NuJ - Zeitschrift für junge Kultur

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rosa me — drahthaus Anna gschnitzer — freirad GAP — philipp comarella teatro la ribalta me + marie — urkult festival the hub TRENTINO — karin ferrari rotierendes theater 39null — ASYLAND — P.M.K. atelier b — ensemble chromoson crimetube südtirol 2016


Impressum © 2016 alle Rechte liegen beim Herausgeber sowie bei den Autorinnen und Autoren Eine Verwendung von Inhalten dieser Zeitschrift ist nur für nichtkommerzielle Zwecke sowie mit Quellennachweis und nach Rücksprache mit der Projektleitung und den Urheberinnen und Urhebern möglich.

Herausgeber

Autonome Provinz Bozen – Südtirol Abteilung Deutsche Kultur,  Amt für Kultur Andreas-Hofer-Straße 18 39100 Bozen kultur@provinz.bz.it

Redaktion Hannes Egger Stephanie Innerbichler Alexandra Pan Miriam Rieder Nadja Röggla

Projektleitung Alexandra Pan,  Amt für Kultur

Fotos Christian Pitschl Michael Pezzei

Grafisches Konzept und ­Layout Stephanie Innerbichler

Titelbild Sara Schwienbacher, „rosa me“, Wagenhallen Stuttgart, 2013 Foto: Laila Quist

Druck und Herstellung Dialogwerkstatt Satzzentrum GmbH

Auflage Diese Publikation erscheint einmal jährlich. Auflage: 4.000

Digitale Ausgabe mit zusätzlichen Inhalten unter www.provinz.bz.it/NUJ


editorial

Liebe Leserinnen & Leser

Ausgabe Nummer Zwei der - Zeitschrift für junge Kultur in Südtirol ist da. Die Zielsetzungen der Zeitschrift sind dieselben geblieben: will dazu beitragen, den jungen Kulturschaffenden des Landes mehr Sichtbarkeit zu verleihen und gleichzeitig die öffentliche Wertschätzung für die junge Kultur in Südtirol zu steigern. Nun hat das Projekt Fahrt aufgenommen. Neben Anregungen und Vorschlägen von Freunden und Kritikern, die hier eingeflossen sind, legt in dieser Ausgabe den ­Fokus auf Arbeiten und Projekte, die sich nicht nur durch ein hohes Maß an schöpferischer Kraft und Mut auszeichnen, sondern auch Beispielcharakter für andere haben können. Auf 96 Seiten stellt das Heft kreative Kulturvorhaben und Projekte vor, zeigt neue Lösungsansätze auf und inspiriert zur Nachahmung und Weiterentwicklung. Die Interviews, Portraits und Reportagen aus allen (Kultur-)Ecken des Landes und mit dem Blick in die Nachbarregionen auch ein wenig darüber hinaus, sollen Bewusstsein schaffen, Horizonte erweitern sowie Ansporn und Ideenzünder für zukünftige Kulturvorhaben sein. Kultur schafft Mehrwert! Die Zeitschrift wird kostenlos verteilt. Wir laden Sie dazu ein, Südtiroler Kulturarbeit mit einer Spende an die verteilenden Kulturschaffenden zu unterstützen. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken der jungen Südtiroler Kulturszene!

Die Redaktion


Inhalt

06

08 musik Zwischen Kunstaustellung und Clubkultur

GALERIE Rosa Me: VerfĂźgbar

sara schwienbacher

drahthaus

14 20 22 28 34 40 42 48 LITERATUR Gebrochene Wirklichkeit anna gschnitzer

tirol Abenteuer eines Piratensenders

BILDENDE KUNST Please, mind the Gap!

neue medien Wir sind das Lesezeichen in einem Buch

freirad innsbruck

Gap atelier haus

philipp comarella

festival Kunst! Ruft's aus dem Wald

trentino Isolation ist keine Option

Urkult-festival

impact hub trentino

DARSTELLENDE KUNST Blickwechsel

akademie kunst der vielfalt teatro la ribalta

musik Gegen die Musik als Hintergrundberieselung Me + Marie


54 58 64 70 72 76 82 84 92 98 GESELLSCHAFT Die Wende

BILDENDE KUNST Der Sprung ins Ungewisse

essay

Karin ferrari

DARSTELLENDE KUNST Ruotare per creare rotierendes theater

gastbeitrag EU-TOPIA

projekt Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

tirol Ohne Theorie keine Revolution

39null

ASYLAND

P.M.K.

MODEKUNST Atelier B

MUSIK Ein Ensemble für die Musik unserer Zeit

katrin böge

chromoson

film Crimetube Südtirol crimetube

biografien


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„me rosa-me“ Sara Schwienbacher

rosa me: verfügbar rosa me ist die Kunstfigur, welche Sara Schwienbacher seit acht Jahren für ihre performative Arbeit entwickelt hat. Stets nackt und in Rosa angemalt, macht sie die Selbstdarstellung zum Inhalt und ihren Körper zum Mittelpunkt ihrer Arbeit. rosa me fordert heraus, und zwar nicht nur die Künstlerin selbst, sondern auch ihr Gegenüber, das sie in ihren Performances trifft, seien es Passantinnen und Passanten, Studierende oder ein Stadtpolizist, wie 2009 in Meran geschehen. Sara Schwienbacher geht es um die Teilhabe, die Nähe zu den Betrachtenden und die Assoziationen, welche diese in der Auseinandersetzung mit rosa me haben. Sara Schwienbacher, geboren 1985 in Meran, lebt in Bremen und Lana. Seit 2007 sammelt sie international Ausstellungserfahrung. Ihr Fokus liegt auf der performativen Intervention im öffentlichen Raum und der Schnittmenge von Kunst und Sozialem in gesellschaftlichen Zusammenhängen. An der Fachhochschule für Kunsttherapie in Nürtingen erwarb sie 2013 den B.A. of Arts. 2015 schloss sie den Studienlehrgang „Kunst und Theater im Sozialen“ an der Hochschule für Künste im Sozialen (HKS) in Ottersberg mit der Masterarbeit zum Thema des performativen Arbeitens in kunsttherapeutischen, pädagogischen Prozessen ab. Seither hat sie vielfältige künstlerische Kooperationsprojekte mit sozialen, kulturellen und pädagogischen Einrichtungen entwickelt und geleitet. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HKS mit dem Forschungsschwerpunkt „Künstlerische Intervention in Gesundheitsförderung und Prävention“ und dem Fokus auf der künstlerischen und kunstbasierten Forschung. Sara Schwienbacher, „rosa me“, Wagenhallen Stuttgart, 2013, Foto: Laila Quist


galerie

Create your own image! Im Rahmen ihrer inszenierten Fotoarbeiten hat die Performancekünstlerin als Edition für die virtuelle Kunstgalerie in „NUJ“ unter dem Motto „Create your own image!“ die neue Werkserie „verfügbar“ kreiert, die durch das aktive Mitwirken der Leserinnen und Leser entsteht. Jede und jeder kann mitmachen und bis 30. Dezember 2016 beim Herausgeber ein Paket für die Künstlerin hinterlegen (Adresse: Amt für Kultur, Andreas-Hofer-Straße 18, 39100 Bozen). Dieses Paket muss Folgendes enthalten: einen Gegenstand, eine konkrete Anweisung für rosa me zu einer Handlung damit, 25 € und die eigenen Kontaktdaten (Name, Postanschrift und E-Mail-Adresse). rosa me inszeniert die angegebene Handlungsanweisung mit dem jeweiligen Gegenstand und macht ein Foto davon. Dieses liefert sie dem jeweiligen Auftraggebenden innerhalb des 30. Januar 2017 als persönliches Kunstwerk über einen Link zum Herunterladen. Inspiration für Leserinnen und Leser gibt es auf der Webseite www.rosa-me.com.


8-9

Drahthaus

Zwischen Kunstausstellung und Clubkultur. TEXT +  FOTOS ___ Thomas Stolcis

Zoderer wartet. Da hilft nur rufen, wenn keiner kommt.


musik

Seltene Momente. Drahthaus kommen im Garten zu einer Probenpause zusammen. Bei Drahthaus in der Straße wird 30 gefahren. Hier wohnen Familien.

Ich sitze in der Linie 1 der Wiener Straßenbahn, oder der „Bim“, wie die Wiener ­sagen. Wer am Volkstheater einsteigt und bis zur Endstation am Stefan-FadingerPlatz fährt, der erlebt ein kontrastreiches Wien. Die prächtigen Altbauten sind schnell zu Ende. Durch den vierten Bezirk wird das Stadtbild eher peripher. Die ­tristen Blockfassaden ziehen sich hinaus bis in den zehnten Bezirk, wo sie am Stadtrand schließlich durch Grün und ­Familienhäuser abgelöst werden. Als Hans Zoderer mich dahin in das Atelier seiner Band Drahthaus eingeladen hat, habe ich eigentlich etwas anderes er­wartet. Irgendetwas „altbautiges“, großräumiges, das nach hipper Großstadt schreit. Stattdessen empfängt mich die junge Elektrokombo in einer Musikerkommune mitten im Familienviertel. Ein toller Kontrast, der mich an frühere Tage erinnert, denn zu Hause in Südtirol wurde genauso Musik gemacht: irgendwo bei Freunden im Familienhaus.

Drahthaus erwarten mich im ­ arten. Ein kleiner Innenhof, der rings G um von Grünzeug überwuchert ist. Die Gartenmöbel haben schon einige Sommer hinter sich und wirken entsprechend verbraucht. Gerade nutzen die Jungs eine Probenpause, um den Grill anzumachen. Seit gut eineinhalb Jahren sind die ­Wochenenden größtenteils fürs Proben reserviert und da muss natürlich auch für das leibliche Wohl gesorgt sein. Während sich jeder abwechselnd mit einem ­Pappkarton an den Grill stellt, um die Kohle anzufeuern, setze ich mich. Drahthaus und ich haben eine wesentliche Sache gemeinsam: Wir sind nur noch selten in Südtirol. Der perfekte Ausgangspunkt, um Heimatbilder abzugleichen. Ich erzähle Hans Zoderer, dass sein Vater in der Mittelschule mein Geschichte-Lehrer war und wir stellen fest, dass wir musikalisch in derselben Szene sozialisiert sind. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde im Vinschgau nur „handgemachte“

Musik gespielt. Vor etwa zehn Jahren hat sich noch kaum jemand mit elektronischen Genres wie Jungle und Drum & Bass beschäftigt. Damals waren Ska, Reggae und Punk angesagt und wurden ladauf, landab gespielt. Es ist interessant, wie schnell sich solche Präferenzen verschieben; musikalische Einflüsse werden mit neuem Material gefüttert und weiterentwickelt. Aus heutiger Sicht ist diese Entwicklung ein Seismograph für eine ganze Generation. Genauso wie die damals noch jungen Leute mittlerweile erwachsen geworden sind, hat sich auch die Musik entsprechend weiterentwickelt und das mit all ihren Wellen, die sie in der Zeit geschlagen hat. Proben bei Drahthaus bedeutet oft, auf die Suche nach technischen Fehlern zu gehen und sie zu beheben.

Genau an diesem Punkt knüpfen Drahthaus an. Sie verbinden Altes mit Neuem. „Wir versuchen eben den Live-Charakter


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Der Drahthaus Sound wird nicht nur künstlich erzeugt. Das Silberstückl ist ein Glockenspiel.

„Stolperdraht“ Drahthaus „Notch“ Drahthaus

einer Band mit dem elektronischen eines DJs zu verbinden, indem wir diese Sounds live auf eine Bühne bringen“, meint Hans Zoderer. Das Ganze nennt sich Live ­Electronics. Jede einzelne Facette, jeden noch so abstrakten Ton, jedes Signal kreieren Drahthaus im Moment. Hans erzählt mir von der unfassbar komplexen Technik, die dahinter steckt. Hundert Prozent der Klänge sind abhängig von Elektronik und müssen entsprechend auch mindestens einmal verstärkt werden, damit sie überhaupt klingen. Alle Signale werden über ein komplexes System aus Verkabelungen und Effekten durch eine Software geschleust und von da aus in eine Soundanlage geschickt. Die Fehlerquote ist dabei riesig. Früher konnte einmal eine Gitarrensaite reißen, das Fell einer Snaredrum brechen oder ein Kabel kaputtgehen. Heute kämpft man gegen die Rechnerleistung und falsch gesteckte Schaltkreise. Proben bei Drahthaus bedeutet deshalb entsprechend oft, auf die Suche nach Fehlern zu gehen und sie zu

beheben: hier eine falsche Schaltung, dort ein überlasteter Laptop, von kaputten ­Kabeln ganz zu schweigen. Drahthaus bei der Arbeit zuzusehen, macht mindestens genauso viel Spaß, wie ihren Klangerzeugnissen zu lauschen.

Der Grill ist an und muss jetzt erst einmal heiß werden. Zeit, das Set noch einmal durchzugehen und für mich die Gelegenheit, um endlich einen Blick in den Proberaum der Band zu werfen. Vom Garten gehen wir durch das Wohnzimmer und den Eingangsbereich in den gegen­ überliegenden Raum. Rechts von der Tür das Drahthaus-Setup. Wie an einem Esstisch stehen sich die vier Musiker gegenüber. Zwei auf der einen, zwei auf der anderen Seite. Jeder hat vor sich einen Laptop und eine ganze Reihe analoger und digitaler Instrumente. Trackpads, Synthesizer und Teile eines E-Drums in der Reihe mit einem Vibrafon, lauter kleinen Perkussionsinstrumenten und

Alltagsgegenständen. Drahthaus machen selbst eine handelsübliche Gemüsereibe zum Klangerlebnis. Ihr Proberaum ist höchstens drei Meter breit und vielleicht sieben Meter lang. Das macht 21 Quadratmeter, in denen vier experimentier­ freudige Musiker ihr elektronisches Spielzeug verstauen und dabei auch noch Platz für ein Klavier und ein Ecksofa haben. Neben Drahthaus ist hier auch das kreative Chaos zu Hause. Für einen Neuling wie mich scheint es unmöglich, in dieser Unordnung eine Struktur zu finden. Aber die Jungs haben den Überblick. Es gibt lange Listen, in denen die richtige Anordnung der Verkabelung abgespeichert ist und wann welcher Sound zum Einsatz kommt. Die Musik wird nicht klassisch notiert. Die Musiker orientieren sich an einer eigenen Form der Notation. Die gibt nicht Aufschluss über Harmonien, ­sondern über den Zeitpunkt des Einsatzes bestimmter Signale. Vieles entsteht dennoch aus der Situation, deshalb ­bedeutet Musik machen bei Drahthaus


musik

Hausherr Valentin spielt die Gitarrensaite.

