NUJ - Zeitschrift für junge Kultur

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Leander Schönweger controfase — kribiskrabis CASA NANG — jugendbigband die bäckerei — nora pider Dumëne Comploi — zur traube cababoz — HOTEL AMAZONAs barfuss — centrale fies matthias linTner 01/2015


Impressum © 2015 alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren Autonome Provinz Bozen - Südtirol Abteilung Deutsche Kultur,  Amt für Kultur Andreas-Hofer-Straße 18 39100 Bozen kultur@provinz.bz.it

Konzept Das Konzept der Zeitschrift wurde im Rahmen eines Ideenwettbewerbs ausgeschrieben und mit Impulsen aus den drei erstplatzierten Projekten umgesetzt. 1. Platz: Stephanie Innerbichler und Miriam Rieder 2. Platz: Doris Brunner (Textsalon) und Arno Dejaco (Frei&Zeit) 3. Platz: Matthias Vieider, Martina Kreuzer, Martin Hanni und Johann Philipp Klammsteiner

Redaktionelle Beratung Arno Dejaco Stephanie Innerbichler Miriam Rieder Matthias Vieider

Projektleitung und Lektorat Alexandra Pan,  Amt für Kultur

Fotos Giacomo Flaim Mirja Kofler Daniel Mazza Michael Pezzei

Grafisches Konzept und ­Layout Stephanie Innerbichler

Titelbild Leander Schönweger, „Der innere Mensch II“, 2015 Foto Mirja Kofler

Druck und Herstellung Fotolito Varesco GmbH

Auflage Diese Publikation erscheint einmal jährlich. Auflage: 3.000

Digitale Ausgabe mit zusätzlichen Inhalten unter provinz.bz.it/NUJ


editorial

Liebe Leserinnen & Leser

Sie halten die erste Ausgabe der - Zeitschrift für junge Kultur in Südtirol in Ihren Händen. Mit der Zeitschrift wollen wir dazu beitragen, den jungen Kulturschaffenden des Landes mehr Sichtbarkeit zu verleihen und die öffentliche Wertschätzung für die junge Kultur zu erhöhen. Die Kulturszene selbst hatte diesen Wunsch an Landesrat Philipp Achammer herangetragen, welcher die Anregung aufgegriffen und das Projekt über einen Ideenwettbewerb auf den Weg gebracht hat. Der Name der Zeitschrift entstand aus einem Jux, einer Spielerei, als Palindrom von „Jung“. Rückwärts gelesen bedeutet er im Südtiroler Dialekt „neu“ und steht sinnbildlich für das Neue der heimischen Nachwuchsszene. Der Name soll stutzig machen, irritieren, Neugierde wecken und zusammen mit dem Titelbild die Leserschaft dazu anregen, durch das Schlüsselloch zu schauen, um das dahinter Verborgene zu entdecken. Die neue Zeitschrift soll eine Tür zur jungen Kulturszene in Südtirol öffnen und den künstlerischen Nachwuchs des Landes stärker ins Licht rücken. Sie richtet sich nicht ausschließlich an eine jugendliche Leserschaft, sondern an alle Interessierten: Dazu zählen insbesondere die Entscheidungsträger in den öffentlichen Verwaltungen, von denen sich die jungen Kulturschaffenden (noch) mehr Freiraum und Unterstützung für ihr Tun wünschen. Die sprachliche Vielfalt in der jungen Kulturszene wird im Heft authentisch wieder­ gegeben: In den Beiträgen wird das Neben-, Mit- und Durcheinanders der deutschen, italienischen, ladinischen oder anderer Sprachen aufgegriffen. Mit einem Ausblick nach Tirol und ins Trentino findet erstmals auch ein kultureller Brückenschlag in unsere Nachbarregionen statt. Inhaltlich geht es darum, wenig bekannte Personen, Initiativen und Veranstaltungen der Südtiroler Kulturszene und jener aus dem regionalen Umfeld darzustellen. Was bewegt junge, engagierte Kulturschaffende heute? Welche Werte haben sie? Wie arbeiten sie und welcher neuen Formen und Formate bedienen sie sich? Bei der Darstellung greifen auch wir neben Berichten, Reportagen und Interviews neue Formate auf. Lassen Sie sich überraschen! Die Redaktion


Inhalt 06

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bildende kunst »The Creator has a Masterplan«

EDITORIAL

Leander Schönweger

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MUSIK Das Zusammentreffen unterschiedlicher Musikwelten

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FESTIVAL Die Magie des Drunter und Drüber kribiskrabis festival

CONTROFASE

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GESELLSCHAFT Ein Plädoyer für Festivals ESSAY

26

LITERATUR CASA NANG oder die Besiedelung literaturhausloser Inseln

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jugend-big band südtirol

die bäckerei – kulturbackstube

MUSIK FrischeLeidenschaft für den Jazz

TIROL Kultur und Kreativität in der Fabrik


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darstellende kunst Die Seiltänzerin

whats app Pura esperimentaziun

nora pider

Dumëne Comploi

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56

zur Traube

CABABOZ

PROJEKT Degun Fundamënt und voller Subversion

62

BILDENDE KUNST Open Fields, Art Festival & Residency

DARSTELLENDE KUNST Zwanzigfacher Sturm und Drang

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70

GASTBEITRAG Der Jungspund

trentino Energia per l’arte

BARFUSS.IT

centrale fies

HOTEL AMAZONAS

76

FILM Eine Vierteldrehung verändert die Welt matthias lintner

82

Biografien


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leander schönweger: »The Creator has a Master­ plan«

Seit mittlerweile acht Jahren lebt der gebürtige Meraner Leander ­Schönweger in Wien, wohin er gezogen ist, um sich der bildenden Kunst zu widmen. TEXT ___ Lisa Mazza  FOTO ___ Mirja Kofler

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bildende kunst

Leander Schönwegers künstlerische ­Praxis findet meist in spezifischen Raumsituationen ihren Ursprung und geht mit einer sensiblen Formensprache, die sich vornehmlich zwischen Skulpturen, Objekten und Installationen bewegt, ­ ­poetisch auf kontextspezifische Gegeben­ heiten und unsere Lebensrealität ein. Seine subtilen Inter­ventionen in Räumen und an Objekten agieren im persönlichen Lebensbereich und möchten den Betrachter dazu anregen, über Gefühle wie ­Einsamkeit oder Macht­losigkeit nachzudenken. 2014 wurde Schönwegers ­Abschlussarbeit an der Universität für a­ ngewandte Kunst mit dem Preis der Kunsthalle Wien aus­ gezeichnet. Diese Auszeichnung hat dem Künstler die Möglichkeit geboten, seine Arbeit erstmalig im institutionellen ­Rahmen der Kunsthalle Wien Karlsplatz der Öffentlichkeit zu präsentieren sowie eine Publikation zu realisieren.

Was hat dich dazu bewogen, Künstler zu

Wie wichtig ist der Moment des

werden?

Öffentlichmachens?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten … Ich glaube, dass ich als Jugendlicher in diesem typischen Gefühl der Einsamkeit und des Missverstandenwerdens in der Wahl des Kunststudiums einen Weg zum Kommunizieren gesehen habe. Der Anlass zum kreativen Schaffen scheint bei vielen Kollegen ein Versuch von Selbsttherapie zu sein. Das muss auch bei mir zumindest teilweise der Fall gewesen sein. Was mich mittlerweile an der Kunst ­berührt und womit ich auch andere berühren möchte ist, etwas zu finden, worin man sich selbst wiedererkennt. Selbst wenn man damit auch nur ein stärkeres Gefühl der Verbundenheit erreicht.

Zwar finde ich es unsympathisch, dass die Kunst einen Auftrag hat und nicht nur um ihrer selbst willen existiert, aber tatsächlich ist für mich das Öffentlich­ machen und der damit beginnende Dialog zwischen dem Betrachter und der Arbeit essenziell. Mich interessiert Kunst, die das persönliche Leben des Betrachters erreicht. Vielleicht ist das sogar ein politischer Aspekt - um es extrem zu formulieren. Ich möchte jedoch keinesfalls im Dienste einer Ideologie stehen. Meine Arbeiten sagen nicht ‚Gleichberechti­ gung!’, nicht ‚Elend bekämpfen’, nicht ‚Umweltschutz’, usw.

Ist es also für dich wichtig, dass deine

Klasse für Skulptur und Multimedia

Kunst nicht nur ein Dialog zwischen dir

studiert. Wie würdest du deine Arbeiten

und deinem Werk ist?

formal b ­ eschreiben und einordnen?

Lass uns zu den formalen Aspekten deiner Arbeit kommen. Du hast in der


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Jene, die ich kenne, sind sehr skulptural und treten ­immer in den Dialog mit einer konkreten Raumsituation und Architektur. Liegt dir auch daran, diese mit den Medien Fotografie und Video festzuhalten?

Jede meiner Arbeiten wird dem Raum ­angepasst und für jede Ausstellung entsteht fast immer ein neues Werk. Es gibt Foto- und Videodokumentationen meiner Arbeiten, aber diese bezeichne ich nicht als Kunstwerke. Sie dienen, wie du sagst, nur zum Festhalten. Es gibt in meinem bisherigen Schaffen einige Fotoarbeiten, die aber eher aus der Reihe fallen. Meine Skulpturen entwickeln sich auch in Richtung Objekte. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob es Skulpturen oder ­Objekte sind … Meist nehme ich herkömmliche Dinge, Alltagsobjekte, die ich manipuliere. Im ersten Augenblick ­erscheinen sie als normales Objekt, wenn man sich jedoch etwas mehr Zeit nimmt, machen diese gewohnten Gegenstände etwas Ungewohntes. Beim formalen Einordnen meiner Arbeiten kann ich ­ mich nicht festlegen: Skulpturen, O ­ bjekte, Installationen, kinetische Installationen, … – letzteres trifft es vielleicht am besten, ich würde es aber nicht so b­ ezeichnen, weil es zu abgehoben klingt. Geht es dir dabei auch um die Frage von Funktion und Dysfunktion? Um eine In­effizienz von Dingen, die eigentlich eine klare Rolle und Aufgabe haben?

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Nicht direkt. Ich verändere etwas nicht in erster Linie, um seine Funktion anders einzusetzen, sondern entziehe den Akteur und gebe dem Objekt ein Eigenleben. Die Funktion macht sich selbständig. Dies gilt für alltägliche Tätigkeiten wie zum Beispiel das Öffnen von Fenstern, das eigentlich vom Menschen durchgeführt wird. Beim Vorgang entferne ich die Person und lasse das Fenster sich von selbst öffnen und schließen. Dies stellt keine Um­ kehrung der ursprünglichen Funktion des Objektes dar. Das bringt uns zu deiner preisgekrönten Abschlussarbeit „The Creator has a ­Masterplan“ an der Angewandten. Im ­ Titel schwingt für mich sehr stark die Frage nach der Autorität des Künstlers mit. Interessiert dich dieser Aspekt?

Nein, gar nicht. Es ist nicht in meinem Sinn, mich selbst als „Creator“ erscheinen zu lassen, der den Plan hat und allen anderen fehlt das Wissen dafür. Mit dem Titel wollte ich ein Postulat wiedergeben, welches der kirchlichen Welt entnommen ist. Dahinter steht das Credo, das eigene Zutun, die Lebensumstände seien an eine höhere Instanz zu übergeben, man sei machtlos und gebe sich dadurch auch zufrieden. Da für alles gesorgt ist, gibt man sich selbst auf und bringt nicht mehr den eigenen Willen ein. Die Arbeit entstand in einem Raum, der wie ein leerer Klassenraum wirkte, in dem das Geräusch einer schreibenden

Kreide zu hören war und an der Wand eine unbeschriebene Flügelschultafel angebracht war. Alle Fenster im Raum öffneten und schlossen sich langsam und gleichzeitig, fast so als würden sie atmen. Mit der Anspielung auf die Schule wurde hier eine Situation geschaffen, in der man sich als Schüler wiederfindet, obwohl man nie entschieden hat, diese zu besuchen, aber durch einen nicht hinterfragten Masterplan dorthin geschoben wurde. Die Arbeit zeigte Vorgänge, über die man sehr wohl Macht hat, wie das Öffnen von Fenstern, oder das Beschreiben einer Tafel … In Kombination mit dem Titel sind hier Themen wie Machtlosigkeit, Resignation, den Sinngebungsinstanzen Vertrauen schenken, zentral für die Installation. Kannst du beschreiben, was am Anfang ­einer neuen Arbeit steht?

Es hängt davon ab. Wenn ich eine Arbeit in Folge einer Ausstellungseinladung konzipiere, dann steht am Anfang meistens der Raum, in dem sie gezeigt werden soll. Wenn ich ohne konkreten Ausstellungsanlass mit einer Arbeit beginne, dient mir als Grundlage das, womit ich mich gerade beschäftige. Gibt es Texte oder Bücher, Lieder oder Filme, die dabei für dich eine Rolle spielen? Hast du genug Distanz zum künstlerischen Schaffensprozess, dass du ihn festschreiben kannst?


bildende kunst

Ich lasse mich sogar von Träumen inspirieren. Beim Lesen von Texten werde ich oft berührt, da ich im Geschriebenen etwas wiedererkenne, was ich fühle. Genau dies ist es, was ich auch mit meiner künstlerischen Arbeit erwirken möchte. Immer wieder inspirierend und unterhaltsam ist es, einfach nur mit Materialien zu spielen und zu probieren, was wie funktioniert. Beispielsweise mit einem elektronischen Teil. Ich entdecke dann eine interessante Funktion, was wiederum neue Assoziationen und Ideen für Anwendungsmöglichkeiten auslöst.

Biografie ___ Leander Schönweger, 1986 in Meran geboren, ist bildender Künstler. Er lebt und arbeitet in Wien. 2007 bis 2014 studierte er an der Universität für angewandte Kunst in Wien Skulptur und Multimedia. Er hat an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen u. a. in der Kunsthalle Wien sowie der Kunsthalle am Karlsplatz (Wien), Kalfarien 18 (Bergen), Gefängnis le carceri (Kaltern), Fabrica

Grundlegend, glaube ich, inspiriert mich das Leben und wie ich es fühle. Eigentlich glaube ich nicht, genug Distanz zum Schaffensprozess zu haben, um ihn festschreiben zu können. Du hast letztes Jahr die Universität für ­angewandte Kunst in Wien abgeschlossen. Wie und wo arbeitest du jetzt? Hast du ein Atelier?

Nachdem ich die Uni verlassen hatte, war alles plötzlich ziemlich prekär. Ich habe es aber trotzdem geschafft, mich an verschiedenen Ausstellungen zu beteiligen. Trotz der instabilen finanziellen Situation – und dabei meine ich eine stabil miserable –, wollte ich mich nicht darauf einlassen, einen fixen Brotjob anzunehmen. Ich habe die Durststrecke überwunden und wieder Auftrieb bekommen durch ein ­S tipendium vom österreichischen Bundes­ministerium, das mir momentan als Lebensgrundlage dient. Mein Atelier befindet sich derzeit noch in meinem kleinen Zimmer, was meine Arbeit von den Dimensionen und Techniken her lästigerweise stark beeinflusst. Daher bin ich gerade auf Ateliersuche.

Features (Lissabon). 2014 hat er den

Dein Leben ist fest in Wien verankert.

Preis der Kunsthalle Wien erhalten,

­Welchen gegenwärtigen Bezug hast du zu

2015 das Start-Stipendium des ös-

Südtirol? Beobachtest du das Geschehen

terreichischen BMUKK. Publikatio-

hier? Ist es in irgendeiner Form ein Refe-

nen: Leander Schönweger: Die Nebel

renzpunkt für deine Arbeit?

lichten sich (Sternberg Press, 2014).

Ein Freund in Wien, der einige Südtiroler Kunstschaffende kennt, empfindet es als

sehr typisch, dass diese sich in ihrer Arbeit mit Natur, den Bergen und den darin lebenden Menschen beschäftigen. In meiner Kunst interessiert mich diese Verbindung zur Natur nicht. Mein Südtirolbezug ist vor allem durch die Familie gegeben. Was das Kunstumfeld in Südtirol betrifft, so habe ich erst letzthin begonnen, die Augen dafür zu öffnen und in Kontakt mit lokalen Kunstakteuren zu treten. Nicht zuletzt auch dank der Einladung von Matthias Moroder für die Ausstellung in der Traube in Sankt Ulrich (Leander Schönweger’s „Psychogramm“, 23.07.– 22.08.15). Vorher habe ich zwar bereits zweimal in Südtirol ausgestellt, doch ergaben sich keine weiteren Projekte. Beruflich gibt es derzeit keinen Anlass, mehr Zeit in Südtirol zu verbringen. Natürlich halte ich mir die Option offen, meinen ­Lebensmittelpunkt kurz- oder mittelfristig nach Südtirol zurück zu verlegen. Zurzeit finde ich es für mich aber nicht interessant. Im Gegenteil, es zieht mich gerade eher noch weiter weg. Ich weiß nicht, ob ich in einem ländlichen Raum gleich produktiv wäre, das habe ich noch nie probiert. Ich bilde mir aber ein, dass ich für meine Arbeit und meinen beruflichen Werdegang in einer größeren Stadt besser aufgehoben bin als in einer ländlichen Umgebung. —


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musik

Das Zusammentreffen unterschiedlicher Musikwelten Das Zerfließen von Grenzen zwischen den Genres: Controfase - gegen den Strom auf der Suche nach Neuem. TEXT ___ Mateo Taibon  FOTO ___ Daniel Mazza

Wer Adjektive für die Musikgruppe ­„Controfase“ sucht, kommt in den Bereich des Eigentümlichen, der Gegensätze auch und des Widersprüchlichen. Denn die Band ist eigenwillig: Ihre Musik ist experi­mentierfreudig, rockig, minimalistisch, avantgardistisch, zuweilen sperrig und doch auch ansprechend. Eine Ein­ ordnung ist schwer und auch obsolet. Die Gruppe widerstrebt den gängigen Zuordnungen zu Genres, denn sie ist das originelle Ergebnis der Zusammenkunft von Musikern aus verschiedenen Richtungen. Zur Einheit verschmolzene Heterogenität, so könnte man die Musik von Controfase zusammenfassen. „Io per esempio nel passato ho avuto varie influenze come la musica minimal, la musica classica, anche la musica

punk“, sagt Emanuele Zottino. “Andrea ­viene dal mondo hardcore, ha suonato in gruppi importanti di quel genere. Barbara invece ha un percorso classico. Pietro è ­appassionato di musica americana e inoltre di cantautori come Nick Cave ed altri. Quindi i nostri riferimenti sono sparpagliati.“ In den musikalischen Ergebnissen schlägt sich diese musiksprachliche Streuung in einem großen Reichtum nieder, in einer großen stilistischen Bandbreite, in der zeitgenössische Musik mitsamt Avantgarde (nicht zuletzt in der elektronischen Klangverarbeitung), Pop, Rap, Klassik verschmelzen, wobei Bruch­ linien hörbar bleiben. Der musikalische Reichtum von Controfase ist nicht vorgeplant, sondern

das Ergebnis der verschiedenen Kompetenzen, die zusammenfinden und sich teilweise auch überlagern: Emanuele, der Musik schreibt, Andrea, der Klänge elek­ tronisch verarbeitet, Barbara, die alles vom Blatt spielt und jede ausführungstechnische Frage löst, Marco, der kreative Tontechniker, und jene belesene, engagierte Person, die an der Musik mitarbeitet und die Texte schreibt und rezitiert: Pietro. Die Formation ist Ergebnis eines längeren Weges: “Noi non siamo nati come gruppo rock. Siamo nati come duo di elettronica e pianoforte”, sagen sie. Die ersten Arbeiten waren akustische Stimmungsbilder, die von der Band selbst gerade­zu poetisch beschrieben werden: „Der weiße Nebel wunderbar“ consiste


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nel dipingere atmosfere rarefatte e ­minimali, rigorose, statiche, fredde, tra­ sparenti.“ Es gab beachtliche Entwicklungen. Die CD „Controfase“ (2009) ist noch rein instrumental und hört sich über weite Strecken wie Neue Musik an, nur zugänglicher, spontaner, wenngleich die Vorarbeit durch experimentelle Klangrecherche außergewöhnlich intensiv war. In „Rispettabili criminali e comuni ­mortali“ (2012) kommt ein dominantes Element dazu: die Stimme. Es ist kein Gesang, also keine Textvertonung, sondern es sind gesprochene Worte, viele Worte, ununterbrochen in ihrem eiligen Vortrag, fast aufdringlich in ihrer Wirkung. Anders als im Pop oder in der Klassik kann man diese Texte nicht der Aufmerksamkeit entziehen, man kann sie nicht ausblenden. Die Art der Rezitation stellt hohe Anforderungen an den Hörer. Schafft es der Hörer, alles aufzunehmen? „Nicht beim ersten Mal“, sagt Barbara Schindler, doch das sei bei 95% der Musik so, auch

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beim Rap - außer beim Schlager. Außerdem: „Im Booklet der CD und auf der Webseite kann man die Texte nachlesen.“ Die Texte sind eine deutliche, auch krass formulierte Bestandsaufnahme, ein Protokoll der Realität. Es sind Zeugnisse des Widerstands gegen das System, gegen die aktuelle Phase der Geschichte: „contro fase“ im wahrsten Sinn des Wortes. Doch geben sie keine Anleitungen, sie lassen keine parteigebundene Ideologie zu. Anders als die politische Musik der 1960er oder 1970er Jahre, folgen sie auch keiner Utopie, sondern sind Zeugnisse der Desillusionierung. „Una volta i contestatori avevano un credo, oggi quelle utopie sono crollate. Oggi è molto più difficile credere in un sogno, credere che sia veramente ­realizzabile un mondo diverso.“ Die Texte wollen aufrütteln, Bewusstsein schaffen, in dem sie die unbequeme Realität zur Sprache bringen. „I miei testi nascono dal fatto che per anni mi sono occupato di problemi di economia a livello scientifico, pubblicando articoli e libri – in inglese - presso

editori serissimi, internazionali”, sagt Pietro F­ rigato. Nun unterrichtet er. So hat ­Controfase Texte, die von einem Ökonomisten verfasst werden, der sich zur Strömung des ehemaligen griechischen F inanziministeres Yanis Varoufakis ­ zählt. „Con Controfase diffondiamo l’idea che i grossi problemi dell’umanità non sono gestiti minimamente adeguatamente e che l’umanità si sta spostando pericolosamente sull’orlo di un precipizio. I demografi dicono che entro il 2050 supereremo i dieci miliardi di presenze, che è la soglia di sostenibilità del pianeta. In realtà li supereremo nel 2030. L’effetto serra poi nella letteratura seria si chiama già „mega-effetto serra. Le proiezioni sono del 100% peggiori rispetto a quelle che si davano un po’ di anni fa. Dunque hai l’effetto serra fuori controllo, livelli di disoccupazione altissimi, guerre, perché ci sono dei meccanismi politico-economici che dirigono il mondo in una direzione che probabilmente sarà suicida anche per loro.” „È un messaggio un po’ ­disperato“,


musik

gibt Pietro unumwunden zu. Ist die recht politische Dimension der Texte Teil der Musik oder ein außermusikalischer Zusatz? „La musica è un linguaggio astratto“, sagt Andrea Beggio, „dunque non può raccontare un’idea politica precisa.“ Die Musik bleibt wie unberührt von den politischen Inhalten. Auch Emanuele Zottino zieht es vor, die Klänge als abstrakte Entität zu denken, die jenseits jeder sozialen Dimensionen liegt: die Klänge sind universell. Die Art, Musik zu denken, der Prozess der Produktion und der Wiedergabe von Musik kann einen politischen Aspekt haben. Doch die Klänge selbst können - zum Glück, betont Andrea - keinen politischen Ideen ­zugeordnet werden. Aus der engagierten Haltung heraus sucht die Band immer neue musikalische Wege – neu für das Publikum, neu für die Musiker selbst. In der kommerzialisierten Musikwelt, die mit Markennamen Bekanntes, Gewohntes vermarkten will, ist auch dies eine politische Haltung: Controfase ist buchstäblich fortschritt-

lich. Sie begnügen sich nicht mit dem Erreichten. Diese Haltung fängt beim Einzelklang an und endet bei der Textur ihrer Stücke. Geräusch, Dissonanz, Melodie, asymmetrische Rhythmik, Improvisation und Experiment: In ihre Werke findet vieles Eingang. So setzt Barbara verschiedene Spielweisen ein: Die Harfe wird nicht nur gezupft, sondern auch mit dem Bogen oder mit dem Bohrer gespielt. Oder der Klang des Instruments, das generell für Zartheit und Romantik steht, wird verzerrt wie jener einer E-Gitarre. Bisher kamen sie ohne Schlagzeuger aus, sie hatten Ersatz - aber nicht synthetisch erzeugten, sondern reale (abgewandelte) Klänge. Aufgrund der Verwendung von Elektronik und live eletronics ist ihre Musik nicht an die realen Möglichkeiten eines Instruments gebunden. Oft sind Klänge nicht identifizierbar, deren Wurzel nicht erkennbar. Auch deswegen die enge Bindung an den Tontechniker Marco Ober, der kreativer ist als sonst bei Rockgruppen. Doch sie wollen gar nicht Pop oder Rock machen, in der Besetzung je-

doch suchen sie dessen Nähe, aber nicht die Nähe zum Rocksound. Die Stücke sind auch länger, sie bewegen sich nicht im Rahmen der üblichen drei Minuten der Rock-Songs. Das erfordert einen anderen Aufbau, ein anderes musikalisches Denken. So ist Controfase recht weit entfernt vom Mainstream: Ihre Musik ist interessant, spannend, anspruchsvoll. Sie ignoriert einfach die herkömmlichen Genres und deren Publikumserwartungen. Zusammengefunden haben die Musiker durch einen glücklichen Zufall. Barbara hat eine klassische Ausbildung am Konservatorium hinter sich. Nur der Harfe wegen hat sie in München das Studium begonnen, doch wollte sie immer schon auch etwas Anderes machen als klassische Stücke spielen - zusätzlich zur Klassik. Nach ihrer Ausbildung hat sie dann noch das Biennium „Musik und Neue Technologie“ bei Carlo Benzi am Konservatorium in Bozen absolviert. Da hat sie die anderen Musiker von Controfase kennen gelernt. So ist sie zur Gruppe dazugestoßen und hat, mit ihrem sozusa-


