,Ghettoisierungwie MusealisierungderInnenstädte,zunehmendePrivatisierungdesöffentlichenRaumes,dassindnureinigederSchlagworte,unterdenen seitden1980erJahrendieKrisederStadtdiskutiertwird.Leitbild dieserDiskussionistmehroderwenigerdeutlichdasderhistorischen europäischenStadtmitihrenklarenBegrenzungenzumUmlandund ihremIdealvonÖffentlichkeit.Entsprechendistimmerwiedervon einemVerlustderForm,aberaucheinemVerlustderBedeutungvon StadtdieRede. KevinLynchsTheoriederStadtplanung,wieersieexemplarisch in„TheImageoftheCity“1 entwirft,hateinebensotraditionellesBild vonStadtzurGrundlage.ZugleichstelltsiedenVersuchdar,dieStadt nichtnurübereineMengevonGestaltelementenerfassen,sondern sieauchnachdiesenordnenzukönnen.WaseinerseitsdiebesondereAttraktivitätvonLynchsAnsatzerklärt,eineuniverselleMethode derStadtplanunggefundenzuhaben,beschreibtandererseitseine radikaleVerkürzungvonStadt,dieebennichtineinernachMöglichkeitkontrastreichenOrdnungbesondersprägnanterFormenaufgeht. DaswurdebereitsbeidenerstenFolgestudienzuLynchdeutlich,in denensichderAspektdersozialenundkulturellenBedeutungder FormalsdaseigentlicheProblemderStadt-undRaumwahrnehmung unddamitauchderPlanungvonStadtzeigte.HeutemitLynchzu arbeitensetztdemnachnichtnureineAuseinandersetzungmitden strukturalenundgestalttheoretischenVoraussetzungenseinerStadtplanungstheorievoraus,sondernwäreumdiein„TheImageofthe City“weitgehendausgeblendetenZusammenhängevonFormund Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960.

186Die visuelle Ordnung der

Abb.1:FlorencefromtheSouth(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageof theCity,Cambridge/Mass.1960,S.93)

Abb.2:TheBostonPeninsulafromtheNorth(Lynch,Kevin,TheImage oftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.17)

Das Image vonJerseyCityerweistsichalsebensoundifferenziert wiedieStadtselbst.BeiLosAngeles,Beispielfüreinehochgradig motorisierteStadt,sindesvorallemdieräumlicheAusdehnungund dasrechtwinkligeStraßenraster,diedasErstelleneinesfunktionalen Image erschweren.

AuchdieimSurvey 19

Abb.4:ProblemsoftheBostonImage(Quelle:Lynch,Kevin,The ImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.24) erhobenenKartenvonBoston,JerseyCityundLosAngelesstellen solcheBilderdar.Siesetzensichausdeno.g.fünfElementenzusammenundergebeneindieStädtecharakterisierendesDiagramm.Für BostonistzudemeineKarteerstellt,diejeneOrtezeigt,diesichder WahrnehmungdurchdieBewohnerentwederentziehenoderaber zumehrdeutigenWahrnehmungenführen,alsooffensichtlichkeine markanteFormaufweisen.(Vgl.Abb.4)DieseKartegiltalsGrundlage fürdiezukünftigeStadtplanung(„preparationofadesignplan“20 ). DieUntersuchungderStädtebestätigtedieErwartungen:Boston, genauer,demhistorischenStadtteilBeaconhill,wirdaufgrundseines einheitlichenBaubestandesausdem19.Jahrhundert,seinerhomogenensozialenStrukturundderhügeligenTopografieeinefürdie amerikanischeStadtvergleichsweisehoheLesbarkeitzugesprochen.21

19 WohlundStrausshabendieLuftaufnahmeundähnlicheÜberblickbietendeDarstellungstechnikensowiediemetaphorischeKonzeptualisierungvonStadtalsFormen dessymbolischenManagements(„symbolicmanagement“)beschrieben,mitdenen dieräumlicheKomplexitätundsozialeDiversitätderStadtaufeinegreifbareGröße reduziertundvereinfachtwird:„Notonlydoesthecity-dwellerdevelopasentimentof placegradually,butitisextremelydifficultforhimtovisualizethephysicalorganization ofhiscity,and,evenmore,tomakesenseofitscross-currentsofactivity.Apparentlyan invariablecharacteristicofcitylifeisthatcertainstylizedandsymbolicmeansmustbe resortedtoinorderto’see’thecity.Themostcommonrecourseingettingaspatialimage ofthecityistolookatanaerialphotographinwhichthewholecity–oraconsiderable portionofit–isseenfromagreatheight.Suchaviewseemstoencompassthecity, psychologicallyaswellasphysically.[...]Thesemethods(aerialphotographs,’bird’seye’drawings,models,etc.)ofportrayingthecityspaceareexpressivedeclarationsof itsliteralincomprehensibility.Thecity,asawhole,isinaccessibletotheimagination unlessitcanbereducedandsimplified.”Wohl,R.Richard;Strauss,AnselmL.,Symbolic RepresentationandtheUrbanMilieu,in:AmericanJournalofSociology63(1958),5, S.523-532,hierS.523f.

DieErgebnissederUntersuchungsindwiefolgtdokumentiert: ÜberOrtsbeschreibungen,denendieInterviewsderBewohnerzugrundeliegen,werdenzunächstdieanalysiertenStädtevorgestellt. AmunmittelbarenAnfangfastjederOrtsbeschreibungstehenLuftaufnahmen.SievermittelneinenÜberblicküberdiejeweiligeStadt undentsprechendamitnichtnurLynchsBedürfnis,dieräumliche KomplexitätundsozialeDiversitätderStadtübereinBild–hierüber

Image erschweren.

DieUntersuchungderStädtebestätigtedieErwartungen:Boston, genauer,demhistorischenStadtteilBeaconhill,wirdaufgrundseines einheitlichenBaubestandesausdem19.Jahrhundert,seinerhomogenensozialenStrukturundderhügeligenTopografieeinefürdie amerikanischeStadtvergleichsweisehoheLesbarkeitzugesprochen.21

Abb.5:TheCityImageanditsElements:Path,Node,Edge,Landmark, District(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass. 1960,S.47f.)

DiesemBefundschließtsicheineDefinitionderElementeWeg, Rand,Bezirk,KnotenundLandmarkean,die,dasiejedem Image zugrundeliegen,universellerscheinen.HabenWeg,KnotenundLandmarkealsStraße,PlatzundMonumentschondieältereStadtbaukunst MonumentundeinemkulturellenSymbolderVereinigtenStaatenspricht.Vgl.Mumford,Lewis,BackBayBoston:TheCityasAWorkofArt,Boston1969,S.19.

20 Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.25.

Abb.5:TheCityImageanditsElements:Path,Node,Edge,Landmark, District(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass. 1960,S.47f.)

(vgl.Abb.3)beschränkte.

WohlundStrausshabendieLuftaufnahmeundähnlicheÜberblickbietendeDarstellungstechnikensowiediemetaphorischeKonzeptualisierungvonStadtalsFormen dessymbolischenManagements(„symbolicmanagement“)beschrieben,mitdenen dieräumlicheKomplexitätundsozialeDiversitätderStadtaufeinegreifbareGröße reduziertundvereinfachtwird:„Notonlydoesthecity-dwellerdevelopasentimentof placegradually,butitisextremelydifficultforhimtovisualizethephysicalorganization ofhiscity,and,evenmore,tomakesenseofitscross-currentsofactivity.Apparentlyan invariablecharacteristicofcitylifeisthatcertainstylizedandsymbolicmeansmustbe resortedtoinorderto’see’thecity.Themostcommonrecourseingettingaspatialimage ofthecityistolookatanaerialphotographinwhichthewholecity–oraconsiderable portionofit–isseenfromagreatheight.Suchaviewseemstoencompassthecity, psychologicallyaswellasphysically.[...]Thesemethods(aerialphotographs,’bird’seye’drawings,models,etc.)ofportrayingthecityspaceareexpressivedeclarationsof itsliteralincomprehensibility.Thecity,asawhole,isinaccessibletotheimagination unlessitcanbereducedandsimplified.”Wohl,R.Richard;Strauss,AnselmL.,Symbolic RepresentationandtheUrbanMilieu,in:AmericanJournalofSociology63(1958),5, S.523-532,hierS.523f.

(vgl.Abb.3)beschränkte.

Abb.2:TheBostonPeninsulafromtheNorth(Lynch,Kevin,TheImage oftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.17)

Das Image vonJerseyCityerweistsichalsebensoundifferenziert wiedieStadtselbst.BeiLosAngeles,Beispielfüreinehochgradig motorisierteStadt,sindesvorallemdieräumlicheAusdehnungund dasrechtwinkligeStraßenraster,diedasErstelleneinesfunktionalen

21 WelchenexemplarischenStatusBostonbzw.derhistorischeTeilvonBoston(Back BayArea,Beaconhill)fürdieamerikanischeArchitekturundStadtplanunghat,verdeutlichtauchMumford,wennerinBezugaufdieBackBayAreavoneinemhistorischen

DiesemBefundschließtsicheineDefinitionderElementeWeg, Rand,Bezirk,KnotenundLandmarkean,die,dasiejedem Image zugrundeliegen,universellerscheinen.HabenWeg,KnotenundLandmarkealsStraße,PlatzundMonumentschondieältereStadtbaukunst MonumentundeinemkulturellenSymbolderVereinigtenStaatenspricht.Vgl.Mumford,Lewis,BackBayBoston:TheCityasAWorkofArt,Boston1969,S.19.

erhobenenKartenvonBoston,JerseyCityundLosAngelesstellen solcheBilderdar.Siesetzensichausdeno.g.fünfElementenzusammenundergebeneindieStädtecharakterisierendesDiagramm.Für BostonistzudemeineKarteerstellt,diejeneOrtezeigt,diesichder WahrnehmungdurchdieBewohnerentwederentziehenoderaber zumehrdeutigenWahrnehmungenführen,alsooffensichtlichkeine markanteFormaufweisen.(Vgl.Abb.4)DieseKartegiltalsGrundlage fürdiezukünftigeStadtplanung(„preparationofadesignplan“20 ).

188 Abb.4:ProblemsoftheBostonImage(Quelle:Lynch,Kevin,The ImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.24)

Abb.3:TheVisualFormofBostonasSeenintheField(Quelle:Lynch, Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.147) einBildausderVogelperspektive–zuerfassen.19

DieErgebnissederUntersuchungsindwiefolgtdokumentiert: ÜberOrtsbeschreibungen,denendieInterviewsderBewohnerzugrundeliegen,werdenzunächstdieanalysiertenStädtevorgestellt. AmunmittelbarenAnfangfastjederOrtsbeschreibungstehenLuftaufnahmen.SievermittelneinenÜberblicküberdiejeweiligeStadt undentsprechendamitnichtnurLynchsBedürfnis,dieräumliche KomplexitätundsozialeDiversitätderStadtübereinBild–hierüber

Abb.3:TheVisualFormofBostonasSeenintheField(Quelle:Lynch, Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.147) einBildausderVogelperspektive–zuerfassen.19 AuchdieimSurvey

Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.25. WelchenexemplarischenStatusBostonbzw.derhistorischeTeilvonBoston(Back BayArea,Beaconhill)fürdieamerikanischeArchitekturundStadtplanunghat,verdeutlichtauchMumford,wennerinBezugaufdieBackBayAreavoneinemhistorischen

EindritterSchwerpunktderStudie,dereigentlicherstimAppendix(A)ausgebreitetwird,liegtaufderOrientierungimRaum. SiebeschreibtdiewesentlicheFunktiondesmentalenUmweltbildes. WieLynchinBezugaufeineumfangreichepsychologischeundanthropologischeLiteraturausführt26 ,liegtihrkeinangeborenerOrientierungssinn(„mystic’instinct’ofway-finding“27 )zugrunde,son22 WieetwanochSitte,Camillo,DerStädtebaunachseinenkünstlerischenGrundsätzen,Nachdruckder4.Aufl.(1909),Basel2002.

dernverschiedeneReferenzsysteme,diedergerichtetenBewegung imRaumzweckdienlichsind:angefangenvomegozentrischenKörperschemabishinzubesonderentopografischenoderklimatischen Konstellationen,ausdenensichStand-undZielortablesenlassen.

35 Vgl.hierzuHahn,Peter(Hg.),50JahreNewBauhaus.BauhausnachfolgeinChicago, Berlin1987. 36 KurtKoffkawechselteindesschon1927andasSmithCollege,Northampton/Mass., MaxWertheimerundKurtLewinemigrierten1933undgingenandieNewSchoolfor SocialResearchNewYorkbzw.andieCornellUniversityIthaca,WolfgangKöhlerfolgte 1935andasSwarthmoreCollegePennsylvania.

189 und theoriebestimmt,dannverweistdasKonzeptder„Landmarke“ ferneraufdieGeografie.LynchweichtjedochinsofernvondenTraditionenab,alsermitseinenfünfElementenwenigereineMorphologie derStadtundihrerRäumeverfolgt22

NebendemProblemvonBedeutungundRaumwirftLynchs Image dieFragenachdemVerhältnisvonBildundRaumauf.Raumwahrnehmungund kognitionwerdeninseinerStudievorallemvisuellund voneinerbildhaftenRepräsentationherkonzipiert.Dementspricht aufmethodischerEbenedasVerfahren,dieStadtübereineMenge vonvisuellenZeichenzuerfassen.DiesoaufgezeichnetenRäumeder StadtreduzierensichaufeinDiagramm,ausdemdieMaterialität,der Gebrauch,selbstdieFormderRäumegetilgtist.

35 Vgl.hierzuHahn,Peter(Hg.),50JahreNewBauhaus.BauhausnachfolgeinChicago, Berlin1987. 36 KurtKoffkawechselteindesschon1927andasSmithCollege,Northampton/Mass., MaxWertheimerundKurtLewinemigrierten1933undgingenandieNewSchoolfor SocialResearchNewYorkbzw.andieCornellUniversityIthaca,WolfgangKöhlerfolgte 1935andasSwarthmoreCollegePennsylvania.

NebenRudolfArnheimdürfteKepesderjenigegewesensein,der dieamerikanischeKunstpraxisund theoriemitgestalttheoretischen Ansätzenvertrautgemachthat,insbesonderemitderBerlinerSchule, derenMitgliederMaxWertheimer,WolfgangKöhler,KurtKoffkaund KurtLewininden1930erJahrenebenfallsindieUSAemigrierten. KepesbeziehtsichschoninseinemBuch„LanguageofVision“von 1944aufdieGestalttheorie,vonderer–sicherauchbeeinflusstdurch

DieFunktiondes Image gehtdortüberdasreineRichtungsverhaltenhinaus,woeszugleichdemsozialenGedächtnisundderGruppenidentitätdient:„Way-findingistheoriginalfunctionoftheenvironmentalimage[...].Buttheimageisvaluablenotonlyinthisimmediate senseinwhichitactsasamapforthedirectionofmovement;ina broadersenseitcanserveasageneralframeofreferencewithinwhich theindividualcanact,ortowhichhecanattachhisknowledge.In thiswayitislikeabodyofbelief,orasetofsocialcustoms:itisan organizeroffactsandpossibilities.[...]”28 Lynchbeschreibthierdie VerinnerlichungeinesLandschafts-odergebautenRaumes,indem sichnichtnurdiePraktikenundVorstellungeneinersozialenGruppeverkörpern,sondernvondemdieseauchgeprägtwerden.Damit scheinterzunächstMauriceHalbwachszufolgen,dessen„Lamémoirecollective“Lynchstudierthatte.29 Soenthältdas Image alsräumlich bedingtesunddenmateriellenRaumbedingendesSelbst-undWeltbildeinerGruppebeiHalbwachsnochdiesymbolischenundsozialen OrdnungenebendieserGruppe.Esumfasstalsodas,wasLynchaus seinerUntersuchungdannjedochausschließt,nämlichdenAspekt derBedeutung.DassderurbaneRaumnichtnurausBewegungund Wahrnehmunghervorgeht,sonderngleichzeitigeinkulturelleswie gesellschaftlichesProduktist,bleibtfürdieStadt(planung),folgtman Lynch,weitgehendunberücksichtigt. 28 Ebd.S.125f. 29 Halbwachsschreibt:„Lorsqu’ungroupeestinsérédansunepartiedel’espace,il latransformeàsonimage,maisenmêmetempsilseplieets’adapteàdeschoses matériellesquiluirésistent.Ils’enfermedanslecadrequ’ilaconstruit.L’imagedu milieuextérieuretdesrapportsstablesqu’ilentretientavecluipasseaupremierplan del’idéequ’ilsefaitdeluimême.”Halbwachs,Maurice,Lamémoirecollective,Paris 1950,S.132.