Gleich wird das Set gespielt. Vorher muss noch aufeinander abgestimmt werden.

nicht nur Kreativität, sondern sie fordert auch ein Grundverständnis an Akustik, Tontechnik und Elektrotechnik. Wer die Schaltkreise und das System, das dahinter steckt, nicht versteht, der geht hier unter. Aber das macht die Sache umso spannender. Den Jungs bei der Arbeit z­uzusehen, macht mindestens genauso viel Spaß, wie ihre Klangerzeugnisse zu hören. Die Befehle, das Gestikulieren und die vielen Bewegungen, die erst dann Sinn machen, wenn das passende Geräusch dazu ertönt. Drahthaus bereiten sich gerade auf ein Konzert vor, bei dem sie zum ersten Mal mit einer Lichtshow ­ arbeiten. Ob und wie das funktioniert, das weiß zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Die Jungs verraten mir, dass es nicht das erste Mal sei, dass sie einem Veranstalter die große Show versprechen und dann in der Vor­ bereitung erst merken, dass sie sich vielleicht etwas zu viel vorgenommen haben. Aber irgendwie hat es bis jetzt ­immer geklappt. —>

INFO ___ Ludwig Ascher Valentin Martins Simon Öggl Hans Zoderer Drahthaus gibt es seit Anfang 2014. Die vier Musiker haben sich beim Studium in Wien kennen gelernt. Mit aufwendig ­produzierter Live-Electro-Musik spannt die junge Band einen Bogen zwischen Kunst, Performance und Clubkultur. Seither hat sie durch zahlreiche Konzerte zwischen Wien und Südtirol auf sich aufmerksam ­gemacht, zuletzt beim Transart Festival in Bozen. Im Sommer 2016 präsentierte sich Drahthaus auf dem Fusion Festival, einer der größten Veranstaltungen für elektronische Musik Deutschlands. Im Netz haben die Musiker vor allem mit zwei sehr auf­wendig produzierten Videoclips die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das erste ­Album von Drahthaus soll im Herbst erscheinen, genauere Angaben dazu gibt es noch nicht. www.drahthaus.at facebook.com/drahthaus


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Gleich geht die Probe weiter

Zwischen Kunstausstellung und Clubkultur

Die Musik von Drahthaus wirkt streckenweise sehr minimalistisch und verkopft. Es sind oft nur Geräusche und kryptische Klänge, die zusammen eine Rhythmik oder Harmonik ergeben. Mit den visuellen Eindrücken holen Drahthaus diese ­kryptischen Überlagerungen aus ihrer Komplexität und ordnen jedem einzelnen Klang auch einen physischen Gegenstand zu. Das hat fast schon pädagogischen Wert: Drahthaus lassen mich nach­ vollziehen, woher die einzelnen Sounds kommen. Damit schlagen sie eine Brücke zwischen Kunstausstellung und Club­ kultur. Trotzdem bleibt es schwer, die Jungs musikalisch zu verorten, denn für zeitgenössische Musik ist der Sound zu groove- und harmoniegeleitet, für Clubmusik wohl zu ambitioniert. Wir setzen uns zum Essen und kommen ins Gespräch. Die Geschichte von Drahthaus ist eine klassische. Die beiden Schlanderser Simon Öggl und ­

Hans Zoderer ziehen zum Studium nach Wien, Öggl studiert Komposition, Zoderer Soziologie. In diesem universitären Dunstkreis treffen die beiden auf die ­damaligen Musikstudenten Valentin Martins und Ludwig Ascher und starten Anfang 2014 mit der Umsetzung einer Idee: Elektronische Musik live auf die Bühne zu bringen. Heute sind Drahthaus längst nicht mehr nur die vier Musiker Simon, Hans, Ludwig und Valentin. Um sie herum reihen sich mittlerweile auch eine Handvoll kreativer Köpfe, die für die richtige Stimmung in Sachen Visuals, ­Videos und Sound sorgen. Das macht Drahthaus zu einem Kollektiv, das nicht nur Musik macht, sondern diese auch optisch präsentieren will. Drahthaus bringen Klangkunst und Videokunst zusammen. Wer Drahthaus bucht, der bekommt eine Mischung aus Kunstinstallation und Konzert. Der größte Feind ist dabei der Platz. Wenn der nicht vorhanden ist, dann kann ein Gig sehr schnell sehr kompliziert werden.

Platz ist auch in der Bim am frühen Samstag Abend ein wichtiges Thema. Während sich die Straßenbahn mit ausgehfertigen Menschen füllt und dadurch immer voller wird, schiebe ich meine ­Tasche auf die Oberschenkel und lege ein Blatt Papier darauf. 20 Minuten Zeit um mir erste Notizen zu machen. „Verkopfte Musik mit Hang zum Minimalistischen“ schreibe ich im Rhythmus der Straßenbahn. Es erstaunt mich, wie fokussiert Drahthaus sind. Ich habe vier Jungs getroffen, die mit einem Haufen Technik verrücktes Zeug machen und dabei, so scheint es zumindest, genau wissen was sie tun. Es ist nicht einfach, das einzuordnen. Auf der einen Seite ist ihre ­Arbeit künstlerisch und technisch sehr anspruchsvoll. Auf der anderen Seite ­machen sie es mit einem – gerade für ­Musiker – hohen Maße an Pragmatismus und Geradlinigkeit. Es geht nicht nur um die Musik. Bei Drahthaus geht es auch ­darum, mit ihr erfolgreich zu sein. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass­


musik Einer muss die Leitung in die Hand nehmen. Kompositionsstudent Simon Ă–ggl dirigiert.

viel dahinter steckt. Auch wenn am Ende nur sehr sporadisch etwas dabei herauskommt. Aber wirkliche Qualität braucht nun einmal ihre Zeit.

Wenn die Musik beginnt, dann bedeutet das hĂśchste Konzentration.


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literatur

Gebrochene Wirklichkeit Was wir im Alltag vermeiden, wird im Theater zum notwendigen Mittel: Der Bruch ist das, worauf die Autorin Anna Gschnitzer hinarbeitet. In Zusammen­ arbeit mit verschiedenen Theatergruppen flimmert das Spektrum der Realität durch ihre fragmentierte Sprache. TEXT ___ Anna Luther  FOTOS ___ Christian Pitschl


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„Modellsimulation mit Pfau“ Trailer

Es kann schon passieren, sie murmelnd in der Schlange eines Wiener Supermarkts zu treffen, Sätze ausprobierend, wenn sie wochenlang an einem Theatertext sitzt und sich in der Einsamkeit des Schreibens quälenden Momenten hingibt.Anna Gschnitzer war in ihren frühen Zwanzigern, als sie sich zum Schreiben bekannte. Denn erst mit ihrem Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien spürte sie eine Legitimation dafür. Davor verschwanden ihre Wörter in Schubladen. Schreibimpulse für ihre Theatertexte lieferten konkrete Begegnungen mit Personen aus Schauspiel und Regie – keine Phantasiegespinste. Ihre Sprache wuchert auf der Bühne und wird erst in der Unmittelbarkeit des Moments lebendig. Gschnitzer arbeitet auf keine Abgabetermine sondern auf die Aufführung hin, denn ihre Theatertexte sind beim Ent­ stehungsprozess eines Stücks mehr Sprungbrett als Anleitung für alle Beteiligten. Vom Blatt spielen gibt es nicht, der Text wird befragt, es wird diskutiert, in Aufführungssituationen wie in den Proben hangeln sich alle gemeinsam von

Szene zu Szene. „In meinen Texten erzählt die Sprache selbst. Arbeitet sich an sich selbst ab“, meint die Autorin. Schauspielerinnen und Schauspieler erhalten keine fixen Rollen und nähern sich der Sprache an, um darauf wieder Distanz von ihr zu nehmen. „Sprache dient als Atmosphäre und Material, das man auf die Bühne wirft. Sie ist wie Staub oder kann auf die Wände platzen, wenn’s gut läuft wird sie zur Explosion.“ Wie eine Künstlerin ihr Metier definiert

„Die Zusammenarbeit mit Regie und Schauspiel hilft mir, weil Schreiben für mich eigentlich kein sehr befriedigender Prozess ist. Ich finde es ziemlich schlimm, die ganze Zeit alleine am Schreibtisch zu sitzen, es ist einsam. Und das Theater ist natürlich kein Ort der Einsamkeit, sondern ein Ort der Gemeinschaft“, erzählt die Stadtnomadin, aufgewachsen in Sterzing. Berlin, Hamburg, Konstanz, ­ München und Stuttgart. Ihre Arbeit trägt sie von Ort zu Ort. In Stuttgart setzte sie 2015 als Mitglied des theaterkollektiv bureau in Koproduktion mit Theater ­

Rampe ein pink leuchtendes Glashaus in die Fußgängerzone. Die Modellsimulation mit Pfau reflektierte die Stadtentwicklung als öffentlichen Raum und setze sich vor allem mit der Investorenarchitektur, der Privatisierung von Städten auseinander. Das Projekt lud die Vorbeilaufenden ein, sich mit Gerüchen, Tönen und Stimmen aus der Stadt auseinanderzusetzen, die nun aber in einen neuen Zusammenhang gesetzt wurden. Diese Simulation brachte die Menschen zur Kunst, ohne dass sie darum gebeten hätten. „Kunst ist für mich ein sich ins Verhältnis setzen mit dem Draußen, eine Möglichkeit, der Welt in ihrer Grausamkeit etwas Poetisches entgegen zu setzen oder zu versuchen, neue Anordnungen zu bilden, neue Verständnismöglichkeiten“, sagt Gschnitzer. Kunst im weitesten Sinn sei Bruch mit der Realität, schaffe Raum für Bewusstmachung. Sie solle aber nicht wie ein Elfenbeinturm verstanden werden, wo Eliten Spielereien ausleben. Kunst ist damit etwas Rohes, Nacktes und Verletzliches, das sich unverhohlen dem Publikum zeigt. Im Unterschied zur Lebenswelt hat Kunst keinen


literatur

„Den totalen allgegenwärtigen Bunker könnte man doch gar nicht mehr erfassen.“


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instrumentellen Charakter, wie Kochen oder das Setting einer Vorlesung. Vielmehr offenbart sich der Zweck ihres Daseins in der Wahrnehmung ihrer selbst. Gschnitzer beschreibt den Bruch mit Spannungen und Reibungen, es geht um keine bloße Darstellung der Realität. Lupe Velez

So wartet auch Lupe Velez darauf in den Mund genommen zu werden. Es ist der Titel ihres neuen Stücks, in dem die ­ ­Protagonistin Lupe Velez zwischen virtuellen und analogen Welten nach Identität sucht. Gschnitzers Verständnis von virtuellen Welten geht weit über die Digitalisierung hinaus: „Ich denke, dass viele Dinge in unserer Welt schon virtuell sind, auch wenn wir sie anfassen können.­“ Virtualität ist damit vielleicht Wissen über etwas, was da ist. Wissen bietet ­Potential und weist auf etwas hin, das noch nicht da ist. Daher hat das Wissen über analoge Dinge vielleicht immer eine virtuelle Dimension – etwas Abwesendes und Anwesendes gleichzeitig –, die sich durch unseren Wissenszuwachs auch ­erweitert hat.

„Den totalen allgegenwärtigen Bunker könnte man doch gar nicht mehr erfassen.“ Dieser Satz ist einer von denen, die sich verschlingend und hoffend in den Text Lupe Velez reihen. „Der Bunker ist eine Anlage, die in die Welt eingebaut ist. Man kann die Anlage nicht sehen, aber sie ist trotzdem da. In Südtirol gibt es 400 Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, die nie funktionsgerecht genutzt worden sind. Die Italiener bauten sie zum Schutz vor Nazideutschland, in die Landschaft hinein, unter die Erde oder in den Berg und als solche sind sie von außen nicht wahrnehmbar. Ihre Schuss­felder sind wie eine virtuelle, militärische Karte. Man kann sie über die Landschaft legen“, fügt Gschnitzer über einen wesentlichen Themenkomplex in ihrem Text hinzu. Vollmundige Botschaften von politischer Brisanz

Lupe Velez fragt viel, sie fragt, welches Narrativ Europa braucht. Die Autorin will darauf keine einfache Antwort liefern. „Europa war für die Generation unserer Eltern ein großes Friedensversprechen. Meine Generation assoziiert damit Mög-

lichkeiten, den Erfahrungshorizont mit Programmen wie Erasmus oder europaweiten Ausschreibungen zu erweitern. Aber auch mit Enttäuschung, weil es zu etwas Bürokratischem geworden ist, das man nicht mehr spüren kann. Wir brauchen ein neues Verständnis für Gemeinschaft“, sagt Gschnitzer. Sie will Gesten der Zärtlichkeit als rebellische Handlungen in die Welt tragen, Solidarität und Empathie wieder öfter fühlbar werden lassen. Ihre Kunst erhält damit auch eine politische Dringlichkeit. Die EU-Staaten verstehen sich aus den Augen Gschnitzers vor allem als ­Nationalstaaten, die eigene ökonomische Interessen in den Mittelpunkt stellen. Die Umgangsweise Deutschlands mit dem verschuldeten Griechenland ver­ urteilt sie, hier habe das eigene wirtschaftliche Interesse Solidarität und ­Gemeinschaftsgefühl ausgehebelt. Auch der Umgang mit flüchtenden und schutzsuchenden Menschen zeige, dass die eu noch keine gemeinsame Lösung finden konnte. Die Wahl-Wienerin setzt, in der Küche sitzend, dieser Entwicklung energische Worte entgegen: „Weil es jetzt


literatur

Biografie ___ Anna Gschnitzer wurde 1986 in Innsbruck geboren und wuchs in Sterzing auf. Nach ihrem Master der Vergleichenden Literaturwissenschaft in Wien studierte sie in derselben Stadt an der Universität für angewandte Kunst Sprachkunst. Es folgten eigene Theaterproduktionen und sie gründete mit Gleichgesinnten das theater­ kollektiv bureau in Wien und Studio Furio in München. Beide Gruppen entwickeln Räume für assoziative Freiheit und setzen sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. Seit fünf Jahren arbeitet Gschnitzer mit Marie Bues, der Intendantin des Theaters Rampe in Stuttgart, zusammen. Auch in der Herbst-Spielzeit 2016 werden sie gemeinsam ein Stück auf die Bühne bringen. Im Sommer 2015 nahm Gschnitzer an der Summer School für dramatisches Schreiben im Schloss Velthurns teil. 2016 kam sie in die Endauswahl des Hans-Gratzer-Stipendiums am Schauspielhaus Wien und nahm auch an einem Workshop unter der Leitung von Jörg Albrecht teil, den das Schauspielhaus Wien in Koproduktion mit dem DRAMA FORUM uniT Graz ausrichtete. In Zukunft will sich Anna Gschnitzer weiterhin dem Schreiben von Theatertexten und der Performance widmen. www.annagschnitzer.com

keine Hoffnung gibt, müssen wir hoffen. So wie die eu derzeit existiert, funktioniert sie nicht. Wir brauchen eine neue Form der Utopie.“ „Das gegenwärtige kapitalistische und neoliberale System hat großflächigen Schaden angerichtet“, so die Autorin. Dadurch befänden sich die Menschen jeder Branche in einer kompetitiven Situation, allerdings ziehe sich das leistungsorientierte Denken auch ins Private und bestimme zwischenmenschliche Begegnungen. Mit der Schaffung von ­ Sehnsuchtsräumen will sie dagegen halten. Ein politisches Programm, in dem das Theater eine wesentliche Rolle spielt. Und Südtirol bleibt

Sehnsucht drängt in die Veränderung und auch die Sehnsucht war es, die Gschnitzer nach Wien gehen ließ. „Als Jugendliche habe ich Südtirol als einengend empfunden. Aber es hat sich viel geändert und ich finde es toll, dass kultureller Nachwuchs gefördert wird“, fällt ihr zu ihrem Kindheitsort ein. Wien war für sie ein Schritt weg und ermöglichte die Neuerfindung ihrer selbst. Die Stadt von Klimt

und Freud bedeutete für sie auch einen großen kulturellen Zugewinn. Trotzdem holt sie sich bei ihrem Schreiben ein wenig Südtirol, ein wenig Vergangenheit zurück. Gerade in dem Stück Lupe Velez wird die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität wach, die auch Südtirols Vergangenheit geprägt hat. Subtil zieht Gschnitzer kollektive Schuld und deren Verdrängung in Lupe Velez ­hinein, fragt nach dem Verhältnis zum Nationalsozialismus in Südtirol und spricht von der Traumatisierung ganzer Generationen, von der Sublimierung von Ängsten, die bis in die Gegenwart reichen: „Die Menschen fürchten die ganze Zeit, dass ihnen etwas weggenommen wird. Dafür machen sie nicht die Banken verantwortlich, weil es keine Gesichter dazu gibt. Es werden andere Sündenböcke gesucht. Auch deshalb ist es wichtig, das eigentlich Unfassbare zu thematisieren und es dadurch ein Stück weit zu verstehen, ohne dass es einem ganz gelingen kann oder muss, das Verstehen. Aber man kann immer weiter ausdifferenzieren.“ Theater schafft Platz dafür, für ­Unverständnis und Menschlichkeit.