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»Ihre Musik ignoriert ­ einfach die ­herkömmlichen Genres und deren Publikums­ erwartungen.« gen „exotischen“ Instrument, in dieser Band ihre Bleibe gefunden. Die Recherche, die sie mit Benzi auch in der Gruppe „antisonic“ experimentiert und musiziert hatte, sagte ihr zu. Eine Überzeugung vereint die Musiker mit ihren unterschiedlichen Wegen: sie lehnen Virtuosität, die ausführungstechnische Bravur als Selbstzweck ab. So gibt es in ihren Stücken keine Solos, keine Einzelshows. Jeder Klang soll seine ­Berechtigung aus dem Musiktext heraus haben. Der Name der Gruppe ist ein durchdachtes Sinnbild ihrer Grundideen. In der Physik beschreibt die „Gegenphase“ eine gegenteilig verlaufende Welle. Phase und Gegenphase addiert ergeben Null. Doch die Musiker verstehen den Begriff auch als „gegen den Strom“, als oppositionelle Haltung zur Realität. „Ci interessava che nel nome venisse fuori un’idea di opposizione e di ribellione. Poi è un nome che lega le due diverse produzioni del gruppo: da un lato quella più politica, dall’altro lato quella più legata alla musica

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di ricerca, elettronica.“ Mit ihrem „Mix“ haben sie zahlreiche positive Rezensionen erhalten, auch von renommierten Experten; überraschend und besonders erfreulich eine lange Rezension in der Musikzeitschrift „Amadeus“: „Nel mondo culturale si respira aria nuova, con una nuova generazione di artisti che vuole mettersi in gioco e cambiare questo scenario di palude nebbiosa che si prospetta nel futuro. Può darsi che i Controfase non abbiano l’ambizione di cambiare il mondo con la loro musica, sta di fatto però che con il disco ’Rispettabili criminali e comuni mortali’ danno della società che stiamo vivendo una descrizione precisa, feroce e drammatica“. Die neuen Musikrichtungen ­gewidmete Sendung „Battiti“ auf Radio 3 der Rai, dem nationalen Kultursender, war ebenfalls begeistert: “Un disco ipnotico, a tratti martellante, ma un disco davvero ben fatto, ben suonato … Un disco solo apparentemente algido, si tratta di un lavoro appassionante, capace di coinvolgere l’ascoltatore

grazie all’equilibrio, un po’ scorbutico e ripetitivo, tra i testi e la musica”. Diese wichtigen Anerkennungen aus unterschiedlichen Fachkreisen haben sie sehr gefreut, auch weil sie wenig ins Marketing investiert haben: „Il nostro impegno arriva a qualcuno che riesce a decifrarlo e a dare una chiave di lettura intelligente.“ In jüngerer Zeit haben sie auch ­Videos produziert, die sie aber nicht als Videokunst verstanden wissen wollen, sondern als eine andere Art, um ihre Stücke bekannt zu machen. Sie wollen dem Konzert ästhetisch nichts dazugeben. Zum Teil sind die Videos vollkommen ­unabhängig von der Musik, oder gegenläufig, oder auch parallel und überdeutlich (wie bei „rainews24“, bei dem ausschließlich Material aus dem Web verwendet wird, sozusagen ein dokumentarisches Video). Die Videos sind eine zusätzliche Ebene, die paradoxerweise die Texte verständlicher machen, obwohl sie die Texte nicht illustrieren, wie die Musiker von Controfase überrascht festgestellt haben.


musik

Die Gruppe hat sechs Jahre lang in einer Tischlerei in der Bozner Industriezone geprobt. An Wochenenden konnte man alles stehen lassen, ansonsten hieß es nach jeder Probe wieder alles abmontieren, damit am Tag danach die Tischler wieder arbeiten konnten. Jetzt haben sie, tief im Keller eines Wohnhauses, einen permanenten Proberaum. Ein Stück Luxus am Beginn eines neuen Weges, der wieder neue Entwicklungen bringen wird. Als neues Bandmitglied nun mit dabei: Schlagzeuger Matteo dell’Osso. ­ ­Derzeit arbeiten die Musiker und der ­Texter an einer neuen CD. Der Titel steht noch nicht fest. Doch ist es, wie Pietro sagt, „una denuncia del cretinismo“. ­­Man darf also gespannt sein. —

info ___ Pietro Frigato (Stimme), Andrea Beggio (eletroncis, live electronics, Bassgitarre), Barbara Schindler (Harfe), Emanuele Zottino (elektrische Gitarre, Glockenspiel, Objekte), Marco Ober (Tontechnik). Entstanden ist die Gruppe 2004 aus einem Projekt für Klavier und live electronics von Emanuele Zottino und Andrea Beggio. In der Folge kamen andere Musiker mit unterschiedlichen ­Erfahrungen dazu. Die Gruppe hat an verschiedenen Festivals teilgenommen, u. a. an Staub und Kratzer (Düsseldorf), Undefined (Meran), Highscore (Pavia). Bisher hat sie die CDs „Abstract“, „Notturno“, „Piano and electronics“, „Controfase“, „Conflitti“ und „Rispettabili criminali e comuni mortali“ herausgegeben. ­Zudem hat die Gruppe die Musik für Dokumentar- und Kurzfilme, Stummfilme, Klang­installationen, Kennmelodien und Radio­erzählungen kreiert. Die Musik von Controfase wurde u. a. von Rai Südtirol und vom nationalen Kultursender Radio 3 Rai ausgestrahlt. controfase.it


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Die Magie des Drunter und Drüber

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festival

Stellvertretend für die unzähligen Festivals, die im Sommer in Südtirol stattfinden, haben wir uns das Kribiskrabis ­Festival in Olang angesehen: ein haut­ naher Erlebnisbericht und ein Interview mit den ­Organisatoren. TEXT ___ N adja Röggla + Kunigunde Weissenegger + Mauro Sperandio (Intervista) FOTO ___ Mirja Kofler

Oben ist es Nacht. Wie ein schwarzes Tuch legt sich der Himmel über das ansonsten ruhige Olang im Pustertal. Nur der Mond blitzt zwischendurch hinter den großen umliegenden Bäumen hervor. Unten weht warmer Geruch von Räucherstäbchen durch die Nasen. Alles wirkt orange und sehr friedlich, ist aber trotzdem hellwach. Es ist 23 Uhr. Wo um diese Zeit im Sommer eigentlich nur die Grillen zirpen, dringen jetzt melodische Trommelgeräusche, die am Mischpult aufgearbeitet werden, aus den Verstärkern der kleinen Bühne des Kribiskrabis Festivals. Die Band, die nicht nur zum Mitwippen und Schunkeln, sondern zum Glasabstellen und Mitspringen einlädt, nennt sich Afriquoi. Die Londoner Underground-Sensation ist eine Kombi-

nation aus einem Kora-Spieler aus Gambia, einem Gittaristen aus dem Kongo, einem Mandinka für die Percussion und jede Menge elektronischer Beats. Die Menge tanzt, sprüht – egal ob jemand zusieht; genauso wie es eigentlich immer sein sollte. Klitzekleine Rückblende: Wenige Minuten zuvor noch waren alle, auch die in der letzten Reihe und ganz besonders jene in der ersten, konzentriert, hielten gespannt den Atem und folgten gebannt der Pinselakrobatik des Fine-­ArtBodypainting-Weltmeisters ­Johannes Stötter aus Pfitsch bei Sterzing: Mit fünf Models malte und ließ er für das Festivalpublikum den inzwischen weltberühmten Frosch aus Menschenkörpern wieder entstehen.


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Kribiskrabis? Kraut und Rüben. Von allem etwas und querbeet durchmischt. Ein Durcheinander, das für mich als kreatives Chaos positiv b ­ esetzt ist. Als kreativer Mensch ist es ein Segment meiner Schaffens­kraft. Armin Mutschlechner, Mühlbach

Aber beginnen wir von vorn: Wir befinden uns hier im Oberolanger Park im Pustertal. Dort findet bereits zum vierten Mal das Kribiskrabis Festival statt – eines der rund 50 Festivals, die in Südtirol jährlich mehr oder weniger ehrenamtlich stattfinden. Ein Fest, dessen Ziel es ist, Kunst und Kultur mit gesellschaftsrelevanten Themen zu verbinden. Die Hälfte des Erlöses geht an den ehrenamtlichen Verein Prem Prasad in Bruneck, der verschiedene Projekte in Indien, wie zum Beispiel den Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft, iniziiert und unterstützt. Dabei gibt es also zusätzlich zu Musik und Feierstimmung auch Bewusstseinsprägendes: Im Schulgebäude nebenan werden in den zwei Tagen des Festivals zum Beispiel

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Filme und Ausstellungen (von Adama Keita und Open City Museum) zu aktuellen Thematiken gezeigt. Einer davon: der Dokumentarfilm „Chronicles of Wind and Stillness“. Die Zelig-Produktion des Regisseurs Nuno Escudeiro fasst die Flüchtlingssituation Europas in Bilder. Gekonnt metaphorisch, aber auch sehr konkret wird dabei die Problematik der von Süd nach Nord strömenden Menschen aufgegriffen. Eine Geschichte mitten aus unserer Gegenwart, mit Bildern, die der Vergangenheit gleichen. Anschließend an den Film folgt eine Diskussion, bei der nach persönlichen Erfahrungsberichten des Jugendarbeiters und Flüchtlingshelfers Armin Mutschlechner jede und jeder aus dem Publikum zu Wort kommen und seine Ansichten mit den anderen teilen darf. Blicke sowie Meinungen tauschen sich aus. Langsam bewegt mensch sich dabei aufeinander zu, Verschiedenheiten werden diskutiert. Urteilslos. Kribiskrabis per me è un faro per il valore dell'interculturalità. Adama Keita, artista, San Candido

Nichts hier ist beklemmend oder bedrängend: Geredet wird mit weiter Stirn und offenem Blick. Der abgeholte Gesprächsstoff aus den Dokumentarfilmen, Ausstellungen, Diskussionen und die frischen Inputs können dann zurück am Festgelände debattiert und ausgetauscht werden. Oder auch nicht. Es darf auch einfach nur gegessen und genossen werden. Denn neben den Bewusstseinserweiterungen – und übrigens auch einem Handleser – gibt es beim Kribiskrabis Festival auch Buntes aus dem Kochtopf: eine Vielfalt an Speisen, zubereitet von Olanger Frauen mit Migrationshintergrund, und so werden echte Puschtra Strauben geknabbert oder indischer Milchreis gelöffelt. Neben würzig scharfem Kulinarischen sowie veganem Curry mit Linsen lockt auch der Duft der klassischen Bratwurst zum ­Kopfausschalten, Zurücklehnen, Kauen, Schlucken und Genießen ein. Und beim Schlendern vorbei an den bunten Marktstandln mit Schönem und Nützlichem von Marieta Frauenwerkstatt Mühlbach, der Inderin oder Afzack nehmen wir Ideen und Inspirierendes mit.


festival

Anders denkende Leute, tolle Stimmung und feines Ambiente – das ist Kribiskrabis. Sandra Costa, Marieta Frauenwerkstatt Mühlbach

Am Morgen des zweiten Festivaltages kitzeln vertraute und fremde Töne aus dem Nachtlager auf dem Zeltplatz: Die Tanz­ hausgeiger und die Nepomuckla spielen in locker lässiger Festivaltracht riskant witzige Tänze und Stickln aus aller Welt auf: Csárdás, Invartita, Szapora, Steirer, Landler, Schleiniger. Klarinette, Steirische, Hackbrett, Tuba – der Rhythmus fährt in Füße und Schultern, regt zum fröhlichen Mitzucken an. Auch andere musikalische Blumenkinder – aka Valerio Mauro & Friends – laden zu Klangreisen jenseits von Raum und Zeit. Für jede und jeden ist beim Festival etwas dabei, bunt gemischt auch das Publikum. Einige Festivalbesucherinnen und -besucher sind extra angereist, um ihn wieder mal solo zu sehen und zu hören: Patrick Strobl, Kopf der Vinschger Band Mainfelt, die zur Zeit erfolgreich durch Europa tourt und konzertiert, fehlt mit Liedern im Dialekt, in Deutsch

und Englisch nicht. Auch Literaturfans kommen nicht zu kurz: Geschichtenerzählerinnen und -erzähler, Poetry Slammerinnen und Wortjoungleure verzaubern die Menge mit beschwingten und grüblerischen Gedanken, mit improvisierten lauten und leisen Rufen und auch ohne Worte im Schattenspiel oder pantomimisch. Vibrierende Sätze und pulsierende Wörter kommen auch vom frisch gekürten Morgenstern Poetry Slam ­Landesmeister Giovi. Kribiskrabis sind die Leute, die kommen, junges Festivalvolk, die Bauern vom Dorf, Familien mit Kindern und Menschen jeglichen Alters. Die Vielfalt beim Kribiskrabis und auch die gemütliche, friedliche Atmosphäre sind gewaltig. Gabriel Oberhuber, Vintl

Bereits Bekanntes wird mit Fremdem, anfänglich Ungewohntem ge- und vermischt und wirkt plötzlich natürlich. Ganz im Sinne der Ziele des ehrenamtlichen Vereins kribiskrabis-KULTURplatt-

form, der das Festival ausrichtet und organisiert und versucht als „Plattform Räume zu öffnen, in denen verschiedenste kulturelle und künstlerische Ausprägungen (Südtirols sowie anderer Regionen) ihren Ausdruck finden können. Damit soll auch Raum in den Köpfen der Beteiligten und Besucherinnen und Besucher geschaffen werden, der genutzt werden kann, um festgefahrene Meinungen und Vorstellungen zu hinterfragen, neue Perspek­ tiven zuzulassen und ganz allgemein den eigenen Horizont zu erweitern. Es geht bei Kribiskrabis um einen alle Sinne an­ sprechenden, ganzheitlichen Zugang, der auch Fragen nach einem nachhaltigen Lebensstil und einer solidarischen, respektvollen und neugierigen Inter­ ­ aktion und Kommunikation mitein­ bezieht,” ist auf der Website kribiskrabis. org nachzulesen. Wichtig ist dem Verein, kreativen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren und zu inspirieren. Kunst, Literatur, Tanz, Theater, ­Musik, Küche, Handwerk, Sport, Ethnologie, P ­ hilosophie, Pädagogik – im Allgemeinen jede Art von Bildung und kultureller


20-21

­ ätigkeit – kann in den Veranstaltungen T des ­Vereins auf verschiedenste Weise dar­ geboten werden. Mission erfüllt, würden wir ­behaupten: Auf unserem Festival-Tauchgang sind wir vielen neuen Menschen mit den unterschiedlichsten Ideen und Meinungen begegnet und haben uns mit ihnen ausgetauscht; wir sind mit neuen Inputs nach Hause gefahren und vor allem wirken die Begegnungen und Gedanken noch nach. Hoffen wir, dass der Handleser dem Kribiskrabis Festival nur Gutes prophezeit hat und es 2017 wiederum stattfinden wird.

info ___ Der Verein kribiskrabis KULTURplattform wurde 2010 ­gegründet, um es kreativen Menschen in den Bereichen Kunst, ­Literatur, Tanz, Theater, Musik, ­Küche, Handwerk, Sport, Ethnologie, Philosophie, Pädagogik und im ­Allgemeinen jeder Art von Bildung und kultureller Tätigkeit zu ermöglichen, sich auf verschiedenste Weise zu präsentieren. Alle zwei Jahre wird das Festival für Kunst und Kultur Kribiskrabis veranstaltet; das ganze

Definire in parole semplici un sistema complesso è difficile e a volte rischioso. “Kribiskrabis” è un gruppo di amici, un’associazione, un festival in cui artisti, saltimbanchi, intellettuali, uomini di spiritualità, grandi e piccini si incontrano, si confrontano e creano un’occasione per conoscere e approfondire. Ecco, Kribis­ krabis è un luogo, fatto di impegno e ­magia. A Jakob “Jack” Brunner, fondatore di Kribiskrabis, abbiamo chiesto di farci da guida in questo “luogo” felice.

Jahr hindurch bietet der Verein

Kribiskrabis, ovvero "sottosopra".

außerdem ein breitgefächertes

Come nasce questo nome?

Musikprogramm, Film­

Il nome nasce nel 2009, allorchè Daniel Moser ed io avevamo il forte desiderio di dare vita a un festival che riunisse m ­ usica, arte, esposizioni, attività per bambini, ­letteratura, performances, club-parties, persone di ogni età, lingua e provenienza. Insomma: un festival per tutti, proprio tutti! Il “sottosopra” che intendiamo noi è armonioso fatto di felicità, incontro, interscambio, moltitudine, tolleranza, piacere, arte e cultura. In questo “sottosopra” artisti e artigiani del territorio e da paesi

präsentationen, Foto­ausstellungen, Kinder­programme, Puppentheater, Literatur­lesungen, Tanz­ performances sowie einen Handwerks- und Kleinkunstmarkt. kribiskrabis.org

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Kribiskrabis: persone, idee, mondi migliori.


festival

l­ ontani ci mostrano il mondo attraverso le loro opere.

Della vostra festa mi colpisce l'apertura

Come avviene la scelta degli artisti?

­"magico" a Valdaora?

Vogliamo portare al festival delle cose nuove e spettacolari, anche strambe, non glamour, ma sempre di alta qualità (artistica) e di livello internazionale, senza perdere contemporaneamente di vista i progetti locali. L’idea di fondo è quella di offrire un programma né commerciale, né banale.

Ti ringrazio per aver usato il termine “magia”, ormai quella parola è stata eliminata dal nostro vocabolario. Credo che la “magia” stia nel fatto che tutti quelli che organizzano e partecipano al festival ­condividono questi obbiettivi: vivere in armonia, in condivisione, leggerezza, tolleranza. A ciò si aggiunge quel qualcosa di unico e speciale che è in ognuno di noi. Il festival offre le condizioni perché questa magia si realizzi, incentivando oppure inducendo l’interscambio tra singoli e gruppi. A volte temiamo di perdere il controllo di quanto avviene durante il festival: gli artisti si incontrano e coinvolgono nei rispettivi spettacoli dando vita a r­ icchi fuoriprogramma. La creatività e queste connessioni inattese sono forse ciò che tu chiami “magia”.

Nel vostro statuto e negli obiettivi della festa risalta particolarmente la parola ­"libertà"…

Durante il festival offriamo spazio a persone e artisti, una piattaforma sulla quale muoversi in “libertà”, incontrandosi come mai forse sarebbe accaduto. Il festival ha visto nascere collaborazioni e scambio di informazioni. L’arte e le persone sono ­libere, sta a ciascuno di noi la responsabilità di far fruttare questo senso di libertà. Come associazione cerchiamo di creare spazi nei quali prevalgono i principi di solidarietà e rispetto, un “pensare” ecologico e improntato alla sostenibilità sociale, il più possibile libero dai condizionamenti che impone la società.

nei confronti di ambiti molto diversi e non sempre comunicanti: cosa succede di

Quella del 2015 è la quarta edizione di una festa che riunisce talenti, capacità ed i­ nteressi diversi. Cosa vi ha ­meravigliato in questi anni? Cosa è successo oltre le aspettative?

Il festival è sempre ricco di sperimen­

tazioni, improvvisazioni e … confusione.­ È bello vedere da una parte il prete del posto e dall’altra uno yogi, un musicista in costume tirolese e a fianco il rasta di Londra con la kora in mano. Kribiskrabis è ­diventato un piccolo mondo, costruito con amore e volontà, oltre le difficoltà. Ma senza guerra, anzi, con un occhio di ­riguardo all’impegno sociale. Quali progetti avete per la prossima ­edizione? Quali nuovi obbiettivi per la ­vostra associazione?

Ci piacerebbe ampliare l’area in cui si svolge il festival per offrire ancora di più alla gente e agli artisti. Non vogliamo diventare più importanti, ma più “larghi”. Anche se per la prossima edizione, che sarà nel 2017, abbiamo già parecchie grandi idee che al momento devono ­restare segrete. Le sfide per la nostra associazione riguardano la stabilità e la comunicazione, che sono un po’ il punto debole della nostra associazione, visto che i ragazzi del gruppo vivono sparsi per tutto il mondo. Sono sicuro che poi, come sempre accade, quando ci rincontriamo tutto si supera, come per magia. —


22-23

Ein Plädoyer für Festivals TEXT ___ Gustav Hofer

Theaterfestival, Filmfestival, Jazzfestival, Kunstfestival, Open-Air-Festival, Wein­ festival, Literaturfestival - oder anders­ herum - Festival für alte Musik, für neue Musik, für Stummfilm oder Festival des restaurierten Films. Festival für Jetzt­ kultur oder Heimatfestival, Festival der Sinne oder Festival der Philosophie – die Spannbreite, die die sogenannte Festivalkultur mittlerweile umfasst, geht schier ins Unendliche – wodurch bereits der erste Punkt klar wird: es gibt keine Festivalkultur im Singular, sondern Festivals sind nur im Plural zu erfassen, für jeden Geschmack und jedes Interesse – und das ist gut so. Denn Festivals sind Ausdruck kultureller Vielfalt, Lebendigkeit, Initiativkraft, zeugen vom Tatendrang einer Gruppe und tragen so zu einem Demokratisierungsprozess einer Gesellschaft bei. Wie ich zu diesem Schluss gekommen bin, werde ich anhand meiner eigenen Biografie versuchen, zu erörtern.

sozusagen Container, die von der sogenannten Hochkultur bis zur Pop-Kultur jeden Inhalt aufnehmen können.

Das Wort „Festival“ kommt vom Lateinischen „festus“, auch als „festivus“ verwendet. Dieses Adjektiv steht für „lebendig“, „froh“, „glücklich“ – im Begriff selbst verbergen sich schon Grundpfeiler, die jedes Festival erfüllen sollte.

Im Laufe meines Lebens habe ich jegliche Art von Festivals aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt: als ganz normaler Besucher, der im Publikum sitzend Musikern zuhörte, Filme bewunderte oder Diskussionen erlebte; als berichterstattender Journalist, der Veranstaltungen lobte oder kritisierte, Künstler interviewte und über Premieren berichtete und als eingeladener Filmemacher, der als Gast unterschiedliche Festivals auf allen Kontinenten erleben und so Unterschiede, Professionalität und Improvisation auf diese Weise beobachten konnte.

Ihren Ursprung hatten Festivals als ­religiöse Feiern, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu thematischen Feierlichkeiten an bestimmten oder mehreren ­Tagen wiederholten. Heute verstehen wir darunter eine organisierte mehrtägige kulturelle Veranstaltung. Festivals sind

NUJ  01

Sechs von zehn Festivals in Europa wurden laut der „Internationalen Festival­ gesellschaft“ in den 1980er Jahren gegründet. 860 Festspiele finden jedes Jahr in Frankreich statt, davon sind 40 Prozent im musikalischen Genre. Französische Städte werden in einem Atemzug mit ihren kulturellen Aushängeschildern genannt: Cannes steht für die bedeutendsten Filmfestspiele, Avignon für das größte Theaterfestival,Arles für das Foto- und Angoulême für das wichtigste Comicfestival. Festivals haben also die Fähigkeit bei entsprechender Programmatik, Innovation und Vermarktung, die Erkennbarkeit und das Image einer Stadt oder einer Region zu prägen und international bekannt zu machen.