EindritterSchwerpunktderStudie,dereigentlicherstimAppendix(A)ausgebreitetwird,liegtaufderOrientierungimRaum. SiebeschreibtdiewesentlicheFunktiondesmentalenUmweltbildes. WieLynchinBezugaufeineumfangreichepsychologischeundanthropologischeLiteraturausführt26 ,liegtihrkeinangeborenerOrientierungssinn(„mystic’instinct’ofway-finding“27 )zugrunde,son22 WieetwanochSitte,Camillo,DerStädtebaunachseinenkünstlerischenGrundsätzen,Nachdruckder4.Aufl.(1909),Basel2002.

und theoriebestimmt,dannverweistdasKonzeptder„Landmarke“ ferneraufdieGeografie.LynchweichtjedochinsofernvondenTraditionenab,alsermitseinenfünfElementenwenigereineMorphologie derStadtundihrerRäumeverfolgt22 ,selbstwennerüberdieverschiedenenmöglichenFormenvonWegenundPlätzenspricht.Vielmehr machtervonihnenalseinemKlassifikations-undZeichensystem Gebrauch,umzueinerobjektivenNotationderStadtzugelangen unddarüberzueinemBildderStadt,dasderenOrdnungoffenlegt.23

DievisuelleFormwahrnehmungbeginnttatsächlichzudominieren, alsLynch,imRahmendesvonderRockefellerFoundationgeförderten ForschungsprojekteszurwahrnehmbarenFormderStadt32 ,mitGyörgyKepesBostonanalysiert.33 Kepes,dersichinden1920erJahrender ungarischenAvantgardeangeschlossenhatte34 undseit1930mitLászlóMoholy-Nagyzusammenarbeitete,erstindessenLondonerStudio, späterdannandemvonMoholy-NagygeleitetenNewBauhausbzw. derSchoolofDesigninChicago35 ,war1945andieArchitekturfakultät desMITberufenworden.DortunterrichteteerKursezurVisuellenGestaltungundinitiierte1967dieEinrichtungdesCenterforAdvanced VisualStudies.

GebauteRäumemitihrenindividuellenLichtverhältnissenundAtmosphären,FassadenundGehwegein

33 KepeswertetedieErgebnissedergemeinsamenStudieu.a.ausin:NotesonExpressionandCommunicationintheCityscape,in:ArtsandArchitecture78(1961),S.16-17, 28. 34 UndzwardervondemSchriftstellerundMalerLajosKassakgegründetenGruppe Munka.Vgl.hierzuKepes,György,TheMITYears:1945-1977,Ausstellungskatalog, HaydenGallery,MIT,Cambridge/Mass.1978.

ZusammenmitmechanischenAufzeichnungsverfahren,wieLuftaufnahmenoder photogrid 24 ,solldieausdenfünfElementenerstellte imagemap einetotaleRaumrepräsentationermöglichen.25

27 Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.3.

DerentsprechendeAnsatz,dieStadtalseineStrukturrelationaler Elementezuerfassen,verweistaufdiestrukturaleLinguistikundAnthropologie.ThomasSievertshatdarüberhinauseineVerbindungzur ZeichentheorievonCharlesMorrishergestellt,insoferndas Image mit seinendreiKomponentenIdentität,StrukturundpraktischeBedeutungdenZeichendimensionenSemantik,SyntaxundPragmatikzu entsprechenscheint.30 EsgibtjedochnocheinenanderenAnschluss, derüberdenanderStudiebeteiligtenGyörgyKepesnochunmittelbarergegebenist:dieGestalttheorie.AusihrerPerspektivekönnen Weg,Rand,Bezirk,KnotenpunktundLandmarkealsGestaltelemente betrachtetwerden.

30 DerSurveyvonFlorenzumfasstsoanKategorien:„Space,orientation,middle distancepicture,eyeleveldetail,floor,humanactivity,traffic,noiseandsmells.”Lynch, Kevin,TheTravelJournals(wieAnm.2),S.118f.

31 Sieverts,Thomas,Wiedergelesen.KevinLynchundChristopherAlexander.Das AufbrechenundWiedererfindenderKonvention–AufderSpurdesGeheimnisses lebendigerRäumeundStädte,in:DISP129(1997),S.52-59.Vgl.hierzufernerMorris, CharlesW.,FoundationsoftheTheoryofSigns,Chicago1938.

27 Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.3.

33 KepeswertetedieErgebnissedergemeinsamenStudieu.a.ausin:NotesonExpressionandCommunicationintheCityscape,in:ArtsandArchitecture78(1961),S.16-17, 28. 34 UndzwardervondemSchriftstellerundMalerLajosKassakgegründetenGruppe Munka.Vgl.hierzuKepes,György,TheMITYears:1945-1977,Ausstellungskatalog, HaydenGallery,MIT,Cambridge/Mass.1978.

23 DazuBanerjeeundSouthworth:„Inhisattempttosystematicallydescribeand documentthevisualformofcities,Lynchbeganwithacleanslate.Therewereno previousmethods,nolanguagesorlexicons,nonotationsystemsonwhichsuchwork couldbebased.Lynchwascuriousaboutseveralthings:Howtorepresentlarge-scale visualenvironments?Whataretheimportantvisualqualities?Whatcanbemeasured objectively?Clearlythetechniquesofarchitecturaldrawing–plans,sections,elevations,perspectives–werenotsufficient.Conventionalland-usemapswerealsototally inadequate.InthedaysofCamilloSitte,DanielBurnham,andFrederickLawOlmsted, civicandlandscapedesignhadbeenbasedlargelyonarchitecturalrepresentations. Objectivedocumentationofthevisualqualityofthenaturalorbuiltlandscapeswasnot requiredinthattradition.Sothiswasindeedanewfrontiertobeexploredinthefieldof environmentaldesignarts.”Banerjee,Tridib;Southworth,Michael,AnalysisofVisual Form.Introduction,in:Banerjee;Southworth,CitySense(wieAnm.2),S.260.

26 DieungefährzweiDritteldesgesamtenLiteraturverzeichnisseseinnimmt.

25 Lynch,Kevin,AProcessofCommunityVisualSurvey,in:Banerjee;Southworth, CitySense(wieAnm.2),S.263-286,hierS.266.

DieFunktiondes Image gehtdortüberdasreineRichtungsverhaltenhinaus,woeszugleichdemsozialenGedächtnisundderGruppenidentitätdient:„Way-findingistheoriginalfunctionoftheenvironmentalimage[...].Buttheimageisvaluablenotonlyinthisimmediate senseinwhichitactsasamapforthedirectionofmovement;ina broadersenseitcanserveasageneralframeofreferencewithinwhich theindividualcanact,ortowhichhecanattachhisknowledge.In thiswayitislikeabodyofbelief,orasetofsocialcustoms:itisan organizeroffactsandpossibilities.[...]”28 Lynchbeschreibthierdie VerinnerlichungeinesLandschafts-odergebautenRaumes,indem sichnichtnurdiePraktikenundVorstellungeneinersozialenGruppeverkörpern,sondernvondemdieseauchgeprägtwerden.Damit scheinterzunächstMauriceHalbwachszufolgen,dessen„Lamémoirecollective“Lynchstudierthatte.29 Soenthältdas Image alsräumlich bedingtesunddenmateriellenRaumbedingendesSelbst-undWeltbildeinerGruppebeiHalbwachsnochdiesymbolischenundsozialen OrdnungenebendieserGruppe.Esumfasstalsodas,wasLynchaus seinerUntersuchungdannjedochausschließt,nämlichdenAspekt derBedeutung.DassderurbaneRaumnichtnurausBewegungund Wahrnehmunghervorgeht,sonderngleichzeitigeinkulturelleswie gesellschaftlichesProduktist,bleibtfürdieStadt(planung),folgtman Lynch,weitgehendunberücksichtigt. 28 Ebd.S.125f. 29 Halbwachsschreibt:„Lorsqu’ungroupeestinsérédansunepartiedel’espace,il latransformeàsonimage,maisenmêmetempsilseplieets’adapteàdeschoses matériellesquiluirésistent.Ils’enfermedanslecadrequ’ilaconstruit.L’imagedu milieuextérieuretdesrapportsstablesqu’ilentretientavecluipasseaupremierplan del’idéequ’ilsefaitdeluimême.”Halbwachs,Maurice,Lamémoirecollective,Paris 1950,S.132.

BildohneRaum–RaumimBild

25 Lynch,Kevin,AProcessofCommunityVisualSurvey,in:Banerjee;Southworth, CitySense(wieAnm.2),S.263-286,hierS.266.

26 DieungefährzweiDritteldesgesamtenLiteraturverzeichnisseseinnimmt.

NebendemProblemvonBedeutungundRaumwirftLynchs Image dieFragenachdemVerhältnisvonBildundRaumauf.Raumwahrnehmungund kognitionwerdeninseinerStudievorallemvisuellund voneinerbildhaftenRepräsentationherkonzipiert.Dementspricht aufmethodischerEbenedasVerfahren,dieStadtübereineMenge vonvisuellenZeichenzuerfassen.DiesoaufgezeichnetenRäumeder StadtreduzierensichaufeinDiagramm,ausdemdieMaterialität,der Gebrauch,selbstdieFormderRäumegetilgtist. DerentsprechendeAnsatz,dieStadtalseineStrukturrelationaler Elementezuerfassen,verweistaufdiestrukturaleLinguistikundAnthropologie.ThomasSievertshatdarüberhinauseineVerbindungzur ZeichentheorievonCharlesMorrishergestellt,insoferndas Image mit seinendreiKomponentenIdentität,StrukturundpraktischeBedeutungdenZeichendimensionenSemantik,SyntaxundPragmatikzu entsprechenscheint.30 EsgibtjedochnocheinenanderenAnschluss, derüberdenanderStudiebeteiligtenGyörgyKepesnochunmittelbarergegebenist:dieGestalttheorie.AusihrerPerspektivekönnen Weg,Rand,Bezirk,KnotenpunktundLandmarkealsGestaltelemente betrachtetwerden.

ihrerMaterialität,dieAuslagenindenSchaufenstern,Bewegungund HabitusderPassanten,Verkehrsdichte,alldasgehörthier–undin denspäterenSchriftenwiederdeutlicher–zudencharakteristischen ElementeneinerStadt. DievisuelleFormwahrnehmungbeginnttatsächlichzudominieren, alsLynch,imRahmendesvonderRockefellerFoundationgeförderten ForschungsprojekteszurwahrnehmbarenFormderStadt32 ,mitGyörgyKepesBostonanalysiert.33 Kepes,dersichinden1920erJahrender ungarischenAvantgardeangeschlossenhatte34 undseit1930mitLászlóMoholy-Nagyzusammenarbeitete,erstindessenLondonerStudio, späterdannandemvonMoholy-NagygeleitetenNewBauhausbzw. derSchoolofDesigninChicago35 ,war1945andieArchitekturfakultät desMITberufenworden.DortunterrichteteerKursezurVisuellenGestaltungundinitiierte1967dieEinrichtungdesCenterforAdvanced VisualStudies.

dernverschiedeneReferenzsysteme,diedergerichtetenBewegung imRaumzweckdienlichsind:angefangenvomegozentrischenKörperschemabishinzubesonderentopografischenoderklimatischen Konstellationen,ausdenensichStand-undZielortablesenlassen.

BildohneRaum–RaumimBild

24 Beim„photogrid“wirdübereineKartederStadteinorthogonalesRastergelegt, dessenSchnittpunkteaufderKarteeingetragenwerdenunddenOrtvorgeben,andem vonderStadtFotografiengemachtwerden.

24 Beim„photogrid“wirdübereineKartederStadteinorthogonalesRastergelegt, dessenSchnittpunkteaufderKarteeingetragenwerdenunddenOrtvorgeben,andem vonderStadtFotografiengemachtwerden.

NebenRudolfArnheimdürfteKepesderjenigegewesensein,der dieamerikanischeKunstpraxisund theoriemitgestalttheoretischen Ansätzenvertrautgemachthat,insbesonderemitderBerlinerSchule, derenMitgliederMaxWertheimer,WolfgangKöhler,KurtKoffkaund KurtLewininden1930erJahrenebenfallsindieUSAemigrierten.36 KepesbeziehtsichschoninseinemBuch„LanguageofVision“von 1944aufdieGestalttheorie,vonderer–sicherauchbeeinflusstdurch

,selbstwennerüberdieverschiedenenmöglichenFormenvonWegenundPlätzenspricht.Vielmehr machtervonihnenalseinemKlassifikations-undZeichensystem Gebrauch,umzueinerobjektivenNotationderStadtzugelangen unddarüberzueinemBildderStadt,dasderenOrdnungoffenlegt.23 ZusammenmitmechanischenAufzeichnungsverfahren,wieLuftaufnahmenoder photogrid 24 ,solldieausdenfünfElementenerstellte imagemap einetotaleRaumrepräsentationermöglichen.25

32 DasmehrjährigeForschungsprojektzur„PerceptualFormoftheCity“waram CenterforUrbanandRegionalStudiesdesMITangesiedelt.

31 Sieverts,Thomas,Wiedergelesen.KevinLynchundChristopherAlexander.Das AufbrechenundWiedererfindenderKonvention–AufderSpurdesGeheimnisses lebendigerRäumeundStädte,in:DISP129(1997),S.52-59.Vgl.hierzufernerMorris, CharlesW.,FoundationsoftheTheoryofSigns,Chicago1938.

32 DasmehrjährigeForschungsprojektzur„PerceptualFormoftheCity“waram CenterforUrbanandRegionalStudiesdesMITangesiedelt.

23 DazuBanerjeeundSouthworth:„Inhisattempttosystematicallydescribeand documentthevisualformofcities,Lynchbeganwithacleanslate.Therewereno previousmethods,nolanguagesorlexicons,nonotationsystemsonwhichsuchwork couldbebased.Lynchwascuriousaboutseveralthings:Howtorepresentlarge-scale visualenvironments?Whataretheimportantvisualqualities?Whatcanbemeasured objectively?Clearlythetechniquesofarchitecturaldrawing–plans,sections,elevations,perspectives–werenotsufficient.Conventionalland-usemapswerealsototally inadequate.InthedaysofCamilloSitte,DanielBurnham,andFrederickLawOlmsted, civicandlandscapedesignhadbeenbasedlargelyonarchitecturalrepresentations. Objectivedocumentationofthevisualqualityofthenaturalorbuiltlandscapeswasnot requiredinthattradition.Sothiswasindeedanewfrontiertobeexploredinthefieldof environmentaldesignarts.”Banerjee,Tridib;Southworth,Michael,AnalysisofVisual Form.Introduction,in:Banerjee;Southworth,CitySense(wieAnm.2),S.260.

ImGegensatzzuden„TheImageoftheCity“kennzeichnenden strukturalenundgestalttheoretischenAnsätzenzeigtsichLynchin denReisetagebüchernundin„NotesonCitySatisfactions“nochals ein„Raumwanderer“,derdieStadtinihrerDynamiküberalleSinne zuerschließensucht.NichtnurdasSehenbestimmtdieWahrnehmung derStadt,Gerüche,GeräuscheundtaktileSensationenerweisensich fürsiealsebensogrundlegend.31

ihrerMaterialität,dieAuslagenindenSchaufenstern,Bewegungund HabitusderPassanten,Verkehrsdichte,alldasgehörthier–undin denspäterenSchriftenwiederdeutlicher–zudencharakteristischen ElementeneinerStadt.

ImGegensatzzuden„TheImageoftheCity“kennzeichnenden strukturalenundgestalttheoretischenAnsätzenzeigtsichLynchin denReisetagebüchernundin„NotesonCitySatisfactions“nochals ein„Raumwanderer“,derdieStadtinihrerDynamiküberalleSinne zuerschließensucht.NichtnurdasSehenbestimmtdieWahrnehmung derStadt,Gerüche,GeräuscheundtaktileSensationenerweisensich fürsiealsebensogrundlegend.31 GebauteRäumemitihrenindividuellenLichtverhältnissenundAtmosphären,FassadenundGehwegein 30 DerSurveyvonFlorenzumfasstsoanKategorien:„Space,orientation,middle distancepicture,eyeleveldetail,floor,humanactivity,traffic,noiseandsmells.”Lynch, Kevin,TheTravelJournals(wieAnm.2),S.118f.

DasKonzeptder„gutenGestalt“oderPrägnanzwurdewesentlichvonMaxWertheimerformuliert.ErbezeichnetedamitdieTendenz,dassdieWahrnehmungsreize bereitsimProzessderWahrnehmung,alsonichtdurcheinennachträglichensynthetischenAktderAssoziationundInterpretation,automatischzueinerGestaltgefügt werden,dieeinenhohenOrdnungsgrad,AbgehobenheitvomHintergrundsowieStabilitätgegenüberVeränderungenaufweist.

KnotenpunktundLandmarkeauchalsGestaltelemente,ausdenen sichdasBildderStadtalseinjedeseinzelneElementübersteigendes Ganzeskonstituiert.Dieswirdin„TheImageoftheCity“besonders imKapitelzur„CityForm“deutlich.

50 Gottdiener,Mark;Lagopoulos,AlexandrosPh.,Introduction,in:Gottdiener;Lagopoulos,TheCityandtheSign(wieAnm.7),S.1-22,hierS.7.