20-21

Abenteuer eines Piraten­ senders Als Österreich vor knapp 25 Jahren das letzte Land Europas mit einem Rundfunkmonopol war, wurde der Wunsch nach einer Gesetzesänderung immer größer. Die Tiroler Aktivistengruppe rund um Radio Radiator enga­ gierte sich für die Libera­ lisierung, seither berei­ chert Freirad die Tiroler Medienlandschaft. TEXT ___ Marianna Kastlunger  FOTO ___ Freirad

Anfang der Neunzigerjahre blickten die Tiroler Radio-Aktivisten oftmals nach Wien: Hier war die Piratenradioszene besonders aktiv, hier fanden sie das notwendige Know-how und die Bauteile für die tragbaren Sender. Radio Radiator sendete heimlich aus der ländlichen Innsbrucker Umgebung, das Equipment hatte in einem Rucksack Platz, die Beiträge wurden auf Kassetten aufgenommen. Während der Sendung hielt jemand eine Antenne hoch, und die nicht redenden Beteiligten mussten ganz leise sein. „Damals trafen Technikfans auf Liberalisierungsfans“, weiß Markus Schennach. Der Freirad-­

Geschäftsführer ist vom Medium Radio sehr überzeugt, heute mehr denn je: „Es ist billig, einfach und erfüllt nach wie vor eine wichtige Funktion“, sagt er. Man denke dabei etwa an den Arabischen Frühling, als diverse Community Sender entstanden, um Informationen zu verbreiten. Piraten versus Radio Maria

Die Innsbrucker Piratensendungen dauerten maximal eine halbe Stunde, damit genügend Zeit für Inhalte und die unvermeidliche Flucht vor den Behörden blieb. „Die Strafen waren sehr hoch, und die Polizei jagte die Piraten mit Hilfe eines Peilsenders“, erzählt Schennach. Da den Machern aber immer die Flucht gelang, griffen die Behörden zu anderen Sabotage-Strategien und überlagerten das illegale Radiosignal mit Radio Maria. Nichtsdestotrotz sendete Radio Radiator bald ein wöchentliches Programm, in dem viele Kulturinitiativen ihr Sprachrohr fanden. „Durch Kinder- und Jugendformate oder Sendungen über Projekte, die paradoxerweise von der öffentlichen Hand gefördert wurden, fand das Piratenradio noch mehr Gehör“, sagt der Geschäftsführer. Daran beteiligten sich auch Schriftsteller wie Franzobel und Kurt Lanthaler, der Sender etablierte sich in Punkto Glaubwürdigkeit und Beliebtheit. Selbst die Universitäts­ leitung unterstützte die Aktivisten, und ­erlaubte ihnen, vom Dach eines Universitätsgebäudes aus zu senden. Währenddessen vernetzten sie sich auf Bundesebene zu einer Pressure-Group, dem heutigen Verband der Freien Radios

­ sterreich und setzten sich für die LiberaÖ lisierung des österreichischen Rundfunkgesetzes ein. 1993 hob das neue Regionalradiogesetz das Monopol auf, und die RadiatorTruppe suchte als frisch gegründeter ­Verein FREIRAD um eine Regionalradio­ lizenz an. Diese wurde abgelehnt und der Verein beschwerte sich beim Verfassungsgerichtshof: Die Lizenzen und Teile des neuen Gesetzes waren nämlich verfassungswidrig. Erst 1998 trat die Neuauflage des Gesetzes in Kraft, diesmal bewarb sich FREIRAD um eine Lokalradiolizenz. Sie wurde wiederum nur an kommerzielle Sender vergeben, so klopfte FREIRAD bei der Privatrundfunkbehörde an und bat um eine zusätzliche Lizenz. Der Verein suchte die Frequenz in Eigenregie und wurde auf 105,09 MHz fündig. Hier fanden im Oktober 1999 die „Radiotage Innsbruck“ statt, ein vierzehntägiges, durchgehendes Ausnahme-Programm, ­wodurch sich der Verein noch schlag­ fertigere Argumente für eine fixe Lizenz erarbeitete. Sie folgte im September 2001, das FREIRAD-Programm startete am 6. Juli 2002, natürlich auf 105,09. Werbefrei, chaotisch, zauberhaft

Als Medium der Zivilgesellschaft erzeugt Radio FREIRAD eine Öffentlichkeit für unterrepräsentierte Themen und Stimmen. Dazu gehören Vereine, NGOs, sowie Privatpersonen aus allen Alters- und ­Gesellschaftsgruppen. „Wir sehen uns als Ergänzung zur Medienlandschaft“, sagt Schennach. Freie Radios sind zudem werbefrei und nicht kommerziell, weshalb die


tirol

105,9 MHz Finanzierung des Radiosenders anfangs eine der größten Herausforderungen war. Heutzutage deckt der staatliche Fonds für nichtkommerziellen Rundfunk die österreichweiten Kosten von drei Millionen Euro. Im Vergleich dazu ist der Privatrundfunkfonds mit 15 Millionen wesentlich größer, wodurch die Verteilung etwas unverhältnismäßig erscheinen mag. Schennach will aber nicht auf hohem Niveau jammern: „Es gab auch Zeiten unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssels schwarzblauer Regierung, in denen die Förderung ganz gestrichen wurde.“ Damals konnte der Verein nur mit Mühe die Kosten für die Raummiete decken. Das erste FREIRAD-Studio war zwar funktional eingerichtet, wirkte aber etwas improvisiert und chaotisch. Der Sender hielt sich trotzdem über Wasser und wuchs: Denn sobald die Regler bedient wurden, ging der Zauber los. Der Zugang ist Offen

Nach zwei Location-Wechseln von der Angerzellgasse in die Höttingergasse hat FREIRAD seit 2010 einen geräumigen, lichtdurchfluteten Sitz in der Nähe des Innsbrucker Westbahnhofs. Hier ist genug Platz für Live- und Produktionsstudios. Gesendet wird 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das Programm ist ein Mix aus Politik- und Gesellschaftsthemen, Kinder- und Jugendsendungen, Nachrichten und Musik, und wird von mehreren Hundert Vereinsmitgliedern gestaltet. Der Wortanteil der Beiträge ist sehr hoch, selbst die Unterhaltungssendungen mit Musik liefern viel

Information zu den gespielten Stücken. Die morgendlichen Weltnachrichten kommen von der BBC. Der Zugang ist offen, „wobei das O großgeschrieben wird“, betont Schennach. Denn mitmachen darf jedermann und -frau. Um den Umgang mit der Technik und die Sendeabläufe zu erlernen, absolvieren Interessenten ein zehnstündiges Basisseminar und eine Schulung zum Medienrecht. Der Verein bietet jährlich auch eine mehrwöchige Lehrredaktion an, wofür sich Studierende, ambitionierte Jungjournalisten, aber auch Berufstätige aus medienfremden Sparten begeistern. Für die Sendungen sind zwar keine Radio-Profis zuständig, die Zusammenarbeit funktioniert laut Schennach trotzdem sehr gut: „Die Leute sind sich bewusst, dass sie mit ihren Inhalten an die Öffentlichkeit gehen und nehmen ihre Tätigkeit sehr ernst.“ In Sachen Programm legt FREIRAD großen Wert auf die Meinungs­ vielfalt, es gibt keine thematischen Vorgaben außer dem Ehrenkodex des Presserats. „So kann die Meinungsfreiheit auch aktiv gestaltet werden“, heißt es. Zum regelmäßigen Programm zählen Sendungen fremdsprachiger Communities auf Spanisch, Russisch oder Türkisch, das neue Format „Voice of Peace“, dessen Redaktionsteam aus geflüchteten Journalisten besteht, oder die Sendung „KulturTon“. Letztere wird von Montag bis Freitag gesendet und entsteht teilweise in Kooperation mit der Universität Innsbruck und mit lokalen Kulturschaffenden. Auch die Vernetzungsarbeit ist ein wichtiger Punkt auf FREIRADs To-Do-Liste: Der Verein

tritt regelmäßig in Kontakt mit Kollegen und Bildungseinrichtungen aus den Nachbarregionen, hält Workshops an Schulen, organisiert Radiomacher- und Technikertreffen und generiert eine Ö ffentlichkeit jenseits der Main­ streamthemen, die lokal und gleichzeitig international aktiv ist. —>  Bei FREIRAD gehen auf 105,09 MHz 450 Menschen On Air, die über 100 regelmäßige Sendungen in 17 Sprachen gestalten —>  Die Teilnahme am Basisseminar kostet 20 Euro, die Vereins­ mitgliedschaft 50 Euro im Jahr. Für Wenigverdiener ist sie kostenlos —>  Der Verein verfügt über ein Budget von 270.000 Euro im Jahr, das von der Stadt ­Innsbruck, dem Land Tirol und dem nichtkommerziellen Rundfunkfonds getragen wird —>  Die anfallenden 120 Stunden ­Arbeit pro Woche übernehmen sechs Teilzeitangestellte —>  FREIRAD verwendet ­ausschließlich Open-Source-Software —>  Unter www.freie-radios.online sind mehr als 5.000 FREIRADSendungen unbegrenzt verfügbar, die Beiträge wurden schon 1,5 Millionen Mal geklickt —>  In Tirol ist FREIRAD von Telfs bis Schwaz hörbar und online unter www.freirad.at


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PLEASE, MIND THE GAP!

Quando un divario metaforico si trasforma in una vicinanza concreta tra posizioni distanti. Quando un’assenza genera la creazione. Quando un paesaggio alpino lambisce geografie universali. Quando al silenzio subentra il fragore dell’arte. E’ allora che nasce GAP. TEXT ___ Allegra Baggio Corradi  FOTOS ___ Michael Pezzei


bildende kunst


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Un laboratorio metropolitano

Dal 1969 in tutte le metropolitane di ­Londra troneggia una scritta bianca sul pavimento che avvisa dello spazio presente tra la banchina e le porte del treno in arrivo: Mind the gap. Queste tre parole indicano un’assenza, un vuoto fisico tra due realtà distinte che si avvicinano ­sfiorandosi senza mai entrare in contatto diretto tra loro. Quest’immagine suggerisce attraverso un parallelo non solamente dovuto alla consonanza del nome, la funzione che l’atelier Glurns Art Point, abbreviato in GAP, esercita in Val Venosta riempiendo un vuoto culturale tra un’entità immobile – la banchina ovvero la cittadina di Glorenza – e una in perpetuo ­movimento – il treno ovvero l’arte – imponendosi come un laboratorio “metropolitano” per curatori e artisti del contemporaneo. GAP nasce il 30 giugno 2012 come associazione culturale ed è attualmente gestito da Andy Tappeiner, Kunigunde Weissenegger, Julia Frank, Verena Malfertheiner, Angelika Ziernheld e ­ ­Franziska Schink, sei artisti e operatori culturali locali che hanno deciso tramite le loro rispettive specializzazioni profes-

sionali, di promuovere l’arte contemporanea attraverso un programma internazionale di residenze artistiche e curatoriali. Dediti rispettivamente alla manutenzione della sede fisica di GAP, alla stampa, alle pubbliche relazioni, alle finanze, all’immagine e alla comunicazione web, i membri fondatori del laboratorio di ­Glorenza hanno saputo convogliare le loro esperienze individuali in un progetto ­collettivo di ampio respiro artistico e senso civico. La cifra distintiva dell’iniziativa, evidente attraverso il dipanarsi dei singoli soggiorni d’artista entro una coerente successione narrativa, è l’inclusività. GAP è, infatti, fondato su principi che oltrepassano la sperimentazione fine a se stessa per giungere sino alla costruzione creativa e identitaria di artisti ancora all’inizio del loro percorso. In questo ­ senso, oltre a ricoprire una funzione culturale legata ai singoli progetti, GAP svolge una mansione sociale in quanto promuove la costruzione di identità e tipi umani che all’interno degli spazi fisici del centro, esplorano i significati e affrontano i risvolti impliciti nella loro decisione di essere artisti.

7+3. Tra residenze di pensiero e curatela

L’assetto strutturale di GAP, articolato ­attraverso una successione ininterrotta di residenze estive che hanno luogo annualmente da giugno a settembre, incrementa la sinergia creativa tra artisti, giovani professionisti, imprese e territorio dando vita a delle “permanenze di pensiero” nel corso delle quali la ricerca di nuove prospettive e punti di vista incontra la tradizione del luogo. L’obiettivo di ogni soggiorno presso Glurns Art Point è quello di dare la possibilità agli artisti selezionati di trascorrere un periodo di ricerca e lavoro a Glorenza, producendo nel caso in cui essi lo desiderino, una mostra personale. GAP mette a disposizione degli artisti uno spazioso laboratorio di 100 mq affiancato da un’area espositiva. L’atelier include, inoltre, una cucina e camere da letto annesse in grado di ospitare fino a cinque persone. La selezione di artisti e curatori avviene tramite applicazione diretta attraverso il sito di GAP al quale è necessario inviare un curriculum accompagnato da una proposta per un progetto da svolgersi in un arco di tempo di minimo una settimana.


bildende kunst

Hanno preso parte al progetto sin dal suo inizio nel 2012 già nove artisti e un curatore. Tra i primi ricordiamo Zohar Gotesmann, Veronika Krenn, Rachele ­ ­Burgato, Lorenzo Commisso, Francesco Nordio, Nina Mengin, Andrea Zingerle e Valentina ­ Colella. L’unico curatore in residenza sino ad ora è stato Davide ­ ­Bevilacqua che ­durante l’estate 2015 ha soggiornato per tre mesi presso l’atelier GAP approfondendo le proprie ricerche nel territorio ­liminale tra arte contemporanea e nuove tecnologie.

“Glurns im Glück” Il folto programma di quest’anno ha visto susseguirsi sette artisti e tre curatori provenienti da Vicenza, Londra, Cavalese, Berlino, Winchester, dall’Alto Adige e dal Colorado. Pierangelo Giacomuzzi di Moena in Val di Fassa, ad esempio, ha indagato con i due progetti “FrèL 2.0” e

“Schurz B\Side” da lui curati, le valenze simboliche di due oggetti legati alla tradizione alpina proponendone una reinterpretazione contemporanea. Nell’ambito di “FrèL 2.0”, due artisti hanno prodotto dei video interrogandosi sulla possibilità di sviluppo in Val Venosta, territorio dedito alla coltivazione intensiva ed ­ estensiva della mela, di alternative colturali e culturali a quelle già esistenti. “Schurz B\Side” ha proseguito l’indagine analizzando l’evoluzione del grembiule blu, simbolo indiscusso dei contadini tirolesi, in una tuta da palombaro indossata durante l’irrorazione dei meleti tramite pesticidi. Il tradizionale ricamo di un camoscio o di una stella alpina è stato per l’occasione, reinterpretato da dieci artisti contemporanei che lo hanno innalzato a emblema di cambiamento. Il progetto di Corina Forthuber e Adrian Luncke, “Glurns im Glück”, ha, ­invece, incentrato la propria indagine intorno ad un referendum indotto nella cittadina di Glorenza al fine di misurare il livello di felicità dei cittadini. L’esperimento partecipativo ha formalmente indotto la comunità residenziale a rivalutare il proprio grado di soddisfazione nei

info ___ The open atelier house GAP was founded on June 30th, 2012. After a laborious start, the artists’ collective who founded the space settled in a two-storey house in the centre of Glurns, a medieval town situated at the crossroads between Italy, Austria and Switzerland. Every year from June until September, GAP welcomes visual artists, musicians, writers, performers and curators from all over the world, for residencies of at least one week. Facilities include a 100 sqm studio with workspaces, a table/carving area, a living room with kitchen and two bedrooms. GAP developed a thought-provoking programme of residencies combining the regional character of Glurns with an international perspective geared towards contemporary artistic practices. www.glurns-art-point.com info@glurns-art-point.com


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confronti del benessere sociale analizzando criticamente la possibilità di trasformare dei desideri inespressi di miglioramento in realtà palpabili. Come dimostrano i due progetti descritti, l’azione di GAP si snoda su di un piano sociale e antropologico piuttosto che meramente artistico. L’interazione e il coinvolgimento della comunità di ­Glorenza, infatti, invitano a comprendere la vicinanza che l’arte possiede rispetto a questioni legate al quotidiano se praticata con cognizione di causa e prendendo come punto di partenza la realtà piuttosto che la teoria. Proponendo iniziative portatrici di fermento culturale, GAP non solamente consente la diffusione capillare delle pratiche contemporanee all’interno di un circoscritto territorio come quello venostano, ma si rivela un unicum all’interno del panorama altoatesino. Allo stesso tempo, risulta evidente come le nuove generazioni locali, rappresentate in questa istanza dai membri fondatori di GAP, siano in grado di alterare il corso delle vite dei propri concittadini più ­anziani, consentendo loro di esperire fisicamente e intellettualmente panorami insondabili altrimenti.