Doch aus welcher Perspektive auch immer, das Festivalerlebnis verbindet Menschen – egal, ob in einem Kinosaal, einem Theater, im Konzertsaal, in einer Arena oder unterm Sternenhimmel: Es ist das kollektive Erleben, das im besten Fall einen nachhaltigen Einschnitt im Leben eines Festivalbesuchers bedeuten kann, das Festivals so wertvoll macht. Wir leben in einer Zeit, in der wir zwar ständig virtuell vernetzt und verbunden sind, in der wir uns aber gleichzeitig in dieser Online-Welt isolieren. Filme etwa werden mittlerweile vor allem von den jungen Generationen nicht mehr im Kino angeschaut, sondern (meist illegal) heruntergeladen oder im online-streaming auf dem Computer oder iPad konsumiert. Im Unterschied zum Kinosaal wird Film so zu einem isolierten Erlebnis, wo der mögliche Austausch nach dem Ende des Abspanns, beim Verlassen des Kinos, unmöglich ist. Vor allem die Filmbranche hat daher erkannt, wie wichtig Festivals für den eigenen Fortbestand sind. Denn bei Festivals ist es generell nach Ende der Vorstellung so, dass das Publikum in den Sesseln sitzen bleibt und den Filmschaffenden oder Darstellerinnen und Darstellern in einer Q&A (Question and Answer) Session Fragen stellen kann, Kritiken einbringt, zu Überlegungen anstößt und im besten Fall eine Diskussion in Gang bringt, die neue Gedankenprozesse auslöst. Wenn am Ende dann die Besucher den Saal verlassen und die Diskussion unter sich fortführen, während sie zur


gesellschaft

nächsten Filmvorführung spazieren, dann hat ein Festivalabend sein Ziel erreicht. Menschen tauschen sich aus, ­sehen Dinge vielleicht dank der gemeinsam verbrachten Zeit auf andere Art und Weise und werden dieses Erlebnis noch lange im Herzen bei sich tragen. Aus dieser Aggregation von Menschen kann im Idealfall die Brutstätte für sozialen Wandel entstehen. Festivals können identitätsstiftend und identitätsfördernd wirken und das Gefühl einer Gemeinschaft stärken. An dieser Stelle möchte ich das Beispiel von Queer-Festivals zitieren – von Festivals, die durch Filme, aber auch durch Tanz und Theater im Laufe der Jahrzehnte dazu beigetragen haben, die Perzeption von Homosexualität gesellschaftlich zu verändern, und die sicherlich zur gesellschaftlichen Akzeptanz von schwul-lesbisch-transsexuellen Menschen beigetragen haben. Durch Festivals wird das Gefühl der Einsamkeit und der Isolation gesprengt, es wird eine Agora geschaffen, um in unbefangener Atmosphäre offen und öffentlich gesellschaftliche Tabus zu brechen. Festivals stellen Öffentlichkeit her und helfen einer Gesellschaft, ihren Horizont zu erweitern. Das erklärt auch den großen Erfolg von Menschenrechts-Festivals, wie etwa „One World“ in Prag oder „Movies That Matter“ in Den Haag. Die Mission dieser Veranstaltungen liegt darin, aufzurütteln, nationale Regierungen und die öffentliche Meinung durch das Festival

auf Menschenrechtsmissstände in unterschiedlichen Weltgegenden aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. So tragen Festivals dazu bei, Randthemen oder Themen, die von den Mainstream-Medien ignoriert wurden, einer breiten Öffentlichkeit vorzulegen und politischen Druck zu erzeugen. Dass Festivals auch ein Mittel sein können, um eine Stadt, ein Dorf oder eine ganze Region zu verändern, dafür gibt es unzählige Beispiele. Die letzte Erfahrung, die ich diesbezüglich persönlich machen konnte, war in Tivoli, einer Kleinstadt auf den Hügeln vor Rom. Die neue Stadtverwaltung hat dieses Jahr zum ersten Mal, zusammen mit Ortsvereinen, die vor allem von jungen Einwohnern geleitet werden, das Kulturfestival „Tivolichiama“ organisiert. Tivoli hat verstanden, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Ortsansässigen ist. Nur wenn Festivals das Lokale miteinbeziehen, die Menschen vor Ort motivieren und als Teil des Festivals sehen, nicht nur als passives zahlendes Publikum, können solche Veranstaltungen verändernd auf eine Gemeinschaft wirken. Theater-, Tanz- und Filmvorführungen finden in Tivoli an verschiedensten Orten innerhalb des historischen Zentrums statt, auf Piazze und in Villen, die auf diese Weise neu definiert werden: als Ort des Zusammenkommens, wodurch sowohl städtische Gebiete wieder aufgewertet werden als auch Touristen und Einheimi-

sche ihre Stadt unter einem anderen Licht sehen. Während der Vorführung unseres Films „Italy Love it or Leave it“ auf einer versteckten Piazza, wurde dieser bisher unbeachtete und vergessene Ort belebt. Menschen, die zufällig vorbei spazierten, haben sich auf den Treppen rund um den Platz geschart, die Anrainer schauten von ihren Balkons und Fenstern aus auf die Leinwand und am Ende der Veranstaltung herrschte ein beglücktes Wohlgefühl und die Einsicht, wie sehr sich dieser Platz und die Stadt für ein Festival eignen würden. Die Einwohner verabschiedeten sich dann mit einem erneuerten Stolz auf die verborgene Schönheit ihrer Heimat, die sie dank des Festivals wiederentdeckt haben. Gleichzeitig übernehmen Festivals nicht nur eine kulturelle und soziale, sondern auch eine kommerzielle Funktion. Auch das ist am Beispiel Film gut erfassbar. Immer mehr Kinos schließen oder werden zu Multiplex-Anlagen, in denen ein reines Mainstream-Kommerz-Kino Platz findet. Arthaus-Filme haben es damit immer schwerer, ihr Publikum zu erreichen. Festivals haben in dieser Hinsicht eine ganz neue Funktion erhalten: Sie sind zum Medium für die Vielfalt der Filmkunst geworden. Ohne Festivals würde ein Großteil der gedrehten Streifen in der Schublade des Produzenten liegen bleiben, nur, weil die großen Verleiher im kleinen ArthausFilm kein kommerzielles Potential sehen. Daher bringen Festivals zusammen, was sich sonst nicht begegnet und sind


24-25

­ ittlerweile zu einem alternativen Aufm führungsnetzwerk geworden. Manche Veranstalter gehen noch einen Schritt weiter – wie etwa das „Sydney-Film-Festival“, das nach Ende der Veranstaltung eine Art „Best of Fest“ in verschiedenen Städten des Bundesstaats New South Wales organisiert und mit einer Auswahl an Filmen auf Tournee geht. Die großen, sogenannten A-Festivals wie Cannes, Berlin, Venedig, Toronto und Sundance, sind zudem Orte der Entdeckung, die neuen Talenten eine globale Plattform bieten. Als wir mit unserem ­ersten Film „Improvvisamente l´inverno scorso“ zur Berlinale eingeladen wurden, hat dies mit Sicherheit unser professionelles Leben zutiefst verändert. Plötzlich waren wir auf einer internationalen Bühne präsent, die uns viele Türen öffnete. Eine Teilnahme an einem solchen Groß-Festival bringt beinahe automatisch dutzende Einladungen auf andere Filmfestspiele mit sich, es kommen Anfragen von Presse und Verleihern und vor allem beginnen Kontakte und Freundschaften mit anderen Filmschaffenden aus aller Welt, die wiederum zu möglichen künftigen Kollaborationen und neuen Sujet-Ideen führen können. In Zeiten knapper Kassen reichen die idea­ listischen Argumente, die für die Schaffung und Erhaltung von Festivals stehen, meist nicht mehr aus. Denn unabhängig von der gesellschaftlichen Bedeutung, sehen sich Veranstalter

NUJ  01

immer öfter mit der Frage konfrontiert, welche wirtschaftlichen Effekte ihre ­Veranstaltungen auf die jeweilige Standortgemeinde haben. Ausgelöst werden ­derartige Fragen nach dem wirtschaftlichen Nutzen oft durch öffentliche Diskussionen über die Subventionierung von Kunst und Kultur und über den Sinn einer solchen finanziellen Unterstützung. Leider ist es mittlerweile oft so, dass allein das finanzielle Argument über den Fortbestand eines Festivals entscheidet. Das bringt gleichzeitig das Risiko mit sich, dass die Veranstalter Kompromisse in der Zusammenstellung ihres Programms akzeptieren müssen, um unsere zahlen­ vernarrte Gesellschaft zu befriedigen. Die Anzahl verkaufter Tickets ist mittlerweile der Evaluierungsschlüssel, mit dem der Erfolg und Misserfolg eines Festivals ­gemessen wird. Doch auch Zahlen zeigen, dass gut organisierte Festivals ein Motor für die ­Wirtschaft sein können. Eine Studie aus dem Jahr 2000 zeigt, dass durch das ­Lucerne Festival in der Region Luzern ein zusätzliches wirtschaftliches Einkommen von 18 Millionen Schweizer Franken ausgelöst wurde. Dazu kommen die indirekten wirtschaftlichen Effekte. Diese können mit Hilfe von Multiplikatoren, die je nach R ­ egion variieren, errechnet werden. Die Studie hat dabei für die Region Luzern ­ einen vorsichtig eingestuften Multiplikator von 1,4 verwendet. Daraus ergeben sich auf einer Basis von 18 Millionen Schweizer Franken indirekte wirt-

schaftliche Auswirkungen für die Region von 25 Millionen Schweizer Franken, die allein durch das Festival im Sommer ausgelöst werden1. Noch beeindruckender sind die Effekte eines anderen Kolossal-Festivals: der ­ ­Salzburger Festspiele. Eine Studie2 zeigt, dass die Festspiele mit 200 Ganzjahres­ arbeitsplätzen und über 3.600 Mitarbeitern im Sommer ein wichtiger Arbeitgeber in der Region sind. Allein die Steuer- und Sozialleistungen bringen der öffentlichen Hand noch im selben Jahr mehr an Einnahmen als diese an Subventionen zahlt. „Die Kraft dieses Motors ist stärker denn je: die gesamtwirtschaftlichen Effekte sind mittlerweile auf 276 Millionen Euro angewachsen – so viel wie noch nie!“, freute sich die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler: „Die Salzburger Festspiele bringen über die steuerlichen Rückflusseffekte somit der öffentlichen Hand ein Vielfaches i­ hrer Subventionen ein.“ Auch kleinere Festivals, wie jene von ­Trient (Bergfilmfestival und Festival der Ökonomie), zeigen die wirtschaftlich ­positive Auswirkung der Veranstaltungen: im Jahre 2010 belief sich diese auf 2,8 bzw. 1,9 Millionen Euro. In Italien haben zwar viele der rund 1.200 bestehenden Festivals eine kurze Lebensdauer, dafür entstehen aber gleichzeitig regelmäßig neue, vor allem in mittel­ großen und kleinen Städten, die besonders stark von der Wirtschaftskrise


gesellschaft

b­ etroffen sind. Als Arbeitgeber sind Festivals in ­jenen Bereichen tätig, die unter ­40-Jährigen die Möglichkeit bieten, sich sowohl im kreativen als auch im produktiven und organisatorischen Bereich zu entfalten und ihr Können unter Beweis zu stellen. Die Finanzierung erfolgt im Kulturland Italien dabei zu 60 % aus privater und zu 40 % aus öffentlicher Hand.3

Gustav Hofer, 1976 im Sarntal geboren, später umgezogen ins Ahrntal, Sprachengymnasium in Bruneck, Studium der Publizistik in Wien und London. Seit 1999 lebt er in Rom, wo er für den deutsch-französischen Sender ARTE als Moderator und Italienkorrespondent arbeitet. Mit seinem Partner Luca Ragazzi hat er die

Festivals dürfen aber nicht auf ihre finanziellen Ergebnisse reduziert werden und als reine Orte des Kultur-Konsums verstanden werden.

preisgekrönten Dokumentarfilme

Um ihre aktive Funktion zu erfüllen, müssen sie Orte der Kultur-Produktion sein, an denen nicht nur Bestehendes wiedergekäut wird, sondern an denen neue Texte, Werke, Bühnenstücke, Choreo­ graphien und Filme Premiere feiern. Festivals müssen Orte des Experimentierens sein und wie Innovations-Motoren explodieren, deren Lärm und Leidenschaft nachhaltig und ansteckend wirkt und den Motor für Veränderung und Horizont­ erweiterung in Gang setzt.

Festivals eingeladen wurde.

1 Roland Scherer, Simone Strauf, Thomas Bieger: Die wirtschaftlichen Effekte von Kulturevents: Das Beispiel Lucerne Festival. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2001/ 2002, IDT-HSG 2 DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER SALZBURGER FESTSPIELE, Studie 2011 des Zentrums für Zukunftsstudien der Fachhochschule Salzburg / Dkfm. Bernd Gaubinger 3 EffettoFestival 2012, Guido Guerzoni – Università “Luigi Bocconi”.

„Improvvisamente l'inverno scorso“ (2008), „Italy Love it or Leave it“ (2011) und „What is Left?“ (2014) ­gedreht, mit denen er auf hunderte


26-27

CASA NANG oder die Besiedelung literaturhaus­ loser Inseln TEXT ___ Martin Hanni FOTO ___ Daniel Mazza

NUJ  01


literatur

Andorra ist der größte Zwerg aller europäischen Zwergstaaten. Andorra ist kleiner als Südtirol. Im Grunde ist Andorra wie Gröden. In den Tälern braucht die Wirtschaft gute Verkäufer und auf den Bergen freundliche Skilehrer und Wanderführer. In Andorra werden drei Sprachen gesprochen. Die Sprache des Geldes nicht mitgerechnet. Andorra rechnet sich. Skilehrerin: „Südtirol hat mehr Einwohner, mehr Skipisten, mehr Export.“ Verkäufer: „Südtirol hat drei Landes­

sprachen.“ Beide: „Südtirol ist Andorra.“ Verkäufer: „Hat Frisch oder Dürrenmatt ‚Andorra‘ geschrieben?“ Skilehrer: „Frisch!“ Verkäufer: „Dann ist ‚Der Besuch der alten

Skilehrerin: „Auf einer Metaebene.“ Verkäufer: „Auf einer Hochebene.“

In Andorra hat es immer wieder wohl­ habende Zachanassian’s gegeben – reiche Investoren, die Häuser über Häuser ­gebaut haben. Und Parkplätze darunter. Andorra lebt heute vom Tages- und ­ Winter­tourismus. Es gibt Wohlstand und Vollbeschäftigung. Andorra ist wie G röden. Nur Treibstoff, Zigaretten, ­ Schnaps und Parfüm sind billiger. Autofahrer: „Es ist schön hier zu leben. Es

ist klein und man kennt im Grunde alle in dieser kleinen Welt. Wir haben nicht wirklich Probleme. Wenn ich beispielsweise meinen Wagen irgendwo abstelle, muss ich ihn nicht abschließen. Nach einer Stunde ist er sicher noch da.“ Journalistin: „Die offizielle Sprache in An-

Skilehrerin: „Dürrenmatt.“

dorra ist Katalanisch. Zudem sprechen die meisten Andorranerinnen und Andorraner perfekt Französisch und Spanisch. Es gibt auch viele die Englisch sprechen.“

Verkäufer: „In Andorra kommen Frisch

Bauer und Hotelier: „Ab den 1950er Jahren

und Dürrenmatt zusammen.“

zog es viele Menschen aus Spanien,

Dame‘ von?“

F­ rankreich oder Portugal – aus ökonomischen Gründen – nach Andorra. Heute leben und arbeiten über 100 Nationalitäten in Andorra. Das ist natürlich ein großer kultureller Reichtum.“ Fußgänger: „Andorra ist ein ruhiges und

sicheres Land. Wir leben im Grunde in einem sehr kleinen Gefüge, aber wir haben hier alle Möglichkeiten wie anderswo auch. Wir haben kaum Probleme, wir haben hingegen unsere Berge. Wir sind eine internationale Insel in den Bergen. Und wenn die Touristen Andorra verlassen, sperren wir die Kaufhäuser zu und sitzen zusammen – mehrsprachig einsilbig.“ Keiner der wohlhabenden Zachanassian’s hat in Andorra in ein Literaturhaus investiert. Zeitgenössische Literatur rechnet sich nicht, sagten die alten Damen und jungen Herren, als sie Andorra besuchten, um in Andorra zu investieren. Die Leute können in Andorra frische Bergluft atmen und die dürre, matte Sommerlandschaft bestaunen. Kostenlos. Auch wlan gibt’s. Südtirol ist eine Insel in den Bergen. Wie auf Sardinien haben sie auf der Insel Südtirol eine „Neue Literatur“. Sardinien ist


28-29

wie Südtirol. Einst viele arme Bauern, dann Fascho-Falle, dann rascher touristischer Aufschwung. Heute werden in ­Sardinien drei Sprachen gesprochen. Die Sprache des Geldes nicht mitgerechnet. Einige sprechen Katalanisch, die Amtssprache Andorras. Andorranischer Schriftsteller: „In Andorra

bekam die moderne, zeitgenössische Literatur in den 1980er Jahren einen neuen Stellenwert.“ Sardischer Schriftsteller und Filmemacher:

„Wie in Sardinien.“ Südtiroler Lyrikerin: „In Südtirol ab dem

27. August 1969“ Sardischer Schriftsteller und Filmemacher:

Südtiroler Lyrikerin: „Kondominium. Inter-

essant.“ In Südtirol gibt es Kondominien und ­Vereinshäuser, wo es viel „Eigenes“ und ­wenig „Anderes“ gibt. Die Kultur in diesen Häusern ist traditionell, verkitscht und mono. Wohl aber gab es Bestrebungen für ein Literaturhaus. Literaturhauskenner: „Die Einrichtung von

Literaturhäusern im deutschen Sprachraum ist recht jung, eigentlich eine Entwicklung der 1980er, bzw. der frühen 1990er Jahre. Zuerst gab es sogenannte Literaturbüros in Deutschland, 1986 wurde in Berlin das erste LiteraturHAUS eröffnet, 1991 in Wien das erste für Österreich.“

„Sternzeichen Jungfrau.“

Schriftsteller I: „Wir haben gesagt, 2000

Andorranischer Schriftsteller: „Bei der

muss das Haus stehen. Es hat so ausgesehen, als ob es früher fertig werden würde.“

Frankfurter Buchmesse 2007 vertraten wir im Rahmen des katalanischen ­Länderschwerpunkts als siebenköpfiges Kondominium unser Land und unsere Sprachen.“

NUJ  01

gibt es. Ein solches sollte im neuen Bibliothekszentrum untergebracht werden. Sämtliche Literaturinstitutionen sollen dort Unterschlupf finden.“ Literaturinstitution I: „Geht es beim Litera-

turhaus um Verwaltung der Literatur, um Repräsentation oder um ein literarisches Leben?“ Literaturinstitution II: „Ja, gerne.“ Literaturinstitution III: „Damit steigt die Chance, mehr Interessenten für die Literatur zu mobilisieren.“ Politiker: „Bibliothekszentrum. Ja. Nein. Vielleicht.“ Literaturhauskenner: „Was könnte ein

gentlich nur Ruhe und einen Verlag."

­ iteraturhaus für Südtirol leisten, für die L Literatur, für die Literatinnen und Literaten, für das kulturelle Leben im Lande, was könnte es leisten, was es bisher noch nicht gibt bzw. was bisher zu wenig ­berücksichtigt wurde?“

Kulturbeamtin: „Den politischen Willen für die Errichtung eines Literaturhauses

Casa Nang ist ein temporäres Literaturhaus, ein flexibel finanzierbares Format,

Schriftsteller II: „Als Autor brauche ich ei-


literatur

das Diskurse anhand eines Raumes wieder­belebt. Das Projekt funktioniert als Netzwerk im Web und ist gleichzeitig Dokumentation und Kunstprojekt – ­ ­Attrappe, Transfer und Kontext als erste Etappe. Es wurde gelesen, diskutiert, vorgetragen, provoziert, hinterfragt. Sprachkünstler: „Was die Verflechtung von Kultur und Politik betrifft, da sehe ich eine kleine Schwierigkeit, dass es nämlich fast schon ein Diktat gibt, dass alle Kunst politisch sein muss. Das Denken, das Handeln, das Fühlen - jeder muss heute „gendern“, politisch korrekt sein und keiner darf mehr böse Worte in den Mund nehmen. Kunst und Literatur können aber doch eine Wirkung entfalten und auf Dinge hinweisen, die bisher in der Vorstellung der Menschen noch nicht existiert haben. Literatur kann etwas umwälzen.“ Autorin: „Was soll denn umgewälzt ­ erden, wenn es offenbar keinen Gegenw stand gibt, der umgewälzt werden soll. Ich finde man sollte sich mal damit auseinandersetzen, was ‚political correctness‘ überhaupt meint. Bei Literatur ist es

t­ atsächlich manchmal so, dass die Provokation stärker ist, als eine schöngeistig vorgetragene Rede, bei der alles stimmt. Es gibt nicht viele Autoren die beispielsweise über die gegenwärtigen Flüchtlingsszenarien schreiben, aber es gibt viele Autoren, die über die ParkinsonKrankheit ihres Vaters schreiben. Es gibt in der Literatur Modethemen, die plötzlich aufkommen, besprochen, behandelt und literarisiert werden.“ Casa Nang ist eine Insel, wie Sardinien, wie Andorra, wie Lampedusa. Sie hat eine Festungsmauer und Kondominiums­ mauern, wie Südtirol. Die Sprachen treffen sich im Kondominiumsgang und tauschen sich Inseln aus, sagt die Nang-Gang im Nang-Gang.


30-31 CASA NANG – Hausordnung

O) Erzählungen: Brigitte Knapp - Aurora P) Roman: Horst Moser – Etwas bleibt

Liebe Benutzerin, lieber Benutzer,

immer

CASA NANG ist ein temporäres Litera-

Q) Reportagen aus Berlin und Kasachs-

turhaus, das im Rahmen der Ausstel-

tan: Marion von Zieglauer – Kas Vegas

lung 50×50×50 entstanden ist. CASA

R) Bilder, Geschichten, Sprachgruppen

NANG ist die Fusion mehrerer Begeben-

S) Theaterstücke, Poetisches und Musi-

heiten und Menschen. Folgende Liste

kalisches, SpokenWord, Literatur, Kurz-

ersetzt einen erklärenden Begleittext.

prosa usw.

Bitte aufmerksam lesen!

T) Mitsprache-Forum live! U) Reduzierte Eintrittspreise

A) „NANG. autonomes Wort“ ist eine

V) Minderheitenliteratur sichtbar ma-

2011 von Arno Dejaco und Maria Hilber

chen

­gegründete Plattform, welche bereits

W) Performance und Literatur

zweimal in Form einer Literatur­

X) Kontroversen

zeitschrift und eines Bühnenformats

Y) Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

in E ­ rscheinung getreten ist.

­Alessandro Banda, Rut Bernardi,

B) Einige junge Autorinnen, Autoren

Andreas Brugger, Paolo Carnevale,

und Kulturschaffende werden Mit­

­Roberta Dapunt, Arno Dejaco, Sabine

glieder der Südtiroler Autoren­

Gruber, Maria C. Hilber, Brigitte Knapp,

vereinigung (SAV)

Kurt Lanthaler, Selma Mahlknecht,

C) Der 50×50×50-Begründer Hartwig

Sepp Mall, Laura Mautone, Waltraud

­Thaler ist Impulsgeber eines literari-

­Mittich, Horst Moser, Lene ­Morgenstern,

schen Projekts im Rahmen der Aus­

Wolfgang Nöckler, Peter Oberdörfer,

stellung.

Maxi Obexer, Iaco Rigo, Gerd

D) Förderzusage

­Sulzenbacher, Louis Schropp, Paolo

E) Freude!

­Valente, Matthias Vieider, Jörg

F) CASA NANG wird als temporäre

Zemmler, Marion von ­Zieglauer,

­Intervention in der Festung Franzens-

Edith Moroder, Joseph Zoderer …

feste eingerichtet - ein Pop-Up-Haus,

Z) Optimismus

­welches auf mehreren Ebenen agiert. G) Eine Audioinstallation mit Text­­­

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen

beiträgen von über 20 Autorinnen und

Sie weniger Packungsbeilagen und fra-

Autoren wurde eingesprochen und in

gen weder Ihren Arzt noch Apotheker.

den Räumen installiert.

Lesen Sie zukünftig alles zu CASA

H) Drei Matineen – Lesungen,

NANG, dem Literatur-Umschlagplatz

­Gesprächsrunden u. a. – wurden

für junge und ­ältere Leserinnen und

­veranstaltet.

­Leser.

Die ­Begriffe Attrappe, Transfer und

Wenn Sie mindestens zehn Punkte der

Kontext fungierten als Leitmotive.

Liste befolgen oder nachvollziehen

I) Textbilder von Arno Dejaco und

­können, sind Sie schon Mitglied und

­Matthias Vieider und eine Raum­

­irgendwie abhängig. CASA NANG ist

installation von Gerd Sulzenbacher und

wie eine Droge, aber absolut ungefähr-

Louis Schropp wurden erstellt.

lich!

J) Die Homepage www.casanang.eu ­begleitet das Projekt im Internet.