RobertHollisterherausgegebeneBuch„CitiesoftheMind.Imagesand ThemesoftheCityintheSocialSciences“.Dortwirddas Image der Stadtzueinem„thematicurbanimage“47 undnähertsichdamiteinem kollektivenVorstellungs-undLeitbildan,dasdieAnsichten,Gefühle undWertungenverschiedenersozialerGruppen(undWissenschaftsdisziplinen)gegenüberderStadtenthält.IndiesemZusammenhang aucherfahrendiezahlreichenMetaphernvonStadtalseinebesondere Gruppevonwahrnehmungs-undhandlungsleitendenBildern,welche zugleichderAneignungvonStadtdienen48 ,einekritischeReflexion.49

DenndieStraßen,GebäudeundRäumederStadtsollenvorallemaufgrunddespraktischen, sozialenundemotionalenGehalteswahrgenommenwerden,densie fürdieverschiedenenNutzerhaben.DieserGehaltistseinerseitsnicht zutrennenvonderWeltanschauungsozialerGruppen.Das Image derStadtwirddarüberzueinemGegenstandderIdeologieundihrer Kritik:„[...]therelationofpeopletothecitygoesbeyondperceptual recognitionandintroducestheroleofideology.Inshort,theinhabitant 47 Rodwin,Lloyd;Hollister,RobertM.,Images,Themes,andUrbanography,in:Rodwin;Hollister,CitiesoftheMind(wieAnm.6),S.3-18,hierS.7.

DrittensbesitztdiemoderneGroßstadtimGegensatzzurhistorischenStadtfürLynch–wieschonfürKepesundauchfürLewis Mumford,dessenSchriftenzurStadtbeiLynchnachhaltigenEindruck hinterlassenhaben42 –keineGestaltmehr.Hierwiedortwirdein ur42 Vgl.hierzuinsbesondereMumford,TheCulture(wieAnm.8).

DasAnwendenderentsprechendenGestaltgesetzeführtbeiKepesnichtnurzueinemneuenSehen,sondernauchzueinerneuen, undzwar„dynamischenIkonografie“,welchezugleichaufdieverändertenWahrnehmungsanforderungendurcheinebeschleunigteund technischreproduzierteWeltreagiert.39 In„TheNewLandscapein ArtandScience“,dasAusstellungsprojektundBuchvonKepes40 ,das in„TheImageoftheCity“angeführtwird,istesnebendenjüngeren BildmedienFotografieundFilmvorallemdieIndustrialisierung,die mitihrenAuswirkungenaufLandschaftundStadteinegestalthafte Wahrnehmungherausfordert

50 Gottdiener,Mark;Lagopoulos,AlexandrosPh.,Introduction,in:Gottdiener;Lagopoulos,TheCityandtheSign(wieAnm.7),S.1-22,hierS.7.

46 WieetwaRegelmäßigkeit,aberauchInkongruität.

Dieunsichtbaren citiesofthemind,dieimaginärenStädte,erweisen sichdabeialsebensorealwiediekonkretenStädteselbst.

DasAnwendenderentsprechendenGestaltgesetzeführtbeiKepesnichtnurzueinemneuenSehen,sondernauchzueinerneuen, undzwar„dynamischenIkonografie“,welchezugleichaufdieverändertenWahrnehmungsanforderungendurcheinebeschleunigteund technischreproduzierteWeltreagiert.39 In„TheNewLandscapein ArtandScience“,dasAusstellungsprojektundBuchvonKepes40 ,das in„TheImageoftheCity“angeführtwird,istesnebendenjüngeren BildmedienFotografieundFilmvorallemdieIndustrialisierung,die mitihrenAuswirkungenaufLandschaftundStadteinegestalthafte Wahrnehmungherausfordert

Abb.6:FormQualities:Figure-backgroundClarity,ClarityofJoint, FormSimplicity,DirectionalDifferentiation,Continuity,VisualScope,Dominance(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.105f.)

IndreierleiHinsichtschließtLynchanKepesan:Erstensgreifter Image -Begriffauf,denKepesin„TheNewLandscapeinArtand Science“bereitsimSinneeinermentalenRepräsentationderAußenweltverwendet,diezukünftigesHandelnorientiert.Zweitensversteht LynchdiephysischeFormderStadtinAnlehnungandieGestalttheoriealseineGestalt,diesichdortalsprägnantbzw.guterweist41 ,wosie einegrößtmöglicheOrdnung,Geschlossenheit,Eindeutigkeit,Klarheit aufweist.IndiesemZusammenhangerscheinenWeg,Rand,Bezirk, Kandinsky,Wassily,PunktundLiniezuFläche.BeitragzurAnalysedermalerischen Elemente,München1926. Kepes,György,LanguageofVision,Chicago1944,S.15. Ebd.S.14. DieAusstellung TheNewLandscapeinArtandScience fand1951inderHayden GallerydesMITstatt,dasgleichnamigeBucherschien1956.Vgl.Kepes,György,The NewLandscapeinArtandScience,Chicago1956.

44 Gulick,John,ImagesofanArabCity,in:JournaloftheAmericanInstituteofPlanners28(1962),S.179-198;deJonge,Derk,ImagesofUrbanAreas:TheirStructureand PsychologicalFoundations,in:JournaloftheAmericanInstituteofPlanners28(1962), S.266-267;Wohlwill,J.F.,ThePhysicalEnvironment:AProblemforaPsychologyofStimulation,in:JournalofSocialIssues22(1966),S.29-39;Appleyard,Donald,Stylesand MethodsofStructuringaCity,in:EnvironmentandBehavior(1970),2,S.100-116;Harrison,JamesD.;Howard,WilliamA.,TheRoleofMeaningintheUrbanEnvironment,in: EnvironmentandBehavior4(1972),S.389-411.

DrittensbesitztdiemoderneGroßstadtimGegensatzzurhistorischenStadtfürLynch–wieschonfürKepesundauchfürLewis Mumford,dessenSchriftenzurStadtbeiLynchnachhaltigenEindruck hinterlassenhaben42 –keineGestaltmehr.Hierwiedortwirdein ur42 Vgl.hierzuinsbesondereMumford,TheCulture(wieAnm.8).

Abb.6:FormQualities:Figure-backgroundClarity,ClarityofJoint, FormSimplicity,DirectionalDifferentiation,Continuity,VisualScope,Dominance(Quelle:Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960,S.105f.)

DiezweiteVeröffentlichung„TheCityandtheSign.AnIntroductiontoUrbanSemiotics“kommtvonsozio-semiotischerSeiteund kritisiertLynchfundamental.ZwarwirdseinerStudiezugestanden, dieStadtmethodischerstmalsausderPerspektivederNutzerbetrachtetzuhaben,waszueinemParadigmenwechselinderStadtplanung führt,dochgreifesiedortzukurz,wosiezurBedeutungvonStadt lediglichüberdieWahrnehmungihrerFormbzw.überdieAnalyse von„mentalmaps“zugelangensuche.50

DiezweiteVeröffentlichung„TheCityandtheSign.AnIntroductiontoUrbanSemiotics“kommtvonsozio-semiotischerSeiteund kritisiertLynchfundamental.ZwarwirdseinerStudiezugestanden, dieStadtmethodischerstmalsausderPerspektivederNutzerbetrachtetzuhaben,waszueinemParadigmenwechselinderStadtplanung führt,dochgreifesiedortzukurz,wosiezurBedeutungvonStadt lediglichüberdieWahrnehmungihrerFormbzw.überdieAnalyse von„mentalmaps“zugelangensuche.50

47 Rodwin,Lloyd;Hollister,RobertM.,Images,Themes,andUrbanography,in:Rodwin;Hollister,CitiesoftheMind(wieAnm.6),S.3-18,hierS.7. 48 Vgl.hierzunocheinmalWohl;Strauss,SymbolicRepresentation(wieAnm.19). 49 Vgl.hierzuauchdenBeitragvonLanger,Peter,Sociology–FourImagesofOrganizedDiversity:Bazaar,Jungle,Organism,andMachine,in:Rodwin;Hollister,Citiesof theMind(wieAnm.6),S.97-117.

fand1951inderHayden GallerydesMITstatt,dasgleichnamigeBucherschien1956.Vgl.Kepes,György,The NewLandscapeinArtandScience,Chicago1956.

FormohneBedeutung–Ausdrucks-undBedeutungsgehaltder BereitskurznachdemErscheinenvon„TheImageoftheCity“werdennachLynchsMethodeverschiedeneStädteaufihre Images hin untersucht44 undgeplant45 .DieseArbeitenführennichtnurzueinerErweiterungdessen,wasanFormqualitätendieWahrnehmung derStadtprägt.46 Siezeigenauch,welcheBedeutungdensozialen undsymbolischenOrdnungeneinerGesellschaftfürdas Image der Stadtzukommt.WahrnehmungundmentaleRepräsentationvonStadt erscheinenjetztzunehmendvonanderenFaktorenalsdenenderphysischenFormabhängig.WelcheBegriffsnuancierungdamitstattgefundenhat,verdeutlichenzweiVeröffentlichungenausden1980er Jahren.DieeineistdasvonLloydRodwin,engerMitarbeitervon Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.94. Gulick,John,ImagesofanArabCity,in:JournaloftheAmericanInstituteofPlanners28(1962),S.179-198;deJonge,Derk,ImagesofUrbanAreas:TheirStructureand PsychologicalFoundations,in:JournaloftheAmericanInstituteofPlanners28(1962), S.266-267;Wohlwill,J.F.,ThePhysicalEnvironment:AProblemforaPsychologyofStimulation,in:JournalofSocialIssues22(1966),S.29-39;Appleyard,Donald,Stylesand MethodsofStructuringaCity,in:EnvironmentandBehavior(1970),2,S.100-116;Harrison,JamesD.;Howard,WilliamA.,TheRoleofMeaningintheUrbanEnvironment,in: EnvironmentandBehavior4(1972),S.389-411. Appleyard,Donald,PlanningaPluralistCity:ConflictingRealitiesinCiudadGuayana,Cambridge/Mass.1976. WieetwaRegelmäßigkeit,aberauchInkongruität.

Lyncham DepartmentofUrbanStudiesandPlanning amMIT,und

TheNewLandscapeinArtandScience

KnotenpunktundLandmarkeauchalsGestaltelemente,ausdenen sichdasBildderStadtalseinjedeseinzelneElementübersteigendes Ganzeskonstituiert.Dieswirdin„TheImageoftheCity“besonders imKapitelzur„CityForm“deutlich.

Kandinskys„PunktundLiniezuFläche“37 –eineeigeneTheoriedes BildesundseinerOrdnungableitet.NachdieserTheoriezeigtsichdie visuelleWahrnehmungalseinautomatischerschöpferischerProzess, beidemdieaufdieNetzhauttreffendenLichtreizezu„unified,organic integriertwerden.

Kandinskys„PunktundLiniezuFläche“37 –eineeigeneTheoriedes BildesundseinerOrdnungableitet.NachdieserTheoriezeigtsichdie visuelleWahrnehmungalseinautomatischerschöpferischerProzess, beidemdieaufdieNetzhauttreffendenLichtreizezu„unified,organic wholes“38 integriertwerden.

190 bansprawl konstatiert,einewillkürlicheAusbreitungderStadtindie umgebendeLandschaft,mitderdieGrenzenunddamitdieGeschlossenheitderStadtaufgehobenwerden:„Althoughthemetropolisisno longerararephenomenon,yetnowhereintheworldisthereametropolitanareawithanystrongvisualcharacter,anyevidentstructure. Thefamouscitiesallsufferfromthesamefacelesssprawlattheperiphery.”43 ZumGegenbildundIdealeinerprägnantenStadtgestaltwird diemittelalterlicheundfrühneuzeitlicheeuropäischeStadt,werden FlorenzundVenedig,dieLynchAnfangder1950erJahreaufgesucht hatteunddieoffensichtlichseineigenesimaginäres Image vonStadt geprägthaben.

45 Appleyard,Donald,PlanningaPluralistCity:ConflictingRealitiesinCiudadGuayana,Cambridge/Mass.1976.

bansprawl konstatiert,einewillkürlicheAusbreitungderStadtindie umgebendeLandschaft,mitderdieGrenzenunddamitdieGeschlossenheitderStadtaufgehobenwerden:„Althoughthemetropolisisno longerararephenomenon,yetnowhereintheworldisthereametropolitanareawithanystrongvisualcharacter,anyevidentstructure. ThefamouscitiesallsufferfromthesamefacelesssprawlattheperiZumGegenbildundIdealeinerprägnantenStadtgestaltwird diemittelalterlicheundfrühneuzeitlicheeuropäischeStadt,werden FlorenzundVenedig,dieLynchAnfangder1950erJahreaufgesucht hatteunddieoffensichtlichseineigenesimaginäres Image vonStadt geprägthaben.

DenndieStraßen,GebäudeundRäumederStadtsollenvorallemaufgrunddespraktischen, sozialenundemotionalenGehalteswahrgenommenwerden,densie fürdieverschiedenenNutzerhaben.DieserGehaltistseinerseitsnicht zutrennenvonderWeltanschauungsozialerGruppen.Das Image derStadtwirddarüberzueinemGegenstandderIdeologieundihrer Kritik:„[...]therelationofpeopletothecitygoesbeyondperceptual recognitionandintroducestheroleofideology.Inshort,theinhabitant

Siezeigenauch,welcheBedeutungdensozialen undsymbolischenOrdnungeneinerGesellschaftfürdas Image der Stadtzukommt.WahrnehmungundmentaleRepräsentationvonStadt erscheinenjetztzunehmendvonanderenFaktorenalsdenenderphysischenFormabhängig.WelcheBegriffsnuancierungdamitstattgefundenhat,verdeutlichenzweiVeröffentlichungenausden1980er Jahren.DieeineistdasvonLloydRodwin,engerMitarbeitervon 43 Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.94.

49 Vgl.hierzuauchdenBeitragvonLanger,Peter,Sociology–FourImagesofOrganizedDiversity:Bazaar,Jungle,Organism,andMachine,in:Rodwin;Hollister,Citiesof theMind(wieAnm.6),S.97-117.

48 Vgl.hierzunocheinmalWohl;Strauss,SymbolicRepresentation(wieAnm.19).

FormohneBedeutung–Ausdrucks-undBedeutungsgehaltder Form BereitskurznachdemErscheinenvon„TheImageoftheCity“werdennachLynchsMethodeverschiedeneStädteaufihre Images hin untersucht44 undgeplant45 .DieseArbeitenführennichtnurzueinerErweiterungdessen,wasanFormqualitätendieWahrnehmung derStadtprägt.46

41 DasKonzeptder„gutenGestalt“oderPrägnanzwurdewesentlichvonMaxWertheimerformuliert.ErbezeichnetedamitdieTendenz,dassdieWahrnehmungsreize bereitsimProzessderWahrnehmung,alsonichtdurcheinennachträglichensynthetischenAktderAssoziationundInterpretation,automatischzueinerGestaltgefügt werden,dieeinenhohenOrdnungsgrad,AbgehobenheitvomHintergrundsowieStabilitätgegenüberVeränderungenaufweist.

Lyncham DepartmentofUrbanStudiesandPlanning amMIT,und RobertHollisterherausgegebeneBuch„CitiesoftheMind.Imagesand ThemesoftheCityintheSocialSciences“.Dortwirddas Image der Stadtzueinem„thematicurbanimage“47 undnähertsichdamiteinem kollektivenVorstellungs-undLeitbildan,dasdieAnsichten,Gefühle undWertungenverschiedenersozialerGruppen(undWissenschaftsdisziplinen)gegenüberderStadtenthält.IndiesemZusammenhang aucherfahrendiezahlreichenMetaphernvonStadtalseinebesondere Gruppevonwahrnehmungs-undhandlungsleitendenBildern,welche zugleichderAneignungvonStadtdienen48 ,einekritischeReflexion.49 Dieunsichtbaren citiesofthemind,dieimaginärenStädte,erweisen sichdabeialsebensorealwiediekonkretenStädteselbst.

39 Ebd.S.14. 40 DieAusstellung

IndreierleiHinsichtschließtLynchanKepesan:Erstensgreifter den Image -Begriffauf,denKepesin„TheNewLandscapeinArtand Science“bereitsimSinneeinermentalenRepräsentationderAußenweltverwendet,diezukünftigesHandelnorientiert.Zweitensversteht LynchdiephysischeFormderStadtinAnlehnungandieGestalttheoriealseineGestalt,diesichdortalsprägnantbzw.guterweist41 ,wosie einegrößtmöglicheOrdnung,Geschlossenheit,Eindeutigkeit,Klarheit aufweist.IndiesemZusammenhangerscheinenWeg,Rand,Bezirk, 37 Kandinsky,Wassily,PunktundLiniezuFläche.BeitragzurAnalysedermalerischen Elemente,München1926. 38 Kepes,György,LanguageofVision,Chicago1944,S.15.

