LEADER März 2016

Page 16

16 Schwerpunkt

Die Unfassbare Jahrelang war sie die grosse Unbekannte an der Seite eines der grössten ­Polittalente der Schweiz. Nun will Esther Friedli ihren Partner Toni Brunner zum Hausmann degradieren und St.Galler Regierungsrätin werden. Sie ist ohne Zweifel dazu qualifiziert. Aber ein Profil erfüllen und das nötige ­Profil haben – das sind zweierlei Dinge.

Die Medienkonferenz im St.Galler Regierungsgebäude war leicht surreal: Die St.Galler SVP wollte drei Tage nach ihrer historischen Schlappe mit Regierungskandidat Herbert Huser bekannt geben, mit wem sie in den zweiten Wahlgang geht. Der bekannteste Mann der kleinen Parteidelegation, die vor die Medien trat, war SVP-Fraktionschef Michael Götte. Sekundiert wurde er von Beat Ruckstuhl, dem SVP-Vizepräsidenten, der wohl nur eingeweihten Politinteressierten ein Begriff ist. Dritte im Bunde war eine junge blonde Dame, die bis zu jenem Zeitpunkt im Alleingang kaum je für Gesprächsstoff gesorgt hatte, sondern in erster Linie eine Art Begleitumstand war: Esther Friedli, Lebenspartnerin von Toni Brunner.

Wer in einen Wahlkampf steigt, darf sich nicht auf das beziehen, was der Lebenslauf sagt, sondern muss sich mit dem auseinandersetzen, was das Volk für relevant hält. Was ist relevant fürs Volk? Natürlich: Die Politologin hat als ehemalige Generalsekretärin des St.Galler Bildungsdepartementes einen eigenen Leistungsausweis. Sie auf ihre Partnerrolle zu reduzieren, mag als unfair oder – im Fall ­einer Frau – diskriminierend taxiert werden. Nur: Die öffentliche Wahrnehmung zeigt sich davon wenig beeindruckt, für den Stammtisch ist Friedli in erster Linie «die Frau vom Toni», und damit hat es sich. Verzeihung, aber: Wer in einen Wahlkampf steigt, darf sich nicht auf das beziehen, was der Lebenslauf sagt, sondern muss sich mit dem auseinandersetzen, was das Volk für relevant hält. Esther Friedli möchte gerne Regierungsrätin werden. Das, nachdem sie als Beraterin Roger Köppel in den Nationalrat verholfen hatte (wobei, seien wir ehrlich, diese Kandidatur ein absoluter Selbstläufer war und Köppel mit Sicherheit beratungsresistent

ist) und in derselben Funktion im Fall von Herbert Huser nicht viel ausrichten konnte. Über ihre Arbeit und ihre Referenzen als selbstständige Politberaterin ist ausser den genannten Fällen wenig bekannt. Ausserdem tummelt sie sich auf Toni Brunners Hof als zusätzliche Arbeitskraft. Es hat einen leicht naiven, aber durchaus sympathischen Unterton, wenn Esther Friedli vor der TV-Kamera bildlich nach dem «fehlenden Stallgeruch» bei der SVP-Wählerschaft gefragt wird und sie sich dann auf den heimischen Bauernhof bezieht, als wenn das mit dem Geruch wörtlich gemeint gewesen wäre.

Kaum fassbar Die Kandidatur von Esther Friedli krankt an einem zentralen Punkt: Die grösste Notwendigkeit wäre es, unentschlossenen Wählern zu vermitteln, dass sie in der St.Galler Regierung weit mehr als ein verlängerter Arm von Toni Brunner wäre. Dazu braucht sie ein eigenes Profil, das über den Lebenslauf hinausgeht. Aber was tut sie? Drei Tage nach der Abstimmung mag sie vor den Medien nicht darüber sprechen, wie sie bei der Durchsetzungsinitiative gestimmt hat – das sei nun nicht mehr relevant. Ihr Steckbrief zur Person auf ihrer Webseite ist magerer als der eines Jodelvereinspräsidenten, man erfährt so gut wie nichts über sie. Die einstige CVP-Frau ist laut eigenem Vernehmen «nach rechts gerückt», hat es aber erst am Vorabend der Kandidaturankündigung übers Herz gebracht, der SVP beizutreten. Das alles wirkt lavierend, taktierend, abwartend, unentschlossen, wenig überzeugt von der eigenen Sache. Die Regierungskandidatin ist kaum fassbar, politisch nicht richtig zu verorten. Man mag ihr unrecht tun, wenn man sie für eine Statthalterin von Toni Brunner hält. Aber warum um Gottes Willen tut sie dann nichts, um diesen Eindruck aus der Welt zu schaffen?

Text: Stefan Millius Illustration: Esther Gloor LEADER | März 2016


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.