Mit freundlichen Grüßen

K) Literarische (Post)Karten wurden

Die Kondominiumsleitung

­erstellt und verteilt L) Das Projekt entstand aus der ­Notwendigkeit und der Sehnsucht nach Austausch. M) Gedichte: Jörg Zemmler papierflieger luft N) Ein Südtiroler Familienroman: Edith Moroder - Bergtöchter

NUJ  01


literatur


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Frische Leidenschaft für den Jazz Jazz ist eine der freiesten, radikalsten musikalischen Ausdrucksformen überhaupt. Diese Musik bietet und verlangt zugleich ein Übermaß an Spontaneität, ­Kreativität und Improvisation. Die Jugend-Big Band Südtirol verschreibt sich dem Jazz und hat in Helga Plankensteiner eine leidenschaftliche Begleiterin für dieses Projekt gefunden. TEXT ___ Miriam Rieder  FOTO ___ Daniel Mazza

Helga Plankensteiner, in Südtirol als Jazz Musikerin der ersten Stunde bekannt, ist eine Powerfrau mit Kurzhaarfrisur und funkelnden Augen hinter der leicht verdunkelten Brille. Die Leidenschaft für die Musik ist ihr anzusehen. Vor drei Jahren hat sie die Initiative der Jugend-Big Band Südtirol ins Leben gerufen. Nicht allein wie sie betont - sondern mit tatkräftiger Unterstützung des Kulturvereins Muspilli aus Meran, der Meraner Jazzakademie sowie den deutschen und ladinischen Musikschulen. 2012 ist das ehrgeizige Vorhaben gestartet und seitdem treffen sich ­Jugendliche aus ganz Südtirol im Alter zwischen 13 und 20 Jahren in dem kleinen Jazz Ensemble. Im heurigen Jahr waren zehn junge Musiker mit von der Partie. Nach einer Vorauswahl der jungen Talente durch ein Vorspiel hat sich die Truppe zu vier Probewochenenden in der Musikschule in Klausen getroffen und anschließend eine landesweite Konzertreihe gegeben. „Die Logistik ist eine große Herausforderung“, berichtet Helga: „Wir haben Jugendliche von Toblach bis Taufers im Münstertal dabei. Sie alle zum passenden Termin an einem Ort zusammenzu-

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bringen ist gar nicht so einfach. Die Proben sind bisher so abgelaufen, dass vormittags Instrumentalunterricht mit bekannten Südtiroler Jazz Musikern und auswärtigen Jazz Lehrern stattgefunden hat, während am Nachmittag gemeinsames Musikmachen angesagt war.“ Die Idee hinter dem Projekt ist einfach und genial zugleich: Talentierte junge Leute aus dem ganzen Land werden in ihrer Leidenschaft für die Musik zusammengebracht. Neben dem gemeinsamen, musikalischen Wachstum entstehen so Freundschaften für’s Leben. „Die jungen Leute wachsen sehr eng zusammen. Sie verbringen Zeit zusammen in der Band, und außerhalb davon. Und sie sind über zwei WhatsApp Gruppen verbunden: in einer bin ich mit dabei, die zweite läuft ohne mich, und das ist auch gut so!“, erzählt Helga mit einem Schmunzeln. Bisher habe es so eine übergreifende Initiative nicht gegeben, und man wisse auch nicht, wie lange das Projekt funktionieren wird, aber so lange die jungen Menschen Freude daran haben, wolle sie weitermachen, berichtet Helga. Auf die Frage, was denn ihr persönlicher Antrieb für das Engagement mit


musik

jungen Menschen sei, erklärt sie: „Das hat sich einfach so entwickelt. Seit ich Musik mache, habe ich auch unterrichtet. Immer wieder habe ich mir gedacht: Jetzt lasse ich das Unterrichten, denn ich will Musikerin werden. Aber dann hat sich abgezeichnet, dass das Unterrichten ein ganz wichtiger Teil von mir ist. Je besser ich selbst musikalisch geworden bin, umso mehr habe ich weitergeben können. Und jetzt versuche ich, das alles weiterzugeben, was ich weiß. Ich verstehe das als meine Aufgabe, und ich kann es nicht einmal wirklich steuern, es passiert einfach. Oft kommen junge Menschen zu mir, die anfangs nur in die Jazz Musik hineinschnuppern wollen. Doch dann verlieben sie sich in diese Musik und fangen an, in Live-Konzerte zu gehen, manchmal sogar zusammen mit ihren Eltern. An dem Punkt habe ich schon gewonnen: Denn ich will die Menschen für die Musik öffnen. Sie weitet unseren Blick und ist eine Schule für das Leben.“ In einem Land wie Südtirol, in dem es 211 Musikkapellen gibt, hatte der Jazz nicht immer einen leichten Stand. Doch es habe sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan, bestätigt die Ex-

pertin: „Vor Jahren gab es nur wenige Menschen in Südtirol, die sich für die Jazz Musik begeistern konnten. Damals waren wir nicht mehr als zehn bis 15 Jazz Musiker. Das ist heute anders: Jazz ist kein schwieriges Wort mehr. Viele Menschen haben schon Jazz gehört, und viele junge Musiker haben Lust, dieses Genre auszuprobieren. Wir haben gut besuchte Konzerte und Festivals im Land. Brass Bands sind entstanden, und vor allem gibt es viele Musiker, die im Ausland studieren und tätig sind und die sich intensiv mit dieser Musikrichtung auseinandersetzen. Heute würde ich mich nicht mehr trauen, hier irgendwelche Zahlen zu nennen. Auch in den Musikkapellen hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Es hat eine Öffnung stattgefunden, und es wird leichter, diese Musik weiterzugeben.“ Die Mitglieder der Jugend-Big Band Südtirol kommen allesamt aus Musik­kapellen. Obwohl es sich bei den Kapellen um althergebrachte Strukturen handelt, ist deren Wichtigkeit für die Vollblut­musikerin unbestritten: Es werde tolle Arbeit geleistet und die meisten Kapellen im Land verfügten über ein hohes

Biografie ___ Helga Plankensteiner studierte klassisches Saxophon bei Florian Bramböck am Konservatorium in Innsbruck und Jazz am Konservatorium in Trient. 1999 gewann sie den Big Band-Wettbewerb der Associazione Nazionale Musicisti Jazz in Siena; im Jahr 2000 kam sie ins Finale des Wettbewerbs des National Orchestra de Jazz in Paris. 2009 wurde sie von der Zeitschrift Musica Jazz unter die besten zehn neuen Talente gewählt. Sie spielt bei zahlreichen Jazzfestivals im In- und Ausland, u.a mit Carla Bley Bigband, Torino Jazz Orchestra, Italian Sax Ensemble, dirigiert das Sweet Alps Orchestra und komponiert u.a. für das Festival Zeitgenössischer Musik Bozen. Ihre eigenen Projekte sind zur Zeit ­Revensch, El Porcino Organic mit Mauro Ottolini, Paolo Mappa und Michl Lösch, das Helga Plankensteiner Quintet mit einer Hommage an Frida Kahlo sowie PLANKTON mit Matthias Schriefl und Gerhard Gschlössl. helgaplankensteiner.com


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»Im Jazz zählt der (r)eine Moment, in dem die Musik entsteht.« Niveau. Eine noch stärkere Zusammen­ arbeit wäre wünschenswert, doch das lasse sich nicht erzwingen, sondern müsse sich vielmehr entwickeln. Hier sei allerseits Sensibilität gefragt, um den richtigen Zugang zu finden, und es dürfe auch mal Konfrontation stattfinden, speziell wenn die jungen Musiker ob der zahlreichen Einsätze in den Musik­ kapellen in Terminkonflikte geraten, meint Helga. „Viele meiner Schüler müssen erst lernen, sich ihre Zeit einzuteilen. Ich fördere ihren Ehrgeiz und erwarte von ihnen Disziplin und Leistung, aber ich möchte die Jugendlichen keinem allzu großen Druck aussetzen. Ich finde es gut, wenn sie ihre Grenzen selbst erkennen, und Stopp sagen, sobald es zu viel wird. Sie sind sehr belastbar, aber sie dürfen nicht überfordert werden.“ Jazz ist mehr als nur ein Wort mit vier Buchstaben. Mehr als ein Begriff, der ein bloßes Genre einzuordnen versucht. Der Begriff Jazz ist über die Jahrzehnte immer wieder neu mit Bedeutung und Stilinterpretation gefüllt worden. Einen einzigen, fest definierten Jazz Begriff hat es nie gegeben. Es ist der einzelne Künstler, der Jazz Musik schafft, und damit

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­Gefühle weitergeben und auslösen kann. Im Jazz zählt der (r)eine Moment, in dem die Musik entsteht. Die großen Stärken des Jazz sind die Bandbreite seiner Stile und seine hohe Visualität. Jazz bringt immer auch einen ganz bestimmten Life-Style mit sich. New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana war um 1900 die Wiege des Jazz. Ich lasse mir von Helga erklären, dass es viele Formen des Jazz gibt, und dass sich keine klaren Grenzen ziehen lassen. Sie sagt: „Ich finde es einfach toll, wenn sich die Menschen öffnen, wenn neben der volkstümlichen Musik und dem Schlager auch die Begeisterung für andere Musikgenres wächst. Das braucht unser Geist ganz einfach! Schauen wir die aktuelle Flüchtlingsproblematik an: Ich traue mich fast zu wetten, dass Menschen, die offen sind für die Musik, auch sonst offen sind. Offen für das Leben. Das den Jugendlichen weitergeben zu können, ist eine wichtige Aufgabe und eine gute Grundlage auch aus erzieherischer Sicht.“ Eins habe ich im Laufe des ­Gesprächs verstanden: Jazz Musik lebt von der Improvisation. Doch was genau ist darunter zu verstehen? „Es gibt die

freie Improvisation“, erklärt Helga. „Stell dir vor, wir führen dieses Gespräch, ohne vorher zu wissen, worüber wir reden, wie wir reden und wie lange wir reden werden. Das ist freie Improvisation. So ein Gespräch kann spannend aber auch sehr langweilig sein. Das hängt davon ab, wie wir beide uns einbringen. Eine andere Form der Improvisation ist es, wenn wir beide zwar das Thema unseres Gesprächs kennen, der Rest aber spontan von uns kommt. Im Jazz spricht man in diesem Fall von Strukturen. Gewisse Dinge sind vorgegeben, wie z. B. die Länge des Stücks, alles andere entwickelt sich spontan. Für diese Art des Musikmachens braucht es eine gute Grundlage: ein gutes Gehör und eine sensible Empfindung. Wenn ich ein Stück von Mozart spiele, habe ich eine wunderbare Notenabfolge vor mir, die ich möglichst gut spielen und interpretieren möchte. Das ist tolle Musik, aber sie ist vorgegeben. Wenn ich improvisiere, muss ich mich selbst einbringen, und ich muss im Moment des Spiels völlig offen sein. Das ist nicht ganz einfach und verlangt viel Vorarbeit. Wer früh anfängt, übt sich in dieser Art des Musikmachens. Ich arbeite sehr gern mit Kindern im Volks-


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schulalter. Sie sind verspielt und so voller Phantasie. Sie entwickeln Dinge, dir mir nie einfallen würden. Sie sind einfach unbefangen. Ich glaube, die Improvisation wird zukünftig ein fixer Bestandteil der Musik sein. Das ist meine persönliche Einschätzung, und ich hoffe, ich behalte recht (lacht).“ Wie geht es weiter mit der JugendBig Band Südtirol? Helga Plankensteiner dazu: „Das Projekt kommt sehr gut an. Wir haben in diesem Jahr sechs Konzerte gegeben. Das waren richtig tolle Veranstaltungen mit hohem Niveau. Wenn die Jugendlichen mitziehen, kann man unglaublich viel aus ihnen herausholen. In kürzester Zeit spielen sie die Stücke wie die Profis. Sie lernen sehr schnell!“ Das Projekt soll fortgesetzt und ausgeweitet werden.Helga ­Plankensteiner wünscht sich, dass möglichst viele junge Menschen von der Initiative erfahren und mitmachen. Die Zusage, dass die Initiative auch in den kommenden drei Jahren unterstützt werde, gibt es ­bereits. —

info ___ Jugend-Big Band Südtirol Für die Jugend-Big Band werden Teil­ nehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 14 bis 20 Jahren gesucht. Voraussetzungen für die Teilnahme sind die gefestigte ­Beherrschung des Instruments sowie das sichere Lesen vom Blatt. Jazz-oder Improvisationserfahrung ist keine Voraussetzung, aber nützlich. Die Initiative wird vom Kulturverein Muspilli aus Meran in Zusammenarbeit mit der ­Jazzakademie Meran und dem Bereich deutsche und ladinische Musikschulen organisiert. Aktuelle Mitglieder: Valentin Ambach (Schlagzeug), Sofia Carlone (Saxofon), Jana Christiandl (Posaune), Alexander Frener (Trompete), Jonas Kostner (Trompete), Tobias Psaier (Klavier), Alex Radmüller (Saxofon), Michael Taschler (Posaune), Johannes Winkler (Saxofon), Victoria Winkler (E-Bass) meranojazz.it/jug_bigband.html


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DIE BÄCKEREI – KULTUR UND KREATIVITÄT IN DER FABRIK NUJ  01


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Ob Fotografie oder Bastelkunst, ob L ­ esung oder ­Poetry Slam, ob Musik oder Stille – Die Bäckerei – ­Kulturbackstube in Innsbruck bietet all das und mehr. Sie probiert immer wieder Neues aus, testet ­Möglichkeiten und Ideen und möchte alle einladen, sich zu beteiligen. TEXT ___ Judith Ralser  FOTO ___ Mirja Kofler

Ein unscheinbares Haus in der Dreiheiligengasse in Innsbruck. Gelb gestrichen, ein Schriftzug in dunklem Braun. Die Sonne strahlt auf die Fassade. Gleich links an die Wand neben den Eingang hat ­jemand eine Katze gemalt. Einige Stufen führen hinauf in einen Eingangsbereich, der eigentlich gar keiner ist. Denn bevor er es weiß, befindet sich ein Neugieriger bereits inmitten der „Bäckerei“. Die ­Bäckerei ist die sogenannte „Kulturbackstube“ in der Inn-Stadt. Und der Name ist Programm. Hier findet sich ein Zentrum des kulturellen Lebens in all seinen Facetten. Eine Bar ohne Konsumzwang, ein ständig offenes Haus für alle, Fotolabor und CoWorking Space, die Dachterrasse mit einem Garten, Ausstellungen, Veranstaltungen und einiges mehr verbindet sich zu diesem außergewöhnlichen Projekt. Doch wollen wir einen Blick zurück zu den Wurzeln werfen. Und die sind wohl der Ursprung des Gebäudes selbst. Hier gründete ­Therese

Mölk die erste – mancher mag es schon ahnen – Bäckerei, die sich bald vergrößern und schließlich in der Supermarktkette M-Preis enden sollte. Das Gebäude der heutigen Kulturbäckerei vereinte Produktion, Vertrieb und die Wohnbereiche der Geschäftsgründerin. Beim Umzug des wachsenden Unternehmens nach Völs bei Innsbruck wurde es durch zweckmäßigere und vor allem größere und modernere Gebäude ersetzt. Ebenso erging es den Gerätschaften in ihm. Was blieb, war das Gerüst der Fabrik; das Haus, das nun keine Bestimmung mehr erfüllte, das langsam vereinsamte, denn wer kümmerte sich schon darum. Bis vor fünf Jahren eine Gruppe junger Menschen ihre Idee eines Kulturorts entwarf, der offen und im ständigen Wandel sein sollte und eine Plattform für Kunstschaffende und Interessierte verschiedener Art. Unter ihnen: Christina Mölk, Urenkelin von Therese Mölk. Die ursprüngliche Fabriks-Bäckerei erhielt nach einem Umbau ihre neue Auf-

gabe: Hier sollte diese Vorstellung wachsen und Form annehmen. Das Flair der alten Bäckerei hat sich bis heute erhalten. Hell geflieste Wände im Veranstaltungssaal, wo früher die Backöfen standen, rußgeschwärzte Deckenbereiche, nackter Beton und alte Schaltkästen. „Wir mögen das so. Die Bäckerei soll ihren alten Fabrikshallencharakter behalten“, meint David Prieth, der Verantwortliche für Veranstaltungen. ­Unsichtbar zieht sich ein Geflecht aus moderner Technik durch die Mauern, das die ­hohen Sicherheitsstandards von Veranstaltungsorten erfüllt. Als Hommage an die Gründerin und den Fabrikvorgänger finden sich Details, so etwa ein zur Schaukel umfunktionierter Einkaufswagen. Im Café zwischen Ledercouch und Sesseln aus den 1960er und 1970er Jahren erklärt David weiter. „Auch die Möbel sind selbst restauriert, mit viel Liebe zum Detail. In der gesamten Bäckerei steckt viel Arbeit von jedem von uns.“ Die Bücher­


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»Wettbewerbsfreie Zone« regale etwa seien aus Beton gegossen, rund 300 kg schwer und von einem befreundeten Architekten entworfen worden. Sogar die Treppen in die oberen Stöcke sind Eigenkonstruktionen aus ehemaligen Supermarktregalen. An vergangene Zeiten erinnern neben einigen Möbeln auch zwei Jukeboxen und ein Spielautomat, den aber ein jeder ohne Geldeinwurf in Gang zu setzen vermag. Im Café selbst herrscht Ruhe, nur der Ventilator surrt und leise Schritte hallen durch die Räume. „Wettbewerbsfreie Zone“, heißt es hier. Ein Ort, der zum Verweilen einlädt. Hier muss nichts konsumiert ­werden, hier darf gesessen und geredet werden, an der Bar heißt es „Selbstbedienung“. Abends bei Veranstaltungen ist sie geöffnet, dann wird aus­ geschenkt; Sonntags gibt es Treffen bei ­Kaffee und Kuchen; regel­mäßig wird die Bar in eine Klassik-Lounge verwandelt und Lesungen werden in ­ gemütlicher Runde gehalten.

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Die Eingangstür schwingt auf und schließt sich immer wieder. Dieses Konzept macht die Bäckerei speziell und spannend: Sie ist vom Aufsperren am Morgen bis zum Abend, wenn der letzte Mitarbeiter nach Hause geht, zugänglich. Manchmal hat das seine lustigen Seiten, denn wer hereinschneit, das weiß niemand vorherzusagen. Und auch nicht, wohin besagte Besucher verschwinden, öffnet sich doch das Café in einen Veranstaltungssaal, dieser in die Küche, die Fahrradwerkstatt und nach oben in weitere Etagen. Der Komplex ist von innen betrachtet weitläufig und verwinkelt. Zu meinem Glück habe ich David bei mir, so kann ich mich nicht verlaufen. Unsere Besichtigung führt uns treppauf und treppab Gänge entlang bis in alle Ecken. Die verschiedenen Räume auf mehreren Ebenen werden sehr unterschiedlich genutzt. Der Veranstaltungssaal füllt sich vorzugsweise bei Konzerten und Poetry Slams.An den Tagen der Poetry

Slams kommen Interessierte mit routinierten Slammern in Berührung und feilen an ihren Texten, bevor das Licht angeht und sie die Bühne betreten.Zusätzlich gibt es noch das sogenannte „Open Mic“. Diese Veranstaltung ähnelt einem Poetry Slam, es werden ebenfalls Texte von den Autoren vorgetragen und es gibt ein Zeitlimit, die Vorträge werden jedoch nicht bewertet. Jeder verfügbare Ort in der ­Bäckerei wird genutzt - meist auf vielfältige Weise. „Wir haben in den Seminar­ räumen zum Beispiel Kurse und Vorträge, aber es finden hier genauso oft Projekte, Meditationen und Kindertheater ihren Platz.“ Auf den Dachgarten ist die Bäckerei ungemein stolz. Die Gemeinschaft, auf die schon bei der Gründung ein Schwerpunkt gelegt wurde, kann sich hier entfalten, wenn Nachbarn und Besucher gemeinsam Kräuter und Gemüse anbauen, die sie in Folge auch ernten und verspeisen. ­Jeden Monat findet zudem ein Bio-Markt


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statt, bei dem regionale Produkte von den Bauern angeboten werden. Regional gekocht wird auch beim „Mittagstisch”, bei dem sich Interessierte gegen einen Unkostenbeitrag zum gemeinsamen Kochen und Essen treffen. Die Zutaten werden genau auf die Anzahl der Personen berechnet, Überkonsum darf hier keinen Platz haben. Gleiches gilt für die Bar, die ein wechselndes Sortiment aus flüssigen Köstlichkeiten aus der Region bietet. Die Schlagworte „Zusammenarbeit“ und „Wohlfühlen“ werden auch im Co-Working Space großgeschrieben, einem Gemeinschaftsbüro, in dem Schreibtische gemietet werden können. Der Raum strahlt angenehme Stille aus. Ruhig ist es, wenn jemand es braucht. Und doch: Wer Hilfe nötig hat, bei einem Projekt nicht weiterkommt, wem die Ideen fernbleiben oder der Geistesblitz nur am Horizont erscheint, der findet hier Gleichgesinnte, die ihn sehr gern unterstützen, die auch einmal einen Kaffee holen und gemeinsam

über ihre Arbeiten und Projekte sprechen und sich gegenseitig anspornen. Kreative Köpfe können sich zudem nicht nur an ihren Arbeitsplätzen, sondern auch im „Tun und Lassen“-Raum austoben. Hier entstehen mit analogen Drucktechniken neben den Monatsprogrammen der „Bäckerei“ und dem „Bäckerei“-Kalender auch verschiedene Kunstwerke. Wie gern würde ich auch ein wenig mit den verschiedenen Techniken experimentieren und drucken, doch so viel Zeit habe ich leider nicht. Auf derselben Ebene befindet sich auch das Atelier von Christina Mölk, die als Künstlerin tätig und gleichzeitig in der Bäckerei für die grafische Aufarbeitung und Darstellung verantwortlich ist. Das Fotolabor gleich daneben und die Demonstrationen und Workshops, die darin mehrmals jährlich stattfinden, geben bilderaffinen Menschen die Möglichkeit, in die Welt von Dunkelkammer und Entwickler-Lösung einzutauchen. Und wer noch immer sein

Interessensgebiet nicht gefunden hat, dem ist vielleicht mit Meditation, Yoga oder monatlich wechselnden Kunstausstellungen gedient. Oder einer Fahrradwerkstatt, die bei Pannen mit dem Drahtesel zur Seite steht. Neben der Bäckerei befinden sich noch weitere Kollektive und Organisationen als Fixmieter unter einem Dach, so etwa die „Tiroler Kulturinitiativen“  . Zudem nutzen der Alpenverein, die ­ ­Schauspielschule Innsbruck und das Improtheater Hall die Räumlichkeiten der Bäckerei. Das Sammelsurium an Kreativität lockt immer neue Menschen an und bringt viele der Innsbrucker Kulturschaffenden an diesem Ort zusammen. „Es gibt auch viele Südtiroler, die sich hier einsetzen und das kulturelle Leben mitzeichnen.“ In Südtirol selbst, so Prieth, entspräche wohl am ehesten der „Ost West Club“ in Meran dem, was die Bäckerei für ­Innsbruck darstellt. Mit vielen Initiativen und Kulturhäusern in anderen Ländern


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steht die ­ Bäckerei in Kontakt. „Wir ­kennen viele andere Projekte, die auf ähnlichen Grundgedanken fußen. Die Idee, Fabrik­ gebäude zu Kulturzentren und Veranstaltungsorten umzubauen, liegt in den letzten Jahren europaweit ein wenig im Trend. Aber unser Konzept und die U ­ msetzung, sowie die flache Hierarchie, in der wir arbeiten, sind nur sehr selten zu finden. Wir Mitarbeiter können von der Arbeit in der Bäckerei leben. Das gelingt sonst nur ganz wenigen.“ Auch das Image der Bäckerei in und außerhalb der ­Stadtgrenzen sei gut. Inzwischen, so Prieth, sei bekannt, dass die „Bäckerei“ nicht als reine Partylocation dient und die Anfragen, dort seltsame Feiern und ­Rituale ­abhalten zu dürfen, werden immer w ­ eniger. Die kulturellen Veranstalter hingegen nähmen stetig zu, rund 500 ­Termine habe es im vergangenen Jahr gegeben. Beinahe jeder Tag in der Bäckerei ist mit Veranstaltungen gefüllt. Einige Male muss David unser Gespräch unter­brechen, wenn die Arbeit ruft.

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Ein Kochtopf wird verliehen und auf ein Motorrad geschnallt, Kabelrollen wechseln unbemerkt die Plätze, irgendwo fällt scheppernd eine Metallstange zu Boden. Im Saal entsteht die Bühne für den kommenden Abend. Hinter David winkt mir ein junger Mann mit Fahrrad zu, dann verschwindet er im hinteren Bereich. Die Sonne wandert die Fassade hinauf. Drinnen werden Scheinwerfer in Position gebracht. Das Haus wächst vor sich hin, in alle Richtungen. Richtungen, die sich weder die Besucher noch die Mitarbeiter jetzt schon vorstellen können. Denn Veränderung geschieht mit jedem Schritt, mit jeder Geste, jedem Besuch. Nichts bleibt wie es ist, und das ist gut so. Denn die Kulturbackstube ist auch Dynamik, ist unberechenbare Kreativität, die sich nicht in Schubladen einzwängen lassen mag. Reich an Möglichkeiten und Ideen, spannend, experimentierfreudig und künstlerisch ist die Bäckerei – ein ­Diamant im Reich der Kultureinrichtungen. —


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info ___ Die Bäckerei – Kulturbackstube wurde 2010 von Christina Mölk, Christoph Grud und Klaus Schennach gegründet. Innerhalb kurzer Zeit wurde sie zum festen ­Bestandteil der Innsbrucker Kulturszene. Heute besteht das Team des gemeinnützigen Vereins aus zehn fest angestellten sowie mehreren freiwilligen Mitarbeitern, die durch Erasmus und ähnliche Programme aus ganz Europa kommen. Mit rund 600 Quadratmetern bietet die ­Bäckerei großen Raum für Projekte, Ideen und kulturelle Vielfalt. diebaeckerei.at


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Die Seiltänzerin

Geschmeidig bewegt sich Nora Pider zwischen ­zeitgenössischem Tanz, Performance, Schauspiel und Musik. Sie sucht nach den Grenzen ihrer Ausdruckskraft. Und balanciert dabei über Abgründe hinweg. TEXT ___ Doris Brunner  FOTO ___ Mirja Kofler

Ein rosa Telefon am sandigen Boden. Sie ersehnt, zusammengekauert wie ein Embryo, den erlösenden Anruf ihres Vergötterten. Mit Gute-Nacht-Gebeten aus der Kindheit fleht sie ihn sich herbei. Mein Herz ist rein und geh´ unter mein Dach ein. Verhandeln mit dem Schutzengelchen auf dem kleinen Hausaltar, beschwörender Tanz mit dem überdimensio­ nalen Rosenkranz, opfernde Hingabe auf dem einem Altar nachempfundenen Himmelbett. Der Angebetete, ein little Jesus im Röhrenfernseher, und eine Kitschmadonna samt Plastikblume be­o­b­ achten sie stumm. Sehnsucht, Selbstzweifel, Selbstaufgabe – alles für die Liebe, für die Liebe als Erlösung. „Salvation“ – die zweite Soloperformance von Nora Pider, aufgeführt in der Festung Franzensfeste.

Noch heute ist die Wohnung ihrer Eltern mit den religiösen Devotionalien ihres Uronkels übersät, „alles heilig dort.“ Er war Dekan in der Bischofsstadt Brixen; Noras Vater wuchs einige Jahre bei ihm im Widum auf. „Als Kind habe ich den Urlaub im Kloster verbracht, bei jeder Familienfeier gab´s eine Messe.“ Tief eingebrannt hat sich dies in ihr, „ständig habe ich die Sprüche der Pfarrer im Kopf, das werde ich nicht mehr los.“ Noch immer kriecht in ihr Beklemmung hoch, wenn sich jemand gegen den katholischen Glauben ausspricht, „ich weiß selbst nicht, wie ich dazu stehen soll.“ Tanz ohne Sicherheitsnetz.

Manchmal umrahmt Nora Pider ihre sanften Gesichtszüge mit einem Schal.

Sie hat dann selbst etwas Madonnenhaftes an sich. Vertrauensvoll sei sie schon, manchmal vielleicht auch etwas zu viel, aber sie will nun mal jedem Menschen offen begegnen, „ich kann gar nicht anders.“ Nora ist vor allem aber eine Frau und Künstlerin, die sich weder in Schubladen stecken noch eingrenzen lässt. „Ich will frei sein und mich nicht rechtfertigen müssen, was ich tue. Ich will ausdrücken, was mir wichtig ist – ganz ohne Zensur.“ Durchaus feministisch bezeichnet sie ihren künstlerischen Ansatz: „Als Frau mache ich eine andere Form von Kunst, erlebe Dinge anders. Der Kunstbetrieb ist oft männerdominiert, das finde ich nicht so cool und will dem etwas entgegensetzen.“ Häufig arbeitet sie mit ihrer Jugendfreundin Anna Heiss zusammen, „wobei


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»Auf der Bühne fühle ich mich ­sicher und weiß, was ich erzählen will.«

"Don't Let Me Drown" The Artificial Harbor

Anna als Dramaturgin und Regisseurin die Konzeptarbeit übernimmt, ich experimentiere lieber herum.“ Vor sechs Jahren gründeten die beiden das Ensemble VonPiderZuHeiss, um damit auf Theaterfestivals fahren zu können, nachdem ihre Zeit im Theaterpädagogischen Zentrum in Brixen aus Studiengründen abgelaufen war. „Wir interessieren uns für dieselben Themen, mögen beide die popkulturelle Ästhetik.“ Mit VonPiderZuHeiss haben Nora und Anna mittlerweile ihre eigene unverwechselbare Bühnensprache gefunden. Sie verweben Tanz und Schauspiel, Musik und Text, Raum und Kostüm zu einem atmosphärischen Ganzen. Sinnlich, befremdlich, dicht.

für Schritt legte sie Hemmschwellen ab, ein langer Prozess. Wenn es der Figur auf der Bühne dient, zeigt sie sich auch unverhüllt und damit zutiefst verletzbar. Die Unsicherheiten im Alltagsleben – „manchmal habe ich Angst etwas Dummes zu sagen, bin zunächst schüchtern und habe auch keine tausend Small-TalkThemen zur Hand“ – sind dann wie weggewischt. Die Bühne ist für die Tänzerin, Schauspielerin, Musikerin und Performerin ein sicherer Ort. Dort kennt sie den Ablauf bis ins Detail und weiß genau, was sie erzählen will. Im sozialen Gefüge hingegen, „da weiß ich nicht immer, wie ich mich bewegen soll.“

Über Abgründe balancieren.