57 Langer,SusanneK.,FeelingandForm,ATheoryofArtDevelopedfromPhilosophy inaNewKey,London1963,S.95. 58 „Wearerapidlybuildinganewfunctionalunit,themetropolitanregion,butwehave yettograspthatthisunit,too,shouldhaveitscorrespondingimage.SuzanneLanger setstheprobleminhercapsuledefinitionofarchitecture:’Itisthetotalenvironment madevisible’.”Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.13. 59

ofthecitydoesnotadapttoanenvironment[byaperceptualknowledgeofform,Anm.K.W.],rather,residentsplayaroleintheproduction anduseoftheurbanmilieuthroughurbanpractices.”51

(„spontaneoussymbolism“)undMetaphernbildungspricht,dersich mitderWahrnehmungderAusdrucksqualitäteneinerForm55 einstellt. WasdabeivonderArchitekturwievondenanderenKünstensymbolisiertwird,sinddieexistentiellenErfahrungendesMenschen.56 AuchfürSusanneLanger,derenDefinitionvonArchitekturundStadt als„createdplace“,als„ethnicdomainmadevisible,tangible,sensible“57 Lynchzitiert58 ,istdergebauteRaumAusdruckmenschlicher wiekulturellerExistenz.InseinermateriellenFormverkörpernsich undwerdenunmittelbaranschaulichdiejeeigenenHandlungs ,ZeitundRaumorganisationensozialerGruppen.

ÄhnlicheÜberlegungenfindensichspäterinArnheimsArchitekturtheorie,inderjenervoneinemspontanenAktderSymbolisierung54

Image immerdanneine hoheLesbarkeit,wenndierepräsentiertenUmweltobjekteaufirgendeineWeisekonnotiertsind.MitKepesscheintLynchderphysischen FormdarüberhinauseineneigenenAusdrucks-undBedeutungsgehaltzuzusprechen,andensicheineReihevonAssoziationenund konventionellenBedeutungenknüpfenkann.DementsprechenderfülltbereitsdieFormeinesymbolischeFunktion.Sequenzenoffener undgeschlossenerRäume,niedrigerundhoherGebäude,glatterund texturierterOberflächen,aberauchdemWechselvonpulsierenden EinkaufszonenundkontrolliertenöffentlichenRäumeneignetaufgrunddesgestalthaftenKontrasteseinbesondererAusdrucks-und Bedeutungsgehalt(„expressivequalities“,„expressmeaninginand throughtheirconnections“53 ),derdieSymbolikvonArchitekturund Stadtausmacht.

191 ofthecitydoesnotadapttoanenvironment[byaperceptualknowledgeofform,Anm.K.W.],rather,residentsplayaroleintheproduction anduseoftheurbanmilieuthroughurbanpractices.”51 TatsächlichistinLynchsStudie„Bedeutung“ersteinmaldas,was sichnichtwiedieFormobjektivierenundsystematisierenlässt.52 GleichwohlgibtesauchbeiihmeinenZusammenhangvonForm undBedeutung,insofernsichinderFormBedeutungkristallisiertund dieseverstärkt.Bezeichnenderweisezeigtdas

ÄhnlicheÜberlegungenfindensichspäterinArnheimsArchitekturtheorie,inderjenervoneinemspontanenAktderSymbolisierung54 51 Ebd. 52 „Ifitisourpurposetobuildcitiesfortheenjoymentofvastnumbersofpeopleof widelydiversebackground–andcitieswhichwillalsobeadaptabletofuturepurposes –wemayevenbewisetoconcentrateonthephysicalclarityoftheimageandto allowmeaningtodevelopwithoutourdirectguidance.TheimageoftheManhattan skylinemaystandforvitality,power,decadence,mystery,congestion,greatness,orwhat youwill,butineachcasethatsharppicturecrystallizesandreinforcesthemeaning. Sovariousaretheindividualmeaningsofacity,evenwhileitsformmaybeeasily communicable,thatitappearspossibletoseparatemeaningfromform,atleastinthe earlystagesofanalysis.”Lynch,Kevin,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.9. 53 Kepes,NotesonExpression(wieAnm.33),S.17.

54 Arnheim,Rudolf,TheDynamicsofArchitecturalForm,Berkeley/LosAngeles1977, S.210.

(„spontaneoussymbolism“)undMetaphernbildungspricht,dersich mitderWahrnehmungderAusdrucksqualitäteneinerForm55 WasdabeivonderArchitekturwievondenanderenKünstensymbolisiertwird,sinddieexistentiellenErfahrungendesMenschen. AuchfürSusanneLanger,derenDefinitionvonArchitekturundStadt als„createdplace“,als„ethnicdomainmadevisible,tangible,sensible“57 Lynchzitiert58 ,istdergebauteRaumAusdruckmenschlicher wiekulturellerExistenz.InseinermateriellenFormverkörpernsich undwerdenunmittelbaranschaulichdiejeeigenenHandlungs undRaumorganisationensozialerGruppen.

Dr.KirstenWagneristWissenschaftlicheMitarbeiterinimSonderforschungsbereich447„KulturendesPerformativen“amKulturwissenschaftlichenSeminarderHumboldt-UniversitätzuBerlinsowie MitgliedimNetzwerk„RäumederStadt.PerspektiveneinerkunstgeschichtlichenRaumforschung“.Arbeitsschwerpunkte:Raummodelle desWissensamBeispielvonBibliothek,KarteundStadt,BildderStadt, Raum-undMedientheorie.E-Mail:kirsten.wagner@rz.hu-berlin.de Literaturempfehlungen: Banerjee,Tridib;Southworth,Michael(Hgg.),CitySenseandCity Design.WritingsandProjectsofKevinLynch,Cambridge/Mass.1990. Downs,RogerM.;Stea,David,ImageandEnvironment.Cognitive MappingandSpatialBehavior,Chicago1973.

Gottdiener,Mark;Lagopoulos,AlexandrosPh.(Hgg.),TheCityand theSign.AnIntroductiontoUrbanSemiotics,NewYork1986. Kepes,György,LanguageofVision,Chicago1944.

entsprichtderIdeeeinerPlanbarkeitvonStadt,diesichtrotzodergeradewegenderKrisemodernerUrbanitätungebrochenerAktualität erfreut.

In„TheImageoftheCity“bleibteinesolchesymboltheoretische AuffassungvonArchitekturundStadtjedochimplizit.Esüberwiegt hier,wasauchdieweitereRezeptionvonLynchsAnsätzenbestimmt hat:zumeinendieFormalisierungderStadtanhandeinesuniversellenSystemsvonElementen,mitderschonvonLyncherkannten Konsequenz,dassdieStadtbewohnerwiederausdenPlanungsprozessenausgeschlossenwordensind59 ;zumandereneinkognitivistischer Ansatz,beidemdiekonkreteräumlicheUmgebunggegenüberihrer mentalenRepräsentationebenfallssekundärerscheint.Beidesfreilich 55 ZudiesenAusdrucksqualitätengehörenbeiArnheimbspw.GeradheitundBiegsamkeit,ExpansionundKontraktion,OffenheitundGeschlossenheit.Ebd.S.253. 56 ArnheimweistunterBezugaufTheodorLippsundHeinrichWölfflinsDissertation ProlegomenazueinerPsychologiederArchitektur (1886)zuRechtdaraufhin,dass schondieEinfühlungsästhetikdiesenspezifischenAusdrucks-undBedeutungsgehalt der(architektonischen)FormzuihremGegenstandgemachthat.ImGegensatzzur EinfühlungstheoriegehtArnheimjedochnichtmehrdavonaus,dassdieserGehalt lediglichaufdieProjektionvonLeibempfindungenaufeineansichneutraleForm zurückgeht,sonderndasserimSinnederGestalttheorieindenFormqualitätender wahrgenommenenGegenständeselbstangelegtistbzw.inderWahrnehmungdieser Formqualitätenentsteht.

In„TheImageoftheCity“bleibteinesolchesymboltheoretische AuffassungvonArchitekturundStadtjedochimplizit.Esüberwiegt hier,wasauchdieweitereRezeptionvonLynchsAnsätzenbestimmt hat:zumeinendieFormalisierungderStadtanhandeinesuniversellenSystemsvonElementen,mitderschonvonLyncherkannten Konsequenz,dassdieStadtbewohnerwiederausdenPlanungsprozessenausgeschlossenwordensind59 ;zumandereneinkognitivistischer Ansatz,beidemdiekonkreteräumlicheUmgebunggegenüberihrer mentalenRepräsentationebenfallssekundärerscheint.Beidesfreilich 55 ZudiesenAusdrucksqualitätengehörenbeiArnheimbspw.GeradheitundBiegsamkeit,ExpansionundKontraktion,OffenheitundGeschlossenheit.Ebd.S.253. 56 ArnheimweistunterBezugaufTheodorLippsundHeinrichWölfflinsDissertation ProlegomenazueinerPsychologiederArchitektur (1886)zuRechtdaraufhin,dass schondieEinfühlungsästhetikdiesenspezifischenAusdrucks-undBedeutungsgehalt der(architektonischen)FormzuihremGegenstandgemachthat.ImGegensatzzur EinfühlungstheoriegehtArnheimjedochnichtmehrdavonaus,dassdieserGehalt lediglichaufdieProjektionvonLeibempfindungenaufeineansichneutraleForm zurückgeht,sonderndasserimSinnederGestalttheorieindenFormqualitätender wahrgenommenenGegenständeselbstangelegtistbzw.inderWahrnehmungdieser Formqualitätenentsteht. 57 Langer,SusanneK.,FeelingandForm,ATheoryofArtDevelopedfromPhilosophy inaNewKey,London1963,S.95. 58 „Wearerapidlybuildinganewfunctionalunit,themetropolitanregion,butwehave yettograspthatthisunit,too,shouldhaveitscorrespondingimage.SuzanneLanger setstheprobleminhercapsuledefinitionofarchitecture:’Itisthetotalenvironment madevisible’.”Lynch,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.13. 59 Lynch,Kevin,ReconsideringTheImageoftheCity,in:Rodwin;Hollister,Citiesof theMind(wieAnm.6),S.151-161.

51 Ebd. 52 „Ifitisourpurposetobuildcitiesfortheenjoymentofvastnumbersofpeopleof widelydiversebackground–andcitieswhichwillalsobeadaptabletofuturepurposes –wemayevenbewisetoconcentrateonthephysicalclarityoftheimageandto allowmeaningtodevelopwithoutourdirectguidance.TheimageoftheManhattan skylinemaystandforvitality,power,decadence,mystery,congestion,greatness,orwhat youwill,butineachcasethatsharppicturecrystallizesandreinforcesthemeaning. Sovariousaretheindividualmeaningsofacity,evenwhileitsformmaybeeasily communicable,thatitappearspossibletoseparatemeaningfromform,atleastinthe earlystagesofanalysis.”Lynch,Kevin,TheImageoftheCity(wieAnm.1),S.9. 53 Kepes,NotesonExpression(wieAnm.33),S.17. 54 Arnheim,Rudolf,TheDynamicsofArchitecturalForm,Berkeley/LosAngeles1977, S.210.

Lynch,Kevin,ReconsideringTheImageoftheCity,in:Rodwin;Hollister,Citiesof theMind(wieAnm.6),S.151-161.

Kepes,György,TheNewLandscapeinArtandScience,Chicago1956. Langer,SusanneK.,FeelingandForm.ATheoryofArtDeveloped fromPhilosophyonaNewKey,London1963. Lynch,Kevin,TheImageoftheCity,Cambridge/Mass.1960. Lynch,Kevin,WhatTimeisthisPlace,Cambridge/Mass.1972. Lynch,Kevin,ATheoryofGoodCityForm,Cambridge/Mass.1981. Mumford,Lewis,TheCultureofCities,NewYork1938. Rodwin,Lloyd;Hollister,RobertM.(Hgg.),CitiesoftheMind.Images andThemesoftheCityintheSocialSciences,NewYork1984. Wohl,R.Richard;Strauss,AnselmL.,SymbolicRepresentationandthe UrbanMilieu,in:AmericanJournalofSociology63(1958),5,S.523532.

TatsächlichistinLynchsStudie„Bedeutung“ersteinmaldas,was sichnichtwiedieFormobjektivierenundsystematisierenlässt.52 GleichwohlgibtesauchbeiihmeinenZusammenhangvonForm undBedeutung,insofernsichinderFormBedeutungkristallisiertund dieseverstärkt.Bezeichnenderweisezeigtdas Image immerdanneine hoheLesbarkeit,wenndierepräsentiertenUmweltobjekteaufirgendeineWeisekonnotiertsind.MitKepesscheintLynchderphysischen FormdarüberhinauseineneigenenAusdrucks-undBedeutungsgehaltzuzusprechen,andensicheineReihevonAssoziationenund konventionellenBedeutungenknüpfenkann.DementsprechenderfülltbereitsdieFormeinesymbolischeFunktion.Sequenzenoffener undgeschlossenerRäume,niedrigerundhoherGebäude,glatterund texturierterOberflächen,aberauchdemWechselvonpulsierenden EinkaufszonenundkontrolliertenöffentlichenRäumeneignetaufgrunddesgestalthaftenKontrasteseinbesondererAusdrucks-und Bedeutungsgehalt(„expressivequalities“,„expressmeaninginand throughtheirconnections“53 ),derdieSymbolikvonArchitekturund Stadtausmacht.

Jan Gehl:„“Ich wurde in den 50er-Jahren an der Architekturfakultät der ‚Royal Danish School of Fine Arts‘ zum Architekten ausgebildet. Die modernen Architekten gehörten damals zum Standardrepertoire. Le Corbusier wurde unter den Modernen wie ein Gott verehrt. Nach Le Corbusier musste alles fein säuberlich getrennt werden in Wohn-, Arbeits-, Geschäfts- und Freizeitgebiete. Nie mals sollten sie zusammengeführt werden. Ebenso lern ten wir, dass Städte schlecht und frei stehende Gebäude gut sind. Derartige Dogmen gehörten zu meiner Ausbil dung. Für mich persönlich kam die Wende 1960, als ich nach meinem Diplom eine Psychologin heiratete und ei nen anderen Zugang zum Architekten-Dogma bekam. Plötzlich fragte ich mich: Warum interessieren sich Archi tekten nicht für Menschen? Warum erfährt man in der Architekturausbildung nichts über die Nutzer und Bewoh ner von Gebäuden? Einige Zeit später reiste ich mit meiner Frau nach Italien. Wir wollten erfahren, wie in itali enischen Städten der öffentliche Raum genutzt wird. Und wie öffentlicher Raum und Architektur in den Städten das Leben beeinfussen.“ Jan Gehl besuchte damals in Siena die berühmte Piazza del Campo. In seinem kürzlich erschienenen Buch „Städ te für Menschen“ führt er aus, dass er dort zum ersten Mal erfahren hat, wie wichtig das menschliche Maß für eine gelungene Stadtplanung ist. Lakonisch heißt es dort: “135 Meter mal 90 Meter. Eine Reihe von Pollern, die in geringem Abstand zu den Gebäuden ringsum stehen,

Frage: Im Deutschland der 60er-Jahre wurde die stadt kritische Debatte besonders durch Alexander Mitscher lich geprägt, dessen Buch “Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ lange in den Bestsellerlisten stand. Der Frankfur ter Psychoanalytiker kritisierte die moderne, funktionalis tische Architektur, die zu toten Wohn- und Schlafstädten führte. Gab es in Dänemark seinerzeit andere Leitbilder?

Jan Gehl Der Architektmenschenfreundliche

Frage: Herr Gehl, Architekten und Stadtplaner sind be kanntlich Ordnungsliebhaber. Für Brachen und Baulü cken interessieren sie sich nur dann, wenn sich dort neue, wohl geordnete architektonische Gebilde errichten lassen. So haben Sie doch auch einmal gedacht?

192 Ein Artikel des Deutschlandfunk, Autor Klaus Englert

begrenzt einen Verkehrsstreifen, von dem aus man die magische Distanz von 100 Metern zum Mittelpunkt des Platzes und damit den ungehinderten Blick über die sich zum Rathaus neigende Platzfäche genießt.“

Jan Gehl: “In Dänemark hatten wir nicht so viel kulturellen Austausch mit Deutschland. Es gab andere Bezugsquellen und Vorbilder. In meinen Augen war Jane Jacobs die Begründerin einer humanistischen, an den menschlichen Bedürfnissen orientierten Stadtplanung. 1961 erschien ihr Buch ‚The Death and Life of Great American Cities‘, das sich vehement gegen die Moder nisten und ihr Verständnis von Verkehrsplanung wandte. Bedenken Sie, dass die modernen Architekten nach dem Krieg für massenhaft produzierte, große Wohnkomplexe eintraten. ‚Plattenbauten‘ mit breiten Verkehrsschneisen sollten den Weg in die Zukunft ebnen. Als in den frühen 50er-Jahren der Autoverkehr stark zunahm, sahen sie sich bestätigt. Leider kam es so, dass der ‚Wiederaufbau‘ in Deutschland und England in einer Zeit begann, als die Stadtplanung ihren Tiefpunkt erreichte.“ “Erst später erkannten wir, dass das, was Le Cor busier und seine Anhänger sagten, mit gut gebauten Städten unvereinbar ist. Ihre Forderung war: Wir haben den modernen Menschen, also muss sich auch alles Weitere ändern: Straßen und Plätze für Menschen sind überfüssig, lasst uns Hochhäuser bauen und Grünanla gen anlegen. Le Corbusier wollte Paris niederreißen und an der Stelle der Altstadt 24 Hochhäuser errichten. Er dachte, so ließe sich das Leben besser organisieren. Und er stellte sich vor, die Pariser würden in die Wohntür me einziehen und das Grün vom 59. Stock aus betrachten. In Städten wie Rotterdam war der ‚Wiederaufbau‘ von diesem Gedankengut geprägt. In Rotterdam waren die Modernisten und Verkehrsstrategen am Ruder, die den stadtplanerischen Ideen der 50er-, 60er- und 70er-Jahre anhingen. Erst später mehrten sich andere Stimmen – Architekten wie Aldo Rossi, Leon und Rob Krier meldeten ihren Widerspruch an.“

Frage: Sie haben gerade davon gesprochen, dass die ka nadische Stadtaktivistin Jane Jacobs seit den 50er-Jah ren die stadtpolitischen Debatten in Dänemark stark be einfusste. Der Widerstand gegen die Modernisten des CIAM um Le Corbusier kam damals aber auch von Ihren skandinavischen Kollegen, die Sie in Ihrem Buch “Städte für Menschen“ erwähnten. An wen denken Sie zuerst?

