SPECIAL MICE 2012

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Erfolgreicher Kongresstourismus – mehr als nur Infrastruktur und Betten Prof. Dr. Pietro Beritelli ist Vizedirektor des Institutes für Systemisches ­Management und Public Governance an der Universität St.Gallen. In seinem Beitrag zeigt er auf, was einen erfolgreichen Kongresstandort ausmach und skizziert die Formel, nach der Organisatoren eine Standortwahl treffen. Text: Pietro Beritelli Bilder: Bodo Rüedi

Voraussetzungen für Kongressund Seminartourismus In Praktiker- und Forscherkreisen wird oft von den Voraussetzungen für Kongress- und Seminartourismus gesprochen. Gemeint sind in der Regel die sogenannt harten Faktoren wie beispielsweise eine hohe Bekanntheit der Destination, ein gutes Image und eine günstige Verkehrsanbindung. Diese Faktoren kombiniert mit modernen Seminar- und Kongressinfrastrukturen, den minimalen Hotelkapazitäten in den mittleren bis höheren Kategorien sowie einem professionell arbeitenden ConventionBureau sollten eine Region erfolgreich für den MICE-Bereich positionieren. Hat die Ostschweiz die Hausaufgaben gemacht? In den vergangenen Jahren sind nicht nur Kapazitäten für grössere Kongresse ausgebaut worden (insbesondere in St.Gallen). Seminarhotels in unterschiedlichen Grössen und Kategorien sind auch in den Regionen von Schaffhausen bis Bad Ragaz neu

«Wichtig ist, dass lokale Persönlichkeiten und Institutionen an den Standort in ihrer Region glauben und diesen wertschätzen.» entstanden respektive ausgebaut worden. Die Lage im Dreiländereck mit kurzen Anreisezeiten von den Flughäfen Zürich, Altenrhein und Friedrichshafen, die Angebotsvielfalt für Rahmenprogramme, vom See bis zu den Alpen und schliesslich das vielseitige kulturelle Angebot scheinen die Ostschweiz zu einer potenziell wettbewerbsfähigen Region für Kongresse und Seminare zu machen. Doch für den langfristigen Erfolg braucht’s noch mehr.

Weiche Faktoren – «people’s business» Das MICE-Geschäft (Meetings-Incentives-Conventions-Exhibitions) wird weltweit als «people’s busi-

ness» im Tourismus charakterisiert. Einerseits wird damit auf die Tatsache hingewiesen, dass die ‚Käufer‘ einer Konferenz/eines Kongresses oft Unternehmen sind, die sich schliesslich aus Sympathie für eine Destination entscheiden. Dies gilt nicht nur für Entscheider innerhalb einer Organisation, sondern auch für Professional Congress Organizers (PCOs). Letztere treffen im Auftrag des Kunden eine Vorselektion der Destinationen und beeinflussen den endgültigen Entscheid massgebend. Unter diesen Voraussetzungen stehen die Destinationen im harten Wettbewerb zueinander. Hier wird Key-Account-Management mit «Türklinkenputzen» gleichgestellt. Entsprechend gross sind hier die Akquisitionsanstrengungen und die damit verbundenen Marketingbudgets. Doch man vergisst gerne, dass Kongresse und Seminare unterschiedlicher Art (bei den grossen z. B. das World Economic Forum in Davos oder der Brustkrebskongress in St.Gallen) über andere Mechanismen akquiriert worden sind. Beziehungen im MICEGeschäft sind nämlich auch auf der Veranstalterseite stark von einzelnen Personen mit ihren Präferenzen geprägt. Lokale und regionale Persönlichkeiten und Institutionen spielen mit ihren Kompetenzen und (oft internationalen) Kontakten eine entscheidende Rolle für die Standortwahl. Für eine erfolgreiche Gewinnung eines Kongresses/Seminars in der eigenen Region lässt sich dieser Zusammenhang mit der folgenden Formel darstellen:

Kompetenzen x Vernetzung x Gastgeberkultur = Standortwahl Wichtig ist dabei, dass die lokalen Persönlichkeiten und Institutionen nicht nur kompetent sind und in ihrem Fachgebiet oder im institutionellen und unternehmerischen Kontext als solche angesehen werden, sondern dass sie auch an den Standort in der Region glauben und diesen auch touristisch wertschätzen. SPECIAL | August 2012


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