Jede Regung, jede Bewegung fließt aus ihr heraus. Oft geprobt und tief verankert. Kraftvoll und präsent wirkt sie auf der Bühne. Gefühle schreiben sich schnell in ihr fest, der Körper versteht oft schneller als der Intellekt. Nora und ihr Körper – sie waren nicht immer eine Einheit. „Ich habe ihn abgelehnt, und vielleicht habe ich heute ein so gutes Körpergefühl, weil ich mir ein positives Verhältnis zu ihm erst erarbeiten musste.“ Nun steht sie frei auf der Bühne, scheut dort keinen Ausdruck. Zum Tanz hat sie eher zufällig

An Grenzen gehen. Nach extremen Körper­ausdrücken suchen. Und beobachten, was diese in ihr auslösen. Nora Pider balanciert über Abgründe hinweg und schaut gleichzeitig tief in sie hinein. „Mich fasziniert an meiner Arbeit, dass ich immer weitergehen und mich an meine Grenzen herantasten kann. Ich weiß nicht, wo diese liegen.Aber wenn ich sie gefunden habe, hoffe ich sie auch überwinden zu können. Keine Ahnung, wo mich diese Suche hinbringt.“ Schritt

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Frei-händig.

g­ efunden, erste Erfahrungen hat sie vor allem in der Tanztheaterwerkstatt von Elfi Troi am Theaterpädagogischen Zentrum Brixen gemacht. Nach dem Abitur bewarb sich Nora am Konservatorium Wien, Studienrichtung Zeitgenössische Tanzpädagogik, sowie an einer Schauspielschule. Die Z­usage vom Konservatorium kam eher. Also zuerst Tanz, und nun die Ausbildung an der Schauspielschule Krauss in Wien, „obwohl ich dafür eigentlich zu alt bin. Aber weil ich parallel Bühnenerfahrungen sammeln und mir ein Netzwerk aufbauen konnte, passt das schon.“ Unaufdringlich hat sie sich ihren Raum erobert, als Solo-Künstlerin, mit VonPiderZuHeiss sowie als Keyboarderin und Backgroundsängerin der Indie-FolkBand „The Artificial Harbor“. Zufällig sei sie in die Musik hineingerutscht, weil ihr Freund Julian Angerer bei der Aufnahme eines Songs eine Frauenstimme benötigt habe, „und ich halt in der Nähe war. Dass ich irgendwann mal eine eigene Band haben könnte, hätte ich selbst nie gedacht.“ Seilschaften hier und dort.

Derzeit balanciert Nora zwischen Wien und Südtirol, „eine gute Kombi, früher oder später werde ich mich aber entscheiden müssen, wo ich hauptsächlich lebe.“


darstellende kunst

In der Wiener Tanzszene ist sie keine Unbekannte, dort arbeitet sie bei Anita Kaya im Verein für zeitgenössische Kunst „Im Flieger“ mit. Vorher hatte sie beim Tanz*Hotel von Bert Gstettner eine Künstler­-Residence. „Die beiden gehören zu den Tanzurgesteinen von Wien.

Biografie ___ Nora Pider geboren 1988 in Brixen, und auch dort aufgewachsen. ­Studium der Zeitgenössischen Tanzpädagogik am Konservatorium Wien, derzeit Schauspielausbildung an der Schauspielschule Krauss in Wien. Gründete 2009 mit Anna Heiss und Julia Vontavon das Ensemble VonPiderZuHeiss. Seit 2011 spielt sie Keyboard und singt bei der Band „The Artificial Harbor“. Als Performerin, Tänzerin, Choreographin, Schauspielerin und Musikerin ist sie im In- und Ausland unterwegs und erarbeitet eigene Projekte in allen Bereichen der Darstellenden Kunst. norapider.blogspot.com

­ adurch lernt man in der doch kleinen D Szene automatisch alle kennen.“ In Südtirol hat sich ein Projekt nach dem anderen entwickelt, ganz fließend. Seit 2011 tritt sie jedes Frühjahr mit einer Inszenierung von VonPiderZuHeiss bei der Gruppe Dekadenz in Brixen auf, heuer bespielte sie mit der Solo-Performance „Salvation“ zudem die Kunstausstellung 50x50x50 Art Südtirol in der Franzensfeste. Sie gab Konzerte mit „The Artificial Harbor“ bei diversen Festivals, mit Julian Angerer und Raphael Lanthaler steht die Premiere des neuen Projektes „L_ST – filling the void“ an, in Meran ist sie als Schauspielerin engagiert. „Ich arbeite gerne. Wenn ich zwei Tage nichts zu tun habe, wird mir langweilig. Proben, Aufführungen, Konzerte, das ist schon cool.“ Manchmal fürchtet sie, dass sie sich mit ihrem Beruf finanziell nicht über Wasser halten wird können. Und manchmal fehlt ihr die Wertschätzung für das, was sie leistet. Sie wünscht sich Ehrlichkeit und Offenheit – von den Veranstaltern, den Zuschauern, aber auch von den Menschen um sie herum. „Wenn etwas in der Luft liegt und dennoch um den heißen Brei herumgeredet wird, kann ich das nicht ausstehen. Zu seinen Gefühlen sollte man doch stehen, oder?“

Neuer Tanz, neues Glück.

In „Salvation“ taucht der rettende Prinz schlussendlich auf. Sie lässt sich am goldenen Kleiderbügel festzurren, giert nach seinen Berührungen. Ein Happy-End wie bei Dornröschen? Nicht bei Nora Pider. Nun bestreut der Angebetete sich mit Glitter, malt sich als Schneeengel Flügel an den Rücken. „Das Spiel beginnt von Neuem“, meint Nora Pider. Und lächelt. —


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Pura esperimentaziun Ince sce sü compagns de laur ne sá ciamó do cater agn nia avisa sciöche an ­pronunziëia so inom, s’un stá Dumëne Comploi dër bëgn a Los Angeles. Iló é le jonn d’Al Plan sté bun de realisé sü somi. Na intervista alternativa tres “­ WhatsApp” cun le badiot che laora sciöche creative designer por la Walt Disney Imagineering. TEXT ___ Elisabeth Kostner

Ciau Dumëne! J I sun Elisabeth por la intervista, pói pa te desturbé? Ciau, degun problem. Co éra pa gnüda a se le dé che te es rové tan dalunc a lauré? I á studié dal 2002 al 2008 architetöra a Viena tla université tecnica TU WIEN y tla université por ert aplicada cun l’architët de Los Angeles Greg Lynn. Te chisc agn ái fat n barat de stüde ala “Southern California Institute of Architecture”, université de architetöra de Los Angeles. Mo la scora cun chëra che i me identifichëii deplü é dessigü la université por ert aplicada: iló ái lauré por cin agn cun Lynn, che me á fat da mentor y me á insigné la metodologia. Dl 2009 sunsi spo jü a studié a Los Angeles por n program de postlaurea en colaboraziun cun Walt Disney Imagineering, olache i laori ciamó sëgn.

Proposta de design por Epcot Park tla Florida en ocajiun dla colaboraziun danter la UCLA y Walt Disney Imagineering.

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Ciüna é pa stada tüa pröma impresciun canche te es rové a Los Angeles? Dl pröm iade che i sun gnü adalerch me recordi che döt chël che i odô conesciôi bele porvia di films, mo i ne conesciô nia le tof dla vegetaziun. Ajache ti films vëigon sovënz posć y lüsc dl’America mo an ne sënt mai le tof? Belavisa, i ne n’ê mai rové denant te n post tan forest mo ince tan conesciü. La cossa stramba é che al n’é nia sciöche jí tla Cina, olache döt, a pert i numeri, é atramënter – chiló é pö tröp anfat, mo la cultura é dër atramënter. Ci é pa atramënter? La manira de vire americana. Tröp é basé sön le laur, vignun che se dá da fá á sües poscibilités. Te chël significat él na cultura dër daverta, mo dal’atra pert ne n’é le bëgnester general nia tan sterch sciöche ti stac europeics, olache an ciara che düc ais na buna educaziun. Iö á albü le plü bel de vigni monn: na buna educaziun y sëgn n bun laur chiló, olache vignun á de bunes poscibilités. Ne abinon pa chël tl’Europa nia?


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Io, tl’Europa él ince de bunes poscibilités, mo sce un sciöche iö é interessé da dessigné esperiënzes, ogec o lercs tecnologiches y inovatives, spo é i USA le dër post; ince deache al é da dí che al ne vëgn ignó paié tan tröc scioldi ma por le devertimënt sciöche tl’America. … magari tla Cina dl dagní. Por la Walt Disney Imagineering dessëgneste locai y cosses por parcs di devertimënc, por spetacui y por resorts turistics. I laori la maiú pert dl tëmp sön proiec de research and development. Y chël foss?

Dessigü é val’ iade öna na idea miú co l’atra, mo porchël ne n’ól nia dí che la miú idea sides le miú produt. Le design é n prozes che mëss jí por de plü trus de filtraziuns y parametri le restriziun y le tru por capí tan bun che al sará ala fin, é val’ iade plü lunch co d’atri iadi. Sozedel pa gonot che te mësses sacrifiché na bona idea, ciodiche ara ne n’é nia adatada por le marcé? Oh io! Iö pó ester contënt dla porcentuala de mi transfers de research y design, mo gonot é la porcentuala dër bassa. Ci sozedel pa spo cun les idees che ne vëgn nia realisades? Nia. Metüdes sön na scafa.

Chël ó di proiec che ne n’é nia ciamó gnüs fora, mo che gnará poester fora te n per de agn. Praticamënter pura esperimentaziun. É pa val’ un de tü proiec ince gnü realisé? Io, i á lauré por “The Legend of Captain Jack Sparrow” y “Seven Dwarfs Mine Train” tla Florida, en renovamënt dl’atraziun “Indiana Jones Adventure” por Disneyland dla California y sëgn tosc na produziun teatrala a Tokyo.

Él pa sté val’ iade che te esses plu ion lascé ester döt? Te mi laur él dagnora gnü lauré dër tröp, ince canche i studiâ: püces nöts da dormí y gonot n pü esageré …  Mo i á na buna fortüna de podëi lauré por mia pasciun: le design y la esperimentaziun.

Da olá toleste pa la ispiraziun? La ispiraziun vëgn da indlunch, da mi tëmp lëde olache i me dá jö tröp cun cultura y design, mo ince da situaziuns de laur. Co fejeste pa da savëi sce t’es sön la dërta strada, sce tües idees podará gní realisades?

Stüdi por ciafé formes: fotografia macro, Slimys y rëi/grata, 2003

Co é pa nasciüda chësta tüa pasciun por la grafica?


48-49 Canche i jô a scora, dessignâi tres. Darí él che al me savô bel religiun ma deache i podô dessigné dër tröp. Canche i ê maiú me ponsâi bëgn de fá la scora d’ert ia en Gherdëna, mo mia mama me dijô: “dailó vëgneste n artist zënza laur”. Ajache al me plajô ince les sciënzes sunsi porchël jü a fá le lizeum a Bornech. Te chi agn ái fat n practicum da n architët che me á dé le consëi de jí a studié a Viena, tla université de ert aplicada, olache al â ince ël studié. Poste adoré datrai por to laur ince valch de chël che t’as imparé da nosta cultura? Naturalmënter. Le lingaz ladin ne n’á nia tröpa importanza tl monn, mo al te dá le debojëgn de messëi imparé d’atres cosses y insciö te dëidele da te daurí a d’atres porsones, a n ater monn. An mëss ince dí che la jënt da nos – tla Talia y tl Südtirol – á n bun gust, ciodiche i sun chersciüs sö olache la natöra é dër bela, olache al é de bi posć. Implü unse ince le vantaje de vire te n post olache al é tröpes identités y n confrunt danter cultures desfarëntes. Ci ne n’aste pa nia ciamó fat che te oresses ciamó ion fá? Rodé le monn, spezialmënter te posć che ne n’é nia ciamó industrialisá, sciöche por ejëmpl l’Africa. Canche i studiâ sunsi rodé tröp intoronn, sëgn scialdi ma por laur ti USA. Yo-Yo, istalaziun interativa tridimensionala

Ci ti consiëieste pa a n jonn che oress gní designer sciöche tö? Da rodé le monn, ester corius, sterch, lauré tröp mo se tó le tëmp da ti ciaré ales cosses incëria cun n edl critich, mo nia cun stleta manira.

Micky Maus tl Istitut Micurá de Rü, San Martin de Tor, 2010, en ocajiun de na mostra personala tres l’EPL

Biografie ___ Dumëne Comploi, im Jahr 1983 in Enneberg geboren,

I te rengrazi por la intervista Dumëne y i te aodi ciamó döt le bun por to dagní! ;-)

arbeitet in Los Angeles als Creative Designer für die Walt Disney Imagineering. 2003 bis 2008 studierte er an der Universität für angewandte Kunst in Wien unter dem Stararchitekten und Professor Greg Lynn. 2009 begann

Va bun iolan a te y ciamó na buna sëra.

seine ­Zusammenarbeit mit Walt Disney Imagineering im Rahmen einer postgradualen Ausbildung an der UCLA (University of California).

Ciau!

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whats app Die Arbeitskollegen können auch nach vier Jahren seinen Namen noch nicht so richtig aussprechen; dennoch, Dumëne Comploi fühlt sich sehr wohl in Los Angeles. Hier arbeitet der junge Gadertaler als Creative Designer für die Walt Disney Imagineering. Er entwirft neue Konzepte für Freizeitparks, Shows und Ferienresorts in aller Welt. Dass er es einmal so weit schaffen würde, das hätte er sich nicht gedacht. Dumëne wurde im Jahr 1983 in Enneberg geboren und schon als Kind war das Zeichnen seine große Leidenschaft. „Mir gefiel der Religionsunterricht nur, weil wir viel zeichnen konnten“, erinnert sich Dumëne an seine Kindheit. Es verwundert also nicht, dass er als junger Mann den Wunsch äußerte die Kunstschule in Gröden zu besuchen. Seine Mutter riet ihm jedoch davon ab: „Besser nicht, als Künstler findest du keine Arbeit“. Heute ist Dumëne ein erfolgreicher Designer. In Los Angeles entwirft er für die Walt Disney Imagineering fantasievolle Objekte und Räume für Vergnügungsparks, Theatervorstellungen und Ferienresorts. Einige seiner Ideen und Projekte wurden bereits umgesetzt, so zum Beispiel in der Attraktion „Seven Dwarfs Mine Train“ im Walt Disney World Resort in Florida und eine Ergänzung zu „Indiana Jones Adventure“ im Disneyland in Kalifornien. „Nirgends auf der Welt wird so viel Geld für reine Vergnügung ausgegeben, wie in den USA; vielleicht nur im zukünftigen China“, erklärt Dumëne. Als er das erste Mal in Los Angeles eintraf, überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl: „ Alles kam mir so bekannt und doch so fremd vor. Die Landschaften und Orte kannte ich bereits aus den Filmen; jedoch wurde ich vom Duft Amerikas überrascht“. Auch die Kultur sei sehr unterschiedlich: „Hier in den USA hat die Arbeit einen hohen Stellenwert. Das Gemeinwohl ist nicht so stark ausgeprägt wie in Europa und die Schere zwischen Reich und Arm klafft weit auseinander. Andererseits hat hier jeder die Chance sich zu verwirklichen“. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hat es Dumëne angetan: „Ich habe in beiden Welten das Beste erhalten: eine gute Ausbildung in Europa und einen traumhaften Job in Los Angeles“.

Seine ladinischen Wurzeln weiß Dumëne zu schätzen: „Das Ladinische ist eine sehr schöne Sprache, die aber außerhalb der Dolomiten keine große Bedeutung hat. Als Ladiner bist du gezwungen dich gegenüber neuen Welten, Personen und Ideen zu öffnen, und dies ist ein großer Vorteil“. Inspirierend sei auch die wundervolle Natur der Berge: „Wer in Südtirol oder Italien aufgewachsen ist, lebt inmitten natürlicher Schönheit und künstlerischer Meisterwerke. Dadurch entwickelt man ein Gespür für das Schöne und einen guten Geschmack“. Täglich versucht Dumëne wunderbare Objekte und unvergessliche Erlebnisse zu schaffen, die die Menschen unserer konsumistischen Gesellschaft überraschen können. „Die beste Idee ist nicht immer das beste Produkt“, dies hat Dumëne gelernt und er weiß auch, dass sich das Design den Marktregeln nicht entziehen kann: „Design ist ein Prozess, der durch unterschiedliche Filter und Normen durchsickern muss. Nur so kann man verstehen, ob die Idee letztendlich wirksam sein wird.“ Viele Ideen bleiben deswegen auch nur auf dem Papier. So ist es eben, wenn man, wie Dumëne, im Bereich der Forschung und Entwicklung arbeitet. Dumëne weiß, dass er sich glücklich schätzen kann – auch wenn man als erfolgreicher Designer so manche schlaflosen Nächte verbringen muss. Ob er jemals wieder nach Südtirol zurückkehren wird? „Demnächst werde ich in Zusammenarbeit mit der Disney Research Zürich an einem neuen Projekt arbeiten; es könnte also sein, dass ich wieder öfters in Europa bin. Dennoch, ich habe mir ein neues Leben in Los Angeles aufgebaut: es gefällt mir hier. Amerika ist der richtige Ort, wenn man neue Erfahrungen, innovative Objekte und Räume zeichnen möchte und technologische Innovation anstrebt“.


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Degun Fundamënt und voller Subversion Glatte Ströme des Kapitals, berechen-, steuer- und kontrollierbare Prozesse, die zum Zwecke ihrer ­Beschleunigung mehr und mehr operationalisiert werden - und in deren Zentrum ein einziges „gekerbtes Ding“, das stört und befruchtet: die Traube. TEXT ___ Matthias Vieider  FOTO ___ Mirja Kofler


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So, wie im Vorspann, ließe sich ein Szenario umschreiben, das sich in St. Ulrich/ Urtijëi/Ortisei im Grödnertal vorfinden lässt. Die Geschwister Veronica, Andreas und Matthias Moroder haben dort aus einer traditionsreichen Gaststube am Dorfplatz eine Räumlichkeit geschaffen, die Irritation ebenso wie kulturelle Bereicherung ausstrahlt und seit 2012 immer wieder zu überraschen weiß.

Wien Architektur, Philosophie und Kunstgeschichte, während die Gaststube von mehreren wechselnden Mietern bewirtschaftet wurde. Schließlich, im Jahr 2012, beschlossen die Geschwister Moroder die Traube selbst weiterzuführen und begannen mit Neugier und Experimentierfreude die vielen Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten, die in ihr stecken können.

„Schau Matthias, das gehört jetzt dir.“

Tuesday-Summer-Nights und Bar der Flüchtigkeit

1994 erbte Matthias von seiner Tante das Haus, in dem sich die Traube befindet. Was der damals Elfjährige nicht wusste: Die Gaststube hat einen großen historischen Wert (es gibt sie seit 1779, die Decke ist aus dem Jahr 1880, Ofen und Täfelungen sind rund 100 Jahre alt) und sie war in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren ein beliebter Treffpunkt für die alternative Grödner Kunst- und Kulturszene, unter der Führung des ob seiner Dreistigkeit sympathischen Wirts Sigi erlangte sie damals Kultstatus weit über das Tal hinaus. Fast 20 Jahre sollten vergehen, bis Matthias begann, sich zusammen mit Andreas und Veronica aktiv um die Traube zu kümmern. In der Zwischenzeit beendete er die Schule und studierte in London und

Seitdem ist viel in und mit der Traube passiert. Die Gaststube wurde gewissermaßen wieder in den Zustand zurückversetzt, in welchem sie sich unter Sigi’s Führung befand: Lockerer, ungezwungener Barbetrieb, kleine Gerichte, gemütliches Zusammensitzen, Partys. Für viele Barbesucher, die die Traube aus den 1970ern kennen, hat dies etwas Nostalgisches, für viele Jüngere ist so ein neuer Treffpunkt inmitten der Touristencafés entstanden, in dem es sich gut feiern lässt. Vor allem im ersten Sommer, 2012, war die Traube Schauplatz von wilden Partys, als Andreas Woche für Woche die „Tuesday-Summer-Nights“ organisierte. Da hätte es schon mal „leichte Formen der Zerstörung“ gegeben, erzählt Matthias

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in unserem Gespräch, umfallende Tische, brüllend über Stühle springende Leute. „Und das ist auch gut so, das soll so sein und es ist außerdem eine weitere Referenz an Sigi’s Zeit.“ Die neue, alte Traube wurde als Bar gleich nach Wiedereröffnung zu einem beliebten Hotspot in St. Ulrich und Umgebung. Einen kontinuierlichen Barbetrieb gab es jedoch nur für kurze Zeit. 2013 gingen auch Veronica und Andreas nach Wien, um Architektur, bzw. Bildende Kunst zu studieren. Seitdem ist die Gaststube immer wieder für längere Zeit geschlossen. Und wenn sie aufmacht, dann meist plötzlich und unerwartet und oft nur für einen oder mehrere Tage. „Bar der Flüchtigkeit“ nennen die Geschwister dieses Konzept, das – man mag es kaum glauben – Provokationspotential enthält. Gespräche mit Kulturschaffenden und Invasionen von Killerbienen

Seit 2013 ist die Traube – oder „Iánesc“, wie sie auch genannt wird – überdies nicht einfach nur Bar. Sie hat sich zu einem, man könnte sagen „Kunst- und Kulturraum“ entwickelt, zu dem mittlerweile auch die Wohnung im ersten Stock und der Keller direkt unter dem Lokal gehören. Die ersten kulturellen Veranstaltungen


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fanden im Sommer 2013 in der Stube statt: Filmvorführungen, Gespräche mit Kulturschaffenden, Architektinnen und Architekten, Lesungen, Konzerte, Impro-Theater. „Der Raum besitzt Eigenschaften, die für solche Formate ideal sind“, erzählt Matthias, „die Stube ist klein, gemütlich und hat von sich aus etwas Intimes, der Spalt zwischen Vorführenden und Publikum muss hier gar nicht erst überwunden werden, vom ersten Moment an kann eine gemeinschaftliche Atmosphäre des gegenseitigen Austauschs entstehen.“ 2014 folgten die „Versuche in der Traube“ der Grödner Band Nolunta’s. Nachdem Matthias bemerkt hatte, dass der Holzboden in der Gaststube lärmdurchlässig ist, kam ihm die Idee dieses außergewöhnlichen Konzertformats: Das Publikum saß in der leergeräumten, stockfinsteren Stube und nach 20 stillen Minuten spielte Nolunta’s ein kurzes Set live im Keller. Ein vieldeutiger imaginativer Raum entstand, der von Klängen aus dem Untergrund (aus dem Unterbewusstsein?) vereinnahmt wurde. „Mir kam es vor, sie zu sehen. Man sah sie nicht, aber ich sah sie viel mehr, als wenn ich sie gesehen hätte“, bemerkte anschließend ein Konzertbesucher. „So habe ich noch nie gegessen“, könnte hin-

gegen jemand gesagt haben, der bei einem der seit Anfang 2015 stattfindenden „Konzeptessen“ dabei war: Leute, die in den unterschiedlichsten kulturellen Feldern tätig sind und zudem gerne kochen, werden eingeladen, einen Abend zu gestalten, in dem sich Kulinarik und Kunst vermischen. Dabei sind bisher schon erstaunliche „synästhetische Menüs“ entstanden. Einmal wurde die Stube zu einem Stall voller Heu, in dem es Ziegen zu essen gab, während großformatige Bilder von den Gedärmen eben jener Ziegen bestaunt werden konnten, einmal zu einer psychoanalytischen Praxis mit Analysechouchen, in der ein Therapeut kalabresische Spezialitäten servierte, ein andermal zum Garten Eden, einem mit Aluminiumfolien ausgeklebten Raum, in dem sich Berge von genießbarem und schon verfaultem Essen türmten. Wiederum ein Setting, das in Anbetracht der räumlichen Umstände selbstverständlich erscheint, wie Matthias sagt, und das nur mehr umgesetzt werden musste. Ähnlich verhielt es sich mit der Aktion „Pantografische Reproduktion der 90. Geburtstagsfeier von Leander Schönwegers Großvater Alois (Luisl) Müller“. Nur wenige Tage nach Eröffnung der Ausstellung „Psychogramm“

von Leander Schönweger im ersten Stock der Traube feierte der echte Alois Müller im Kreise seiner Familie in Meran seinen echten 90. Geburtstag. Matthias und Sebastian Bietenhader alias „Büro Bietenhader Moroder“ organisierten dazu eine parallel stattfindende Feier in der Traube mit „gecasteten“ Familienmitgliedern, die in die Rollen der echten Geburtstagsgäste schlüpften. Auch der Schreiber dieses Artikels und die Fotografin durften an der Feier teilnehmen und sahen sich alsbald in Familiendramen verstrickt, die in ihrer Irrealität unerwartete Facetten der falschen (und vielleicht auch der echten?) Verwandten zum Vorschein treten ließen. Für viele der „reproduzierten Gäste“ eine in ihrer Entrücktheit aufschlussreiche Feier. Wie fast alle der bisherigen Veranstaltungen fand sie jedoch im Inneren der Traube statt und war so in erster Linie nur für all jene befruchtend und inspirierend, die sich in die Gaststube hineingewagt hatten. Die bis dato wohl aufsehen­ erregendste Aktion hingegen ist aus der Traube heraus in den öffentlichen Raum gedrungen, oder hat ihn vielmehr penetriert. Im Rahmen der ersten Ausstellung in der Traube, „Populismo“ von Philipp Messner (17. bis 26. Juli 2014, polizeilich