DIE STADT PLANEN

Für Gehl ist diese menschliche Dimension eine unerlässliche Bedingung für spontane Kontakte im städ tischen Raum. Anders sieht es – das betont der Däne im mer wieder – in den modernen, funktionalistisch gepräg ten Vororten der Großstädte aus.

Dreißig Jahre lang lehrte der heute 79-jährige Ar chitekt an zahlreichen internationalen Universitäten, bis er schließlich 2000, im bereits fortgeschrittenen Alter, in Kopenhagen Gehl Architects gründete, mit Niederlas sungen mittlerweile in New York und San Francisco. Sei ne Forderungen lauten: Einschränkung des Autover kehrs, verbesserte Anreize zum Fahrradfahren, Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und einer bes sere Gestaltung des öffentlichen Raums, der am Bewe gungsspielraum der Menschen orientiert ist.(...)

Jan Gehl interessiert sich nicht für die gebaute Masse, sondern für das, was sich „zwischen den Häusern“ ab spielt. Das sind die nicht absehbaren Bewegungsströme von Menschen, die dem städtischen Umfeld allererst Le ben einfößen. Das Improvisierte und Nicht-Geplante, eben das “Leben zwischen Häusern“, spielte in den Überlegungen von Jan Gehl von Beginn an eine zentrale Rolle.

Gehl: “An den englisch-schwedischen Architekten Ralph Erskine. Er war ein Architekt, der den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte. Das zeigte sich bei Großprojekten, aber auch bei kleinen Gesten wie der Bank vor der Haustür. In seinen späten Jahren fragte ich

Frage: Ihre Vorstellungen von einer menschengerechten Stadtplanung haben Sie anfangs als Architekturprofes sor propagiert. Erst sehr viel später haben Sie sich als Architekt selbstständig gemacht. Gleichgültig ob Sie als Lehrer oder als Architekt tätig waren – Ihren Prinzipien sind Sie offenbar treu geblieben. Wie war denn Ihr Ver hältnis zu Studenten und Auftraggebern?

xime: Wer gestaltet die verrückteste Form, das aufre gendste Turmgebäude oder den höchsten Skyscraper. Aber letztendlich kommt es auf das Leben in und zwi schen den Gebäuden an. Denn das ist entscheidend für die Lebensqualität des Homo sapiens.“

193 ihn einmal, was einen guten Architekten ausmacht. Dar auf entgegnete er: ‚Es ist ziemlich einfach, ein guter Ar chitekt zu werden, denn die Architektur liefert nicht ein fach die Gestalt, sondern die Grundlage für die Lebensqualität. Ein guter Architekt muss die Menschen lieben.‘“ Die Bürgerrechtlerin Jane Jacobs wurde international bekannt, als sie Anfang der 60er-Jahre den Widerstand gegen New Yorks mächtigen Chefplaner Robert Moses anführte. Der wollte nämlich eine Autobahnschneise durch das beliebte Greenwich Village bauen, das Jacobs wegen der vitalen Sozialstruktur lobte. Denn damals leb ten im Village noch Arme und Reiche, Künstler und Ge schäftsleute. Es gab allerhand kleine Läden und eine quirlige Kunstszene. Ralph Erskine, Jahrgang 1914, wollte das Village-Ideal bewahren. In den 50er-Jahren wandte er sich scharf gegen die Planungsideologen des CIAM, dem einfussreichen Congrès International d›Ar chitecture Moderne, eine Gruppe internationaler Avant gardisten, die forderten, Architektur und Städtebau nach funktionalistischen Kriterien auszurichten. Südlich von Stockholm baute Erskine, durch sein soziales Engagement bekannt, in den 80er-Jahren das Skarpnäck-Viertel, das sich nicht an abstrakten Pla nungsgrößen, sondern an den Nachbarschaften orien tierte. Jan Gehl ist von der Siedlung begeistert, weil zu nächst die öffentlichen Plätze und erst später die Gebäude entworfen wurden. Als vorbildhaft erwähnt er auch Erskines “Byker Wall“ in der englischen Arbeiter stadt Newcastle-upon-Tyne: Der Architekt veränderte in den 70er-Jahren eine abweisende Großsiedlung, die als mehrgeschossige Wand gegen die Nordwinde errichtet wurde. Erskine, der im ständigen Austausch mit den Be wohnern stand, verwandelte die Innenseite des Band wurm-Gebäudes in Laubengänge, Brücken und Gärten, kurz: in Treffpunkte für die Siedlungsgemeinschaft. Jan Gehl möchte an diese Projekte anknüpfen. Sein Ideal ist die mediterrane, an Nachbarschaften aus gerichtete Siedlung. Davon lässt er sich leiten, gleichgül tig ob er in einer skandinavischen Kleinstadt oder in New York arbeitet. Dazu passen die Planungsideale, die Gehl mit Jane Jacobs und Ralph Erskine teilt: Entschleuni gung, Fußläufgkeit, Klein-Maßstäblichkeit und viel Stadtgrün. Das Ziel: Die großen Metropolen in kleine, übersichtliche Nachbarschaften aufösen.

Denn viele Architekten folgten der Ma

Jan Gehl: Anfangs untersuchten wir, wie sich die Menschen im öffentlichen Raum bewegen. Danach bot mir die Architekturfakultät an, eine Dissertation zu schrei ben über das Thema “Wie Menschen den öffentlichen Raum nutzen“. Danach arbeitete ich 40 Jahre lang als Hochschullehrer und Leiter der Abteilung für Stadtpla nung. In dieser Zeit unterrichtete ich an vielen Universitä ten als Gastprofessor: In Berkeley, Australien, Toronto und Edinburgh. Ich war sogar in der DDR. Besonders gut in Erinnerung habe ich meinen Lehraufenthalt 1985 an der Universität Dresden. Auch andere dänische Architek ten bekamen damals das Angebot, im Rahmen des Aka demischen Kulturaustauschs für einige Monate in Dres den zu unterrichten. Das Problem war nur: Es meldete sich niemand, der in die DDR gehen wollte. Aber ihr Inter esse an einem an menschlichen Bedürfnissen orientier ten Städtebau war da. Die Studenten waren erstaunt, ich erlebte ein zuvor nicht gekanntes Interesse an diesen Ideen – Stadtplanung anstelle ihrer “Plan-Ökonomie“. Für mich war das eine sehr spannende Zeit in der DDR –das dürfen Sie mir glauben.

Missverständnis.

Frage: Sie waren ja schon fast im Rentenalter, als Sie die Seiten wechselten – vom Uniprofessor zum frei schaffen den Architekten.

Gehl: Nachdem ich 40 Jahre lang an der Universi tät unterrichtet hatte, gründete ich im Jahre 2000 mit 63 Jahren das Architekturbüro Gehl Architects. Ich wollte der Theorie den Rücken kehren und mich der Praxis zu wenden. Dabei machte ich die Erfahrung, dass es viele Städte gibt, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollten. Wir begannen damals mit zwei Leuten, heute sind wir 50, und gerade haben wir Büros in New York und San Francisco eröffnet. Es gibt ein enormes Interesse an bürgero rientierter Stadtplanung. Die Zeit der modernistischen Stadtplaner, die auf Solitäre setzen, oder der Verkehrs strategen, die nur an autogerechte Stadt denken, ist vorbei. Denn sie haben nichts dazu beigetragen, die Urbani tät in den Städten zu verbessern.

Frage: Die funktionalistische Architektur entstand in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts, um Wohnungen mit mehr Licht, Luft und Sonne zu bauen. Mit einem Wort: eine Wohnungsarchitektur mit mehr Hygiene. Sie kritisie ren aber, die modernen Architekten hätten sich zu wenig um die psychologischen und sozialen Aspekte des Bau ens gekümmert, zu wenig um die gute Gestaltung des öffentlichen Raums. Was ist denn “gute Architektur“? Gehl: “Gute Architektur geht nicht in Gestalt auf, sie vermittelt zwischen Leben und Gestalt. Sie ist das Da zwischen von Leben und Gestalt. Gute Architektur zielt darauf ab, das Leben zu unterstützen. Nur wenn das ge lingt, kann es gute Städte und gute Architektur geben.

Jan Gehl erzählt von seiner Doktorarbeit “Life between Buildings“, die in den 60er-Jahren das erste Mal erschien und seither in 25 Sprachen – zuletzt auch auf Deutsch –veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit interessiert sich Gehl nicht für die gebaute Masse, sondern vielmehr für das, was sich “zwischen den Häusern“ abspielt. Und das waren im Grunde nicht-kalkulierbare Bewegungs ströme von Menschen, die dem städtischen Umfeld aller erst Leben einfößen. Das Improvisierte und Nicht-Ge plante, eben das “Leben zwischen den Häusern“ spielte in den stadtplanerischen Überlegungen von Jan Gehl

Die Planungs- und Architekturkultur wurde sehr, sehr lan ge einseitig ausgerichtet, da man sich vornehmlich auf die Gestalt konzentrierte. Das war ein gravierendes

105 Artikel online erschienen am 23.04.2015 auf: punkt.1270.de.html?dram:article_id=317895,landfunkkultur.de/stadtplanung-der-mensch-im-mittel-www.deutsch-(30.7.2021)

Dagegen setzt der mittlerweile fast 80-jährige Däne gebetsmühlenartig die Bedeutung des mensch lichen Maßes. Der Mensch und seine Bedürfnisse müssten auf der stadtplanerischen Agenda ganz oben stehen. Also: weniger Autoverkehr, breite Bürgerstei ge, einladende Plätze und Straßenmöbel, eine freund liche Beleuchtung und viele Grünfächen. Das wirkt banal, doch so banal sei es eben, meint Gehl. 105

STÄDTE FÜR MENSCHEN Weniger Beton, weniger Verkehr, mehr Platz für Men schen: Jan Gehl zeigt in seinem Buch «Städte für Menschen», wie sich Metropolen auch mit wenig Mit teln menschenfreundlicher gestalten lassen. Wie wollen wir leben? Wie beeinfusst Architektur Menschen? Wie sieht eine lebenswerte Stadt aus? Wie eine gelungene Stadtplanung? Solche Fragen stellt sich Jan Gehl seit Jahrzehnten. Da der dänische Architekt auch Antworten darauf gefunden hat, gilt er heute als weltweit einfussreichster Stadtplaner. (...) Wenn solch ein Visionär 44 Jahre nach seinem be rühmten Erstlingswerk “Leben zwischen Häusern“ (auf deutsch erst 2012) seine grundlegenden Ideen in einem 300 Seiten starken Buch bündelt, klingt das viel versprechend. Tatsächlich hat Jan Gehl mit dem reich bebilderten Band “Städte für Menschen“ jedoch nicht die Stadtplaner-Bibel geschrieben, die sich er wartenGehlließ. hat sein Buch in sieben Kapitel unterteilt, in denen er seine Kernthesen vorstellt und anhand von Beispielen erläutert. Zunächst beschreibt er, wie autogerechtes Bauen und die Bevorzugung von soli tären Monumentalgebäuden mit ihren öden Umge bungszonen den öffentlichen Raum und das öffentli che Leben zerstört hätten.

104 Der dänische Stadtplaner Jan Gehl im Gespräch mit Klaus Englert. Artikel online erschienen am 24.01.2016 auf: le_id=338681gehl-der-menschenfreundliche.1184.de.html?dram:artic-www.deutschlandfunk.de/die-stadt-planen-3-4-jan-(5.8.2021)

194von Beginn an eine zentrale Rolle. Eine am Menschen orientierte Stadtplanung bedeutet für den dänischen Ar chitekten: Den Bewegungsspielraum der Menschen im öffentlichen Raum erhöhen, das öffentliche Nahver kehrsnetz verbessern, Anreize für vermehrte Nutzung von Fahrrädern schaffen und – entsprechend – die Domi nanz des Autoverkehrs einschränken. In einem Wort: “grüne Mobilität“ durchsetzen. (...) Frage: In Ihrer Heimatstadt Kopenhagen sind Sie seit den 60er-Jahren tätig. Aber auch in zahlreichen außer europäischen Städten waren Sie als Planer jahrelang be schäftigt. In welchen dieser Städte konnten Sie Ihr Pla nungskonzept am nachhaltigsten durchsetzen? Gehl: “Kopenhagen und Melbourne haben welt weit die bürgerfreundlichste Stadtpolitik durchgesetzt. Kopenhagen nimmt eine Pionierstellung ein, denn hier haben wir die Schließung ganzer Straßenzüge durchge setzt. Ebenso haben wir in Kopenhagen erstmals unter sucht, wie sich der Verkehr auf das Verhalten der Men schen auswirkt. Bereits 2009 beschloss die Stadtverwaltung, Kopenhagen zu einer Stadt der Fahr radfahrer zu machen. Diese Stadtpolitik hatte einen großen Einfuss auf die Landespolitik Dänemarks. Denn es hat sich herausgestellt, dass die Leute des übermäch tigen Autoverkehrs und der Auswirkungen moderner Stadtplanung überdrüssig sind. Sie möchten am liebs ten, dass sich Straßen und Plätze in kulturelle Kommuni kationsräume verwandeln. Aus diesem allgemeinen Wil len heraus entstand in Dänemark ein Paradigmenwechsel. Kopenhagen ist dafür das beste Beispiel. Denn wir wollen alle in einer Stadt leben, die le benswert, nachhaltig und gesund ist.“ Das ist die Vision des Jan Gehl: „Eine lebendige, sichere, nachhaltige und gesunde Stadt“. Mit dieser Vision im Kof fer reist er als Vertreter der menschenfreundlichen Wahr heit von Stadt zu Stadt. Zwischen New York und Melbour ne stellt er den Bürgermeistern Konzepte vor, wie sie ihre Städte von den Krankheiten dieser Zeit befreien könnten. Es gibt vielleicht andere, die diese Wahrheiten be reits früher ausgesprochen haben, wenn sie auch nicht so populär damit geworden sind. Bleibt zu hoffen, dass Jan Gehls menschenfreundliche Utopien darüber stehen, ohne die reale Stadt mit ihren Widersprüchen zu vergessen. 104 Ein Artikel des Deutschlandfunk, Autorin Eva Hepper

BILDER Auszüge aus Jan Gehls Buch «Städte für Menschen», Übersetzt von Annette Wiethüchter, Jovis Verlag, Berlin, 2015, 304 S. (5.8.2021)www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/ID40164353.html

195

Der Klimawandel war ohne Zweifel das bestimmende politische Thema im vergangenen Jahr. ArchitektInnen haben sich diesbezüglich bisher jedoch eher zurückhal tend bis gar nicht geäussert. Damit soll Schluss sein. Mit dem „Countdown 2030“ hat sich eine Gruppe von Archi tektInnen und PlanerInnen formiert, die der Architekten schaft und allen am Bau Beteiligten „die Auswirkungen ihres berufichen Handelns auf den Klimawandel be wusst machen“ möchte. Der Bausektor sei ein entschei dender Faktor in Sachen Klima, sagen die Initianten. Bauten und ihr Betrieb sind für rund 40 % des CO2-Aus stosses verantwortlich und haben damit einen direkten Einfuss auf den Klimawandel. Was heisst das für die Architektur? Darüber haben wir uns mit Architekt und Mitinitiant Jakob Schneider unterhalten. Architektur Basel: Zuallererst interessiert uns natürlich, wer hinter dem Countdown 2030 steckt? Und zweitens: An wen richtet er sich? Jakob Schneider: “Countdown 2030 ist eine Gruppe von ArchitektInnen und PlanerInnen, die der Ar chitektenschaft und allen am Bau Beteiligten die Aus wirkungen unseres berufichen Handelns auf den Kli mawandel bewusst machen möchte. Wir stellen fest, dass das Thema in der Fachpresse, in der Lehre sowie in der Praxis zu wenig Beachtung fndet. Und dies, ob wohl Gebäude und Infrastruktur heute rund 40 % bis 50% der europäischen Treibhausgasemissionen verur sachen und damit einen direkten Einfuss auf den men schengemachten Klimawandel haben. Nach wie vor werden Objekte und Anlagen prämiert und in der Fach presse sowie an Hochschulen anerkennend diskutiert, die weder nachhaltig sind noch die Biodiversität genü gend fördern. Und das, obwohl man nach heutigem Stand der Wissenschaft weiss, dass die Schäden nach 2030 irreparabel sein werden. Der Countdown läuft.“ Das tönt dramatisch. Was soll mit der Aktion konkret bewirkt werden?