La residenza d’artista come cantiere culturale

Il progetto di Glurns Art Point corre parallelo a quello delle numerose possibilità offerte oggi ad artisti di trascorrere un periodo di residenza presso i propri spazi. L’incontro con realtà geografiche particolari, situate frequentemente ai margini di centri culturali nevralgici, favorisce la fertilizzazione del pensiero creativo tramite l’interazione di giovani membri della comunità artistica internazionale con realtà geografiche legate a radicate tradizioni. La conoscenza reciproca tra queste ultime diviene mezzo di avvicinamento tra arte contemporanea e comunità autoctone, in grado di apportare trasformazioni che alterano antropologicamente il tessuto sociale attraverso l’introduzione di linguaggi inaspettati e destabilizzanti, forieri di evoluzione e progresso culturali. Nel caso specifico di GAP, l’arte contemporanea si è rivelato lo strumento ideale attraverso il quale intessere rapporti sociali tra membri della comunità residenziale di Glorenza. L’apertura e l’inclusività caratteristiche di ambienti come quello del contemporaneo, sono stati integrati in un contesto geografico ancora

non avvezzo alla pratica residenziale ­d’artista. Oltre ogni diffidenza e all’interno delle pieghe del tessuto sociale della Val Venosta, GAP ha saputo porre in dialogo iniziative frutto di menti globali quelle degli artisti - con la specificità di elementi locali - quelli legati alla cultura altoatesina - abbattendo al contempo delle barriere culturali e dinamizzando la stasi di una realtà altrimenti destinata a rimanere estranea all’universo dell’arte contemporanea. Il principio di interazione sul quale si fonda GAP suggerisce una valutazione positiva degli effetti prodotti dalla diffusione della pratica artistica ­all’interno di comunità etniche specifiche. Risulta duratura l’impronta impressa dall’azione innovatrice di GAP in Val ­Venosta in quanto le opere, la ricerca e lo studio condotti all’interno degli spazi ­fisici del centro di Glorenza, paiono già aver sortito effetti considerevolmente positivi a livello locale. Si è andata, infatti, creando nel corso di quattro anni, una sinergia tra pensiero e azione che ­ ha ­favorito la crescita culturale parallelamente a quella economica e politica della città.


bildende kunst

Accommodations with two bedrooms for 2/3 artists (also available as single room), full furnished kitchen, bathroom with shower, washing machine. Glurns Art Point è, dunque, un c­ antiere perpetuo in cui i lavori sono sempre in corso. Completare questi ultimi sarebbe come far combaciare perfettamente i margini della banchina con quelli delle porte del treno e allora le tre parole che avvisano del vuoto tra di essi, Mind the gap, non risuonerebbero perentorie perché ormai superflue. La costante certezza di una mancanza, sia essa culturale, materiale o ideologica, è ciò che alimenta l’attività di GAP che fa dell’incertezza derivata dalla sperimentazione, il proprio principio guida. Dal dubbio, dalla curiosità, nascono domande necessarie a spronare artisti in cerca di un’identità, alla creazione di un dialogo con l’altro attraverso il quale comprendere la loro posizione nel mondo spostandosi in una parte a loro sconosciuta di esso. Il dubbio rispetto alla lunghezza del passo da fare per salire sulla carrozza mobile dell’arte contemporanea è necessario per il futuro percorso di GAP che rimarrà sempre e innanzitutto un punto di incontro e confronto tra menti, corpi, idee e spazi ancora da costruire. Prossima fermata: estate 2017!


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neue medien

Wir sind das Lesezeichen in einem Buch Philipp Comarella braucht die Geschwindigkeit des Digitalen ebenso wie enge Limits: Ein Gespräch mit dem Visual Developer über die Kunst der richtigen Fragen und über die Kunst der Waschmaschinenreparatur. TEXT ___ Judith E. Innerhofer  FOTOS ___ Salon Alpin

Herr Comarella, auf Ihrer Homepage ­bezeichnen Sie sich als Story Artist. Was macht eine gute Geschichte aus?

Na ja, der Begriff Storytelling wird ein bisschen inflationär verwendet, er ist zum Modewort geworden. Für mich ist die ­Geschichte gut, wenn jeder etwas damit anfangen kann. Sie soll ganz einfach bekömmlich sein, und zwar für so viele Leute wie möglich. Die Kunstszene hat oft diesen elitären Anspruch. Aber meine ­Geschichten möchten nicht so komplex oder voller Understatement sein, dass die meisten nicht einmal verstehen, wovon ich spreche. Um welche Botschaft geht es dann?

"Much better now" Philipp Comarella

Es geht mir um Emotionen. Mein idealer Kurzfilm kann einem dreijährigen Kind ebenso eine Emotion geben wie dem Herrn Dr. Dr. Irgendwas. Es muss ja nicht dasselbe Gefühl sein, aber es muss bei allen funktionieren. Nach unserem Kurzfilm „Much Better Now“ hat mir ein Vater eine Email mit einem kurzen Handyvideo seiner Tochter geschickt. Ein süßes kleines Mädchen, vielleicht zwei oder drei Jahre alt, das ganz fürchterlich heulte.


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­ arunter stand nur der kurze Satz: „Du D warst schuld“.

von Illustration, Animation, Film, Musik,

—> Phillipp Comarella ist Jahrgang 1985.

­Grafikdesign und visueller Kunst arbeitet.

Als Älterer von zwei Brüdern wächst er in

Dieser Medienmix prägt auch „Much Better

­Bozen Gries auf und besucht die musikali-

Schuld klingt eher nach Vorwurf

Now“. Im Film erwacht ein Lesezeichen zum

sche Fachrichtung an der Mittelschule Josef

denn nach Lob.

Leben, als der Wind die Seiten eines Buches

von Aufschnaiter. In seiner „romantisierten

Das Kind stammelt nur etwas mit „Buch“, mehr versteht man nicht in seinem Heulen. Ich habe lange darüber nachdenken müssen, was dahinter steckt: Das Mädchen hat zwar das Happy End nicht verstanden, aber es war vom Lesezeichen im Film so unglaublich gerührt. Das war für mich ein Beweis: Okay, egal ob sie es versteht oder nicht, die Emotion kommt an. Der Film hat geklappt.

aufschlägt. Das kleine Objekt begibt sich auf

Art“ halte er sich schon noch für einen ver-

eine Wellenreise durch den Ozean des Bu-

fehlten Musiker, merkt Comarella lächelnd

ches und entdeckt am Ende, dass dahinter

an. Von der auf Musik fokussierten Schulzeit

ein ganzes Büchermeer voller Geschichten

zeugt noch ein Kontrabass, der in Comarellas

und Abenteuer wartet.

Wiener Wohnung steht. Seit zehn Jahren lebt

—> Der fünfminütige Kurzfilm „Much Better Now“ entstand 2011 als Abschlussarbeit von Philipp Comarella und dem Innsbrucker ­Simon Griesser an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Für den Mixed-­MediaFilm – technisch eine Verschmelzung von Stop-Motion-Aufnahmen, Illustrationen und computergenerierten 3D-Animationen – ­erhielten Comarella und Griesser zahlreiche internationale Preise. Aus der Zusammen­ arbeit entstand auch ihr gemeinsames ­Studio Salon Alpin, das im Spannungsfeld

er in der österreichischen Hauptstadt, wähDer Protagonist der Geschichte ist ein

rend des Gesprächs sitzt er allerdings in

­Lesezeichen. Wieso ausgerechnet dieses

­Lissabon, dem Wohnsitz seines Studiopart-

Alltagsobjekt?

ners Simon Griesser und zugleich der zweiten

Die Metapher stand eigentlich dafür, wie es uns auch als Team erging. Wir sind in einer Welt, wir sind das Lesezeichen in einem Buch. Wenn keiner das Buch liest, wenn wir nicht ausleben können, wofür wir geschaffen sind, dann geht es im ­Leben nicht vorwärts und nicht zurück. Dann bist du unzufrieden und fühlst dich gefangen. Ich glaube, die Geschichte ist also auch ein bisschen autobiografisch entstanden. Aber wir haben es geschafft, sie so herunterzubrechen, dass sie nicht schwerfällig wird und eher als eine lustige Spielerei herüberkommt.

Produktionsstätte von Salon Alpin. Lissabon hat weniger den Ruf eines kreativen Hotspots als Städte wie Berlin oder London. Warum liegt hier der zweite Studiositz von Salon Alpin?

Ein Vorteil ist, dass die Infrastruktur billig ist. In Wien habe ich im Museums­quartier einen Tisch in einem Gemeinschaftsbüro, dort entstehen hauptsächlich die Grundideen, die Looks. Das Büro in Lissabon ist viel größer, dort können wir zum Beispiel mit Greenscreens arbeiten und komplizierte Werkstätten aufbauen. S­ imon und


neue medien

ich pendeln deshalb je nach Projekt­ bedarf.

Was kann der Mix aus Materialien und

die Hand? Wie viel Handwerkliches steckt

Techniken, das die rein digitale

in der digitalen Arbeit?

Visualisierung nicht kann? Lohnt es sich

Gibt es eine klare Rollenteilung zwischen

zum Beispiel überhaupt, so viel Zeit in die

Ihnen beiden?

Herstellung und Animation einer Papier­

Wir spielen uns den Ball wie im Pingpong hin und her. Ich betrachte die Geschichten vor allem von einem visuellen Standpunkt aus, ich habe die Vision vom Look. Und Simon gibt dem ein Timing. Es funktioniert wie eine Kombo, in der einer im ­Abbild denkt und der andere tausend Frames dazu fügt.

welt zu stecken?

Man könnte erzählen, dass alle Ideen mit Bleistift und Papier im Kaffeehaus ent­ stehen, nur ist das in der Realität nicht so. So unromantisch das auch klingt: Mein Ideenfindungsprozess ist schon sehr vom Digitalen diktiert. Ich schöpfe die digitale Interaktion voll aus, um Abkürzungen zu gehen und um effizienter zu visualisieren. Ich bin ja relativ ungeduldig, und wenn ich nicht schnell Resultate sehe, dann verliere ich oft den Kontakt zu einem Vorhaben. Da ist der Computer ideal, weil man effizienter und schneller zu einer Lösung kommt.

—> Derzeit arbeitet Comarella an der Weihnachtskampagne für den deutschen Luxusartikelhersteller Montblanc. Es ist das ­Folgeprojekt der Kampagne 2014, wie schon damals ­kooperiert Salon Alpin mit der ­Wiener ­Papierkünstlerin Daniela Leitner. Vor zwei Jahren entstand daraus die drei­ teilige, mittels Papierfiguren animierte

Für jeden Kunden gilt es, ein klares ­Problem zu lösen und eine klare Gruppe zu erreichen. Bei Montblanc zum Beispiel braucht es Prestigecharakter, der nicht nur von der Geschichte, sondern auch vom Stil durch die komplexe Machart getragen wird. Klar, wir hätten eine ­ ­Kampagne genausogut in 3D umsetzen können. Aber die Leute projizieren in das Handgemachte noch immer mehr Prestige, mehr Herzblut hinein. Und Montblanc will genau diesen Charakter, diese Werte verkörpern: Made by Hand, Leidenschaft, Zeit spielt keine Rolle. Hauptsache, das Produkt ist etwas Besonderes.

Verfilmung e ­ ines Wintermärchens aus der

—> Seit Kurzem unterrichtet Philipp Comarella an der Akademie für angewandte Kunst in Wien Einführung in die digitale Illustration. Comarella hat zwar selbst an der An­ gewandten studiert – allerdings nicht Illustration, sondern Werbung.

Feder der französischen Autorin Tatiana

„Crafting“, also Handgemachtes, zählt zu

de Rosnay. Auch für die neue Kampagne

den großen Trends unserer Zeit, gewisser­

Wie sind Sie von Werbung zu Visual

arbeitet Salon Alpin mit unterschiedlichen

maßen der Gegenentwurf zu Massen­

Development gekommen?

Materialien.

produktion und virtueller Anonymisierung.

Das Studium war sehr marketinglastig, was für mich immer ein Leidthema war.

Nehmen Sie selbst jemals einen Bleistift in


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„Falter/Inferno“ Making-of

„Much Better Now“ Making-of

Du sollst dich nur auf die große Idee konzentrieren. Sobald es darum geht, etwas wirklich zu erschaffen, gibt man es weg. Da huldigt man nur der Idee. Und für mich ist das einfach nicht wahr, für mich erhält die Idee ihren Wert, wenn sie ­erschaffen ist. Deshalb habe ich beschlossen, kein Werbediplom zu machen, sondern einen Kurzfilm. Und bin dann zwei Jahre lang in einem Keller verschwunden und erst wieder aufgetaucht, nachdem der Film fertig war. Woher kommt dann die technische Fertigkeit?

Ich verdanke viel dem Internet. Man kann im Web etwas suchen, und man kann dort den richtigen Menschen die richtigen Fragen stellen. Leute, die schon Lösungen haben, haben keine Zeit, dich unter ihre Fittiche zu nehmen. Die Kunst ist, ganz gezielt Fragen zu stellen, dann nehmen sie sich die eine Minute, um dir ein Stück weiterzuhelfen. Das versuche ich jetzt genauso zu handhaben, wenn man mich etwas fragt. Im Detail hat sich dann seit unserem ersten Projekt vieles so ergeben,

weil wir ganz einfach technische Grenzen hatten.

gemäßen Stufen der Hölle sind etwa Digitalisierung, Überwachung der Bürger ­ oder gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Die Grenze als Vorteil?

Am Ende ist es natürlich der Falter, der dem

Limits, ob künstlerischer oder physischer Natur, halte ich für extrem wichtig für jedes Projekt. Gerade für Leute wie mich, die keine Genies sind, braucht es eine Art kleine Box, in der man kreativ spielen kann, ohne sich zu verlieren. Bei „Much Better Now“ war das Limit sicher die Unerfahrenheit, aber auch die Materialien und die Infrastruktur, die wir nicht hatten. Ich konnte ja keinen Dschungel oder den Mars erfinden, das wäre damals viel zu kostspielig gewesen. Aber ein Zimmer, einen Tisch und ein Buch hat jeder daheim.

Leser den Weg aus dem Dunkel weist.

—> Für das Wiener Wochenmagazin Falter entwickelte Salon Alpin im vergangenen Jahr einen Kinospot, der mit zahlreichen ­internationalen Preisen wie zwei Pencils bei den D&AD Awards in London und zwei ­Goldenen Löwen in Cannes prämiert wurde. „Falter/Inferno", so der Name des 60-sekündigen Animationsfilms, ist eine düstere ­Interpretation von Dantes Inferno. Die zeit-

Ein ähnliches Thema hat Philipp Comarella schon 2013 bearbeitet. Für den Mainz-Verlag illustrierte er den Social-Media-Knigge „Alle meine Freunde – Über den Umgang mit ­Facebook und Co.“, geschrieben von Oliver Handlos und Matthias Spaetgens. Ein Kapitel beginnt mit dem Rat: „Achten sie darauf, wo sie sich zu erkennen geben und wo nicht“. Ihre Arbeit findet weitgehend im virtuellen Raum statt. Wie viel geben Sie von sich selbst dort preis?

Ich verstecke mich nicht, keine Frage. Man nutzt das Web ja für Akquise und Promotion, da gehört auch etwas Selbst­ inszenierung dazu. Ich poste gern den Stand der Dinge von Projekten, weil das der schnellste und effizienteste Kanal ist, um Leuten etwas mitzuteilen. Sonst müsste ich dauernd E-Mails schicken, was viele wiederum nerven würde.


neue medien

Meist setzten Sie Projekte für kommerzielle Auftraggeber um. Wo stehen Sie dabei im Spannungsfeld

biografie ___

zwischen Dienstleistung und Kunst?

Philipp Comarella, geboren 1985

Vom ganzen Kunstaspekt bin ich befreit. Jemand hat ein Anliegen, und ich ermögliche, dass es bei den Leuten, die erreicht werden sollen, möglichst häufig klickt. Ich halte nichts von diesem romantisierten Bild von Film, Malerei oder Story­ telling. Das sind einfach Tools wie alle anderen auch. Was ich mache, ist eine rein mechanische Angelegenheit, die ­jeder andere Handwerker auch machen muss.

in Bozen, ist Art Director im Produk-

Sie sehen sich als Handwerker?

Media-Projekt, der 2011

Es kommt immer wieder vor, dass ich mit Freunden darüber diskutiere, wieso der Handwerker, der die Waschmaschine ­reparieren kann, so viel weniger Ansehen erhält als der Typ, der drei Akkorde auf e­iner Gitarre spielen kann. Klar, es geht bei mir um Gefühle. Aber wir machen ­Arbeiten für Geld, das ist die Mechanik, egal welche Emotionen daraus entstehen.

erschienene Kurzfilm „Much Better

tionsstudio Salon Alpin mit Sitz in Wien und Lissabon. An der Akademie für angewandte Kunst in Wien unterrichtet er in der Klasse für Ideen in Grafik und Werbung. Comarella hat sich auf digitale Illustration und Animation spezialisiert, setzt mit seinem Team aber auf einen breiten Mix aus Techniken und medialen Formaten. Schon das erste solche Mixed-­

Now“, hat zahlreiche internationale Aus­zeichnungen erhalten.


