NuJ - Zeitschrift für junge Kultur

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Der Drahthaus Sound wird nicht nur künstlich erzeugt. Das Silberstückl ist ein Glockenspiel.

„Stolperdraht“ Drahthaus „Notch“ Drahthaus

einer Band mit dem elektronischen eines DJs zu verbinden, indem wir diese Sounds live auf eine Bühne bringen“, meint Hans Zoderer. Das Ganze nennt sich Live ­Electronics. Jede einzelne Facette, jeden noch so abstrakten Ton, jedes Signal kreieren Drahthaus im Moment. Hans erzählt mir von der unfassbar komplexen Technik, die dahinter steckt. Hundert Prozent der Klänge sind abhängig von Elektronik und müssen entsprechend auch mindestens einmal verstärkt werden, damit sie überhaupt klingen. Alle Signale werden über ein komplexes System aus Verkabelungen und Effekten durch eine Software geschleust und von da aus in eine Soundanlage geschickt. Die Fehlerquote ist dabei riesig. Früher konnte einmal eine Gitarrensaite reißen, das Fell einer Snaredrum brechen oder ein Kabel kaputtgehen. Heute kämpft man gegen die Rechnerleistung und falsch gesteckte Schaltkreise. Proben bei Drahthaus bedeutet deshalb entsprechend oft, auf die Suche nach Fehlern zu gehen und sie zu

beheben: hier eine falsche Schaltung, dort ein überlasteter Laptop, von kaputten ­Kabeln ganz zu schweigen. Drahthaus bei der Arbeit zuzusehen, macht mindestens genauso viel Spaß, wie ihren Klangerzeugnissen zu lauschen.

Der Grill ist an und muss jetzt erst einmal heiß werden. Zeit, das Set noch einmal durchzugehen und für mich die Gelegenheit, um endlich einen Blick in den Proberaum der Band zu werfen. Vom Garten gehen wir durch das Wohnzimmer und den Eingangsbereich in den gegen­ überliegenden Raum. Rechts von der Tür das Drahthaus-Setup. Wie an einem Esstisch stehen sich die vier Musiker gegenüber. Zwei auf der einen, zwei auf der anderen Seite. Jeder hat vor sich einen Laptop und eine ganze Reihe analoger und digitaler Instrumente. Trackpads, Synthesizer und Teile eines E-Drums in der Reihe mit einem Vibrafon, lauter kleinen Perkussionsinstrumenten und

Alltagsgegenständen. Drahthaus machen selbst eine handelsübliche Gemüsereibe zum Klangerlebnis. Ihr Proberaum ist höchstens drei Meter breit und vielleicht sieben Meter lang. Das macht 21 Quadratmeter, in denen vier experimentier­ freudige Musiker ihr elektronisches Spielzeug verstauen und dabei auch noch Platz für ein Klavier und ein Ecksofa haben. Neben Drahthaus ist hier auch das kreative Chaos zu Hause. Für einen Neuling wie mich scheint es unmöglich, in dieser Unordnung eine Struktur zu finden. Aber die Jungs haben den Überblick. Es gibt lange Listen, in denen die richtige Anordnung der Verkabelung abgespeichert ist und wann welcher Sound zum Einsatz kommt. Die Musik wird nicht klassisch notiert. Die Musiker orientieren sich an einer eigenen Form der Notation. Die gibt nicht Aufschluss über Harmonien, ­sondern über den Zeitpunkt des Einsatzes bestimmter Signale. Vieles entsteht dennoch aus der Situation, deshalb ­bedeutet Musik machen bei Drahthaus


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