Die Architekten treffen sich einmal in der Woche. Anset zen wollen sie dort, wo der Hebel am grössten ist: Im Entwurf.Auch in Zürich und Lausanne organisieren sich Architektinnen bottom-up gegen den Klimakollaps. Über die Website architects4future.ch mobilisieren sie ihre Kollegen, um «einen nachhaltigen Wandel der Baubranche» zu erzielen. In Zürich treffen sich die ak tivistischen Architekten jeden zweiten Dienstag im Mo nat im Kosmos. Bereits seit letztem Jahr ist die Schwei zer Version von architectsdeclare.ch online, deren Aufruf bisher über 60 Büros unterzeichnet haben. 2020 kommt die Klimakrise defnitiv auch in der Bau branche an.106 «Es wird etwas gemacht; aber nicht besonders viel und auf jeden Fall nicht genug oder das falsche. Ein Artikel von Architektur Basel, Autor Lukas Gruntz

“Unser erstes Ziel ist es, zum Handeln aufzuru fen. Deshalb installieren wir über dem Eingang des S AM ab dem 1. Januar 2020 einen Countdown, der die nächsten zehn Jahre herunterzählt. Denn die kommen de Dekade muss genutzt werden, um die negativen Fol gen des Klimawandels so weit wie möglich einzudäm men und der Bevölkerung eine nachhaltigere Lebensweise zu ermöglichen.“ Und weshalb braucht es dazu einen Countdown?

“Der Countdown verdeutlicht die zeitliche Dring lichkeit des Problems und trägt unser Anliegen in die Öf fentlichkeit. Während der nächsten zehn Jahre wandert er an verschiedene Standorte in der Schweiz und wird mit seiner Präsenz die jeweiligen Institutionen oder Firmen anregen, ihre Geschäftspraxis in Bezug auf den Klimawandel zu hinterfragen und zu verändern. Der erste Standort am S AM und der Kunsthalle ist in der Öffentlichkeit sehr präsent und beide Institutionen haben sich zu unseren Zielen bekannt. In weiteren Aktio nen wollen wir die grössten Hebel in Bezug auf Architek tur und Nachhaltigkeit aufzeigen. Dieses Wissen ist vorhanden, es ist jedoch unter Planenden noch nicht ausreichend bekannt. Auch wir stehen hier noch am An fang und eignen uns mithilfe von Fachleuten die wich tigsten Grundlagen an. Ist es wirklich nachhaltiger, ein Gebäude aus Holz statt aus Beton und Backstein zu bauen? Was sind Kriterien der Nachhaltigkeit? Was können wir als Architektinnen und Architekten hier tun und wie beraten wir unsere Bauherrschaft?“ Das sind zweifellos wichtige Fragen. Und dennoch: In der Baubranche wurde punkto Energieeffzienz schon viel ge

196Countdown 2030 Ein Artikel des Hochparterre, Autor Andres Herzog

DIE ZEIT LÄUFT (...) Seit dem 1. Januar prangt über dem Eingang des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel ein Countdown. Er zählt die Tage bis zum Ende der Dekade und unterstreicht so jede Minute, wie uns die Zeit da vonläuft: In den 20er-Jahren müssen wir die Klimakrise anpacken, sonst ist es zu spät. Hinter der Aktion steht das Kollektiv «Countdown 2030», zu dem rund ein Dut zend Architekturbüros aus Basel gehören und das die Baubranche mit Veranstaltungen, Diskussionen und Projekten wachrütteln will. Die Initianten wollen über den Zusammenhang von Architektur und Klima aufklären und die dringende Notwendigkeit sofortiger Massnahmen aufzeigen, heisst es in der Medienmitteilung. «Nach wie vor wer den Objekte und Anlagen prämiert und in der Fachpres se sowie an Hochschulen anerkennend diskutiert, die weder nachhaltig sind noch die Biodiversität fördern.»

BILD Intro Website Countdown 2030. www.countdown2030.ch, (06.08.2021)

107 Lukas Gruntz im Gespräch mit Jakob Schneider. Artikel online erschienen am 21.12.2019 auf: ch/es-wird-etwas-gemacht-aber-nicht-besonders-viel-und-www.architekturbasel.auf-jeden-fall-nicht-genug-oder-das-falsche/(30.04.2020)

declare und in diversen wissenschaftlichen Studien. (siehe Links am Ende des Artikels) Wir machen die Er fahrung, dass der Grossteil der Architekten sich noch nicht genügend mit der Thematik auseinandergesetzt hat und da schliessen wir uns nicht aus. Das wollen wir ändern.“ “Bauen heisst Zerstörung“, pfegt Luigi Snozzi zu sa gen. Oder umgekehrt: Das nicht gebaute Haus ist das energiesparendste. Wie lösen wir Architekten uns von diesem grundsätzlichen Widerspruch des Bauens?

“Wir befürchten nicht, dass uns die Arbeit aus geht. Und auch Energie ist genügend vorhanden – so bald diese erneuerbar produziert wird und eine zirkuläre Wirtschaft nicht bloss Utopie bleibt, kombiniert mit raumplanerisch defnierten Baugrenzen, ist dieser Wi derspruch Geschichte.“ 107 106 Artikel online erschienen am 07.01.2020 auf: 1578415721/ch/nachrichten/architektur/blog/post/detail/die-zeit-laeuft/hochparterre.(30.04.2020)

197 macht. Inwiefern müssen wir Planende uns dennoch stär ker anstrengen? “In diesem Punkt widersprechen wir. Es wird et was gemacht, aber nicht besonders viel und auf jeden Fall nicht genug oder das Falsche. Das Ziel der CO2-Neutralität soll bereits beim Planungsbeginn eine Rolle spielen. Dies betrifft den Städtebau ebenso wie die Architektur. In unserer Erfahrung als bauende Archi tektinnen und Architekten ist die Nachhaltigkeit in Wett bewerbsausschreibungen, in Jurys, in der Lehre und im Alltag nur am Rande ein Thema. Zum Beispiel müsste ein späteren Umbau oder auch der Rückbau schon von Anfang an mitgedacht werden.“ In einer direkten Demokratie werfen solch symbolische Aktionen immer gewisse Fragen auf: Wie leitet man da raus eine konkrete, politische Massnahme ab? Sollte nicht eher eine konkrete Initiative lanciert werden?

“Symbolische Aktionen können durchaus zu kon kreten politischen Massnahmen führen, man denke nur an die Schulstreiks von Greta Thunberg. Ihre eigentlich simple Aktion hat Millionen auf der Welt politisiert und über Wahlen, Initiativen und Vorstösse die Gesetze di rekt beeinfusst. Wir haben uns eben erst gegründet und wissen noch nicht wie wir unsere Nachhaltigkeits ziele konkret erreichen und lancieren einen ergebnisof fenen Prozess. Mittels interdisziplinärem Austausch wollen wir Mittel und Wege fnden, um in erster Linie den eigenen Handlungsspielraum voll ausschöpfen zu kön nen. Gesucht sind Lösungsprinzipien, die neben den sozialen und ökonomischen Anforderungen insbeson dere auch die ökologischen berücksichtigt werden. Erst wenn die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, können glaubhaft weitere Forderungen gemäss einer “best practice” formuliert und über Initiativen in die Ge sellschaft getragen werden. Mögliche Ansätze für politi sche Forderungen fndet man bei der Grazer Deklarati on SBE19, den architects for future, bei architects

198The Architecture of

OsloDegrowthTriennale 2019

In addition to the main exhibition, more than 100 events and other programming added to the degrowth chorus. Standouts included a workshop to make tote bags from recycled tote bags from previous events, as well as a spectacular, interactive performance by Rimini Protokoll that made the audience unwilling participants in the com plexities and absurdities of our growth-fueled construction industry; politicians engaging in corruption, lawyers batt ling, fnanciers gambling, and precarious workers strug gling.

Perhaps what is the most interesting aspect of this festival are the questions about that come next. How is de growth a helpful ideology for architecture? Can it provoke new ways of building at the individual level that can beco me communal and then translate into change at the systemic scale? What power structures are most susceptible to degrowth in architecture? How can the development and real estate industry be convinced to participate in this? How do democracy and degrowth interact? What would happen if the right were to take degrowth and use it as an excuse to enable eco-fascism? Conversely, what does a green, socialist utopia look like? Can every aspect of our lives be redesigned through the lens of degrowth? The an swers don’t matter right now, it is the questions being rai sed that offer promise, and should echo through architec ture at this most critical and important time for these eco-ideas. 108

108 Artikel online erschienen am 04.10.2020 auf: com/2019/10/2019-oslo-architecture-degrowth/,www.archpaper.(30.7.2021)

Ein Artikel von The Architects Newspaper, Autor Matt Shaw

The Oslo Architecture Triennale, now in its seventh iterati on, has made a name for itself under the directorship of Hanna Dencik Petersson as one of the most prescient and timely showcases in the relentless stream of –iennales and –ennials, those beloved recurring art and design festi vals where dreams are made. After a successful 2016 exhibition themed around migration and identity in the face of hyper-globalization, the program returned in 2019, this time examining climate change, resource allocation, and economic systems under the theme of “degrowth” with Enough: The Architecture of Degrowth. Curated by Interro bang, an architecture and engineering frm, with chief cu rators Matthew Dalziel, Phineas Harper, Cecilie Sachs Ol sen, and Maria Smith, the exhibition is a fresh take on ecology, introducing the ideology of degrowth into archi tecture discourse and examining how it would help realize a more ecologically-oriented human civilization. Degrowth has recently gotten attention as a new paradigm for understanding a post-consumerist future where resource extraction and economic growth are dece lerated, giving way to new social, political, and economic systems that are more harmonious with nature and the earth’s fnite resources and terrain. For an exhibition, this is fertile intellectual territory to speculate on the ways in which we build, and how they can evolve in alternative worlds. It is a refreshingly positive take on politics today, as much of our discourse, in architecture and beyond, is overwhel mingly negative and aims to discount or problematize (cancel) rather than propose new ideas or provoke new thoughts.The main festival exhibition, titled The Library, was conceptualized as “a spatial infrastructure for sharing knowledge” and was organized as a series of four rooms or “collections” that featured works ranging from material samples and books to analyses of languages and econo mic systems. The range and breadth of types of thought experiments presented a holistic and clear vision—almost a manifesto—of what degrowth might look like as an architectural philosophy. It was not a set of solutions, but rather speculative, positive provocations on what this new area of discourse might look like. In the Library‘s frst collection, “The Subjective,” personal identities and rituals were examined. How would life change in a degrowth world? How would we live, laugh, and love? The Aerocene backpack by the Aerocene Com munity is a personal, solar-powered balloon imagined as an alternative to carbon-intensive jet air travel. Helen Strat ford’s Organizational Diagrams for Everyday Life is a set of schematic diagrams that redraw the rituals of a daily sche dule to visualize new routines outside of the pressures of work and productivity metrics that defne us today. Perhaps the most traditionally eco-friendly collecti on is the “Objective Collection,” which is about materials and building techniques. Like the rest of the Triennale, it attempts to take these decades-old sustainability ideas and pushes them into new places. (...) In the Collective and Systemic collections lie the big questions that both defne a possible “Architecture of de growth,” and are also impossible to answer now. How new collectivities and systems would be constructed is not cle ar in degrowth discourse at the moment, but the ideology is ripe for speculating on how we might live in a post-consu merist, post-growth society. Collective projects include Vi sual Ecolophonic by INDA and Animali Domestici exami nes and visualizes the Sami language of Northern Finland, which they describe as more in harmony than nature than most languages. ARPA by (ab)Normal is a theoretical wor ld where artifcial intelligence replaces market forces as an organizing principle. It is an important aspect to consider here, as questions about power structures and humanity’s proclivity toward violence have to be taken into considera tion.

The biggest questions are raised in the Systemic Collection, where entire social and political systems, net works, and environments are rethought at both the local and the global scale. This, according to the curators, is where degrowth departs from previous environmental mo vements. MassBespoke, a project to build quality housing out of timber, another replacement for concrete, was also on show at the Triennale. By allowing that fexibility in the system, these homes can now be personalized like custom homes. The Intentional Estates Agency (...) is a set of real and imagined real estate models both new and old—from 19th-century utopias to seasteading—that speculate on alternatives to our current real estate metrics.

109 Zitat aus demEinführungstext zur Oslo Triennale 2019, www.oslotriennale.no/en (30.7.2021)

199 BILD oslotriennale.no/en/aboutoat2019 (30.7.2021)

«In our bones we know that infnite economic growth is impossible. We know that money cannot buy happiness. We know that change is coming. Yet our professions continue to toil at the coalface of economic expansion cultivating consumption in pursuit of a prize that is never enough. ENOUGH responds to an era of climate emergency and social inequality by proposing alternatives to the unsustainable and unfair paradigm of growth. The festival explores the architecture of Degrowth, an economy of shared plenty in which human and ecological fourishing matter most. It is time to call time on too much for the few and too little for the many. Join us as we propose a vision of Enough for all.»109 Oslo Triennale

200SymbiosisSID in Development › SiD quick guiDe Symbiosis in Development v10.1 creating the foundations for a sustainable society creating WARUM SID? creating the BILD: SID Quickguide, heruntergeladen auf: www.thinksid.org/?page_ id=138, (Frühling 2020) 110 Text von except online publiziert auf: www.except.nl/en/ (Frühling 2020) 110

Das ELSIA-System kategorisiert das gesamte Spektrum der physikalischen Aspekte unserer Welt und sagt uns etwas über ihre kausalen Zusammenhänge. �� sich�r��st����n� dass �ir a��� �h�sisch�n �s��kt� �in�s ��st��s ��r�cksichti��n� ��r��nd�n �ir ���I�� k�r� ��r �n�r��� �i��� �oci�t�� th� Indi�id�a� and �ctions.�i�s� �at��orisi�r�n� kann ��r �ana����nt� �nd �o�itik�ra��n so�i� ��si�n�ro����� ��r��nd�t ��rd�n �nd �rs�t�t das ��ni��r �o��st�ndi�� �nd ����kti�� ��rich�ort ���o��� ��an�t� �ro�it� ��nd s�in� �ariant�n�. ���I�� ist di� �i�r��o��on�nt�n���rsion �nd ���I�� di� �r��it�rt�� acht �o��on�nt�n ���ass�nd� ��rsion �si�h� �ia�ra�� r�chts�. ���I�� ist �nt�rt�i�t in ��it ���I�� i� �int�r�r�nd�� › �n�r�i� � �at�ria�i�n ��n�r�i� � �at�ria�i�n� › � ����n › ��s���scha�t › Indi�id���� ��rt�n � ���s�ndh�it��irtscha�t�kos�st��������t�r�����ck� › �ktion�n ������ n�h��nd �nd �rinn�rnd� dass �s a�� di� �ktion�n �nd ����kt� ��isch�n d�n �at��ori�n anko��t� �i� �at��ori�n �on ���I� sind ��nktiona� in�inand�r ��rschacht��t� ���� �at�ria�i�n ��st�h�n a�s �n�r�i�� �nd a��� �kos�st��� ��st�h�n a�s �at�ria�i�n. �i� �irtscha�t ist �in� ��i���n�� d�r ���t�r� so �i� ��d�r �in���n� i���r �in ��i� d�r ��s���scha�t ist� �nd so ��it�r. ��r�nd�r�n��n in d�n �nt�r�n �chicht�n ��n�r�i� od�r ����n� �irk�n sich a�to�atisch a�� di� o��r�n �chicht�n d�r ��s���scha�t �nd d�s Indi�id���s a�s. �in���ss� ����k�hrt sind ��doch ��ni��r �n�itt���ar� o��oh� si� di� ��sicht �� �ro��n ��rha�t�ns�nd�r�n��n a�s��s�n. ���I� ist �i� �in� �ar�onika. �s kann a�� �i�r �at��ori�n ko��ri�i�rt od�r ��r ko������ �ro��kt� �r��it�rt ��rd�n� �� ��nd�rt�n �on Indikator�n ��at� �� �i�t�n. �s hand��t sich a�so �� �in�n Indica�tor��ah��n �nd nicht �� �in�n Indikator an sich.