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Blickwechsel


darstellende kunst

Ein Theater des Andersseins, aber kein Theater der Anders­ artigen. Die Genossen­ schaft „Akademie Kunst der Vielfalt - Teatro la Ribalta“ will den Blick­ winkel der Zuschauer verändern und führt dafür professionelle Schauspieler mit und ohne Beeinträchtigung in einem Theaterensemble zusammen. TEXT + FOTOS ___ Lisa Maria Kager

„Im Vordergrund steht immer die ­Erzählung, das ist Theater“, sagt Antonio Viganò, während er in seinem Büro in der Bozner Voltastraße sitzt und an der dritten Zigarette zieht. „Nach spätestens zehn Minuten vergessen die Zuschauer das ­soziale Etikett, das den Schauspielern angehängt wurde. Dann sehen sie nur mehr die Geschichte, die aufgeführt wird“, ­erklärt er weiter. Der große Mann mit dem dicken, grauen Schnauzbart ist der ­Regisseur des Projekts „Akademie Kunst der Vielfalt – Teatro la Ribalta“. Einer ­Genossenschaft, die es Jugendlichen mit Beeinträchtigung ermöglicht, als professionelle Schauspieler zu arbeiten. In ­einem gemeinsamen Theaterensemble mit Berufsschauspielern, professionellen Regisseuren und Choreographen entwickeln sie dabei zahlreiche Produktionen, die sie schließlich im In-, und Ausland aufführen. „Wir wollen erreichen, dass der Zuschauende seinen Blickwinkel und damit das

Paradigma ändert und am Ende nicht mehr das Handicap im Vordergrund steht, ­sondern das Stück“, sagt der Regisseur. Auf die Frage hin, wie er es schaffe, genau das zu vermitteln, antwortet Viganò lächelnd: „Ho la passione, mi piace.“ Zwei Jahre ist es nun bereits her, dass man die Genossenschaft aus dem historischen Theaterensemble „Teatro la ­Ribalta“ und dem gemeinsam mit der L ebenshilfe konzipierten Projekt ­ ­„ Akademie Kunst der Vielfalt“ geschaffen hat. Mittlerweile beschäftigt die ­Genossenschaft bereits vierzehn Köpfe. Jeden Tag treffen sich die neun fix a ngestellten Jugendlichen mit Be­ ­ einträchtigung seitdem pünktlich um neun Uhr morgens im Dachgeschoss eines Raums am Anfang der Bozner ­ ­Voltastraße. Vier Stunden lang wird dann zusammen mit Regisseur Viganò, der ­Regieassistentin Paola Guerra und anderen Schau­spielern geprobt – vor Auftritten zusätzlich auch noch nachmittags.


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Rollen schaffen Identität

Zwischen alten Theaterkulissen, roten Couchen und dunklen Vorhängen stehen die Jugendlichen hier auf einem schwarz lackierten Holzparkett, der Probebühne, und lauschen konzentriert den An­ weisungen des Regisseurs. Ein Teil der Kompanie ist gerade auf Tournee, der Rest übt an diesem Vormittag am neuen Stück. Alle haben ihren Blick auf Viganò gerichtet, der gerade erklärt, wie die nächste Szene auszusehen hat. Am Ende seines Monologs gehen alle auf Position und die Regieassistentin drückt auf Play. Theatermusik umhüllt den Raum und jeder ­verfällt schlagartig in seine Rolle. Nach wenigen Minuten bereits passiert das, ­wovon Viganò später in seinem Büro berichtet: Als Zuschauer fällt der Blick von den Rädern des Rollstuhls oder vom Gesicht, das vom Down-Syndrom gekennzeichnet ist, ab und bleibt nur noch an der Geschichte hängen, die die jungen Leute gerade auf die Bühne bringen. Damit das passiert, sei es vor allem wichtig, die

J­ ugendlichen trotz Handicap für voll zu nehmen, meint Viganò. Weil sie alle als professionelle Schauspieler unter Vertrag stehen, bekommen sie von der Genossenschaft keinen Sonderstatus, sondern ­werden eins mit dem Rest der Kompanie. „In der 'Akademie der Vielfalt' findet jeder seine Rolle. Und wenn man eine Rolle hat, hat man auch Identität“, meint Viganò und unterstreicht diese Aussage mit einer schnellen Handbewegung. Außerdem spricht der Regisseur von Bewusstsein, Autonomie und Freiheit, wenn er das ­beschreibt, was auf der Bühne mit den ­behinderten Menschen passiert. „Bei mir ist keiner behindert. Alle haben einen Vor- und einen Nachnamen“, sagt der Regisseur. Vom Gutmenschentum hält er nichts. Damit mache man nicht Theater. „Deshalb behandle ich auch alle gleich, bin bei allen gleich anspruchsvoll und schreie auch ab und an“, gibt er zu. Wenn der Regisseur sich während der Proben lauthals brüllend aufregt, passiert das daher auch mit jedem auf dieselbe Art

und Weise. „Merda, merda“, schreit er, „sei troppo lenta Ilaria!“ Die Musik wird gestoppt. Ilaria steht auf der Bühne und Viganò erklärt ihr zum dritten Mal, wie sie den Papierzettel in der Szene zusammenknüllen und in die Ecke werfen muss. Sie blickt ihn aufmerksam durch ihre dicke Brille an und bestätigt nach jedem Satz: „Sì!“ Ilaria ist eine der Praktikantinnen, die zurzeit Teil des Ensembles sind. Immer wieder hat die Gruppe andere ­Jugendliche zu Gast, die den Beruf des Schauspielens ausprobieren wollen und teilweise am Ende ins Ensemble aufgenommen werden. Fragt man Ilaria, was ihr an der Schauspielerei gefällt, meint sie: „A me piace il teatro, perché sono ­riportata e mi fa felice. Vorrei diventare veramente attrice. Devo dire grazie a mia mamma che mi ha portato qua.“ Neuer Versuch. Die Regieassistentin drückt noch einmal auf Play. Erneut umhüllt Musik den Raum. Nun läuft die Szene. Ilaria knüllt den Zettel im richtigen Moment zusammen, Viganò lacht


darstellende kunst

Wir machen Kultur als Gruppe professioneller Schauspieler und sind kein soziales Projekt.

„Superabile“ Trailer

„Personen/Personaggi“ Trailer

v­ erschmitzt und Matthias Dallinger, der neben ihm im elektrischen Rollstuhl sitzt, gibt stöhnende Laute von sich. So macht er es immer, wenn er einverstanden oder zufrieden ist. Im aktuellen Stück „Superabile“ spielt Matthias eine der Hauptrollen. Es sind einfache Mittel, denen sich das Theaterensemble bei der Gestaltung seines Bühnenbilds bedient. So reichen in „Superabile“ ein simpler ­Tageslichtprojektor und ein paar Zeichnungen des bekannten Comiczeichners Michele Eynard aus, um die Worte des jungen Mannes mit Sprechblasen an der Wand für den Zuschauer verständlich zu machen und seine Aussagen visuell zu unterstützen. Bei „Personen/Personaggi“ bilden Steine, ein Eimer und eine ­gespiegelte Tür den Hintergrund für die ansonsten leere Bühne. Es gehe bei der Gestaltung nicht nur darum, einen kreativen und kostengünstigen Weg zu einem perfekten Bühnenbild zu finden, meint der Regisseur, sondern auch um die Frage nach den passenden Stilmitteln.

Viel eher ist das Bühnenbild ein dramaturgisches Element, das beweglich sein und dem Publikum den Spielraum lassen soll, um über das Reale hinaus zu blicken. Anders oder normal?

Inmitten der Schauspieler mit Beeinträchtigung spielt Evi Unterthiner. Die blonde, große Frau streift sich in der Szene ein schwarzes Kleid über, blickt emotionslos in die Ferne, rückt den linken Träger zurecht, verlässt dann die Bühne und reiht sich mit diesen Handlungen nahtlos in die der anderen ein. Sich selbst mit dem Adjektiv normal vom Rest des ­Ensembles zu differenzieren, findet sie komisch. „An einem gewissen Punkt sind wir alle anders. Anders sein ist ein natürlicher Status“, sagt die Schauspielerin. Die Kunst liege bloß darin, die Eigenart des Anderen besser auszuarbeiten. Das sei aber nicht nur hier, sondern auch bei jedem anderen theatralischen Partner so, meint Unterthiner. Sie ist neben der Schauspielerei seit September für


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­ romotion, Übersetzung und OrganisaP tion in der Genossenschaft zuständig und erzählt von den Schwierigkeiten, die diese Aufgabe mit sich bringt. „Wenn Schauspieler im Rollstuhl dabei sind, fahren beispielsweise auch die Eltern zu den Auftritten mit. Die Gruppe, die sich für unsere Auftritte in Bewegung setzt, ist immer groß und die Unterkünfte müssen außerdem behindertengerecht sein“, erklärt sie „das ist oft eine ganz schöne Herausforderung.“ Trotzdem scheint das Reisen den Beeinträchtigten extrem viel zu bringen. Jugendliche, die vorher Angst hatten, eine Autoraststätte zu betreten, kaufen sich nun dort selbst ihre „panini“. Andere, die zuerst jeden Tag mit einem Taxi von daheim abgeholt wurden, fliegen jetzt ­alleine nach England, Spanien oder gar noch weiter. „Es ist ein enormer Aufwand, die Reisen zu organisieren“, gibt Viganò zu, „aber das, was sie davon mitnehmen, ist unbezahlbar.“ Obwohl die Gruppe normalerweise in Südtirol wenige Auftritte habe und meist

eher außerhalb spiele, sei es generell eigentlich sehr schwierig, Produktionen aus Südtirol hinauszubringen, meint Unterthiner. Das ist der Gruppe jedoch mehr als gelungen. Zwischen sechzig und siebzig Auftritte im Jahr schreiben sie in ­ihren Kalender. Mal mit der ganzen Kompanie, mal nur mit sieben Schauspielerinnen und Schauspielern. Ein Viertel des Geldes für die Finanzierung verdienen sie sich damit selbst. „Spanien, England, M odena, Padua, Bergamo, Brescia, ­ ­Mailand, Krakau, Toronto und jetzt fahren wir bald sogar nach Patagonien“, fängt ­Viganò stolz an,Auftrittsorte aufzuzählen. Die Bekanntheit und zahlreiche Preise, die sich das Ensemble dadurch in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet hat, sind bestimmt nur ein kleiner Grund, warum man nun nicht nur von der Stadt Bozen, dem Land Südtirol und der Region Trentino-Südtirol, sondern sogar vom Kulturministerium in Rom finanziell unterstützt wird. „Obwohl anfangs keiner an uns geglaubt hat, sind wir damit nun

o­ffiziell als kulturelle Institution an­ erkannt, nicht als soziale“, meint der ­Regisseur, „das war uns wichtig.“ Ein Ort der Inklusion wolle die Akademie nämlich sein und keine geschützte Werkstätte. Das sei auch ein Grund, warum es im Projekt nur Jahresverträge gebe. Gleichzeitig dient das Projekt als Aus­ bildung. „Schauspielschulen, die Schauspieler mit Behinderung ausbilden, gibt es nämlich keine“, meint Viganò. „Der Behinderte bin ich“

Mit diesem Ensemble gute Arbeit zu leisten, falle dem Regisseur jedoch auch nicht schwer, denn eine solch professionelle Art, wie die Jugendlichen sie in diesem Projekt an den Tag legen, habe Viganò in vielen anderen professionellen Theatern noch nie vorgefunden. „Sie sind aufmerksam und super-professionell“, schwärmt der erfahrene Theatermensch von seiner Gruppe. Die Andersartigkeit in Verbindung mit dem Theater ist Viganòs Leidenschaft.


darstellende kunst

Das merkt man dem Italiener bei jeder Aussage an. Ein Gefühl für die Welt gebe ihm diese Arbeit zurück, sagt er. Dann schweift sein Blick kurz nachdenklich in die Leere, während der Zigarettenrauch weiterhin über seinen Kopf hinweg durch ein Fenster nach draußen zieht. „Der ­Behinderte hier bin aber eigentlich ich“, sagt Viganò schließlich, „ich bin nämlich der einzige, der kein Deutsch spricht. Alle anderen hier sind zweisprachig, das zeichnet unsere Gruppe eigentlich auch aus.“ Es hänge eben immer davon ab, wo man das Handicap ansetze, resümiert er. Will man, dass ein Löwe fliegt, würde das auch nicht funktionieren, sagt Viganò, lacht laut auf und geht achselzuckend wieder in Richtung Probenraum.

info ___ Seit 2013 gibt es das Theaterensemble „Akademie Kunst der Vielfalt - Teatro la Ribalta“ unter der Leitung von Regisseur Antonio Viganò. Die Genossenschaft ­besteht aus Berufsschauspielern, Regisseuren, Choreographen und Jugendlichen mit Beeinträchtigung, die ebenso als professionelle Schauspieler engagiert sind. Sich selbst bezeichnen die Beteiligten als „Theater des Andersseins aber nicht als Theater der Andersartigen“. In seiner Konstellation tritt das Projekt so gegen jede Form der Gleichschaltung und der sozialen wie kulturellen Normierung auf. Den ­Mitwirkenden ist es dabei wichtig, dass der Zuschauer von einem vorgefertigten ­Paradigma in Bezug auf Handicaps abfällt und stattdessen ausschließlich das ­Theater auf der Bühne sieht. Weil sich die Genossenschaft jedem Mitbürger verständlich machen will, ist sie daher auch zweisprachig. Neben zahlreichen Preisen und einigen Finanzierungs-Beiträgen der öffentlichen Hand erhält das Theater­ ensemble mittlerweile auch eine finanzielle Unterstützung vom Kulturministerium in Rom und wird so offiziell als kulturelle Institution anerkannt. Regie: Antonio Viganò  Werkstätten: Paola Guerra  Schauspiel: Daniele Bonino, Mathias Dallinger, Jason De Majo , Lorenzo Friso, Melanie Goldner, Maria Magdolna Johannes, Rodrigo Scaggiante, Michael Untertrifaller  Organisation/Verwaltung: Martina Zambelli, Irene Fontanella, Elena Fasson  Promotion: Evi Unterthiner www.teatrolaribalta.it


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Where's your soul man? Time is passing by And what is it a soul can do When your time is by Do we fade or do we fly? „Where's Your Soul ?“ Me + Marie

Refrain Where’s Your Soul?

„Hay eu less“ Me + Marie


musik

Gegen die Musik als Hintergrund­ berieselung TEXT ___ Alma Moroder  FOTO ___ Me + Marie / Lorraine Hellwig

Perfekte Harmonien

Kennengelernt haben sich Maria de Val aus dem Gadertal und Roland Scandella aus dem Engadin beim Churer Radio­ sender, wo Roland als Musikredakteur ­arbeitete. Maria befand sich damals mit ihrer Band Ganes auf Promotion-Tour. Bald wurde den zwei Musikern bewusst, dass sie nicht nur musikalisch gut harmonieren, sondern auch menschlich zueinander passen. So kam das Projekt Me + Marie in Gang. Selbstverständlich sei dies nicht, so die beiden während unseres Skype-Gesprächs. Es gebe viele „schwierige“ Musiker, die nicht mit sich reden ließen. „Schlagzeuger und Sänger sind dabei die Schlimmsten!“, scherzen die beiden, die selbst Schlagzeug spielen und singen. Maria und Roland schreiben ihre Songs zusammen, die meisten auf Englisch. Auf „One Eyed Love“ fallen jedoch zwei sprachlich auf: In „Hay eu less“ und „Rises“ singen sie jeweils auf Romanisch und auf Dolomiten­ladinisch.  Als ich frage, warum sie sich gegen ein rein rätoromanisches Album entschieden haben, antworten sie entschlossen: Sängen sie auf Rätoromanisch, so würde dies Me + Marie sofort in die Schublade der ethnischen Musik werfen. In diesem ­Projekt hingegen können sie sich musikalisch unbefangen ausprobieren. „Wir ­wollen einfach nur Musik ­machen“, sagt Maria – und das scheint für Me + Marie auf ihrem neuen Album auf Englisch am besten zu gelingen. Über den Wert der Musik heute

Ich unterhalte mich lange mit dem ­jungen Duo, auch über den Wert der Musik in der heutigen Gesellschaft. ­ Roland nimmt als direkt Beteiligter dazu unmissverständlich Stellung. „… dieser

Konsum, diese ständige Ablenkung – das kann nicht gut sein …“. Roland ist ­dezidiert und nachdrücklich, wenn er spricht. Er höre überhaupt keine Musik, und wennschon, dann sehr bewusst und aufmerksam. „Diese Hintergrund­ berieselung mag ich überhaupt nicht“, sagt er in seiner direkten Art. Tatsächlich ist Musik in gewisser Weise zu einem Gut degeneriert, das konsumiert wird, und zwar möglichst schnell und möglichst reichlich. Sogar Konzerte werden besucht, lediglich um besucht zu werden, nicht der Musik wegen. Von einem raren Schatz, der in kleinen Portionen, dafür aber in vollen Zügen genossen wurde, hat sie sich hin zu einer allgegenwärtigen Beschallung entwickelt, die oft passiv aufgenommen und wieder vergessen wird.

BIOGRAFIE ___ Maria Moling, geboren 1984 in Bruneck, aus La Val im Gadertal, ist Liedermacherin, Sängerin und Schlagzeugerin. Sie studierte am Kärntner Landeskonservatorium in Klagenfurt Jazz-Schlagzeug. 20072009 begleitete sie gemeinsam mit ihren Cousinen Marlene und Elisabeth Schuen als Background-Sängerin Hubert von Goiserns Linz-Europa-Tour. Während dieser Tournee bildete sich das Südtiroler Pop-Trio Ganes, das mit Texten auf Ladinisch bekannt wurde und seit 2009 mit mittlerweile fünf Alben erfolgreich im deutschsprachigen Raum auf Konzertreisen tourt.