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g­ eschlossen am 19. Juli 2014) installierte der Künstler im ersten Stock neun Bienenstöcke. Einen Tag vor der Eröffnung der in St. Ulrich stattfindenden „Biennale Gherdëina“, deren Organisatoren nach einem gewissem Vorfall im Vorjahr keine „skandalösen“ Werke mehr zeigen wollten, schwirrten so ca. 400.000 Bienen durch das Dorf.Als Hommage an St. Ulrich deklariert, in dessen Gemeindewappen zwei Bienen zu sehen sind, versetzten die Bienen die Bevölkerung gehörig in Aufruhr. Gerüchte wie die von Touristen totstechenden Killerbienen machten die Runde, Tourismusverband und Gemeinde beriefen Sondersitzungen ein. Zwei Tage später mussten die Bienenstöcke mitsamt Bienen wieder entfernt werden. Unverständliche Selbstverständlichkeit

Die Bienenaktion war zweifellos ein subversiver Akt, ein Ereignis, das die dominanten Strukturen des gesellschaftlichen Kontexts in St. Ulrich kurz- und möglicherweise auch längerfristig irritiert hat. Dieser Kontext ist durch und durch kapitalistisch geprägt. St. Ulrich ist voll von auf den Tourismus ausgerichteten Hotels, Bars, Restaurants, Geschäften, die pausenlos nach Profitmaximierung streben. Das

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touristische Kapital wird in geregelten Bahnen durch das Dorf gelenkt (am Dorfplatz vor der Traube erlebt man diesen steten Schwall in voller Heftigkeit) und kaum etwas stört diesen Prozess. Nur: die Traube. Und das ist das Besondere an der Gaststube der Moroders: Die Traube ist an sich subversiv, auch ohne Bienen oder andere Kunstaktionen, sie ist eine Kerbung, ein Riss, ein unverständliches Element in der kapitalistischen Landschaft aufgrund ihrer bloßen Existenz. Die Tatsache, dass sie nicht immer geöffnet ist, dass die Moroders sich erlauben, ihr Lokal oft auch den ganzen Winter über nicht aufzusperren und zudem nicht das komplette Sortiment an Getränken und Speisen anzubieten, obwohl an diesem idealen Standort das Geld sprudeln könnte, wenn man es „richtig“ angehen würde, ist für viele andere Gastronomietreibende nicht nachvollziehbar und ärgerlich. Das ging sogar soweit, dass gewisse Personen, „gute Feinde“, wie Matthias sie nennt, die Schließung des Lokals erzwingen wollten. Auch viele Touristen verstehen das Lokal in der Regel nicht ganz. Auf der Suche nach möglichst authentisch eingerichteten Einkehrmöglichkeiten und nach Kellnerinnen im Dirndl, werden sie beim Be-

treten der Traube vor den Kopf gestoßen. Matthias dazu: „Die den Erwartungen der Gäste angepasste Authentizität ist eben nicht immer deckungsgleich mit der historischen Authentizität.“ An historischer Authentizität mangelt es in der Traube angesichts der getäfelten Decke aus dem 19. Jahrhundert nicht. Nur wollen die Moroders diese Bestände nicht artifiziell aufmotzen: „Wir legen die alte Hülle offen und setzen sie in Kontrast zu zeitgenössischen Elementen, wie den Stühlen oder der Hintergrundmusik.“ So wirkt das Innere der Traube etwas kahl und das stößt viele Touristen mit ihren von der Tourismusindustrie eingeflößten Erwartungshaltungen ab. Der Service in der Traube ist ebenfalls nicht so, wie er in St. Ulrich eigentlich sein sollte. Hinter der Bar arbeiten hauptsächlich Freundinnen und Freunde der Moroders, keine ausgebildeten Barkeeper. Für Matthias hat das einen besonderen Reiz: „Ein Amateur macht den Hugo nicht jedesmal gleich. Die Traube hat einmal den besten, einmal den schlechtesten Hugo. Und das ist super!“ Wie dem auch sei, sicher ist, dass die Traube dem Kapitalismus in St. Ulrich ein Dorn im Auge ist und das kann man sehr gut finden. Besonders schön daran ist,


projekt

dass die von der Gaststube ausgehende Störung als solche nie strategisch geplant wurde. Sie passiert einfach, indem die Moroders das machen, was ihnen richtig und selbstverständlich erscheint. Dass genau das in diesem speziellen Kontext Unverständnis und Irritation provoziert, ist ein erfreulicher Mehrwert. Natürlich geht dem Ganzen ein reichhaltiges Wissen über gesellschaftliche Zusammenhänge voraus, die Geschwister Moroder sind alles andere als naiv. Sie verstehen es aber, dieses Wissen lustvoll und leicht in die Praxis übergehen zu lassen, sowohl hinsichtlich des Barbetriebs, als auch hinsichtlich der kulturellen Veranstaltungen. Sie lassen die Dinge geschehen, rücken sie bei Bedarf zurecht und finden so jene kleinen Verschiebungen, die oft Großes und Schönes zur Folge haben können. Auch wenn Veronica, Andreas und Matthias, wie eine über die Killerbienen empörte Gastwirtin aus dem Gasthaus nebenan einmal sagte, keinen Hausverstand haben („Vo ëis degun fundamënt!“), so sind sie imstande, mit der Traube die Lebenswelt in Gröden und darüberhinaus auf wundersame Art Stück für Stück zu erweitern. —

biografie ___ Matthias Moroder, geboren 1983 in Bolzano/Bozen, diplomierte 2009 in Architektur an der Architectural Association School of Architecture in London und 2015 in Architekturgeschichte und -theorie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Seit 2009 studiert er zudem Kunst­geschichte und Philosophie an der Universität Wien. Gemeinsam mit Sebastian ­Bietenhader betreibt er seit 2015 das Büro Bietenhader Moroder in St. Ulrich in Gröden. Andreas Moroder, geboren 1991 in Bolzano/ Bozen, studierte Architektur an der TU Wien und setzt dieses Studium seit 2014 an der ETH Zürich fort. Als freiberuflicher Architekt arbeitete er unter anderem bei Arch. David Stuflesser in St. Ulrich in Gröden. Veronica Moroder, geboren 1993 in Bolzano/ Bozen, studiert seit 2014 Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe bei Prof. Helmut Dorner. Zuvor absolvierte sie die Kunstschule „Cademia“ in St. Ulrich sowie die Wiener Kunstschule.


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Zwanzigfacher Sturm und Drang Viele Köche verderben den Brei? Ach, woher! Die Kabarett-Gruppe Cababoz ist mittlerweile eine fixe Größe in der Bozner Kleinkunstszene. Wie es 20 ­jungen Menschen ohne professionelle Ausbildung, aber mit großer Professionalität und Leidenschaft gelingt, regelmäßig kleine und große Säle zu füllen. TEXT ___ Lisa Maria Gasser  FOTO ___ Giacomo Flaim

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11. November 2011. Ein symbolträchtiges Datum, an das sich die 20 jungen Leute wohl ihr Leben lang erinnern werden. Denn an jenem Tag nahm ein Projekt seinen Anfang, dessen Werdegang sich so wohl niemand zu erträumen gewagt hätte. Seit mittlerweile knapp vier Jahren sind die 19 jungen Männer mit ihrer ­Kollegin pausenlos unterwegs. Sich selbst bezeichnen die mehrheitlich italienischsprachigen Mitglieder der Truppe als „Künstler, Schauspieler, Musiker, aber auch nichts von alledem“. Bekannt wurden sie unter dem Namen Cababoz. „Der Name sollte eine Verbindung zwischen ‚Cabaret‘ und ‚Bolzano‘ sein, also ‚Cababolz‘. Doch einer von uns hat eine Leseschwäche und las stattdessen ­‚Cababoz‘.“ Mit einem Grinsen im Gesicht erzählen die jungen Kunstschaffenden vom Ursprung ihres Namens. Ob man die Geschichte glauben mag oder nicht,

zumindest schmunzeln kann man darüber. Und genau das ist es, was Cababoz will: Die Menschen zum Lachen bringen, mit selbst geschriebenen Kabarettstücken unterhalten. Ihre Mission erfüllen die jungen Leute – der Großteil von ihnen hat den 25. Geburtstag kaum hinter beziehungsweise noch vor sich – mit Erfolg. Niemand aus der Gruppe hat eine professionelle Theater- oder Komikerausbildung genossen. Doch dass sie allesamt keine Profis sind merkt, sieht und hört man Cababoz nicht an. Weder auf der Bühne, noch abseits davon. Mit großer Leidenschaft, tiefer Überzeugung und unbeirrbarem Engagement hat sich Cababoz in kürzester Zeit in der italienischsprachigen Theater- und Kulturwelt Südtirols einen Namen gemacht. Am Anfang der jungen künstlerischen Karriere waren es noch Freunde und Bekannte, die über die selbst

verfassten und arrangierten Kabarettstücke lachten. Doch schon bald nahmen die Freunde ihre Eltern zu den Veranstaltungen mit. Die waren von den jungen Amateuren begeistert und brachten zur nächsten Vorstellung wiederum ihre Freunde mit. So nahm die Geschichte ihren Lauf. In der vergangenen Saison füllte Cababoz bekannte Etablissements wie das Kleinkunsttheater Carambolage, war fixer Bestandteil des Veranstaltungskalenders des Bozner Teatro Stabile und musste an einigen Abenden sogar Besucher vor Beginn der Vorstellung nach Hause schicken – die Vorführungen waren bereits Tage vorher ausverkauft. Dass sich unter den Zuschauern mehr Erwachsene als Gleichaltrige tummeln, überrascht Cababoz nicht: „90 Prozent unseres Publikums ist zwischen 30 und 50 Jahre alt. Erwachsene haben heutzutage einfach ein größeres Bedürfnis nach Unterhaltung.“


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Platz für alle und alles

In der Auswahl der Themen für die Monologe, Dialoge, Stand-Up-Acts und Sketches, mit denen Cababoz die Bühne betritt, scheinen der Kreativität keine Grenzen gesetzt zu sein. Die Bandbreite reicht von aktuellen politischen Ereignissen wie EUWahlen über gesellschaftliche Angelegenheiten wie das Hadern mit der Mehrsprachigkeit bis hin zu religiösen Debatten. Aber auch kleine Probleme des Alltags werden den Zuschauern in komischer und in der Tradition des Kabaretts zugespitzter Art und Weise präsentiert. Dabei setzt die junge Gruppe auf die persönlichen Stärken und Interessen der Einzelnen. Die rund 15 Cababoz-Charaktere, die regelmäßig das Publikum unterhalten, sind Ausdruck der Vielfalt und Varietät der Cababoz-Mitglieder selbst. Da gibt es den alleinerziehenden Vater, dessen Frau ihm aus dem Kuba-Urlaub ein Kuckuckskind schickt, den vulgären Professor, den Buckligen aus Notre Dame, der sich für ein Praktikum in Bozen aufhält oder den „sympathischen Zigeuner Vladimir“, stets begleitet von einem traurigen, Ziehharmonika spielenden Kind. Ebenfalls Teil des Cababoz-Stammteams ist der emeritierte Papst Joseph Ratzinger. Kaum

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mehr wegzudenken: Helmut Kaiserwaldner. Der ehemalige Kabinettschef („capo di gabinetto“) von Luis Durnwalder steht nun in den Diensten seines Nachfolgers und eröffnet die Cababoz-Abende. Es gibt keinen fixen künstlerischen Leiter, die Regie übernimmt jedes Mal ein anderes Cababoz-Mitglied. Auch, weil es unmöglich wäre, regelmäßig gemeinsam zu proben. „Manche von uns studieren noch, andere arbeiten, wieder andere machen gar nichts“, erfährt man über das Leben abseits von Cababoz. Daher bereiten sich alle individuell in ihrer Freizeit auf die nächste Aufführung vor und besprechen dann gemeinsam, wie der Auftritt zu gestalten ist. Dabei ist (fast) alles erlaubt, man respektiert und vertraut sich gegenseitig. Destruktive Kritik oder gar Zensur gibt es nicht. Sollte etwas schief laufen, wird nach dem Auftritt darüber gesprochen. Das scheint eines, wenn nicht das Erfolgsgeheimnis von Cababoz zu sein: Ein jeder und eine jede darf auf der Bühne das, was er oder sie will, und macht abseits davon das, was er oder sie kann. „Einer von uns kann gut zwischen den Personen vermitteln, jemand anderes ist grafisch talentiert und kümmert sich um Flyer und Poster. Einer kann gut fil-

men, ein weiterer kümmert sich gerne um die Buchhaltung und einige haben besondere organisatorische oder handwerkliche Begabungen.“ Drang nach Neuanfang

So fügen sich die individuellen Talente, auf und abseits der Bühne zu einem erfolgreichen Ganzen zusammen – das inzwischen aus der Bozner Kleinkunstszene nicht mehr wegzudenken ist. Doch auch über die Landeshaupstadt hinaus ist Cababoz ein Begriff. Neben Auftritten in ganz Südtirol gastierte die junge Gruppe bereits in Trient und Bologna. Daneben ist sie eine häufig gebuchte Einlage für Geburtstage, Hochzeiten oder Firmenfeiern. Wöchentlich erscheint eine Cababoz-Rubrik in der Tageszeitung Alto Adige, jeden Sonntag läuft auf Radio 2 Rai die Sendung Radio Cababoz. Großen Aufwand und Einsatz verlangt das Projekt den 20 jungen Menschen ab, die in ihrer Freizeit Kabarett aus Leidenschaft machen. Da ist die Frage, wie es künftig weitergeht, unvermeidlich. Tatsächlich, nach über sechzig Auftritten in drei Kabarett-Saisonen soll nun Schluss sein. „Wir haben alles erreicht, was es in Südtirol zu erreichen gibt.


darstellende kunst

"CABALAB" Theaterwerkstatt

Mehr geht, glauben wir, nicht“, bekennt die junge Truppe. Doch ans Aufhören denkt Cababoz keineswegs. Sondern man will jetzt einen nächsten Schritt wagen und zu neuen Ufern aufbrechen: „Wir wollen den Sprung über die Südtiroler Realität hinaus wagen.“ Verraten, in welche Richtung es geht, wird nicht. Doch eines steht fest: „Cababoz wie es bisher war, wird es nicht mehr geben. Wir arbeiten daran, uns radikal zu verändern.“ Die Auftritte sollen weniger, ihr Inhalt dafür aber umso geballter, das Format der Kabarettstücke umgekrempelt werden. Die Cababoz-Mitglieder sind gewachsen und gereift. Und mit ihnen ihre Leichtmütigkeit und ihr Selbstbewusstsein. Denn komme, was wolle: „Das, was wir mit und durch Cababoz erreicht haben, kann uns niemand mehr nehmen.“

Quanto è stato difficile partire con Cababoz, anche dal punto di vista economico, visto che quando è nato il gruppo eravate molto giovani – e ancora lo siete? Alberto: Il mondo culturale altoatesino è

quasi esclusivamente finanziato dal pubblico. Noi invece siamo economicamente autonomi, non abbiamo mai avuto necessità di interloquire con le istituzioni. Il finanziamento è utile all’inizio, quando sei nelle condizioni di poter rischiare tranquillamente, ma se vuoi avere grande successo sei comunque soggetto a dei vincoli. Vladi: Riusciamo ad autofinanziarci senza dover chiedere niente a nessuno. E non c’è invidia per questo? Vladi: Un po’, magari.

Alberto: Soprattutto da parte di certi professionisti del settore, che chiaramente portano prodotti di un livello culturale molto più elevato rispetto a quello che facciamo noi. E il fatto che una volta al mese 500 persone vengano a vedere il nostro spettacolo può anche essere visto con una certa invidia. Però si tratta di ambiti diversi, noi non abbiamo tolto nulla a nessuno. Vladi: Abbiamo riempito un vuoto che in quel momento si era formato. Questo è un


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aspetto che difficilmente viene recepito dall’esterno. Alberto: In questo senso non abbiamo una concorrenza. Quando abbiamo avviato l’attività non c’era nessuno sulla scena cabarettistica che proponeva spettacoli come i nostri. Anche se dobbiamo vendere i nostri pezzi decidiamo noi, senza dover rendere conto a chicchessia. Va detto però che riusciamo appena a coprire le spese. Vladi: Questo ci ha permesso di raggiungere traguardi ai quali altre realtà simili alla nostra magari non sono arrivate. Come riuscite a dare spazio a ogni singolo membro del gruppo? E viceversa, a unire una così vasta varietà di talenti, interessi e caratteri? Alberto: Siamo tutti maschi. Tranne Ales-

sia.

Alessia: Effettivamente, se c’è una discussione a un certo punto loro la concludono con disinvoltura dicendo: “Basta, mi sono stufato. Facciamo la pace e amici come prima.” Alberto: Noi litighiamo spesso. Ma dopo dieci minuti, finita la lite, è tutto perfetto come prima. Nessuno porta rancore. L’idea di Cababoz è più importante dei litigi. E fino ad ora non si è mai verificata una

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sorta di “ostracismo pre-spettacolo”. Ognuno, indipendentemente da quello che portava – a parte forse uno o due casi rarissimi – saliva sul palco e faceva quello che voleva. Dopodiché si discuteva se la performance era andata bene o male. Però non c’è mai stata da parte di nessuno la presunzione di dire “questa cosa non si può fare”. Vladi: Ci consideriamo tutti allo stesso livello, ci rispettiamo e tutti apprezzano il lavoro degli altri. Questo comporta comunque il coinvolgimento dell’altra persona a seconda di quello che si vuole fare nel pezzo. Mi spiego: tante volte ci troviamo a dire “a me serve una spalla” e così si collabora. E questo ci lega non solo dal punto di vista artistico ma anche da quello umano. Qual è stato il vostro ‘momento Cababoz’ migliore? Alberto: Il sold out al Teatro Stabile, per

due sere, già con quasi dieci giorni di anticipo. È stato un momento importante che mi ha portato a dire: “Caspita, allora Cababoz significa qualcosa.” Alessia: Ho dei conoscenti che vengono da fuori provincia che il giorno prima di quello spettacolo al Teatro Stabile mi

hanno mandato un messaggio chiedendomi di riservargli dei biglietti. Io non lo avevo letto, e la sera dello spettacolo purtroppo non c’erano più posti disponibili e loro non sono riusciti ad entrare. In quella occasione si è concretizzato qualcosa di davvero importante per me. Vladi: Quando ho percepito che il pubblico si stava divertendo, assistendo ad alcuni miei monologhi al Carambolage, ho capito che ero veramente riuscito a trasmettere quello che volevo comunicare. Alberto: Mi ha fatto sorridere quando, una domenica pomeriggio, dopo una trasmissione di Radio Cababoz su Radio 2 Rai, mi aveva chiamato un mio amico sardo per dire: “Ehi, ti ho sentito alla radio.” Vladi: Un altro aspetto divertente è che l’evoluzione di Cababoz corrisponde alla risposta della gente che incontri per strada. Appena nato Cababoz, nessuno mai si girava a guardarti. Dopo qualche mese le persone che incontravi dicevano: “Ah, questo qui l’ho già visto”, anche se non si ricordavano chi fossi. Oppure succedeva che mentre stavi camminando qualcuno ti sorrideva anche se non ne afferravi il motivo. Passati altri mesi, la gente iniziava a fermarti per strada e diceva: “Ti ho visto sul palco”. È curioso quando le per-


darstellende kunst

sone iniziano a parlarti e tu non sai chi siano. E quando un perfetto sconosciuto comincia a conversare con te e il discorso si protrae, a quel punto, capisci che ­Cababoz funziona. —

info ___ Die Kabarett-Gruppe CABABOZ wurde am 11.11.2011 gegründet. Nach anfänglich vereinzelten Auftritten begann die inzwischen auf 20 mehrheitlich italienischsprachige junge Leute angewachsene Künstlertruppe im September 2012, monatlich Kabarett-Shows zu organisieren. Mit zunehmendem Erfolg stiegen auch die Erwartungen von Cababoz. Man ist gewachsen und gereift und will nach drei Theater-Saisonen ab April 2016 mit einem völlig neuen ­Format durchstarten. Mitglieder: Vladi Martello, Tommaso Zamboni, Salvatore Cutrì, Roberto Tubaro, Max Meraner, Mattia Brutto, Marco Zenti, Marco Concer, Gianluca Iocolano, Gianca Vince, Giacomo Flaim, Emanuele Colombi, Elia Liguori, El Hilaa Ayyoub, Diego Zambiasi, Diego Baruffaldi, Daniele Patton, Daniel Ruocco, Alessia De Paoli, Alberto Brugnoli cababoz.com, facebook.com/cababoz twitter.com/cababoz youtube.com/cababoz


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HOTEL AMAZONAS OPEN FIELDS, ART FESTIVAL & RESIDENCY “I just have to tell you, and then it works …“ TEXT ___ Simone Mair  FOTO ___ Daniel Mazza

Hotel Amazonas ist ein Ort abseits der Realität. Beim Hotel Amazonas hört die Straße auf asphaltiert zu sein und die Wege werden unwegsam. Früher war das Hotel Amazonas der Aufenthaltsort der Familie Kaserer, heute ist es der Ort einer weiteren Familie, einer Künstlerfamilie. Und es ist ein Ort, der fern von Ausstellungseröffnungen, Shakehands und Adabeis existiert hat und existiert. Wer an dieser Familie teilhaben will oder zu Besuch kommen will, muss einiges auf sich nehmen und auch einiges hinter sich lassen. Simon Steinhauser

Mittwoch, 5. August.

Das Auto kommt zum Stehen, der Kühler läuft. Topinambur, Rosen, Geranien blühen. Goldglitterbänder an den Bäumen verleihen dem auf 800 Metern gelegenen Bergbauernhof etwas Glamour. Eine junge blonde Frau mit Brille und großem Lächeln winkt vom Fenster aus dem zweiten

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Stock. Margareth Kaserer ist am AspmayrHof in Unterwangen am Ritten in den 1980er Jahren aufgewachsen. Nach einigen Studienjahren im Ausland lebt sie wieder am Hof mit ihrem Vater und ihrem Freund Simon Steinhauser, der mit ihr einen neuen Weg sucht, den Hof wiederzubeleben, wenn er nicht gerade mit seinem Theaterensemble God’s Entertainment unterwegs ist. Im Monat August verwandelt sich der einstmalige Buschenschank in ein temporäres, experimentelles Kunstprojekt, das Hotel Amazonas. Margareth Kaserer: „Es soll ein Raum geschaffen werden, der prinzipiell offen für jede und jeden ist, der jedoch Partizipation und Selbstorganisation voraussetzt, und wo künstlerische und theoretische Ambitionen, einzeln oder in Kollaborationen, gefördert werden.“ Erstmals wurde das Projekt 2012 mit dem Schlagwort Utopie eröffnet, heuer lautet das Thema Open Fields, hergeleitet von der Bedeutung des

Dorfnamens, Wangen. Margareth Kaserer: „Wir wollen, dass ein Denken der Utopie stattfindet, dass ‚offene Felder‘ gesucht und hergestellt werden. Auch in Zukunft werden wir nach Formulierungen suchen, die brachliegende Potenziale evozieren.“ Alle Zimmer sind besetzt. Die krea­tiven Gäste kommen aus Antwerpen, Wien, Hamburg und genießen das Privileg, sich während der Künstlerresidenz auf ihre Arbeit fokussieren zu können. Das Besondere am Hotel Amazonas ist das Zusammenleben und der Austausch während des gemeinsamen künstlerischen Schaffens. Marthe van Dessel: “When the work becomes public and accessible you find yourself in a judging moment, whereas here at Hotel Amazonas you question yourself and your work during the process in dialogue with the other participants. I just have to tell you, and then it works …“ An den Wochenenden finden öffentliche Momente statt, die von einem


bildende kunst


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"La not(t)e di motsega" Peter Kutin & David Schweighart

Kettensägenkonzert von Peter Kutin und David Schweighart, einem Geomantieworkshop in Wangen mit Lady Gaia und Baumuel, einem Filmabend mit Andreas Pichler, bis zu einer Ausstellung am Hof reichen. Fühlt ihr euch als Gastgeber eines Hotels, als Kuratoren, als Organisatoren? Wie ­vermischen sich diese Rollen im Projekt und im Alltag? Margareth Kaserer: „Wir sind wie der

schräge Rezeptionist aus ‚Barton Fink‘, der den Schlüssel mit einigen Instruktionen aus zitternder Hand übergibt - jedoch ohne Zimmerservice. Wir sind manchmal Diktatoren in der Küche (Margareth) und Vorarbeiter am Land (Simon). Wir kuratieren (von lat. curare) den Ort und sein weiteres Umfeld, indem wir dessen Gesicht und Seele gestalten und freuen uns eigentlich immer über Besuch, ob von weit oder von nah. Wir sind auch selbst Kunstschaffende und daher manchmal innerlich zerrissen. Jene, die hier wohnen dürfen, suchen wir uns aus, das funktioniert einfach besser. Die Organisation dieses Projekts ist ein wahnsinniger Antrieb. Ich habe seit langem nicht mehr so wenig geschlafen, und bin doch ganz wohlauf. Auch ist es so, dass wir ‚Hotel Amazonas - Open Fields‘ zwar initiieren, dass dann aber vieles selbstorga-

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nisiert läuft, wie die Essenszubereitung oder die Fahrt ins nächste Dorf zum Zweck der Materialbeschaffung.“ Simon Steinhauser: „Die meiste Zeit war ich Techniker und Laufbursche. Oder Fahrer. Manchmal war ich Gast. Täglich war ich Bauer. Als Kurator habe ich mich erst bei der Beantwortung dieser Frage gesehen. Manchmal war ich dann wohl auch ein betrunkener Kurator.“

Jo Freeman schrieb in den 1970er Jahren, „Jede Gruppe von Leuten, welcher Art auch immer, die für eine Zeitspanne und zu einem Zweck zusammenkommt, wird sich unvermeidlich in irgendeiner Weise strukturieren.“ Wie sieht das Zusammenleben im Hotel Amazonas aus? Gibt es bestimmte Hausregeln oder Strukturen? Margareth Kaserer: „Natürlich gibt es Strukturen, bewusste und unbewusste.

biografie ___ Margareth Kaserer, geboren 1983 in Bozen, ist Künstlerin, Journalistin und Bäuerin mit einer Affinität für Performances, Gärten und experimentelle Konstellationen. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Wien und besitzt ein postuniversitäres Diplom von a.pass (Advanced Performance & Scenography Studies) in Antwerpen (BE). Seit 2010 engagiert sich die Gründerin von Hotel Amazonas mit performativen Arbeiten und Installationen. Simon Steinhauser, geboren 1979 in Lienz, lebt und arbeitet in Wien und Südtirol. Nach der Tischlerausbildung und Übersiedlung nach Wien, studierte er Architektur an der TU Wien. Seit der Gründung des Performance-Kollektivs God’s Entertainment im Jahr 2006 ist er fixes Mitglied der Gruppe und macht performative Arbeiten in verschiedenen Formaten für God’s Entertainment, Super Nase & Co und andere. ­Unter anderem war er mit Performances/Arbeiten an folgenden Kunstorten vertreten: Wiener Festwochen, Galerie ve.sch Wien, Hebbel am Ufer Berlin, brut Wien, Gessnerallee Zürich, CA2M Madrid, Bauhaus Dessau, Liverpool Biennial, Divus unit 30 London/Divus Prag.


bildende kunst

"Pollen Glamorous & Botanical Voguing" Uschi Geller Experience

Dem kann niemand entgehen. Das fängt bei äußeren Faktoren wie der Architektur und Landschaft an, geht über zu den Projektvorgaben (Inhalte, Zeitpläne, Finanzen) bis zu den Beziehungen untereinander. Eine temporäre Gruppe zu organisieren gibt aber erst die Möglichkeit, damit zu spielen. Die Hausregeln lauten“, augenzwinkernd, „niemand geht vor Mitternacht ins Bett, niemand kocht zwei Mal hintereinander, alle müssen einmal auf dem Feld helfen, jeder muss einmal jemand anderen massieren.“ Samstag 8. August.