SUBJECT SiD Context SymbiosisMap

ELSIA SYSTEM

creating the foundations for a sustainable society

DREI EBENEN: KONTEXT – RAUM – ZEIT BILD OBEN: SID Quickguide, S.12 BILD UNTEN: SID Quickguide, S.38

Ecosystems Species Culture Economy Happiness transport sport art motion

201 Objektebene Indikatoren (elSia)

Health

in Development © 2012 Except Integrated Sustainability SiD works in three ‘realms’: Space, Time and Context. All actions and solutions are always investigated in all three realms simultaneously to to ensure integrated The Context Map contains networks that are not � ons between stakeholders, businesses, value chains, politics, and so on. creating the foundations for a sustainable

| › v happIneSS IndIvIdualSocIetylI�eener�y���materIalS ecoSyStemSeconomyhealthSpecIeSmaterIalSener�yculture

MaterialsEnergy

Vor-Bilder BILD Selbstportrait Assemble www.assemblestudio.co.uk/about(18.08.2021)Studio.

204Haus-Rucker-Co Superstudio

Haus-Rucker-Co were a Viennese group founded in 1967 by Laurids Ortner, Günther Zamp Kelp and Klaus Pinter, later joined by Manfred Ortner. Their work explo red the performative potential of architecture through ins tallations and happenings using pneumatic structures or prosthetic devices that altered perceptions of space. Such concerns ft with the utopian architectural experi ments of the 1960s by groups such as Superstudio, Ar chizoom, Ant Farm and Coop Himmelblau. Alongside these groups, Haus-Rucker-Co were exploring on the one hand, the potential of architecture as a form of cri tique, and on the other the possibility of creating designs for technically mediated experimental environments and utopian cities. Taking their cue from the Situationist`s ideas of play as a means of engaging citizens, Haus-Rucker-Co created performances where viewers became participants and could infuence their own environments, becoming more than just passive onlookers. These installations were usually made from pneumatic structures such as Oase No. 7 (1972), which was created for Documenta 5 in Kas sel, Germany. An infatable structure emerged from the façade of an existing building creating a space for relaxa tion and play, of which contemporary echoes can be found in the «urban reserves» of Santiago Cirugeda. The different versions of the Mind Expander series (1967-69), consisted of various helmets that could alter the percep tions of those wearing them, for example the «Fly Head» disoriented the sight and hearing of the wearer to create an entirely new apprehension of reality; it also produced one of their most memorable images.

Ein Artikel von Spacial Agency

Ein Artikel des Design Museum

Haus-Rucker-Co›s installations served as a critique of the confned spaces of bourgeois life creating temporary, disposable architecture, whilst their prosthetic devices were designed to enhance sensory experience and high light the taken-for-granted nature of our senses, seen also in the contemporaneous work of the Brazilian artist Lygia Clark. Contemporary versions of such work can be found in the pneumatic structures favoured by Raumla bor and Exyzt. 111 111 Artikel online erschienen auf: www.spatialagency.net/ database/haus-rucker-co (18.08.2021)

By questioning architecture`s ability to change the world for the better and the boundless faith in technology expressed by earlier, more optimistic groups such as Ar chigram in the UK, Superstudio raised issues which have preoccupied successive generations of architects and de signers from Studio Alchymia in late 1970s Italy and to the Memphis collective in the mid-1980s, to contemporary f gures like Rem Koolhaas and Foreign Offce Architects. Superstudio was founded in 1966 by two radicals – Adolfo Natalini and Cristiano Toraldo di Francia - who had met while studying architecture at the University of Florence. Later they were joined by Alessandro and Roberto Magris and Piero Frassinelli. The group`s relations hip with Florence, where the fve founders continued to live after graduation, was critical to its work. «It is the desi gner who must attempt to re-evaluate his role in the nightmare he helped to conceive, to retread the historical pro cess which inverted the hopes of the modern movement,» pronounced Toraldo di Francia. «And in Italy, Florence, a town where all such contradictions become most evident (the moment one draws the curtains of mythically misre presented past) stands historically symbolic.»

Founded in Florence by a group of radical young archi tects in 1966, SUPERSTUDIO was at the heart of the ar chitectural and design avant garde until its dissolution in the late 1970s. Through photo-collages, flms and exhibi tions, it critiqued the modernist doctrines that had domi nated 20th century design thinking. «In the beginning we designed objects for production, de signs to be turned into wood and steel, glass and brick or plastic - then we produced neutral and usable designs, then fnally negative utopias, forewarning images of the horrors which architecture was laying in store for us with its scientifc methods for the perpetuation of existing mo dels.» This was how Superstudio described its work in a catalogue the group produced to accompany the 1973 exhibition Fragments From A Personal Museum at the Neue Galerie in Graz, Austria. Superstudio was then at the fulcrum of avant gar de thinking in architecture and design. Ever since it frst surfaced in 1966 at the Superarchitecture exhibition in the Italian town of Pistoia, Superstudio had been among the most vociferous of the radical design groups which were challenging the modernist orthodoxies that had do minated architectural thinking for decades.

Yet the central theme of Superstudio`s agenda over the next 12 years would be its disillusionment with the modernist ideals that had dominated architectural and design thinking since the early 1900s. Once fresh and dynamic, by the late 1960s, modernism had hit intel lectual stasis. Rather than blithely regarding architecture as a benevolent force, the members of Superstudio bla med it for having aggravated the world`s social and en

The group was given another prestigious internati onal forum in 1973 when its work was surveyed in a re trospective exhibition – Fragments From A Personal Mu seum – at the Neue Galerie in Graz. By then, most of the members of Superstudio were teaching at the University of Florence, where they had met as students. The group remained active – albeit less energetically so – throug hout the mid-1970s, only to fold in 1978 when the fve founders concurred that they had lost momentum as a collaborative force and that they might be more effective by workingSuperstudio`sindependently.thinking has proved more enduring than the group itself. Quaderna tables are still in production at Zanotta and Superstudio`s collages and drawings have been acquired for the permanent collections of Centre Ge orges Pompidou in Paris and the Museum of Modern Art, New York. Moreover the group`s once radical theories about architecture`s environmental impact, the potentially negative consequences of technology and the inability of politics to untangle complex social problems are now con sidered to be core concerns by self-aware contemporary architects and designers.112

112 Artikel online erschienen auf: design/superstudioweb/20120222213954/http://www.designmuseum.org/www.web.archive.org/(18.08.2021)

205 vironmental problems. Equally pessimistic about politics, the group developed visionary scenarios in the form of photo-montages, sketches, collages and storyboards of a new ‹Anti-Design› culture in which everyone is gi ven a sparse, but functional space to live in free from superfuous objects. Superstudio was not alone in its concerns. The col lective emerged in 1966 at the moment when the technocratic optimism of the frst half of the 1960s was souring. The watershed was the beginning of the Cultural Revolution in China in 1966 when Mao Tse-tung gave Western intellectuals a new cause to believe in after a decade of disillusion since their faith in communism was shattered by Khrushchev’s exposure of Stalin`s brutalities. Events in China made Western society seem spiritually barren at a time of growing concern about the Vietnam War. In the visual arts, radicals rebelled against the extro vert imagery of Pop Art in favour of the politically engaged work of Fluxus artists like Joseph Beuys and Nam June Paik. The rising tide of political frustration culminated in the 1968 student riots in Paris and copycat protests in London, Tokyo and Prague. Women formed fedgeling feminist mo vements such as the Women`s Liberation Front in the US and Mouvement de Libération des Femmes in France. Decades of oppression against gay men and women erup ted in a pitched battle in New York, when the police tried to close the Stonewall, a gay bar in the West Village and a politicised gay rights movement exploded.

During this period, Superstudio still clung to the conventional wisdom that architecture could be a power ful – and positive – force for progress. By 1968, the group had dismissed this notion as improbably optimistic. The following year Superstudio unveiled The Continuous Monument project in which the apparently endless frame work of a black-on-white grid - which was to become the group`s best known motif - extends across the earth’s surface in a critique of what Superstudio saw as the absurdities of contemporary urban planning. The group cre ated photo-collages to show the grid cloaking the Rocky Coast, Coketown and Manhattan. In 1970, Superstudio then revived the grid – its «neutral surface» – in a collection of furniture manufactu red by the Italian company Zanotta. Designed in stark, geometric forms and covered in the ABET plastic laminate traditionally associated with cheap cafés and 1950s coffee bars, its Quaderna tables, benches and seats were a wry, but functional commentary on political disillusionment.

During the early 1970s, Superstudio made a se ries of flms intending to raise awareness of the potential ly negative environmental impact of architecture at a time when such issues were seldom explored. In 1972 the group was offered an opportunity to articulate its theories to a broader public by participating in Italy: The New Do mestic Landscape, an exhibition of contemporary Italian design at the Museum of Modern Art in New York. The ra dical work of Superstudio and Archizoom was shown alongside that of their more conventional compatriots such as Marco Zanuso and Richard Sapper.

Superstudio`s response was to develop its ‹An ti-Design› projects: themes from which were echoed in the work of other radical architects and designers, notab ly the members of Archizoom, a fellow Florentine group consisting of Andrea Branzi, Gilberto Corretti, Paolo De ganello, Dario and Lucia Bartolini and Massimo Morozzi. Both groups were founded in 1966 and their frst import ant project was to express their theories about the crisis of modernism in the Superarchitecture exhibition in Pis toia, Italy. A year later, they refned the ideas aired in Sup erarchitecture in a joint follow-up show in Modena.

During the same year, Superstudio set its sights on the heritage movement by developing a surreal propo sal to food Florence by blocking the Arno thereby sub merging the city centre under water except for the dome of the cathedral in a parody of the conservative Save the Historic Centres campaign.

ExperimentelleBerlinarchitek

raumlabortonische Praxis 113 Statement raumlabor Berlin, www.raumlabor.net/statement, (04.01.2020)

Es gab einmal eine Gesellschaft, die mehrheitlich glaub te das Leben in Zukunft werde für alle besser sein. Es gab Leute, utopische Denker, die haben über die großen Fragen von Stadt nachgedacht. Heute bleibt davon eher ein Gefühl, halb Wunsch, halb Melancholie. Wir erinnern uns an die Architekten die Bilder und Entwürfe für das Leben in der besseren Gesellschaft entworfen haben, die von besseren Plätzen geträumt haben. Diese Ära ist vorbei. Hier beginnt die Arbeit von raumlaborberlin. Seit 1999 arbeitet das raumlabor (9 ausgebildete Architekten, die sich zu einer kollektiven Netzwerkstruk tur zusammengefunden haben) ausgehend von Berlin an den Schnittstellen zwischen Architektur, Stadtpla nung, Kunst und Intervention. Wir adressieren in unserer Arbeit Raum, Stadt und Stadtbau als kulturelles Projekt und als Prozess. Schwierige städtische Orte ziehen uns förmlich an. Orte, die zwischen verschiedenen Syste men, Zeitabschnitten oder Planungsideologien aufgerie ben wurden und sich nicht anpassen. Orte, die aufgege ben sind, die übrig bleiben aber für die Stadtgestalt eine nicht unerhebliche Relevanz haben. Diese Orte sind un sere Experimentierfelder. Sie bieten ungenutzte Potenti ale, die wir zu aktivieren versuchen. Das öffnet neue Per spektiven für alternative Nutzungsmuster, eine gemeinsame Kultur, urbane Diversität und Differenz. Für jedes Projekt bilden wir ein maßgeschneider tes Expertenteam. Stadtbewohner sind für uns ebenso Spezialisten, denn keiner kennt sich so gut mit der jewei ligen Situation aus wie diejenigen, die tagaus tagein mit diesen Orten umgehen müssen. So können wir wertvolle Informationen gewinnen über Geschichten, Ängste, Wünsche, existentielle Bedürfnisse oder auch Defzite, die wie ein unsichtbares Gefecht über jeder räumlichen Situation liegen. Wir impfen dieses gesammelte Wissen über die Situation mit einer Portion Imagination. Zukunft beginnt jetzt, darum schmieden wir ein Aktionsbündnis zwischen lokalen Akteuren und externen Spezialisten. So entdecken wir neuen Handlungsraum und öffnen Pio nierfelder, die wir gemeinsam testen und auf ihre Zukunftsfähigkeit untersuchen. Wir nennen das „forschungsbasiertes Gestalten“. Wir setzen uns 1:1 mit dem Ort auseinander, entdecken und benutzen, was wir fnden, eben die Bedingungen des Ortes. Über das Machen, das aktive Gestalten ler nen wir mehr über das Arbeitsfeld und erfnden neue Me thoden, das Existierende aufzuwerten und für Aneig nungsprozesse zu öffnen. Wir lösen keine Probleme, vielmehr initiieren wir Prozesse, die den Akteuren die Möglichkeit geben, mit den Umständen umzugehen und Stadt und ihre Dynamik aber auch ihre Möglichkeiten zu erkennen, zu begreifen und zu nutzen. Eine Architektur, in der es gelingt Raum mit indivi dueller Erfahrung zu verschmelzen, lässt neue Qualitä ten entdecken, die dazu führen, dass neue Bilder von Stadt entstehen in den Vorstellungen ihrer Nutzer. Neue Optionen von Möglichkeiten erscheinen am Horizont von Orten oder Gebäuden an denen zuvor nichts möglich schien, sei es weil sie als zu Ende defniert gelten oder aufgegeben und vergessen wurden. Beispiele für diese Praxis sind Projekte wie “Der Berg” (2004), eine räumliche Installation im ehemaligen Palast der Republik in Berlin, die “Eichbaumoper” (2009), ein urbanes Laboratorium für die Rückeroberung eines vernachlässigten Verkehrsknotenpunkt im öffentlichen Raum, “Moderato Cantabile” (2008), ein Zentrum für ein Festival in Graz oder „Open House“ (2010), ein vertikales Dorf als Generator für eine urbane Gesellschaft in Süd korea, “The KNOT” (2010), ein wanderndes Labor zur künstlerischen Produktion, Dialog und Präsentation in öffentlichen Räumen. Auf der abstrakten Ebene der Stadtplanung ha ben wir uns spezialisiert auf eine aktivierende Planung. Die Schlüsselrolle dabei spielt dabei der Ansatz der Akti vierung durch Nutzung. Das vielfältige in-Gebrauch-neh men des öffentlichen Raums als Motor zur Entwicklung wünschenswerter und lebendiger Stadtteile. Wir versu chen im Planungskontext neue Nutzungs-Anwendun gen zu erfnden und die urbanen Akteure so früh wie möglich in die Transformationsprozesse mit einzubin den. Stadtplanungsprojekte sind z.B. “Kolorado Neu stadt” (2003-2006), Szenarien für eine neue urbane Viel falt in der schrumpfenden Stadt Halle-Neustadt, die “Rahmenplanung Dachauer Str.” in München (2009) oder die “Aktivierende Stadtentwicklung Flughafen Tem pelhof” in Berlin (2007-2008) und die Mitarbeit am Kon zept für eine “IBA Berlin 2020″. raumlaborberlin arbeitet auch im Bereich urbaner Interventionen. Wir verwandeln städtische Räume in et was vollkommen Anderes, fern aller Erwartungen und Visionen. Wir verschieben programmatische Narrative in städtische Leerräume, installieren neue Atmosphären und schaffen ein Gefühl für neue Potentiale und Freiräu me. Durch die Beteiligung der lokalen Akteure in der Zu sammenarbeit mit Fachleuten aus allen kreativen Diszip linen werden neue Handlungsfelder entdeckt, getestet und in die Zukunft projiziert. Beispiele für diese Art von Arbeit sind das “Küchenmonument” (seit 2006), ein ephemeres und interventionisti sches Objekt für die Schaffung temporärer Gemeinschaften in Duisburg, Liverpool, Warschau, München, Berlin oder Eindhoven, das “Hotel Neustadt” (2003), ein Theaterfestival in Halle/ Saale, und wieder die “Eich baumoper” (2009) eine opulente Oper an einem verwahrlosten öffentlichen Ort an der A40 zwischen Mül heim undArchitekturEssen. ist ein experimentelles Baulabor für eine auf den Moment bezogene partizipative Baupraxis im urbanen Raum. Architektur ist weniger als Objekt zu verstehen, als als Geschichte, die Teil der Geschichte des Ortes wird. Die Architektur ist das Werkzeug, auf der Suche nach einer Stadt der Möglichkeiten, der Stadt von Morgen!113

206 Statement raumlabor Berlin EIN STATEMENT VON RAUMLABOR BERLIN

über ein Ballhaus, Schlafsaal, zur Boxarena bis zum Dampfbad.115 114 Artikel des Deutschlandfunk, Autor Jochen Rack online erschienen am 31.01.2016 auf: zukunft.1184.de.html?dram:article_id=339788,de/die-stadt-planen-4-4-experimentelle-architektur-die-www.deutschlandfunk.(22.01.2020) 115 Projektbeschrieb raumlabor Berlin. Text online erschienen auf: www.raumlabor.net/kuchenmonument/, (22.01.2020) BILDER: Kitchen Monument in unterschiedlichen Settings, www.raumlabor.net/kuchenmonument/ (22.01.2020)