One Eyed Love

Roland Vögtli, geboren 1982 in Scuol

Trotz dieser ablehnenden Einstellung sind Me + Marie Kinder ihrer Zeit. Die Songs auf ihrem Debütalbum „One Eyed Love“ klingen keineswegs realitätsfern. Sie erzählen von unerfüllter Liebe und Sehnsucht, zeitlosen und universellen Themen also. Gekonnt vermischt das Album melancholische Lieder, in denen die samtigen Stimmen von Me + Marie im ­Fokus stehen (Farewell Song), mit rhythmischeren Songs wie „You Don’t Know“, ­worin Schlagzeug und Gitarre die Hauptrolle übernehmen. Und als wir dann nach mehr als einer Stunde das Gespräch ­beenden, lege ich Me + Marie’s Album ein und höre zu, ganz bewusst.

im Unterengadin, ist Liedermacher,

„You Don't Know“ Me + Marie „One Eyed Love“ Me + Marie

Sänger, Gitarrist und Musikredakteur. Er arbeitete bis Ende 2014 bei Radio Rumantsch in Chur, war Mitglied der mittlerweile aufgelösten Rockband AndaRojo und gehört der 2012 neu formierten Bündner Rockband Nau an, die auf Romanisch singt und bisher zwei CDs heraus­ gebracht hat. Als Solokünstler tritt er unter dem Namen Cha da fö auf. Seit 2014 bilden sie das Duo „Me + Marie“. Ihr Debütalbum „One Eyed Love“ erschien am 6. Mai 2016. Me + Marie sind zurzeit auf Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs. In Süd­ tirol treten sie 2017 wieder live auf. meandmarie.com


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Kunst! ruft’s aus dem Wald Die Klangfarben des Waldes, kollektive Arbeitsprozesse, ­Attrappen und ­geschleuste ­ Geschichten. Das Urkult-Festival – Ein Fest für Form-, Klang- und Sprach­ experimente am Ritten. TEXT ___ Marion Oberhofer  FOTOS ___ Micheal Pezzei

Es schüttet wie aus Eimern. Vor der Bühne des Unterinner Festsplatzes, wo sonst Polka getanzt oder den Musikkapellen aus dem Heiligen Land gelauscht wird, stehen einige eng zusammengerückte Pavillons und beugen sich unter den Wassermassen. Darunter drängen sich einige Dutzend Feierwütige um das Spektakel zu beobachten und zu tanzen. Auf ein paar Tischen inmitten der tanzenden Menschenmenge steht etwas, das einem elektronischen Schlachtfeld gleicht: Laptops, Synthesizer, Musik- und Drumpads und weitere Gerätschaften, alle mit Kabeln verbunden, scheinen zu einem einzigen Soundorgan zu verschmelzen. Rund um den Tisch werkelt das Traurige Tropen Orchester. In Kunststoffregenjacken gehüllt (die im ­Übrigen auch ohne sintflutartige Konzertbedingungen zum Bühnenoutfit der Supergroup gehören) mischt das Orchester wummernde Bässe, sowie ­ ­melodische Pop- und Dubbruchstücke zu einem schamanistischen Klangereignis. Die Midi-Sekte ist ganz in ihrem E ­ lement.

Die zusammengesteckten Köpfe nicken im Takt. Einer der plastikbehängten Performer löst sich aus dem Hexerkreis und trägt ein Gefäß mit brennendem Weihrauch durch das Publikum. Salbei wird verteilt und das Ereignis zwischendurch mit Hochprotzentigem begossen. Die ­Nebelmaschine spuckt ab und an ein paar putzige Wolken aus, die sogleich von den aus Wald und Wiese herüberziehenden Nebelschwaden verschluckt werden. Die traurigen Tropen, die sich selbst als soziomechanische Skulptur und ethnokybernetisches Ritual bezeichnen, verwandeln den Festplatz mit ihren klanglichen ­Interferenzen in eine Kultstätte. Das gemeinsame Feiern bekommt beinah etwas Archaisches. Und auch der Titel des Festivals „Urkult“ verliert seinen völkisch-­ fahlen Beigeschmack. Übrigens wird das Präfix ur- im Wiener Slang gern vor Adjektive wie cool, oder arg gesetzt, um ihre ­Bedeutung zu unterstreichen. Die Veranstalter Michael Gamper und Renate Ranzi, sowie ein Großteil der am Festival


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Wir haben hier etwas Schönes geschaffen, das wachsen will! t­ eilnehmenden Künstlerinnen und Künstler, sind auf die eine oder andere Weise mit der österreichischen Hauptstadt verbunden und dürften sich so weniger an der Wortschöpfung stoßen. Bei weitem spannender und ­beachtenswerter sind sowieso die Wortklaubereien des zwischen Wien und Südtirol pendelnden Sprachkünstlers Jörg Zemmler. Seine Sprach- und Soundperformance beginnt beinahe unbemerkt zwischen Bierbänken und –tischen. Der aus Seis am Schlern stammende Ö1-Lyrikpreisträger schweift auf seiner Melodica spielend durch das am Tresen versammelte Publikum. Die Unterhaltungen werden leiser. Aus ein paar Lautsprechern schallen Zemmlers Gedichte und Gedankenexperimente aus seinem 2015 im Klever Verlag erschienen Lyrikband „Papierfliegerluft“. Die mit sonorer Stimme vorgetragenen Momentaufnahmen lassen die Besucher hellhöriger werden, bringen sie zum Schmunzeln. Abwechselnd begleitet sich Zemmler selbst auf

dem Harmonikainstrument sowie auf einer Gitarre mit eingebautem Verstärker. Einnehmend und skurril wirkt die Komposition aus düster melodischen Klängen und den lakonisch feinhumorigen Gedichten. Zum Abschluss schlägt der Lautpoet und Popmusiker noch einen Purzelbaum vor versammelter Menge. Klangfarben des Waldes

Mit Sprachakrobatik verführt auch der junge Südtiroler Musiker und Sprachkünstler Matthias Vieider das Publikum. Für seine Performance treffen sich die Festivalbesucher im Wald. An einem ­Klettergurt festgezurrt, mit seinem Saxophon in der Hand schwingt sich Vieider auf ein zwischen zwei Bäumen gespanntes Seil. Kopfüber baumelnd, sich drehend entlockt der studierte Jazzsaxophonist seinem Instrument unerhörte Klänge: Brüllt, spricht und spuckt teils verständliche, teils lautmalerische Sprachfetzen in sein Instrument. Die Klangfragmente stürzen in Kaskaden auf den nassen

Waldboden. „Im Format der ‚Songtexte’ versuche ich einen Text zu sprechen und gleichzeitig mit dem Saxophon zu spielen. Dies vor dem Hintergrund, dass Musik oft als Literatur bezeichnet wird und umgekehrt. In meiner Performance sollen sich Musik und Literatur gegenseitig aufheben und etwas Drittes, Unbekanntes entstehen lassen. An dieser dialektischen Bewegung scheitere ich andauernd. Aber es funktioniert erstaunlich gut, mit dem Kopf nach unten Saxophon zu spielen“, meint Matthias Vieider noch etwas schwindlig, mit beiden Beinen wieder zurück am Boden. Die Synthesen zwischen Sprache und Klang, die auf dem Urkult-Festival zu hören sind, zählen zu den aufregendsten und lohnendsten Erfahrungen des ­Besuchs. Bereits zum zweiten Mal ­verwandelt der Kunstverein „Milch & Q“ den Festplatz in Unterinn am Ritten in eine Plattform für künstlerische Experimente. Das „Urkult – Festival für experimentelle Kunst“ ist transdisziplinär:


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I­ nstallationen, Malerei, Sound-, Text- und Tanzperformances stehen auf dem drei­ tägigen Programm. Bespielt wird dabei das gesamte Areal – neben Festplatz und Bühne gibt es auch auf der Wiese und im Wald Kunst zu erleben und zu bestaunen. Die Initiatoren des Festivals Michael Gamper und Renate Ranzi sind ebenfalls mit eigenen künstlerischen Arbeiten vertreten und kümmern sich nebenbei und selbstverständlich auch um das leibliche Wohl der Gäste und Teilnehmenden. Ohne ihr loses, aber funktionierendes Netzwerk innerhalb und außerhalb Südtirols würde es das Festival so nicht geben. „Freunde und Bekannte, die beim Aufbau, bei der Gestaltung der Webseite und hinter dem Tresen mit anpacken, ermöglichen das Festival erst“, betont Michael Gamper. Letztes Jahr hatte er das Festival vollständig aus eigener Tasche finanziert. Kunst als teures Hobby geht gar nicht – deshalb sind die Organisatoren froh, ­dieses Jahr eine kleine Förderung zu bekommen. Eine Bestätigung und ein An-

sporn zum Weitermachen. Renate Ranzi erklärt: „Das funktioniert nur, weil wir noch ein so kleines Festival sind. Wir ­haben hier aber etwas Schönes ­geschaffen, das wachsen will!“ Der außergewöhnliche Veranstaltungsort in U ­ nterinn spielt für beide eine zentrale Rolle: „Wir wollten uns bewusst von den Institutionen lösen, aus dem White Cube ausbrechen und den Künstlerinnen und Künstlern ein freies Arbeiten ohne Druck ermöglichen. Dieses Jahr haben wir deshalb auch zu einer ­Residency eingeladen. Die Kunst­ schaffenden und Musiker ­ haben eine ­Woche vor Ort gearbeitet. Dabei sind auch einige interessante ­Kooperationen entstanden.“ Eingeschleuste Realität

Die Interventionen und Objekte des künstlerischen Austauschs sind um das Festgelände herum zu entdecken. Auch hier stehen der Sound, die Klangerfahrung und das Hören im Vordergrund. Geheimnisvolle Echos und Delays hallen

durch den Wald. Mitten im Gestrüpp findet sich auch eine Holzkiste. Darauf steht als Warnung und Einladung „195 Dezibel“ gepinselt. Neben der Aufschrift befindet sich ein kleiner Schalter, mit dem man den samt Kabelwerk in der Kiste liegenden Lautsprecher betätigen kann. Der Südtiroler Soundkünstler und Mitbegründer des Labels „LaGrind Noire“ Peter #KOMPRIPIOTR#Holzknecht spielt mit der Erwartungshaltung und dem Vorstellungsvermögen des Publikums. Was die wenigsten wissen, während sie neugierig den Schalter umlegen: 195 Dezibel sind für den Menschen tödlich. Die Soundbombe ist nur Attrappe – es ertönt und es passiert: nichts. Das diesjährige Thema des Festivals, mit dem sich die Kunstschaffenden auf Einladung hin auseinandergesetzt haben, lautet „The Big Great Nothing. Anleitung zum Verstehen der Illusion.“ Das klingt nicht nur ziemlich abstrakt und weitläufig, sondern ist es auch. ­Inmitten der Illusion bricht dann plötzlich und unerwartet die Realität ­herein.


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Wird eingeschleust von der Autorin, ­Performerin und Kulturarbeiterin Maria C. Hilber. Versteckt in einem Kämmerchen etwas abseits des Festivaltreibens präsentiert sie ihre hochaktuelle und –politische Videoinstallation. em:ma@Robin schreibt Geschichte um. Ausgangspunkt und Auslöser dieser poetischen medialen Erzählung war die Berichterstattung über die 71 leblosen Menschenkörper, die am 27. August 2015 hinter der burgenländischen Grenze in einem lkw entdeckt wurden. Maria C. Hilber versucht eine Annährung an dieses unvorstellbar Reale durch eine akkurate Analyse der medialen Sprachen, mit der die Flüchtlingstragödie auf allen Kanälen kommuniziert und verbreitet wurde. „Die Blase Europa zerplatzte, während im Lastwagen der grauenvolle Tod ins Land geschleust wurde. Nachdem die Informationswerte der Nachricht erschöpft, die ‚Schlepper’ identifiziert ­waren, der ‚Tathergang’ und die Herkunft der Menschen rekonstruiert war, füllten neue Botschaften die Medien und das

­ reignis reihte sich in die Aufzählung E weiterer ‚Schreckensmeldungen’ ein“, schreibt Hilber im Konzeptpapier des ­Projekts „em:ma@Robin – 71 Seelen“. Die Webfigur em:ma@Robin – selbsternannte Botschafterin und brennendes Symptom – kämpft mit den Mitteln der Fiktion und Narration um Erinnerung und gegen das Vergessen. Ab September 2016 erforscht sie in einer Webserie und verschiedenen Workshops die zahl­ reichen Neologismen der Berichterstattung und stellt Variationen der Geschichten zur Verfügung: „Weil wir neue Geschichte(n) brauchen.“ Auch das Urkult-Festival bietet ­einen neuen, unkonventionellen Rahmen für verschiedenste künstlerische Projekte und Ausdrucksweisen. Fortsetzung folgt.


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INFO ___ Nachdem der Kunstverein „Milch & Q“ im Vorjahr ein erfolgreiches Debüt feiern konnte, wurde dieses Jahr die zweite Ausgabe des Urkult-Festivals in Unterinn ­präsentiert. Das dreitägige Festival wartete mit Live Acts, Tanz-, Text- und Soundperfomances sowie Installationen, Malerei und Bildhauerei auf. Bespielt wurde dabei das gesamte Areal des Unterinner Festplatzes – neben der Bühne auch Wiese und Wald. Das Experimentelle steht beim Urkult-Festival im Vordergrund. Um Experimente zu ermöglichen, gab es erstmals auch ein Art Residency und einen Open Call. Alle Werke entstanden zum Arbeitsthema: "The Big Great Nothing – Anleitung zum Verstehen der Illusion".

Kunstschaffende: Drahthaus, Mary Gold, Maria Christina Hilber, Peter#KOMPRIPIOTR#Holzknecht, Toni Quiroga, Hannah Todt, Trauriges Tropen Orchester, Treibgut, Jörg Zemmler, Zolf und Saturn Organisation: Michael Gamper, Renate Ranzi www.milch-q.com facebook.com/urkultfestival


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ISOLATION IST KEINE OPTION


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Innovation entsteht gemeinsam – diesem Credo hat sich das internationale Netzwerk IMPACT HUB verschrieben, das weltweit in verschiedenen Städten Coworking Spaces samt dazugehörigem kreativen Umfeld bietet. In Trient gibt es mittlerweile einen Ableger, und der hat Großes vor. TEXT ___ Vera Mair am Tinkhof  FOTOS ___ Micheal Pezzei

„Hearts are wild creatures. That’s why our ribs are cages.“

Dieses Mantra schmückt die Wand des Impact Hub Trentino, und der Gedanke, dass Herzen wild und un­gebändigt sind, ist hier zugleich auch ­Arbeitsethos. Unfreiwillig verpflichtet zu diesem Gefühl des Aufruhrs wird an diesem Ort allerdings niemand, denn alle sind aus freien Stücken hier. Die Struktur bietet Platz für Gleichgesinnte, die an unterschiedlichen Projekten, Firmen und Einzelunternehmen arbeiten. Was sie verbindet, ist eine kleine Form der Rebellion: Gegen altbekannte Arbeitsstrukturen, gegen Alltag, gegen Hierarchie. Das Niederreißen von Bürowänden verspricht hier Erlösung, denn Isolation kann keine Antwort sein. Das Wort „impact“, übersetzt mit „Bedeutung, Wirkung, Auswirkung, ­Einfluss“, ist nicht nur Namensgeber des Netzwerks, sondern beschreibt auch das Selbstverständnis einer Generation, für die der Job mehr als nur Broterwerb ist. Für diese ist die Mitgliedschaft im

Impact Hub mehr als bloß die Anmietung eines rein physischen Arbeitsplatzes – es bedeutet die Teilnahme an einer inter­ nationalen Community und Plattform, die lokal und global verbindet. Die Initiatoren des Konzepts haben sich eine ­bedeutende Motivation auf die Fahnen geschrieben: „We offer the space, the ­community, and the global platform to support social innovators”, heißt es auf der offiziellen Website. Gesellschaftliche ­Innovation, dieser Mission hat man sich also verschrieben. Trienter „bathroom stories“

Das Konzept mag für Skeptiker allzu ­ideologisch geprägt, in seiner Ambition allzu optimistisch klingen. Dabei wird unterschätzt, dass der Grundgedanke ­ doch ein zutiefst rational-ökonomischer ist: Unternehmerischer Erfolg ist heute mehr denn je an Innovation gebunden und diese Innovation verlangt nach ­Auseinandersetzung. Es darf an dieser Stelle wieder einmal an Steve Jobs

­erinnert werden: Er bestand auf einer ­einzigen Gemein­schafts­toilette im gesamten Gebäude der Pixar Studios, was ­unpraktisch und umständlich war und für manche Mitarbeiter 15 Minuten Fußweg für den un­umgänglichen Klogang bedeutete. Jobs war aber der Meinung, dass ein kreativer Prozess ­Reibung er­ fordert – dass dem j­edoch die menschliche Veranlagung entgegenstehe, in unserer bekannten Welt zu bleiben, uns stets mit Menschen zu umgeben, die uns allzu ähnlich sind, die an denselben Dingen ­arbeiten. So wurde in seiner ­Überlegung die Toilette, als Ort der unvermeidlichen Notwendigkeit, zum kreativen Melting Pot (das Wortspiel e­ rgab sich ungewollt). Heute kann, so will es zu­mindest die Überlieferung, jeder der Pixar-Leute m indestens eine „bathroom story“ ­ erzählen: Eine Geschichte von ­ ­ einem Gespräch, das beim Hände­ ­ waschen ­zustande kam und unvermittelt kreativ bereichert hat.