Es ist Anarchie-Abend mit Martin Hanni und Jörg Zemmler im anarchistischen Stadel des Hotels Amazonas. Martin Hanni: „Wir wissen nicht genau, wann der Stadel gebaut wurde. Er hat etwas Brüchiges, er hat eine feste Struktur. Er signalisiert genau das, was der Anarchismus auch signalisiert, ein Haus, das immer noch steht, ein Stadel, der immer noch ist.“ Gäste sitzen auf dem Boden, daneben der Geruch des Heus, das den Klang der begleitenden Drums aufsaugt. Was passiert, wenn es das Geld nicht mehr gibt? Kann man sich eine Time/Bank bei Hotel Amazonas vorstellen? Fragen und Strukturen, die offen gelassen werden. Genauso wie der Ausgang des Abends. Gemeinsam mit dem Publikum

und den Teilnehmenden wird der Rest des Abends choreografiert. Die Anwesenden helfen dem Klangkünstler Stanley Messer, sein Schlagzeug von der Scheune auf den Küchentisch zu verlagern. Kreissägeblätter und dünne Metallplatten aus der Hofwerkstatt wurden in das Instrument eingebaut. Der Holzofen scheppert mit der Musik. Stanley Messer: „Eigentlich mag ich es nicht, auf einer Bühne zu spielen, die hoch ist, aber dadurch, dass die Küche so klein ist, wirkt das alles sehr intim. Der Vater plaudert mal dazwischen, herrlich!“ Am offenen Lagerfeuer laufen anregende Diskussionen. Veronika vom Nachbarhof in Wangen erzählt von den Freiwilligen, die an ihrem Hof arbeiten und eine unglaubliche Bereicherung für den Hof und ihr Familienleben sind. Daneben unterhalten sich zwei belgische Künstler, soeben von einer Residency aus der Toskana angereist, energisch über das prekäre Künstlerleben. Von der Knottenkuchl, dem hauseigenen Museum, erklingt elektronischer Sound, vermischt mit gebrochenen Jodel-Akzenten von I­sabel ­Tesfazghi. Bekannt ist die Künstlerin aus Düsseldorf für ihre immersiven Textil­ installationen. Für Hotel Amazonas hat sie sich mit dem Jodeln im Lande auseinandergesetzt, wie dieses konstruiert und zeitgenössisch dekonstruiert werden kann.

Die Nacht ist noch lange, das Fest geht weiter. Entstehen die jeweiligen Projekte im Dialog mit den eingeladenen Kunstschaffenden vor Ort oder wird schon im Vorfeld an einem Konzept gearbeitet? Inwiefern setzen sich die Künstlerinnen und Künstler mit dem lokalen Kontext auseinander? Margareth Kaserer: „Es gibt beide Versio-

nen. Manche Kunstschaffenden kommen mit Ideen, die aus vorausgegangenen Recherchen über den Ort entstanden sind, andere schöpfen spontan aus dem Vorgefundenen. Es ist uns wichtig, dass sich die Leute mit der Umgebung hier auseinandersetzen und daraus etwas machen.“ Simon Steinhauser: „Viele der eingeladenen Gäste beschäftigen sich in ihrer Kunst mit Natur. Das schließt beispielsweise „Botanical Voguing“ von Uschi Geller Experience wie auch die Arbeiten von Peter Kutin ein. Niemand der Anwesenden stand mit der Gegend, mit der Natur im Allgemeinen, mit der Abgeschiedenheit oder mit der guten Luft auf Kriegsfuß. Alle waren fasziniert von der Lage der Location und den Möglichkeiten, hier zu arbeiten. Insofern boten sich die besten Bedingungen für die Konzerte, Performances, Video- und bildenden Arbeiten, die hier entstanden sind.“


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Samstag, 15. August.

Einige Künstlerinnen und Künstler sind schon abgereist. Wir sind gekommen, um die Ausstellung „Die Muscheln an Land tragen“ anzuschauen, welche in der Stube, im Stadel, in der Knottenkuchel und auf den Wiesen des Hofes stattfindet. Hubert Kostner reagiert mit seiner Installation am Wegrand einer Wiese auf die Trockenheit des heurigen Sommers. Hubert Kostner: „Die Idee ging von einem Telefongespräch mit Simon am Samstag Nachmittag aus. Er erzählte mir von der extremen Trockenheit und dem entsprechenden Stress für die Pflanzen, Reben, usw.“ Eine Badewanne, die den Tieren als Wassertrog diente, wurde zur Hälfte und senkrecht eingegraben. Sie erinnert an ein Bildstöckl, eine permanente Installation des Künstlers für und mit Hotel Amazonas. Neben einem Soundvideo von Peter Kutin, Dokumenten des Geomantieworkshops und virtuellen E-Mail- und Fotoeinsendungen unter Anleitung des Kurators Saul Judd, liegen auf dem Stubentisch unscheinbare Souvenir-Schneekugeln. Wer ist diese verrückte asiatische Touristin, die zehn Schneekugeln kauft? - wird man sich wohl im Souvenirladen in Sarnthein gedacht haben. Die japanische Künstlerin Saori Kuno wusste genau, was sie damit anfangen wollte. Sie nahm das verliebte

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Tiroler Paar aus der Schneekugel und füllte diese mit der Asche eines verbrannten Kastanienbaums. Saori Kuno: “My artwork is about domestic mass-production and everyday life aesthetics. The everyday aesthetics in the farmhouse were very unfamiliar to me and my lifestyle and have certainly influenced my work. For me it was quite challenging to work with nature until I came to know that they recently planted 30 chestnut trees. We burned an old sick chestnut tree, washed the ashes several times and filled it into the snowballs. For me it was a good way to combine mass-production and nature.” Draussen im Garten steht ein überdimensionaler, leerer Blumentopf aus Plastik. Er ist das Überbleibsl vom “Botanical Voguing” mit Uschi Geller Experience. “Botanical Voguing“ ist ein meditativer Zustand, bei dem es darum geht, selbst zur Pflanze zu werden. Wenn man dann erblüht ist, fängt man an zu voguen. Uschi Geller Experience: „Die Leute haben sich mittlerweile an die Verbindung von Mensch und Tier gewöhnt, doch die Pflanze ist auch Teil von unserem Zyklus und sollte auf gleicher Augenhöhe wie wir betrachtet werden.“ Das Kollektiv aus Hamburg bezeichnet die Immobilität der Pflanze als Machtstrategie. Man kann sich nicht aus dem Topf bewegen, jemand

muss dir etwas zum Trinken bringen. Fast schon Verhaltensweisen einer Diva. Transdisziplinäre Arbeitsweisen und ökologische Sichtweisen - wie das sich mit Tieren in eine Runde Setzen [wie auch mit Pflanzen, Gesteinen, allem Seienden], auf derselben Wesenshöhe Begegnen ist euch ein großes Anliegen. Könnt ihr mehr dazu sagen? Margareth Kaserer: „Empathie und Zu-

sammenarbeit sind uns wichtig, und das nicht nur als Praxis der Menschen untereinander, sondern auch gegenüber allen anderen Erscheinungsformen der Welt. Die Leute kategorisieren zu schnell Nützliches und Unnützliches und agieren vor allem egoistisch. Dabei werden Schwächere oder Stimmlose ständig überrollt. Es gibt zum Beispiel viele sogenannte Unkräuter, die sehr gut im Salat schmecken. Hier bei uns im Projekt gibt es auch noch ein immenses Potenzial: mehr Abfallvermeidung, mehr Eigenproduktion von Lebensmitteln, also größere Nutzung von eigenen Ressourcen.“ Simon Steinhauser: „Wir kümmern uns während Hotel Amazonas um die Katze, die Hühner, die Bienen, die Kastanien, den Wein, die Pflanzen im Garten, das Auto und die noch vielen weiteren Erscheinungsformen. Parallel dazu wurden noch


bildende kunst

Foto: Hotel Amazonas

nie zuvor so viele Alu-Dosen und Flaschen zu den Containern ins Dorf getragen, bzw. Treibstoff ausgegeben und Zigarettenstummel weggeworfen, um dies hier zu ermöglichen. Es ist alles ein Geben und Nehmen, das in einem ausgeglichenen Maß bleiben sollte.“ Am letzten Wochenende werden „Die Muscheln ins Dorf (ge)tragen“, die Arbeiten der Kunstschaffenden von Hotel Amazonas sind in einem Ausstellungsraum im Zentrum von Bozen zu sehen. Margareth Kaserer: „Jede die, jeder der etwas Schönes gefunden hat, zeigt es gerne den anderen. Außerdem finden wir es ganz interessant, darüber nachzudenken, wie die großteils ortsspezifischen, am Hof entstandenen Arbeiten in einem weißen Raum und Galeriekontext präsentiert werden können.“

i­ rgendeiner Form auch 2016 geben. In welcher Form, steht für mich im Moment in den Sternen. Im laufenden Projekt fehlen mir jetzt die Wünsche. Während der Planung werden sie dann entstehen.“ —

info ___ Hotel Amazonas - Open Fields, Residency & Art Festival 27. Juli – 23. August 2015, kuratiert von Margareth Kaserer und Simon

Wird es ein Hotel Amazonas 2016 geben?

Steinhauser am Aspmayr-Hof in Unterwangen mit Peter Kutin (A), Lady Gaia &

Was würdet ihr Euch wünschen?

Baumuel (D), Uschi Geller Experience (D), Martin Hanni (I), Jörg Zemmler (I),

Margareth Kaserer: Mit Sicherheit! Was so

gut gewesen ist, so viele Türen geöffnet hat, das kommt wieder. Wünsche für 2016: gerade wunschlos glücklich. Vielleicht eine elektronische Hühnertür.“ Simon Steinhauser: „Hotel Amazonas steht auf der Fassade des Hofs geschrieben, insofern wird es das Hotel Amazonas in

­David Schweighart aka Stanley Messer (A), Hubert Kostner (I), Andreas Pichler (I), Elisa Bergmann (I), Marthe van Dessel (B), Saul Judd (BR/D), Saori Kuno (J/B), Cornelia Lochmann (I), Isabel Tesfazghi (D/B) facebook.com/hotelamazonien ooooo.be/hotelamazonas vimeo.com/hotelamazonas


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Der Jungspund Philipp Achammer ist seit 2014 Landesrat für Deutsche Bildung und Kultur und für Integration. Was will er bewegen? Und wie schätzt er sich selbst ein? BARFUSS hat den Landesrat, der vor Kurzem 30 wurde, zum Interview ohne Worte gebeten. TEXT + FOTO___ Michael Pezzei

Was macht einen guten Politiker aus?

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Welcher ist Ihr größter Fehler?

Viele deutsch- und italienisch­sprachige Südtiroler beherrschen die jeweils andere Landes­ sprache nur mangelhaft. Wie soll sich das ändern?


gastbeitrag Der Gastbeitrag Serie zur Präsentation von Südtiroler Medien für zeitgenössische Kultur. Für das junge Südtiroler Online­ magazin BARFUSS lag es nahe, im Rahmen seiner Interview-Serie „Pssst!“ Landesrat Philipp Achammer, dem junge Kultur ein großes Anliegen ist, für die erste Ausgabe einige Fragen zu stellen. Hier ein Ausschnitt. Weitere Fotos finden Sie unter www.barfuss.it/serie/pssst

In Online-Foren grassiert Rassismus, wenn es um die Themen Flüchtlinge oder „Ausländer“ geht. Warum ist das so? ___

Was kann man dagegen tun?

Auf einer Skala von 1 bis 10: Welche Schulnote geben Sie sich als Landesrat?

internetaffine Leser- und Seherschaft an.

­Tisens, St. Nikolaus im Ultental, Bozen,

BARFUSS ist im Mai 2013 mit dem Ziel

Die inhaltliche Bandbreite der Text-, Bild-

Wien, Naturns, Berlin, im Vinschgau,

­gestartet, mit neuen Formaten und einem

und Videobeiträge reicht von Politik bis

manchmal in Hamburg, München und

jungen erfrischenden Stil Südtirols Medien-

Jugendkultur. BARFUSS blickt auch über

Heidelberg. Sie kommunizieren per Skype

landschaft zu bereichern. So auch mit der

Südtirols Tellerrand hinaus und gibt jungen

und E-mail und kommen manchmal dort

Interview-Serie ohne Worte unter dem Titel

Meinungen eine Plattform.

zusammen, wo die Redaktion ihren festen

„Pssst!“, bei dem nicht rhetorische Fähig-

Die Autorinnen und Autoren von BARFUSS

Sitz hat: In einer alten Mühle in Meran,

keiten, sondern vor allem Mimik und Gestik

sitzen überall dort, wo es auch eine halb-

die zu einer tollen Location umfunktioniert

gefragt sind.

wegs anständige Internetlinie gibt: in

wurde.

Das Onlinemagazin spricht eine offene und

Innsbruck, Sand in Taufers, Salurn, Eppan,

barfuss.it


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Energia per l’arte Quella che da tempo è la sede ufficiale del festival Drodesera si presenta attraverso il direttore della struttura, svelando un’attività complessa di produzione e promozione culturale, che include l’organizzazione di residenze d’artista, la prima collezione privata di arti performative in Italia e una factory di creativi. TEXT ___ Nadia Marconi  FOTO ___Centrale Fies

E’ una centrale decisamente sui generis quella di Fies a Dro. Cosa produce? Arte. All’interno di uno dei siti di archeologia industriale più interessanti in provincia di Trento, dal 2002 trova spazio un centro di produzione e promozione culturale, un laboratorio creativo specializzato nel campo delle performing arts, che convive con una porzione ancora funzionante della centrale idroelettrica. Moni Ovadia, Pippo Delbono, Marco Paolini, Rodrigo Garcìa e molti altri sono passati di qua e sono numerose le collaborazioni con prestigiosi partner europei. Oltre al festival Drodesera ospitato da anni dalla struttura, vengono organizzati performance, letture di poesia, spettacoli di danza, concerti, meeting site specific e residenze d’artista, nel corso delle quali viene attivata una rete di servizi per curare ogni fase dei progetti, il tutto per individuare e supportare le posizioni più innovative ed interessanti del teatro e della performing art della scena nazionale. Dino Sommadossi - direttore di Centrale Fies - ci guida all’interno di questa realtà in continuo sviluppo.

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trentino


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«Circa una settantina di operatori di ­settore da tutta Europa ogni anno si ­riversa ­ a Dro per monitorare la performing art del nostro paese.» NUJ  01

Il Festival Drodesera è certamente una delle espressioni più note del lavoro della Centrale. Dalle prime edizioni negli anni ’80 per le vie di Dro un lungo percorso ha condotto alla realtà di oggi, con la nuova sede e i molteplici campi d’azione. Quali sono state le tappe più importanti?

“Il primo festival iniziava così, nel 1981, con il dichiarato intento di coinvolgere la gente, scoprire nuovi significati e nuovi modi di consumare e produrre cultura. Da una parte gli spettacoli in piazza, dall’altra l’apertura incondizionata ai fermenti più vitali e interessanti che la scena nazionale del teatro e della danza di quegli anni esprimeva, il tutto in un contesto di riscoperta e re-invenzione degli spazi quotidiani, con l’intento di trasformare il paese, una settimana all’anno, in un luogo diverso. Il teatro davanti alla chiesa, un bar capace di ricreare il mood tropicale in piazza, il cinema all’aperto: la realtà che si dilatava in tempi nuovi e spazi sorprendenti. C’erano amici che spostavano le sedie per il pubblico, parenti al pianoforte, il palco principale illuminato da due quarzine legate alle palme, una grande curiosità e la voglia di crescere insieme agli ar-


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tisti che, arrivati a Dro, o meglio, a Drodesera, ne coglievano la stimolante diversità. Detto così sembra poco, ma funzionava a meraviglia. In pochi anni Drodesera si conquista un ruolo importante nel panorama regionale dell’offerta spettacolare estiva. Poi nel 1986 la nascita di Viaggio in Italia, una lega di piccoli e combattivi festival estivi in fiera contrapposizione ai festival vetrina e di apparato. Un’esperienza importantissima, libero laboratorio di idee, master permanente di formazione teatrale che ci arricchì tutti di nuove conoscenze, stimoli e soprattutto della consapevolezza di come fosse possibile realizzare anche in un luogo all’ombra qualcosa di importante. E non solo per noi. Dopo i primi vent’anni dal generoso spirito di volontariato di amici vecchi e nuovi si forma una professionalità diffusa che porta alla costituzione della cooperativa Il Gaviale, qualificata nel campo dell’organizzazione di progetti di spettacolo dal vivo e meeting. Drodesera si confronta col territorio, con la sua memoria, con le sue esigenze di crescita e promozione; nascono originali esperienze di danza urbana, un movimento internazio-

nale partito proprio da un’idea di Barbara Boninsegna, direttrice artistica dell’attuale festival, e lo spettacolo in ambiente naturale, sul greto del fiume Sarca, nei castelli e in una “vecchia centrale idroelettrica” oggi sede, location e anima della nostra nuova realtà: Centrale Fies. Drodesera negli anni diventa un punto di riferimento nazionale e internazionale per tutti quelli che credono in una funzione etica del teatro, nella sua capacità di essere memoria, riflessione e crescita culturale e sociale. Nei cortili della piccola Dro sono nati spettacoli che hanno girato l’Europa e vi sono cresciuti artisti che hanno avuto, e hanno ancora oggi un grande successo: da Moni Ovadia a Marco Paolini, da Pippo Delbono a Romeo Castellucci, da Virgilio Sieni a Rodrigo Garcìa, ma è impossibile citarli tutti. Nel 2000, grazie alla visione illuminata dell’azienda Hydro Dolomiti Enel, il festival approda negli spazi della centrale idroelettrica di Fies. Centrale Fies oggi è sì la sede di Drodesera, arrivato quest’anno alla sua trentacinquesima edizione, ma anche un centro di produzione delle arti performative, un luogo dove si attuano le residenze di alcune delle più

interessanti compagnie di teatro e performing art italiane, uno spazio per la sperimentazione non solo teatrale. Inoltre da quest’anno è sede del primo hub prettamente culturale italiano. Il festival continua ad essere posizionato in un panorama nazionale e internazionale e, in netta rottura con la tendenza attuale, si impegna fortemente anche sul versante produttivo italiano, tanto da divenire punto di riferimento per operatori stranieri di settore. Circa una settantina da tutta Europa ogni anno si riversa a Dro per monitorare la performing art del nostro paese.” Tra gli intenti della prima collezione privata di arti performative in Italia - nata dopo 12 anni di lavoro - c’è anche quello di raccogliere i momenti più importanti e in qualche modo tracciare la storia della Centrale. Esistono opere particolarmente rappresentative di questo aspetto?

“La forza della collezione è che ogni pezzo è rappresentativo, in quanto nasce all’interno di una piattaforma dedicata alle pratiche contemporanee live che contribuisce ad approfondire e ad ampliare la nozione di performance. Ad ogni opera è legata una documentazione precisa


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Motherlode / Drodesera 2015: Day 1

dell’azione performativa, dando la possibilità di carpirne il significato attraverso l’azione e contemporaneamente di riflettere sulla necessità di fermare l’effimero. L’intento della collezione è di offrire ai fruitori un’esperienza significativa rendendo la storia del luogo accessibile attraverso le opere che diventano la testimonianza del lavoro svolto con gli artisti nel corso degli anni. Nello stesso tempo rappresenta una risorsa comune, qualcosa che può e deve essere condiviso non solo a livello locale ma anche nazionale e internazionale, per consentire anche a un pubblico diverso, l’esperienza e l’essenza della performance.” Parliamo della Factory, come si sviluppano le collaborazioni con i vari soggetti coinvolti?

Ad oggi all’interno della Factory si trovano: Marta Cuscunà, Teatro Sotterraneo, Anagoor. La crew ha diritto a: Una casa. Gli artisti e i creativi della Fies Factory hanno la priorità assoluta rispetto alle residenze e all’uso della struttura. Un confronto. Gli artisti e i creativi della Fies Factory possono libera-

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mente avere un confronto su promozione, ideazione e produzione delle opere. I nostri uffici sono pronti per affrontare qualsiasi ricerca, dai materiali alle competenze professionali necessarie per le nuove creazioni. Una produzione e una strategia di sviluppo dei progetti. Gli artisti e i creativi della Fies Factory sono seguiti nel processo di ricerca e aiutati a definire una strategia produttiva. Dall’individuazione di reti, bandi ministeriali, concorsi, premi e tutto ciò che potrebbe essere d’aiuto alla realizzazione finale dell’opera, all’individuazione di altri soggetti, potenzialmente interessati a partecipare al processo produttivo. Distribuzione e promozione. Un impegno nel promuovere e distribuire le opere in Italia e all’estero in una collaborazione continua con le compagnie stesse. Dal rapporto con gli acquirenti a un aiuto nella logistica. Una promozione collettiva per mantenere viva l’attenzione. Quali sono i “punti di forza” nel lavoro della Centrale?

L’ascolto continuo. Il riuscire a lanciare al

di là del building del luogo fisico idee, progetti, produzioni, opere, agendo a distanza sull’immaginario delle persone. Il dare ad artisti, curatori e professionisti un luogo e un tempo per lavorare, creare, teorizzare e produrre. Passiamo a MOTHERLODE l’edizione 2015 di Drodesera, quali progetti ha coinvolto e cosa ha portato alla loro scelta?

A guidare tutto la frase di Kennedy, “things do not happen, things are made to happen”, il focus è sulle nuove forme di reenactment: un biscotto della fortuna nel quale si trova una frase rivoluzionaria potentissima; forme di dressage politico che passa attraverso la meditazione; 198 metodi di azione nonviolenta imposti su una giovane movement researcher; il discorso del Presidente Barack Obama alla Cerimonia per il premio Nobel per la pace rianimato e le tecniche della retorica politica messe a nudo; la cooperativa basca di elettrodomestici Fagor - chiusa lasciando i lavoratori in mezzo a una strada - che rievoca l’assemblea di lavoratori che ebbero lo stesso destino trent’anni prima; il feroce simbolo nazista spogliato della storia europea e ­riconsegnato con un atto di


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scusa all’oriente, al quale era stato sottratto; un canto punk-politico creato sulle hashtag di twitter in tempo reale; una riflessione sulla percezione che ognuno di noi ha sulla folla dopo forti eventi terroristici; una grande piscina in legno contenente 25.000 palline su cui sono incisi dei frammenti di opere stoiche nella quale il pubblico può immergersi e farsi pervadere lentamente dagli aforismi prima di passare all’azione. In ogni performance, spettacolo, opera, il pubblico trova i grandi temi che regolano la contemporaneità: dalla storia alla politica, dall’economia alla filosofia adempiendo al primo compito di rielaborare il pensiero umano rendendolo più forte, esplosivo, comunicativo e, cosa ancora più importante, utile all’adesso, all’oggi, all’ora.  —

info ___ CENTRALE FIES è un centro di ­produzione e sviluppo per arti ­contemporanee quali performing art, ­video, site specific e in generale per qualsiasi forma di spettacolo dal vivo. Organizza festival, meeting, esposizioni, workshop. Nata su iniziativa della Cooperativa Il Gaviale, è supportata dalla Provincia Autonoma di Trento e Hydro Dolomiti Enel. Diretta da Dino Sommadossi, con la direzione artistica di Barbara Boninsegna, la centrale sulle rive del fiume Sarca, è un luogo di promozione dell’arte contemporanea. centralefies.it


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Eine Vierteldrehung verändert die Welt Jung, kreativ, Berlin – drei Wörter, die hervorragend in eine Zeile passen. Der Regiestudent Matthias Lintner lebt in einem abrissreifen Haus in der deutschen Hauptstadt. Ein Gespräch über Freiheit im OnlineZeitalter, den Sinn von Filmen und warum man sich im Leben manchmal drehen muss. TEXT+ FOTO ___ Judith Innerhofer

Es war gar nicht einfach, dich für dieses

Wie kamst du zum Filmemachen?