207 EXPERIMENTELLE ARCHITEKTUR

DAS KÜCHENMONUMENT

Das „Küchenmonument“ ist eine mobile Skulptur, die in zwei Zuständen existiert: eine mit Zinkblech verkleidete Skulptur und eine pneumatische Raumhülle, die die Skulptur im öffentlichen Raum zum Werkzeug zur Kon struktion temporärer Gemeinschaften erweitert. An ver schiedenen Orten werden unterschiedliche Bespielun gen inszeniert. Die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten reicht vom Bankettsaal für Festessen, zum Konferenz raum, Kino, Konzertsaal,

Die Berliner Architektengruppe Raumlabor beschäftigt sich mit den Schnittstellen von Architektur, Stadtpla nung, Kunst und Intervention. In zeitlich begrenzten Projekten – zum Beispiel den „Shabbyshabby-Apart ments“ in München oder dem „Kitchen Monument“ in Liverpool und Berlin – erkundet sie den urbanen Raum nach Möglichkeiten einer alternativen Nutzung.114

Superdiversity

hyperbeschleunigter Entwicklung umgehen?116 116 Projektbeschrieb raumlabor Berlin. Text online erschienen auf: www.raumlabor.net/foating-university-berlin-an-offshorecampus-for-cities-in-transformation/ (22.01.2020) BILD OBEN Veranstaltung während der Bespieleung des Offshore Campus, www.raumlabor.net/kuchenmonument/ (22.01.2020) BILD UNTEN Blick auf die Installation des Offshore Campus, www.detail.de/blog-artikel/semesterende-an-der-foating-universi ty-von-raumlaborberlin-32858/ (29.04.2020) BILD RECHTE SEITE Illustration Offshore Campus, www.raumlabor. net/kuchenmonument/ (22.01.2020)

208AN OFFSHORE CAMPUS Studierende und ihre Lehrenden aus Berlin, Europa und anderswo bauten gemeinsam ihren Campus: Lernräu me und Werkstätten, ein Auditorium und einen Labor turm mit einem experimentellen Wasserfltrationssys tem, eine Küche, Bar und natürlich Toiletten. Sie schufen einen Ort, um neue Unterrichtsformen auszuprobieren, an dem transdisziplinäre Teams und unterschiedliche Positionen zusammenkommen, um die Fragen danach zu stellen: Wie können Städte mit heutigen Belastungen, Risiken und Chancen wie Klimawandel, Ressour cenknappheit, und

209

210 PLAYGROUND BALTIC STREET

Baltic Street argues for the continued relevance of the ad venture playground as a counterpoint to the pressures of modern urban childhood, believing they are still a refuge of simple but powerful set of ideas about both childhood and our relationship to our immediate environment. Children are supported to self-organise, and play-workers maintain a secure, nurturing environment which is constantly evolving on a moment-to-moment and month-to-month basis in response to the children’s growing needs, dreams and capacity to affect change.117

117 Text online erschienen auf: Assembleprojects/baltic-street-adventure-playgroundwww.assemblestudio.co.uk/(22.01.2020)

BILDER LINKS OBEN Playground Baltic Street in Action, www.createlondon.org/event/baltic-st/ (22.01.2020) www.assemblestudio.co.uk/projects/the-cineroleumBILDERture-playgroundwww.assemblestudio.co.uk/projects/baltic-street-advenBILDround/www.glasgowwithkids.co.uk/baltic-street-adventure-playgUND(22.01.2020)LINKSUNTEN:PlaygroundBalticStreetinAction,(22.01.2020)RECHTESEITE:div.AnsichtendesCineroleum,(22.01.2020)

THE CINEROLEUM 2010

211

The project was an experiment in the potential for the wi der re-use of the UK’s 4,000 empty petrol stations. The Cineroleum was an improvisation on the rich iconogra phy and decadent interiors of the golden age picture pala ce. Classic elements were re-created for the roadside setting using cheap industrial, reclaimed or donated ma terials. Flip-up seats were made from scaffolding boards, the foyer was furnished with formica-clad school chairs and tables, and the auditorium was enclosed by a curtain, created by hand-sewing about three kilometres of seam in roofng membrane. Unlike the out-of-town multiplex, The Cineroleum celebrated the social experience of flmgoing, from the popcorn machine and bar in the old station shop through to the programme of approachable classics. 118 118 Text online erschienen auf: www.assemblestudio.co.uk/ projects/the-cineroleum, (22.01.2020)

und dafür kämpfen, Einfuss auf sie zu gewinnen? Generell scheinst du bei deinen Projekten Regeln und Einschränkungen weniger als Hemmnis, vielmehr als kreative Herausforderung zu verstehen, richtig? ...Die Bezeichnung «Bindung» wählte er (Oswald Mathias Un gers), um zu verdeutlichen, dass es keinen white cube gibt, in dem wir planen, sondern dass in jeder Situation verschiedenste Abhängigkeiten existieren. Während es bei Ungers meist um bauliche Bindungen oder solche einer Nutzung ging, versuchen wir... soziale und politi sche Fragen mit in diesen Kanon aufzunehmen und sie als architektonisches Werkzeug zu begreifen. Es gilt also, die Ruine beziehungsweise den Bestand als Ressource verstehen zu lernen? ... und zwar nicht nur hinsichtlich grauer oder an derer Energieformen, sondern auch, um uns selbst von unserem Wahn zum «Schönen», «Guten» und «Neuen» zu befreien. Wir haben ganz bestimmte ästhetische Vor stellungen, die mit der Umnutzung oft nicht vereinbar scheinen, auch weil wir noch nicht ausreichend an die «Schönheit von Entscheidungen» glauben. Beim Um gang mit Bestand gilt es, ganz pragmatische Entschei dungen zu fällen - etwa bezüglich der Grösse, des Mate rials und vieler weiterer Gegebenheiten sowie Bindungen von aussen. Wenn dafür ein schlüssiges Konzept entwickelt wird, entsteht eine andere Art von Schönheit. Du lehrst seit dem Herbstsemester (2019) an der ETH Zürich. Was willst du den Studierenden vermitteln? Ich will Ihnen aufzeigen, dass schlüssiges Den ken schöne Produkte hervorbringt... Wir haben uns ent schieden mit den Studierenden einen Fernsehsender (station.plus) aufzubauen und zu betreiben. Ich denke dass wir als Architekten in der Ausbildung viel weiter in die Zukunft denken dürfen und auch lernen müssen, wie Storytelling funktioniert... Unsere Architekturen funktio nieren ja meist ähnlich wie ein Sender. Ihre Message kann auch als eine Qualität der Architektur verstanden werden. Die Architektur selbst muss also senden kön nen. Wenn sie dies nur noch ästhetisch kann oder nur noch bestimmte homogene soziale Kategorien abbildet, macht Architektur in meinen Augen keinen Sinn mehr. 120 119 Artikel abgedruckt erschienen in: hrg. Babias, Marius: n.b.k. Ausstellungen Band 14: Brandlhuber+. Von der Stadt der Teile zur Stadt der Teilhabe. Berliner Projekte. Berlin, Köln, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2013, S.6. 120 Freiheit durch Bindung; Interview von Christoph Ramisch mit Arno Brandlhuber abgedruckt erschienen in: Gerber, Andri; Koch, Philippe Koch. archithese 4.2017; Ruinen.

zeichnen Arno Brandlhubers diskursiven Architekturbegriff aus. Anknüpfend an das Vermächtnis der Moderne, das zwischenzeitlich in der Postmoderne-Diskussion suspendiert schien, begreift Brandlhuber Architektur als „das Ordnen von sozialen Beziehungen durch Gebautes“ und somit als Wech selspiel zwischen Bauen und Stadtpolitik. Die zweite Besonderheit betrifft Brandlhubers offenen Werkbe griff; das Bauen bezeichnet für ihn eine instrumentelle Möglichkeitsform der Umsetzung städtebaulicher Ide en und Vorstellungen und steht keineswegs im Mittel punkt seines Schaffens. Vielmehr interessiert ihn in der Auseinandersetzung mit Stadtentwicklung und Stadtpolitik sowie benachbarten kulturellen Feldern wie bildende Kunst, Film oder Musik die Öffnung des Architekturbegriffs in das Makro der Gesellschaft. Brandlhuber steht insofern für ein neues Denken in der Architektur, als er die geistige und materielle Gesamt heit der urbanen Umwelt wieder als bestimmende Faktoren der Architektur betrachtet. 119 Artikel der Archithese, Autor Christoph Ramisch FREIHEIT DURCH BINDUNG «Thinking out of the box» ist bei Arno Brandlhuber das Programm. In einem Interview mit Christoph Ramisch über das Potenzial von Ruinen für die Architektur und über den Architekten als (Mit-)Gestalter von Regeln, wird deutlich wie diese seine «Disziplin» sich herleitet, des sen Titel bezeichned: «Freiheit durch Bindung». «Die Projekte des Berliner Büros Brandlhuber+ zeichnen sich durch einen radikalen Pragmatismus aus, wenn es darum geht, in bestehenden Strukturen neue Nutzungsszenarien zu etablieren. Einfallsreich verteidigt Arno Brandlhuber in Wort und Tat die Domäne des Berufsstands gegen eine Lähmung durch übertriebene Standards und vorbestimmte Monofunktionalität. Im Gespräch über die Potenzialevon Ruinen wird greifbar, in wieweit die vorgefundenen Gegebenheiten und ver deckten Narrative, die ihnen eingeschreiben sind, seinen radikalen Konzepten zur Entfaltung verhelfen...

Arno Brandlhuber

212 Auszug aus dem Vorwort zu «Brandlhuber+, von der Stadt der Teile zur Stadt der Teilhabe», Autor Marius ZweiBabiasBesonderheiten

Siehst du Regeln generell kritisch? Überhaupt nicht! Die Welt besteht nun einmal aus verschiedenen Parametern. Aber ich fnde es problema tisch, wenn Architekten glauben, sie könnten sich auf den «schönen Entwurf»zurückziehen, ohne die Rah menbedingungen zu refektieren. Die eigentliche frage an den Architektenstandist doch: Wollen wir uns immer weiter beschränken lassen oder auch die Regulierung als Gestaltungsfeld unserer Domäne begreifen lernen

BILD OBEN: Brunnenstrasse 9, Berlin, 2007 - 2010, Brandlhuber + Emde, www.brandlhuber.com/0113-brunnenstrasse-berlin (11.08.2021)

213

BILDER UNTEN: Antivilla, Krampnitz, 2010-2015,Brandlhuber+ Emde, www.brandlhuber.com/0131-antivilla-krampnitz, (11.08.2021)

BILD 1 Cité manifeste, Social housing, Mulhouse, BILDwww.lacatonvassal.com/index.php?idp=19&idi=1584Innenansicht,(11.08.2021)2Citémanifeste,Socialhousing,Mulhouse,Aussenansicht, www.ait-xia-dialog.de/aitdialog-newsletter/fair-mit-fair-leitartikel/ (11.08.2021)

Dank einfacher und industrieller Materialien gelingt es ihnen, günstigen und gleichzeitig architektonisch hochwertigen Wohnraum zu schaffen. Bereits in ihrem ersten Projekt, dem Einfamilienhaus Latapie von 1993, formulieren sie die Grundzüge ih res weiteren Schaffens. Eine adaptierte Gewächs hauskonstruktion stülpt sich über einen einfachen Holzkörper und defniert eine klimatische Hülle, die als Wintergarten bzw. erweiterter Lebensraum fungiert. So entstanden 185 m2 Nutzfäche für damals etwas mehr als 55.000 Euro. Das Thema des Gewächshau ses nimmt in weiterer Folge eine zentrale Rolle in ihrem Werk ein, denn es fndet sich kaum ein Projekt, das nicht gewisse Elemente oder Versatzstücke dieses Industrieproduktes aus dem Gartenbau aufgreift. Dies gilt auch für die experimentelle Reihenhaussied lung Cité Manifeste in Mulhouse – ein international viel beachtetes Projekt von Lacaton & Vassal, das be reits 2005 im aut zu sehen war. Hier ruht eine überdi mensionale Gewächshauskonstruktion auf einem Sichtbetonsockel. Auf aufwendige Details wurde be wusst verzichtet und nur zwei Drittel des errichteten Volumens thermisch isoliert, den restlichen Raum können die BewohnerInnen mit Hilfe von fexiblen Ele menten klimatisch steuern. Von den fünf beauftragten Architekturteams erfüllten sie damit am radikalsten den Anspruch nach mehr Raum, nicht nur weil sie fast

Jean Philippe Vassal

Die ArchitektInnen Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal gehören zu den international wichtigsten Ver treterInnen einer „pragmatischen“, zugleich sozialen Architektur, die sowohl die ökonomischen als auch ökologischen Grundlagen des Bauens hinterfragen. Freiräume sowie „luxuriöse“ Lebensräume zu planen, sehen sie als eine Hauptaufgabe ihrer Architektur.

Lacaton Vassal das doppelte Volumen des üblichen Standards im so zialen Wohnbau errichteten, sondern auch weil die loft-ähnlichen Wohnungen viel Spielraum für eine in dividuelle Aneignung zulassen. Gleichzeitig werden die gewohnten Klischees der NutzerInnen herausge fordert und die Maxime der Raumreduktion im sozia len Wohnbau in Frage gestellt. In ihrer 2004 mit Frédéric Druot veröffentlichten Stu die PLUS, sprechen sich Lacaton & Vassal gegen die Sprengung und für die Transformation der Großwohn siedlungen aus den 1960er wie 1970er Jahren aus. Sie reagieren damit auf Pläne des französischen Staates, 200.000 Wohnbauten aus dieser Zeit durch neue zu ersetzen und zeigen auf, dass Erhalt und Um nutzung sozial, ökonomisch und ökologisch nachhal tiger sind. Auf Basis dieses Konzepts rüsteten sie mit simplen Strategien und mit Beteiligung der Bewohne rInnen einige Wohnhochhäuser in Frankreich um. Diese werden bei Vollbetrieb technisch saniert und die Wohnungen durch eine vorgelagerte Raumschicht, bestehend aus Wintergarten und Balkon, erweitert –und das bei gleich bleibender Miete. 121

214 Ein Artikel von aut. architektur und tirol

«Das Bauen kann man auf eine sehr materielle und sys tematische Art sehen, weil man mit Ziegeln, mit Beton, mit Stahl und Fenstern baut. In unserer Auffassung von Architektur bedeutet Bauen aber vor allem: nachden ken. (...) Das Errichten einer Stimmung durch neue At mosphären, die wir hinzufügen, aber auch unter Ver wendung der Atmosphären, die bereits da sind: Das können die Qualitäten der Sonne sein, der Luft, der Blickbeziehungen oder eben der Bäume, der Land schaft und der Menschen, die wir vorfnden. Was sind die sozialen Gegebenheiten vor Ort? Das ist auch ein Element des Bestands, mit dem man sich auseinander setzen muss. Erst im zweiten Schritt fügen wir neue Ma terialien dazu. Aber wir kümmern uns auch sehr um un sichtbare Materialien wie Gerüche, Atmosphären, Wärme und Luftbewegungen. Auf diesem Niveau spielt sich für uns das Bauen ab.“

Projektbeispiel: Canne de Camargue This project researches how the Canne de Provence, a large, fast growing reed found in abundance in the South of France, can be transformed into a high-quali ty new Canmaterial.aninvasive species be the driver of a new economy for the region? A tall grass species growing in the damp soils of the Camargue region, Canne is traditionally used to make small mouthpieces for mu sic instruments, as part of an industry that generates a considerable amount of waste. This project focuses on reworking this fexible material, taking advantage of its different properties. In its initial stage of material exploration, the project uses Canne to create a pulp, which is then used to make paper. The pulp can also be a starting point for the creation of large-scale laminate boards and even organic textiles. The initial prototypes open several possibilities in various scales, offering a pro mising outlook for the future uses of this widespread and tenacious species.123 122 www.atelier-luma.org/en/about, (20.01.2020) 123 (20.01.2020)www.atelier-luma.org/en/projects/canne-de-camargue, BILD Atelier Luma, www.atelier-luma.org/en/projects/can ne-de-camargue, (20.01.2020)

215 Atelier Luma In 2016, the Luma Foundation launched Atelier Luma as a program of an experimental cultural center under construction in Arles in the South of France. Drawing on Maja Hoffmann’s vision to create a cross-discipli nary center that builds on local resources, materials, know-how and talent of Arles and beyond, Atelier Luma is a think tank, a production workshop and a le arning Ateliernetwork.Luma creates new and sustainable ways of using the natural and cultural resources of the biore gion. From agricultural waste recycling to the promoti on of traditional craft, as well as the facilitation of en counters between audacious creators, Atelier Luma develops local solutions to global issues. Atelier Lu ma’s team and the participants to the project come from various horizons: designers, architects, crafts men, engineers, botanists and web developers from all over the world gather every day to rethink the future of the territory and enhance its dynamization. Central to their approach are the greater implementation of cir cular economic practices, a further engagement with nature and community alike and the use of design as a tool forSincetransition.itsfoundation in 2016, Atelier Luma con ducts projects connected to six strategic themes: Was te Matters, Producing (in) the City, Healthy Mobility, Next Hospitality, Food Circle, Circular Education. 122

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