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Die Ansicht vom notwendigen Austausch teilen auch die Initiatoren des Impact Hubs, die auf der Website des inter­ nationalen Netzwerks festhalten: „­ Impact cannot happen in isolation“. Von dieser Prämisse startete die Idee, die heute über die verschiedenen Ableger in mehr als 80 Städten zu finden ist. Ob ­Tokyo, London, Los Angeles, Berlin: Alle Hubs bieten zum einen großflächige ­Arbeitsbereiche mit offenem Design, das zum Netzwerken und Reden einlädt. Dazu kommt das kreative Umfeld in Form von Workshops, Kollaborationen und Veranstaltungen, von deren Teilnahme die Mitglieder – weltweit sind es bereits über 15.000 – in ihren Projekten und Unter­nehmungen profitieren sollen. Der Coworking Space soll also Dreh- und Angelpunkt kluger Köpfe sein, und so erklärt sich auch dessen ­zweiter Namensteil: Der Begriff „Hub“ ­bedeutet zu Deutsch „Knotenpunkt“, und bezeichnet in der Telekommunikation ein Gerät, das Netzknoten sternförmig verbindet.

Ein Nährboden für modernes Unternehmertum

Bereits 2005 in London gestartet, hat das Konzept nun auch zu uns gefunden. Mit dem Impact Hub Trentino sollte in der Region ein Nährboden für modernes Unternehmertum geschaffen werden, und auch hier geht es um nichts weniger als um gesellschaftlichen Wandel. „La nostra struttura ha come ­obiettivo quello di supportare progetti di innovazione sociale, quindi imprese che abbiano all’interno della loro mission, del loro obiettivo, non solo l’intento di generare profitto, ma anche di inter­ ­ cettare quello che sono delle sfide e dei c ambia­ ­ m enti sociali, provando a ­risolverli“, sagt Paolo Campagnano, einer der Gründer des Impact Hub Trentino. Er sitzt entspannt an einem Tisch in ­einem der Sitzungsräume, im hinteren Bereich des Gebäudes in Trient. Die Tür steht weit offen, draußen brennt die Sonne auf den riesigen Innenhof. Im Schatten sitzen Grüppchen von Leuten,

beim Reden, Rauchen, Kaffee trinken, und ihr angenehm gleichmäßiges Gespräch legt sich als kaum wahrnehmbarer Klangteppich über den heißen Nachmittag wie die Hitze über die Stadt. Der Arbeitsbereich des Trienter Impact Hub ist ein weitläufiger Raum mit hoher Decke, lose angeordneten Schreibtischen und gemütlicher Sitzgelegenheit. Hinter PCs sitzen leger gekleidete Menschen, die beschäftigt und freundlich wirken. Das Mobiliar ist unprätentiös, die Atmosphäre positiv, die Einrichtung in ihrer Ungezwungenheit durchdacht. ­Jeder Stuhl und Tisch wirkt, als könne er auch woanders stehen, einmal hier, einmal da, und alles ruft nach Bewegung und verlangt nach Flexibilität. Alles fließt, das scheint das Motto dieses Ortes zu sein: Immer auf Achse. Firmen kommen, ­Menschen gehen, sitzen heute hier und morgen dort, und in der Zwischenzeit trifft man sich bei einer Pause in der großen Gemeinschaftsküche, wo es ­ ­Kommunikation und Kaffee gibt.


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„Non è un posto dove vieni e affitti semplicemente una scrivania, ma è un posto dove intercetti delle opportunità.“ Gegen Routine, für innovative Veränderung

Mitgründer Campagnano redet frei, aber doch durchdacht, über die Idee der Impact Hubs und die Umsetzung in der ­Region als Impact Hub Trentino. 2010 wurde zuerst in Rovereto eröffnet, die Struktur dann aber vor etwas mehr als einem Jahr nach Trient verlegt, da dort das Einzugsgebiet größer und die Konkurrenz kleiner war (in Rovereto kamen später ähnliche Strukturen hinzu). Gestemmt habe man das Projekt von Anfang an aus privaten Geldern, auf jede Form von öffentlicher Finanzierung habe man verzichtet. Auch dies entspricht dem Grundgedanken des Netzwerks, das auf persönliche Initiative und nicht auf die gütige Hand des Staates setzt. Heute finanziert sich die Struktur rein privat, aus den Ein­nahmen aus Mieten, Veranstaltungen und ­Programmen wie Seminaren und Schulungen. Der Beginn sei nicht leicht gewesen, der Begriff „Coworking“ in der Anfangszeit noch nahezu unbekannt.

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Sprach man darüber, erntete man Achselzucken und Unverständnis, erzählt ­Campagnano. Gemächlich und beständig, „piano piano“, habe man das Konzept und die Idee bekannt gemacht. Dement­ sprechend sei auch das Wachstum langsam, dafür aber konstant gewesen. Dass man anfangs nicht auf offene Ohren und Türen stoßen würde, habe niemanden überrascht. Während die meisten Impact Hubs in Metropolen eröffnen, wo kreative und innovative Arbeits­ formen auf ein hungriges Publikum treffen, blieb die Umsetzung in der wenig urbanen Idylle des Trentino ein Experiment, um dessen Risiko man wusste. Gerade hier sei es aber umso notwendiger – denn es gilt Potential zu entfalten und die ­regionale Entwicklung voranzutreiben. So verstehen sich die Macher und Mitglieder als Kämpfer gegen Routine in den Köpfen, gegen verkrustete Denkschemata und für produktive Veränderung. „Quello che ci interessa è un cambiamento culturale“, formuliert es

­ ampagnano. Ihr Antrieb sei ein neues, C mutiges, nachhaltiges Unternehmertum. „Per noi gli imprenditori non sono quelli che fanno tanti soldi, ma quelli che fanno tante cose, che realizzano una varietà di idee - quelli che fanno un impatto sulla vita delle persone.“ Dieser Wille zum impatto sociale ist, daran glaubt man im Hub in Trient, eine typische Eigenschaft der Millenials – jener Generation, die im Zeitraum von etwa 1980 bis 1999 geboren wurde. Diese hätten Schlagworte wie Verantwortung und Nachhaltigkeit in ihr inneres Wertegerüst aufgesogen und versuchten nun, ihre Arbeit nach diesem Kompass auszurichten. Mein Haus! Mein Auto! Mein Boot! – in diesen Schlachtruf stimmen sie nicht mit ein. Ihr Antrieb sei ein anderer: „Prevale l’interesse di fare un lavoro con cui si sta bene, di dare un senso al tuo ­lavoro che non è solo uno strumento attra­verso quale guadagni, ma che ha un senso piú ampio per te.“ Unternehmende dieser Art finde man im Hub, meint

­ ampagnano, und er erzählt von StartC ups, die ihre eigene Antwort auf brennende gesellschaftliche Fragen gefunden haben: Der Lieferservice fürs Essen aus verschiedenen Kulturkreisen mit der Möglichkeit, die Menschen dahinter kennen zu lernen; oder das Modeprojekt, das Frauen mit schwieriger Vergangenheit den Zugang zum und Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt ermöglichen will. Selbstzufriedenheit führt zu nichts

Der Einsatz zeigt sich auch in Zahlen und ersten Erfolgsgeschichten: Einstige ­Zwei-Personen-Unternehmungen haben sich auf mehr als zehn Mitarbeiter vergrößert und Selbstständige mit Mehr­ wertsteuernummer haben ihr Geschäftsmodell mittlerweile zu GmbHs ausgebaut. Auch die Betreiber des Coworking Space agieren als gewinnorientierte societá ­cooperativa mit mittlerweile acht Fest­ angestellten. Bald wollen sie sich auch der Coworking-Kultur Südtirols annehmen: Die Eröffnung eines Hubs in Bozen


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ist ein Wunsch, zu dessen Umsetzung ­gerade nach geeigneten Partnern und Interessierten gesucht wird. Zudem soll die Struktur in Trient bald um ein Nebengebäude erweitert werden. Es läuft, könnte man sagen. Kein Grund aber, genügsam zu werden, finden die Initiatoren, denn Selbstzufriedenheit führt zu nichts. Der Blick nach draußen bleibt ebenso verpflichtend wie der Wille, sich mit diesem Draußen zu messen: „Il problema del Trentino e in genere dei contesti non metropolitani è il rischio di provincialismo, quindi il rischio di ­confrontarsi solo con quelli che stanno attorno“, so Campagnano. „Invece è importante confrontarsi con il mondo intero, non solo con il Trentino. Altrimenti si ­rimane indietro anni luce.“ So bleibt das Impact Hub Trentino ein Abgesang auf die Bauchvollmentalität, ein Aufruf gegen geistige Mäßigung und Entsagung. Es gilt somit auch hier, im Land wo Milch und Honig fließen: Wir müssen weiter hungrig bleiben.

INFO ___ Das erste Impact Hub wurde 2005 in London gegründet, mittlerweile gibt es ­weltweit Ableger in über 80 Städten mit insgesamt mehr als 15.000 Mitgliedern. Das Konzept ist das eines „Coworking Space“ und besteht als solches aus zwei Grundpfeilern: Zum einen wird ein physischer Arbeitsplatz mit dazugehöriger Infrastruktur - wie Besprechungsräumen, Drucker, Internet u. ä. - zur Verfügung gestellt, der von den Mitgliedern angemietet wird. In Trient etwa variiert die monatliche Miete je nach Paket zwischen 20 und 200 Euro. Zum anderen werden die Mitglieder Teil eines internationalen Netzwerks, von dessen Ressourcen sie profitieren. Organisiert werden Veranstaltungen, Workshops und weitere Aktivitäten, welche die internationale Community stärken und die Mitglieder in ihren unternehmerischen Ambitionen unterstützen. Die Einbettung in das Netzwerk soll vor allem auch den geistigen Austausch ermöglichen. Die einzelnen örtlichen Ableger werden jeweils eigenständig geführt und gegründet. Dem geht ein Bewerbungsprozess voraus, in welchem die Leiter bereits bestehender Hubs die Eignung potentieller Neugründer beurteilen. Das Impact Hub in Trient öffnete 2014. The Hub Trentino - Südtirol Via Roberto da Sanseverino 95, 38122 Trento Info +39 0461 1583407, info@hubtrentino.it trento.impacthub.net


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Die Wende TEXT ___ Hannes Egger

„The Diamond Generation“ nennen die beiden Kuratoren Hans-Ulrich Obrist und Simon Castets jene Menschen, die 1989 oder später geboren wurden. Um gerade deren neue und junge Kreativität zu sammeln, gründeten sie die Plattform 89plus.com, die heute im Google Cultural Institute in Paris angesiedelt ist. Präsentiert wurde das Projekt weltweit, unter anderem in der Serpentine Gallery in London, auf der Arco in Madrid, der Vessel Verse auf der Art Dubai und der Art Basel Miami Beach Salon in Miami sowie als Vorbote des Innovations­festivals 2013 im MUSEION in Bozen. Grundthese von 89plus ist, dass sich mit 1989 ein Paradigmenwechsel in vielerlei Hinsicht vollzogen hat: Die Welt hat sich gewan­ delt und damit auch die Menschen, oder umgekehrt. Im folgenden Text wird dem nachgespürt, was sich in den letzten 27 Jahren in und außerhalb Südtirols zugetragen hat. Am 9. November 1989 trat in Südtirol der letzte Teil der Durchführungsbestimmung in Kraft, der die Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache im Verkehr der Bürgerinnen und Bürger mit der öffentlichen Verwaltung in Südtirol betraf und die Verwendung des Ladinischen im Amts­verkehr vorsah. Am selben Tag fiel in B ­ erlin die Mauer. Ich vermeine mich an ein Bild zu erinnern, an eine Frau, mit ­langen, gelockten Haaren und einer schwarzen Lederjacke, die über die Mauer kletterte, oder war es ein Mann? Eine „alte“ Welt und damit auch eine alte Weltordnung brachen zusammen und es entstanden neue Möglichkeiten, auch neue Möglichkeiten im Denken, die Welt wurde weiter, größer, anders. Sie war neu zu imaginieren, sie wurde neu zusammengebaut. Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989, der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und der Auflösung der Sowjetunion 1992 war bewiesen, dass

­ nmögliches möglich geworden war. U Die politische Weltkarte war vorher in zwei bzw. drei Teilbereiche gegliedert und es war klar – zumindest für diejenigen, die mit k.i.t.t und David Hasselhoff mitfieberten – wer den „Klassen­kampf“ gewonnen hatte. Berlin, neue Welt

Die „Wende“ brachte mich 1990 nach ­Berlin, damals als die Stadt noch nicht „in“ war. Es war meine erste Flugreise. Ich sah die geteilte Stadt, sah die weiten ­brachen Flächen, die Menschen und deren unterschiedliche Bekleidung, ich sah „andere“ Gesichter, sehr hübsche Prostituierte, Punks und die zweite Loveparade, ich sah Teile der damals noch stehenden Mauer – von der ich mir ein Stück mitnahm – am meisten aber faszinierten mich die vielen am Brandenburger Tor feilgebotenen Hammer-und-Sichel-Embleme und die abrückenden sowjetischen Panzer. Diese waren doch bis vor Kurzem

noch die Bedrohung schlechthin, oder? In einem kleinen Brandenburger Dorf verschlug es mich in einen Lebensmittelladen, der für mich ungewohnt roch. Die Wurst sah irgendwie anders aus und der Käse ebenso. Der Hund der Besitzerin leckte am feil gebotenen Gemüse. Ganz in der Nähe stand eine zerstörte Kirche mit einem Friedhof. Ein paar Gräber von kürzlich Verstorbenen waren frisch angelegt, mit einigen Blumen und Kerzen geschmückt, zusätzlich gab es auch ältere Gräber, 40, 50 Jahre alt oder mehr. Auch wenn – diesem Gottesacker nach – im Kommunismus nicht gestorben wurde, war der große rote, etwas grimmige, aber doch wahrscheinlich sympathische Herr nun tot und die Welt alternativlos. Ab 1995 liefen in den usa und ­gegen Ende des Jahrzehnts dann auch im deutschen Fernsehen die Labormäuse Pinky und der Brain über den Bildschirm und versuchten in 65 Folgen die Weltherrschaft zu erlangen. Dem Kapitalismus,­


gesellschaft

der zum Neo­liberalismus wurde, war dies bereits Anfang der 1990er-Jahre gelungen und es schien der gesamten Welt eine bessere, schönere, freie und friedliche ­Zukunft zu blühen. Südtirols Entgrenzung

Dies galt auch für meine Heimat Südtirol. Auch dort wurden die Grenzen neu definiert und im Zeitgeist des Auftauens, des Aufbrechens von Mauern, Zäunen und Grenzen nivelliert. Am 19. September 1991 – es war ein sonniger Tag – stieg ein Urlauberpaar von der Finailspitze im Schnalstal ab und entdeckte auf 3.310 m Seehöhe eine Leiche. Betroffen und in der Annahme, dass es sich um einen Bergsteiger handelte, suchte es die unweit gelegene Similaunhütte auf. Der Hüttenwirt meldete den Fund bei den Carabinieri von Schnals (Italien) und bei der Gendarmerie von Sölden (Österreich). Die Bergung gestaltete sich mühevoll. Zwei Tage später trafen die Extrembergsteiger Reinhold Messner und Hans Kammerlander am Fundort von „Ötzi“ – wie der Tote später heißen sollte – ein. Die Beiden befanden sich gerade auf einer Tour rund um Süd­ tirol. In 41 Tagen begingen sie die Landesgrenzen Südtirols, liefen gut 1.000 km, überwanden mehr als 100.000 Höhen­ meter auf- und abwärts und überstiegen 300 Gipfel. Die Gewalttour war nicht als bergsteigerische Höchstleistung gedacht, sondern als Grenzgang. Mit dieser Aktion wollten sie dazu anregen über die Ver­ gangenheit, Gegenwart und Zukunft Süd­ tirols nachzudenken. Tage später war klar, dass es sich beim Zufallsfund um eine archäologische Sensation handelte. Die 1919 verlegten Grenzsteine wurden neu vermessen und es ergab sich,dass „Ötzi“ 92,56 m ­innerhalb

des italienischen Staatsgebiets gelegen hatte. Südtirol pochte auf diese bis dato so unliebsame Grenze und erkannte sie somit an. „Ötzi“ wurde Südtiroler ohne in „Schnalsi“ umbenannt zu werden und wurde nach Jahren der Forschung in Innsbruck 1998 über den Brenner nach Bozen überführt. Damals gab es am Brenner bereits kaum noch Grenzkontrollen, denn durch die Verwirklichung der ewr (1994) und den eu-Beitritt Österreichs (1995) nahm die Bedeutung der Markation zwischen Italien und Österreich kontinuierlich ab. Mit der Aufnahme Österreichs in den ­Europäischen Binnenmarkt und die Einbeziehung in das Schengener Abkommen wurden 1998 die Grenz- und Zollstationen zwischen Österreich und Italien geschlossen. No problem und alles easy am Brenner, man könnte sogar sagen, dass es dort langweilig wurde.