­Interview zu erreichen …

Ich habe mich immer schon für Fotografie interessiert und dann auch für die Filmkamera. Wie man Bewegbild montiert und dadurch ein neuer Sinn entsteht. Dieser Vorgang ist ziemlich komplex. Es gibt so viele semantische Ebenen dabei und ich benutze eine Sprache, die nicht aus Wörtern besteht.

Ja, ich nehme mir die Freiheit nicht immer erreichbar zu sein. Man muss mir zwei Tage Zeit lassen. Ich bin nicht immer mit dem Internet verbunden. Die meisten Leute sind ständig mit dem Netz verbunden: WhatsApp, Snapchat, ­Facebook …

Die Menschen sind gehetzt. Man kommuniziert im Internet viel Unwichtiges mit Leuten, die gar nicht da sind. Dabei geht einfach etwas verloren. Ich habe eine Geschichte von Ingmar Bergman gehört: der Große Ingmar Bergman hatte nur jeden Sonntag eine Stunde Telefonzeit. Jeder der ihn erreichen wollte, musste dann anrufen. Vorher und nachher war er nicht erreichbar. Das wäre auch mein Ziel.

Wie war dann dein erster Kontakt mit dem Film?

Ich habe als Bub einfach eine Fotokamera genommen und diese auf Video-Funktion gestellt. Und angefangen, meine Freunde und mein Leben, mein Umfeld zu dokumentieren. Mich auszuprobieren, es zu montieren und dann zu sehen, was entsteht. Mit 13 oder 14 Jahren habe ich dann meine Kollegen im Schülerheim in Neustift gefragt, ob sie mal einen Lehrer


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­ arodieren könnten. Somit wurde das Filp men dann durchaus inszeniert. Es war eine Freizeitbeschäftigung. Statt auf den Sportplatz zu gehen, habe ich Filme gemacht.Dann kam die Ton-Ebene dazu. Zuerst klatscht man irgendeine Musik darunter und es rockt. Je länger ich mich mit Film beschäftige, umso wichtiger ist mir der Ton.Wenn man Menschen den Text in den Mund legt, erzielt das eine sehr starke Wirkung. Das Auge zweifelt grundsätzlich, das Ohr weniger. Dem Ton sind wir schutzloser ausgeliefert. Das hängt wahrscheinlich mit den Urinstinkten zusammen. Wie ging es dann weiter?

Nach dem Abitur wusste ich, dass ich weiter lernen und etwas mit Kunst machen will. Ich habe musiziert, gemalt, fotografiert und gefilmt. Ich wusste aber nicht, worin genau ich wirklich gut war. Ich ging erst mal auf Reisen. Mal einen anderen Fleck der Welt sehen. Und kam nach Berlin. Zum ersten Mal. Für vier oder fünf Tage. Es hat mich sofort gepackt, dieses Berlin-Gefühl.

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Wie ist dieses Berlin-Gefühl?

Nach der Ankunft haben wir uns ein Berliner Stadtmagazin gekauft und eine Empfehlung für einen Burgerladen in einem ehemaligen U-Bahnklo gefunden: Burgermeister in X-Berg. Wir sind hingefahren. Damals ohne Smartphone, deshalb haben wir uns durchgefragt. Die Leute waren alle wahnsinnig freundlich und haben sich Zeit genommen, uns die Stadt zu erklären. Wir setzten uns an einen Tisch. „Il fumo uccide“ las ein Typ am Nebentisch auf meiner Zigaretten-Packung. Der große blonde Mann fragte uns, ob wir aus Südtirol wären. Er kannte den Dialekt und mochte Südtirol. Er hat uns kurzerhand seinen Haustürschlüssel gegeben und uns eingeladen bei ihm zu übernachten. Wir haben unseren Burger noch gegessen und dann die restliche Zeit bei ihm verbracht. Mittlerweile ist er mein Berlin Papi. Erst gestern war ich bei ihm essen. Obwohl ich fremd war, habe ich mich sofort zugehörig gefühlt.

Es gibt viele Unterschiede und auch viele Gemeinsamkeiten. Der Berliner ist ja nicht der typische Deutsche. Berlin ist sehr international. Es gibt viele Zugezogene. Berliner sind höflich distanziert, zuerst vorsichtig, rücksichtsvoll. Ich habe in dieser Stadt dauernd das Gefühl, Zuschauer einer Freakshow zu sein. Ich mag den Kontrast zwischen Berlin und Südtirol. Ich finde das Leben hier in Berlin aufregender und habe mehr Möglichkeiten, mir meine Freunde auszusuchen. Es sind die unterschiedlichsten Leute und ich schaffe mir hier ein heterogenes Umfeld. In Südtirol geht es eher darum, sich anzugleichen und Gemeinsamkeiten zu finden. Obwohl man sich dann doch ständig abgrenzt. Der Gadertaler mag den Grödner nicht usw. Wir sind uns alle ähnlich, sprechen den gleichen Dialekt und trotzdem stoße ich zu Hause viel öfter auf das Gefühl: Du bist anders! Macht es für dich einen Unterschied, ob du

Worin liegt für dich der Unterschied

Dialekt oder Hochdeutsch sprichst?

­zwischen Berlin und Südtirol?

Hochdeutsch ist für mich die präzisere


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»Ich will etwas herausfinden über mich und die Welt.« Sprache. Auf Südtirolerisch kann ich vieles gar nicht genau sagen. Trotzdem hat man mit Südtirolern gleich eine Verbindung. Das Wissen um die gemeinsame Herkunft ist in der Fremde stark. Das sieht man auch an den vielen Communities in einer großen Stadt. Die Italiener sind alle beieinander, Latinos und Türken ebenfalls. Wie kam es dazu, dass du in Berlin geblieben bist?

In Südtirol wurde mir alles zu eng. Nach fünf Tagen Berlin war klar, dass ich hierher kommen möchte. Mein größeres Problem war, dass ich nicht wusste, was ich machen sollte. Ich habe mich für verschiedene Studiengänge beworben: u. a. Bühnenbild an der Weißensee Kunsthochschule. Dabei bin ich gescheitert. Dann habe ich mich an der Universität der Künste für Drehbuchschreiben beworben. Da wurde ich ziemlich harsch abgelehnt. Mit dem Kommentar, dass ich total untalentiert bin. Schließlich habe ich mich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie für

den Studiengang Regie beworben und die Aufnahmeprüfung bestanden. Zur Zeit arbeite ich an einem 50-minütigen Film über das Haus, in dem ich wohne. Danach kommt mein Abschlussfilm über 90 Minuten. Nochmal zurück zu Südtirol. Wie siehst du deine filmische Zukunft in Südtirol?

Ich würde gerne Filme in Südtirol und über Südtirol machen. Leider sehe ich mich weniger als Bergfilmer, der die Schönheit unserer Landschaft zeigt. Ich hätte eher Lust auf ein Projekt, das die Lebensweise, die Ängste und Eigenheiten junger Südtirolerinnen und Südtiroler dokumentiert. Die Business Location Südtirol ist in der Wirtschaftsförderung für den Film sicher die derzeit treibende Kraft, nicht zuletzt weil ihr beachtliche Summen von Landesgeldern zur Verfügung stehen. Dass eine ausländische Koproduktion mit vier Millionen Euro gefördert wird, ist eher die Regel als die Ausnahme. Ich wünsche mir mehr Chancen für kleine Filme, deren Produktionsvolumen

das finanzielle Risiko soweit heruntersetzen, dass das Kino wieder mutiger und die Kompromisse und Zugeständnisse kleiner werden können. Und, dass das sogenannte breite Publikum sich nicht blindlings in einen Tunnel führen lässt, in dem erstarrte Erzählmuster immer wieder bedient und variiert werden, nur um den Film gefällig und in seiner Wirtschaftlichkeit abschätzbar zu machen. Warum hast du das Filmfestival „Astra La Vista“ in Brixen mitgegründet?

Nach all den Jahren in Berlin bin ich immer noch fasziniert von den interkulturellen Einflüssen, die der Kulturproduktion ein widersrpüchliches und deshalb umso vielseitigeres Gesicht geben. Diese wird im ständigen Wandel gehalten durch eine lebhafte Diskussion, die auch nicht davor zurückschreckt, wichtige aktuelle politische Themen aufzugreifen, Fragen neu zu stellen und sich dagegen zu wehren, hinter den Sätzen Punkte zu setzen. Ich wünsche mir für Südtirol und seine Jugend, dass diese totmachende Phrase –


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„Hier läuft es eben anders“ – am Ende der Argumentationsketten gestrichen wird. Man sollte sich Gedanken machen, wie es denn wirklich anders gemacht werden könnte. Zum Beispiel was die Integration von „Fremden“ in unser kleines Paradies betrifft. Oder überlegen, was Fremdsein überhaupt bedeutet. Solche Fragen werden oft als überstrapaziert erachtet und gemieden, obwohl offensichtlich ist, dass wir erst am Anfang einer Reihe von Veränderungen stehen. „Astra la Vista“ soll eine Inspiration sein. Die nächste Generation soll den Mut haben, nicht den Profit an die oberste Stelle zu setzen. Sie soll nicht auf die Gelder des Landes hoffen müssen oder auf die immer gleichen Sponsoren angewiesen sein. Welche Filme werden dort gezeigt? Sind das Filme, die im Filmclub keinen Platz ­finden?

Der Filmclub ist ein Verein, der auf seine Kasse schauen muss und auch Filme, die im Cineplexx laufen, mit ins Programm nimmt. Im Rahmen unseres Festivals müssen wir uns erst mal recht wenig um

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Einnahmen bemühen. Wir können Filme zeigen, die sich mit Themen beschäftigen, die wir im Hinblick auf Südtirol als diskussionsnötig erachten. Gibt es dafür ein Publikum?

In den letzten beiden Jahren kamen immerhin 100 bis 150 Leute. Natürlich vor allem Studierende. Das ist nicht schlecht für Brixen und seine ländliche Umgebung, aus der nicht alles fußläufig erreichbar ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es vor allem in kleineren Städten und Ortschaften Alternativen für die Jüngeren gibt. Es kann nicht sein, dass man in Südtirol in der Überzeugung aufwächst, das einzige was man tun könne sei, sich heimlich hinter dem Jugendraum zu bekiffen oder auf dem Wiesenfest ordentlich zu betrinken. Es braucht Veranstaltungen, die zeigen, dass man seine Ideen gemeinsam nach außen tragen kann. Es geht um das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, es öffentlich zugänglich zu machen und dabei Spaß zu haben. Auch wenn das viele anders sehen mögen, steht die Zeit in Südtirol nicht still.

Apropos Publikum: Viele junge Leute schauen ja vor allem Serien und weniger die klassischen Filme. Inwiefern wirkt sich das auf deine Arbeit aus?

Ich kann nachvollziehen, dass das Format der Serie gerade durchstartet. Der Vorteil bei Serien ist, dass die Charaktere, die Figuren über einen längeren Zeitraum begleitet werden. Sie werden Teil des Alltags. Man teilt mehr Zeit mit ihnen. Die Entwicklung einer Figur fühlt sich echter an, wenn sie über einen längeren Zeitraum erfolgt. Ich mag die 90-Minuten-Länge nach wie vor total gern. Das Problem bei klassischen Filmen sehe ich eher darin, dass oft nur schlechte finanziert werden. Bei guten Filmen reichen die 90 Minuten für eine spannende Plotentwicklung. Zum Beispiel beim Film „Manhattan“ von Woody Allen: Da geht es nicht um das Ende. Es geht vielmehr um das Eintauchen in die Welt dieses Regisseurs. Er zeigt mir die Welt, wie er sie sieht. Ich möchte wissen, wie Woody Allen reagiert, wenn er eine Frau trifft, die er attraktiv findet.


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Was willst du mit deinen Filmen erreichen?

Im Film kann ich Malerei und Musik vereinen. Trotzdem muss ich mich danach richten, was beim Publikum ankommt. Und kann nicht alle gängigen Erzählstrukturen auflösen. Ich möchte aber auch nicht Kraft und Energie in etwas hineinstecken, das es schon zuhauf gibt, nur um eine weitere gemächliche Geschichte zu erzählen. Ich will etwas herausfinden über mich und die Welt.

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Inwiefern betrifft das den Zuschauer?

sonst nicht enthüllt worden wären“

Er soll den Anreiz erhalten, die Welt aus einer anderen Sicht zu sehen. Eine Vierteldrehung verändert die Welt. Es braucht so wenig, um eine andere Perspektive zu bekommen. Du musst dich bewegen und den Kopf freikriegen. Daran glaube ich.

(Gruppenausstellung „art squat“,

50-­minütigen Film über einen denk-

Matthias Lintner wurde 1987 in ­Bozen geboren und wuchs auf dem Ritten auf. Seit 2009 studiert er ­Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Er realisierte mehrerer Kurzfilme, u. a. „Gelb und Leise“, „Comfort Zone“ (Erstaufführung im Kino Babylon, Berlin), „Gefühle, die uns

Berlin), ­„Erdem & Piotr“, „Die Lust“ (Gruppenausstellung „Berlin Bozen Connection“, Sigmundskron). Er nahm am Drehbuchentwicklungsprogramm „racconti“ der BLS teil. Zurzeit arbeitet er an einem malgeschützten Häuserkomplex ­inmitten der Stadt Berlin, und über seine Bewohner, ihn eingeschlossen. matthiaslmailbox-send@yahoo.de


autorinnen und Autoren Doris Brunner geboren 1972 in Brixen, Studium der Philosophie, Psychologie, Pädagogik (PPP) und Germanistik an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck; Ausbildung in Angewandter Theaterpädagogik und noch so einigem. Lebt in Brixen als freischaffende Texterin, Redakteurin, Autorin und ist häufig auf Kulturveranstaltungen anzutreffen. Aber nicht nur dort. textsalon.it Lisa Maria Gasser, geboren 1989, aufgewachsen in Seis am Schlern, wo sie ihre Leidenschaft für das Schreiben bereits in ganz jungen Jahren entdeckte. Von 2008 bis 2011 studierte sie Studi Internazionali an der Fakultät für Soziologie der Universität Trient, 2012 begann sie das Masterstudium Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Seit Sommer 2014 schreibt sie für das zweisprachige Online-Nachrichtenportal salto.bz, auf dessen Literaturblog und jenem der Universität Bozen. Nebenher feilt sie an ihrer Masterarbeit und versucht, als Auftragsschreiberin Fuß zu fassen. lm.gasser@hotmail.com Martin Hanni, geboren 1975 in Bozen, studierte an der Universität Innsbruck Geschichte. Er arbeitet als Autor, Filmemacher, TV-Redakteur und Moderator. 2015 ist sein Kulturreiseführer Südtirol mit Geschmack und Geheimnis im Gmeiner-Verlag erschienen. Für das Festival ­LanaLive 2015 realisierte er das 60min-Live-Hörspiel Zone 69. Gemeinsam mit Thomas Hanifle kuratiert und leitet er das Web- und Wanderaustellungsprojekt Gatterer9030. Er ist Mitbegründer der Morgenstern-Wandertrophy, der Landesmeisterschaft für Lautpoesie. hanni@mediaart.tv Gustav Hofer, 1976 im Sarntal geboren, später umgezogen ins Ahrntal, Sprachengymnasium in Bruneck, Studium der Publizistik in Wien und London. Seit 1999 lebt er in Rom, wo er für den deutsch-französischen Sender ARTE als Moderator und Italienkorrespondent arbeitet. Mit seinem Partner Luca Ragazzi hat er die preisgekrönten Dokumentarfilme „Improvvisamente l´inverno scorso“ (2008), „Italy Love it or Leave it“ (2011) und „What is Left?“ (2014) ­gedreht, mit denen er auf hunderte Festivals eingeladen wurde. gustavhofer@gmail.com Judith Innerhofer geboren 1980 in Bruneck, stammt aus Sand in Taufers im Pustertal. Sie promovierte in ­Medizin an den Universitäten Wien und Brüssel. Seit 2007 lebt und arbeitet sie als freie Journalistin, Autorin und Coach in Berlin. Sie schreibt u. a. für die „Welt am Sonntag“ und „Die Zeit“. 2010 gewann sie den GrimmePreis und den Axel-Springer-Preis für Nachwuchsjournalisten. 2013 erschien ihr erster Roman „Die Bar“. Sie liebt es zu lesen, zu reisen und Interviews zu führen. ju_innerhofer@hotmail.com Elisabeth Kostner, geboren 1988 und in Gröden auf­ gewachsen, hat von 2007 bis 2012 Kommunikations­ wissenschaften und Journalismus studiert. Sie arbeitet seit 2013 als Verantwortliche für die Kommunikation beim Bund der Südtiroler Genossenschaften – ­Legacoopbund. elisabeth.88@hotmail.de

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Simone Mair, geboren 1981 in Meran, wo sie als Kuratorin und Kunstvermittlerin lebt und arbeitet. Mair ist seit 2014 Mitbegründerin von BAU und seit 2013 Mitinitiatorin von The Walking Reading Group. 2013 erwarb sie einen Master in Curatorial Studies an der Goldsmiths University of London und war Assistant Curator an der Liverpool Biennial 2014. In Bozen war Mair 20082011 Kunstvermittlerin im Museion, 2011/12 Produktionsmanagerin von ADNCollection, 2009/2010 Kuratorische Assistentin im Kunstverein ar/ge kunst, wo sie seit 2011 aktives Vorstandsmitglied ist. monemair@gmail.com Nadia Marconi, nata a Bolzano nel 1974. Laureata in Discipline delle arti visive al Dams di Bologna, giornalista pubblicista, da anni svolge attività di critico d’arte giornalistico (collabora dal 2005 con Corriere dell’Alto Adige e Corriere del Trentino per il Corriere della Sera, poi Libera Università di Bolzano, Exibart, salto.bz), web publisher, ha curato esposizioni e varie pubblicazioni in ambito artistico. nadia.marconi2@gmail.com Lisa Mazza, geboren 1980 in Meran, lebt in Bozen als freie Kuratorin und Kulturproduzentin. 2011-2012 MA in Contemporary Art Theory der Goldsmiths University of London. 2007-2011 arbeitete sie für Manifesta, die Europäische Biennale für zeitgenössische Kunst. 2009-2012 war sie Managing Editor des Manifesta Journal. Seit 2014 ist Lisa Mazza Mitglied des künstlerischen Leitungsteams von Lungomare Bozen-Bolzano und Mitgründerin von BAU, einer Initiative für künstlerische Produktion in Südtirol. mazza.lisa@googlemail.com Judith Ralser, geboren 1995, ist Studentin der Germanistik und Romanistik an der Paris Lodron Universität Salzburg. Nach Erfahrungen mit der Schülerzeitung „distanz“ (Realgymnasium Bozen) hat sie sich dem (journalistischen) Schreiben zugewandt, wobei sie einen Schwerpunkt auf kulturelle Themen legt. Praktika bei verschiedenen Medien („franzmagazine“, „Südtirol Heute“) und freie Mitarbeit, unter anderem für die „Südtiroler Theaterzeitung“ und das junge Online-Magazin „Generation Anders“, folgten. judithralser@ymail.com Miriam Rieder, geboren 1977, lebt im Pustertal. Seit dem Abschluss ihres Studiums der integrierten Rechtswissenschaften an den Universitäten von Padua, Innsbruck und Dijon ist sie als freiberufliche Projektkoordinatorin in EU-Förderprogrammen tätig. Ihre Leidenschaft für Sprache und Schreiben hat sie 2012 zum Besuch des Journalisten-Kollegs in Salzburg und Wien bewogen. Von 2011 bis 2013 hat sie die Bezirks­ zeitung „Puschtra“ redaktionell geleitet. Sie arbeitet heute als Projektmanagerin und freie Redakteurin. mr@bezirksmedien.it Nadja Röggla, geboren 1991 in Brixen; von Bozen nach Bologna, zum Studieren der Kommunikations­ wissenschaften und wieder zurück. Immer in Bewegung, unterwegs in Südtirols Festivalgebirge, mit neugierigem Blick und flinker Feder, auf der Suche nach Neuem und Inspirierendem. Auch und vor allem für franzmagazine.com, dem ersten mehrsprachigen ­Online-Magazin für Kultur und Gesellschaft in Südtirol, Tirol und Trentino. roeggla@franzmagazine.com

Mauro Sperandio, nato a Venezia nel 1980, laureato in Scienze Politiche a Padova, meranese di recente adozione, padre felice. Cucina parole per ogni esigenza e ­palato. Copywriter, storyteller, nongiornalista e curioso di ogni cosa. Vive alla ricerca della parola giusta, che ­arredi il concetto e solletichi il cervello. Gli piace intervistare persone felici di quel che fanno cercando di imparare da ciò che azzecano. sperandio@franzmagazine.com Mateo Taibon, 1966 geboren, aus Mareo/Enneberg ­studierte Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft in Wien. Abschluss mit einer Diplomarbeit über das Musiktheater von Luigi Nono. Taibon ist Autor zahl­ reicher Artikel, Filmbeiträge und Dokumentarfilme zu den Themen Kultur, Politik und Minderheitensprachen. mateo.taibon@gmail.com Matthias Vieider, geboren 1990 in Bolzano/Bozen. ­Studium der Philosophie, Sprachkunst und des Jazz-­ Saxophons in Wien, Rom und Linz. Künstlerische ­Projekte in den Bereichen Text, Performance und Musik. Daneben arbeitet er unter anderem als Übersetzer, Kunstvermittler und freier Journalist. mv10@gmx.at Kunigunde Weissenegger, 1977 geboren, aufgewachsen in Südtirol, Studium der Translationswissenschaft in Innsbruck, Granada, Rom. Mitbegründerin und Leiterin des ersten mehrsprachigen Online-Magazins für Kultur und Gesellschaft franzmagazine.com in Südtirol, Tirol und Trentino; Vize-Präsidentin des kreativen ­Unternehmens FranzLab; Übersetzerin, Schreiberin, ­Publizistin. Liebt Sprachen und Sprache, Menschen, Musik und Geschichten, Literatur, Natur, Sonnenbrillen und Sonnenschein. In der Bewegung liegt die Kraft. ­weissenegger@franzmagazine.com

fotografinnen und fotografen Mirja Kofler, 1985 in Meran geboren, lebt in München, wo sie Fotografie studierte. Aufenthalte in Berlin, Frankreich und London formten ihre Interessen und ihre Bildsprache. Sie arbeitet frei im Bereich der Dokumentar­fotografie sowie der Portraitfotografie für Film, Schauspiel und Musik. Mitbegründerin von Classroom Concert und Sofar Sounds Munich. Ausstellungen: Foto Forum, Weigh Station for Culture, Gasteig, Goethe-­ Institut, Regierung Oberbayern, Roter Würfel. mirjakofler.com Daniel Mazza, geboren 1980 in Meran, Kameramann und freier Fotograf, absolvierte die School of Audio Engineering in Berlin und die Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und neue Medien ZeLIG in Bozen. Er wirkte unter anderem bei folgenden Filmen mit: “Piccola Patria” 2013, “Grenzland-Terra di confine” 2012, “Living without Money” 2010, “The small kingdom of Lo” 2009, “Wie ich bin” 2008. Seit 2008 kuratiert er die Dokumentarfilmreihe “Docu.emme” in Meran. daniel.mazza@gmx.net Michael Pezzei, 1985 in Bruneck geboren, Studium der Erziehungs- und Politikwissenschaften. Lebt derzeit in Südtirol. Er arbeitet als freier Fotograf für verschiedenste Kunden und Organisationen. Neben Auftrags­ arbeiten ist es ihm wichtig, freie und persönliche ­Projekte zu verfolgen. mpezzei.it / michaelpezzei.tumblr.com


Halte dich über die Kulturszene am Laufenden. Eine Auswahl: Online-Veranstaltungskalender Kultur.bz.it, Südtiroler Kulturkalender  kultur.bz.it Online-Magazine mit Schwerpunkt Kultur oder Jugend Barfuss, Das Südtiroler Onlinemagazin  barfuss.it franzmagazine, More than Apples and Cows  franzmagazin.com Gana, magazine femenil  ganamagazine.it Salto.bz, Das Nachrichten- und Communityportal für Südtirol  salto.bz Generation Anders, Junges, kreatives Online-Magazin  generationanders.com Under trenta, Piattaforma editoriale per giovani  undertrenta.it Printmedien mit Schwerpunkt Kultur oder Jugend Filadrëssa, Zeitschrift für Südtiroler Literatur  raetia.com/de/belletristik/filadressa

Kulturelemente, Zeitschrift für aktuelle Fragen  kulturelemente.wordpress.com 39NULL, Magazin für Gesellschaft und Kultur  39null.com Vissidarte, Kunst und Leben an der Passer  facebook.com/Vissidarte Mole(kultur), Medium für kulturelle Nahversorgung Tirol  molekultur.at Quart, Heft für Kultur Tirol  quart.at Fluter, Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung  fluter.de FROH!, Magazin für die schönen Tage des Jahres  frohmagazin.de Missy Magazine, Feministisches Magazin für junge Frauen  missy-magazine.de NEON, Gesellschaftsmagazin für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren  neon.de Printmedien allgemein Alto Adige, Quotidiano  altoadige.gelocal.it/bolzano Corriere dell’Alto Adige / Corriere della Sera  corriere.it/edizioni-locali Die Neue Südtiroler Tageszeitung  tageszeitung.it Dolomiten, Tagblatt der Südtiroler  stol.it FF, Das Südtiroler Wochenmagazin  ff-online.com

Die nächste Ausgabe erscheint 2016. Wir freuen uns über Kritik, Anregungen und Tipps: kultur@provinz.bz.it Möchtest du die kommenden Ausgaben nach Hause geschickt bekommen? Schreibe eine E-Mail an kultur@provinz.bz.it


„Alle Fenster im Raum öffneten und schlossen sich langsam und gleichzeitig, fast so als würden sie atmen.“ Leander Schönweger, The Creator has a Masterplan, Seite 8


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