S­ arajewos und den ethnischen Säuberungen von Srebrenica erreichten. Bereits im ersten Kriegsjahr kamen 500 Flüchtlinge nach Südtirol, meist Frauen und Kinder, die in leer stehenden Kasernen in Mals und Wiesen/Pfitsch untergebracht wurden. Dank einer beeindruckenden ­ Spendenaktion stellte die Südtiroler Bevölkerung Kleidung und andere lebens­ notwendige Mittel zur Verfügung. 1999 intervenierte die nato mit Luftangriffen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und „befriedete“ damit den Balkan. So vergingen die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts, in denen das Internet an Popularität gewann und ich gegen Ende des Jahrzehnts meine erste E-MailAdresse einrichtete. Somit konnte ich nun nicht nur im Netz recherchieren und abschreiben, sondern auch mit der ganzen Welt kommunizieren. Was für eine Möglichkeit!

Erste Risse

Großer Riss

Diese schöne neue Welt nach der Revolution von 1989 zeigte weltpolitisch bereits nach wenigen Jahren ihre gemeine Fratze.1991 begann der Golfkrieg ­zwischen den usa und dem Irak unter Diktator Saddam Hussein, der Jahre vorher noch als antisowjetisch und antiiranisch großzügige Unterstützung vom nunmehrigen Feind erfuhr. Das Gespenst des Dritten Weltkriegs ging um, gut kann ich mich an die Hamsterkäufe und an die leeren Regale in Supermärkten und so manche vollgestopfte Vorratskammer erinnern. Viel ernüchternder und schockierender für Europa gestalteten sich aber die Jugoslawienkriege, die 1991 mit dem Zehn-Tage-Krieg in Slowenien begannen und ihren Höhepunkt im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 mit der Belagerung

Ich saß bei der Friseurin, die Sommermähne sollte weg, das Haupt für den Herbst zurecht gemacht werden. Entspannt saß ich im bequemen Frisierstuhl, sah in den Spiegel und nahe an meinen Ohren schnippte die flinke Schere. Das Radio lief und irgendwann wurde aus New York berichtet: Ein Anschlag, aus­ geführt mit Flugzeugen, auf das World Trade Center, brachte das Symbolgebäude zum Einsturz. Tausende Tote waren die Folge und die Weltmacht war in ihrem Innersten getroffen und verletzt. Etwas Ungeheuerliches hatte sich zugetragen, die Welt erneut verändert und wie ein verletztes Raubtier begannen die usa um sich zu schlagen. Es gab nach einem Jahrzehnt wieder einen klar definierten Feind, der ein Gesicht hatte und den es zu


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b­ ekämpfen galt. Die Welt konnte erneut in „gut“ und „böse“ eingeteilt werden. Die Anschläge vom 11. September 2001 führten sowohl in den usa als auch in Europa zu anhaltenden Debatten um innen- und außenpolitische Veränderungen. Sie führten den Krieg in Afghanistan in eine neue Phase und begründeten den zwei Jahre später erklärten Irakkrieg, mit welchem Saddam Hussein endgültig ­gestürzt wurde. Ausgehend von diesen ­Ereignissen stiegen die Spannungen zwischen der muslimischen und der westlichen Welt. Nun saßen die Feinde, die Terroristen, überall, vielleicht nicht in Südtirol (oder doch?), aber in jeder ­größeren Stadt der usa, in Europa und in vielen nordafrikanischen bzw. vorder­ asiatischen Ländern. Bozner Zäsur

Im selben Jahr kam es in Bozen, in der Stadt, die sich seit der Mitte der 1990erJahre prächtig entwickelte, inzwischen über eine Universität und das „Ötzi“-­ Museum verfügte und die die neue kulturelle Offenheit und den Wohlstand zur Schau trug, zu einem erkenntnisschweren Ereignis. Die Stadtregierung unter Bürgermeister Giovanni Salghetti Drioli benannte kurzerhand den bis dato ­„Siegesplatz“ genannten Platz vor dem gleichnamigen faschistischen Denkmal in „Friedensplatz“ um. Ein wunderbares Signal in einem immer zweisprachiger (bzw. dreisprachiger) werdenden Land. Die Zäsur folgte zu Beginn des Jahres 2002 dieser politisch-symbolischen Geste auf dem Fuß: Bozens Einwohner (gut 70% italienisch- und knapp 30% deutsch­ ­ sprachig) brachten den Beschluss der Stadt­regierung in einem Referendum zu Fall und die Namensänderung wurde

rückgängig gemacht. Für viele in Südtirol eine unvorhersehbare Überraschung. Na ja, den Versuch war es dennoch wert. Alle Macht dem Volk! Web 2.0

Mehr oder weniger gleichzeitig wurde Linkedin gegründet, das 2003 online ging. Facebook folgte 2004, 2005 war YouTube an der Reihe und 2006 Twitter. In den darauf folgenden Jahren wurden diese Plattformen zusammen mit vielen weiteren als Web 2.0 populär, markt- und sozialfähig. Das Volk, d.h. die sich nun im World Wide Web tummelnden Nutzerinnen und ­Nutzer verhielten sich somit nicht mehr passiv, sondern aktiv. Partizipation und Teilhabe waren angesagt, die großen ­Internetfirmen boten sich als reine Plattformen an und für die Inhalte waren die User zuständig, die seither alles mögliche Wissenswerte und Belanglose „posten“ und teilen, aufklären und aufhetzen. Die Informationen wurden dadurch individualisiert und das Internet scheinbar ­demokratisch. Jede und jeder konnte an allerhand teilhaben ohne wirklich dabei zu sein und sich eine Blase erschaffen, die aus spezifischen Informationen, „ausgewählten“ Freunden und kurzen, den persönlichen Interessen, der politischen Überzeugung, den sexuellen Vorlieben und dem eigenen Humor entsprechenden Videos bestand. Diese Web-Blase wurde zur Lebenswelt, die manchmal kaum Bezüge zur Realität aufwies. Die Wirklichkeit rund um die digitalen Einzeller ­gestaltete sich dennoch immer bunter, offener und differenzierter. Das multi­ kulturelle, kreative, günstige, gayfriendly Berlin wurde zum Symbol und zum magnetischen Anziehungspunkt für junge Leute, welche diese neuen Möglichkeiten

zu schätzten wussten und dort ihr Glück versuchen wollten. Ein anderes Missverhältnis zwischen Fiktion und Realität brachte Ende des Jahres 2007 – als Konsequenz aus den globalen Geldspekulationen in den usa und anderen, vor allem europäischen Staaten – die sogenannte Immobilienblase zum Platzen. Es folgte eine weltweite Bankenkrise und der Zusammenbruch der amerikanischen Großbank Lehman Brothers. Um die Banken zu stabilisieren, beschlossen mehrere Länder die Geldinstitute durch staatliche Eingriffe mit Krediten zu unterstützten, was zur Eurokrise führte und nicht wenige Unternehmen, aber auch Privatpersonen, in den Ruin trieb. Südtirols kulturpolitischer Höhepunkt

Zur Zeit dieser beginnenden Wirtschaftskrise feierte Südtirol kulturell sein bedeutendstes Jahr und war mit der Eröffnung des neuen museion – Museum für zeit­ genössische Kunst und dem Gastspiel der europäischen Wanderbiennale für zeitgenössische Kunst Manifesta endgültig in der Gegenwart angekommen. Südtirols Kultur war im Aufbruch, experimentierte und ließ sich – im positiven Sinne – g­ ehen, manchmal glaubte man sich gar in Berlin. Spannend war auch das Gedenkjahr 2009 für 200 Jahre „Freiheit“, das anlässlich der Tiroler Freiheitskämpfe gegen Napoleon mit einer großen Tiroler Landesaus­ stellung gefeiert wurde. In den folgenden Jahren wurde das Kultur­leben allerdings schwieriger, w ­ eniger mutig, die Wirtschaftskrise machte sich bemerkbar, das Geld wurde knapper und für diejenigen, die sich bis dato nicht am Markt etabliert hatten, wurde es beinahe unmöglich, in dieses internationale bzw. lokale Geflecht


gesellschaft Hannes Egger, 1981 geboren, aufgewachsen in Lana, wo er seit 2005 als Künstler, Kurator und Redakteur arbeitet. Studium der Philosophie an der Universität Wien und La Sapienza in Rom. Masterstudien-Lehrgang „Kultur und Organisation“ an der Universität Wien sowie am Institut für Kulturkonzepte in Wien. Entwicklung von Vermittlungs- und Ausstellungskonzepten für verschiedene Museen und Kultureinrichtungen. Gründer der von Künstlern betriebenen Stätten „Werkbank“ und „Kunsthalle Eurocenter Lana“. Seit 2014 Redakteur der Kulturzeitschrift „Kulturelemente“.

aus Beziehungen, Geld, Know-how, Krea­ tivität und Showbusiness aufgenommen zu werden. Ökonomisch wurde es enger, mit oder ohne H ­ otel Mama. Man musste sich neu erfinden, die alten Rezepte galten nichts mehr, denn die Krise war der Todesstoß für den Mittelstand, der bis heute sein eigenes Grab ignoriert. Von Krise zu Krise

Seit 2007 wird nun geschlittert, von Krise zu Krise, von der Banken-, zur Schulden-, zur Markt-, zur Bauwirtschafts-, zur ­Griechenland-, zur Parteien-, zur Globalisierungs-, zur Ukraine-, zur Europa-, und mit vollem Karacho hinein in die Flüchtlingskrise. Dazu kamen all die persönlichen Beziehungs-, Familien- und Identitäts­krisen, welche den Alltag nicht leichter machten. Die Welt hat sich als eine un­ sichere entpuppt. Krise kommt aus dem Altgriechischen krísis und meinte ursprünglich „Meinung“, „Beurteilung“, „Entscheidung“. Die Wortbedeutung ­tendierte später eher in Richtung „Zu­ spitzung“ und bezeichnete eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation bzw. einen heute oft diagnostizierten Seinszustand: Ich habe die Krise – ich befinde mich in Krise, mit all ihren Vor- und Nachteilen! Die Hoffnungen von 1989 haben sich bis heute nicht erfüllt; die Wende hat sich zur Krise entwickelt und die Welt dreht sich in alle Richtungen. 2010 schien sich kurzfristig die Sonne am Firmament zu zeigen und alle Welt blickte in die USA, wo das Repräsentantenhaus mit knapper Mehrheit die Gesundheitsreform von ­Barack Obama verabschiedete und in den Maghreb, wo der Arabische Frühling

a­ usbrach, in dessen Zuge es zum Sturz der Staatsoberhäupter von Tunesien, Libyen und Ägypten kam und alte Machtmuster durchbrochen wurden. Diese von jungen Menschen vorangebrachten Revolutionen wären ohne das Web 2.0 nicht möglich gewesen und kurz kam die Hoffnung auf, dass sich am südlichen Mittelmeer – der Wiege antiker Hochkulturen – eine neue politische Alternative auftat, sich in „Karthago“ eine Vision offenbarte. Dem war leider nicht so und mehr oder weniger nutzten fundamentalistische Kreise das Machtvakuum und drängten an die Macht. Zudem kam es in Libyen und ­Syrien zu bis heute andauernden Bürgerkriegen mit weitreichenden Folgen, die uns ohnmächtig zusehen lassen und aus dem Mittelmeer das „Mare Mostrum“ machen. Grenzenlos, begrenzt

Was sonst noch die letzten paar Jahre ­geschah? Die Wallstreet wurde besetzt, konkrete Forderungen wurden aber kaum gestellt, die meisten Aktionen richteten sich gegen soziale Ungleichheiten, Spekulationsgeschäfte von Banken sowie den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik – die Proteste schwappten auch nach ­Europa über; die Krim wurde von der ­Ukraine abgetrennt und im Osten des Landes herrschten kriegsähnliche Zustände; die Deutsche Bundeskanzlerin öffnete 2015 die Grenzen für Tausende Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan; Österreich schloss hingegen die Grenzen wieder und begann mit der Errichtung eines „Grenzmanagements“ u. a. am Brenner; die Briten wollten von Europa nichts mehr wissen; die Menschen schätzten lokales Essen und selbst angebautes Gemüse, Volksmusik wurde auch bei ­

j­ ungen Leuten wieder salonfähig. Innovative Jodelkurse boomten und verbanden Alt und Jung. Dies alles ist nachzusehen im Web 2.0 – und eventuell zu teilen! Die Welt ist heute – 2016 – voller Möglichkeiten und jederzeit kann alles überall geschehen. Krieg und Terror lauern hinter jeder Ecke, genauso wie Gold, Geld, Erfolg und Glamour, kombiniert mit Pleiten, Pech und Pannen. Jede und jeder kann vielleicht nicht mächtig, aber für kurze Zeit berühmt und vielleicht auch in bestimmtem Maße wohlhabend werden. Jede und jeder kann aber im selben ­Augenblick in Bedeutungslosigkeit und Armut versinken. Alle versuchen sich vor den negativen Aspekten dieser Eventualitäten zu schützen und festen Boden unter die Füße zu bekommen, sei es dass sie in allen möglichen Lebenslagen „schwimmen“ oder ihr Kapital in Sicherheit wissen wollen. In dieser Welt ist alles möglich, meist geschieht aber nichts. Die Reichen werden reicher und Arme gibt es immer mehr. Die Einkommensschere klafft offenkundig auseinander und ­Arbeit ist immer weniger wert. Dadurch, dass aber die Möglichkeiten unbegrenzt sind und wir uns nie und nimmer fest­ legen wollen bzw. können, hoffen wir gerne auf den nächsten Morgen. Wir träumen, warten und langweilen uns oft, da die Utopie doch nur eine Fata Morgana, ein YouTube-Video oder ein Tweet ist, dessen Wahrheitsgehalt sich schwer ­ ­abschätzten lässt.


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Der Sprung ins Ungewisse


bildende kunst

Für Karin Ferrari hält ein Musikvideo weit mehr bereit als für den Durchschnittsklickenden. Die Künstlerin untersucht Bilder und Symbole aus der gegenwärtigen Pop- und Alltagskultur. Dabei beschäftigt sie sich mit Inhalten an der Schwelle von „wissenschaftlicher Theorie, (politischer) Paranoia und phantastischer ­ Erzählung“. Ein Gespräch über Realität, Fiktion und weshalb man den Sprung ins Ungewisse wagen sollte. TEXT ___ Nadja Röggla  FOTOS ___ Christian Pitschl

Du untersuchst minutiös Musikvideos und TV-Clips, und deckst dabei versteckte Botschaften und Symbole auf. Zum Bei­ spiel vergleichst und analysierst du die ­Intros der österreichischen Fernseh­ nachrichtensendung Zeit im Bild (ZiB) der letzten sechzig Jahre. Wie bist du ­darauf gekommen?

Es gibt ein Misstrauen gegenüber Bildern mit großer Reichweite und Einfluss. Diese Bilder stehen unter Verdacht, eine versteckte Agenda zu haben. Ein berechtigter Verdacht, denn schließlich wollen uns diese Bilder manipulieren, sie wollen uns etwas verkaufen, ein Produkt, ein Image. Wenn wir als Beispiel das Intro der Nachrichten nehmen, so übt dieses eine ­bestimmte Funktion aus. Es vermittelt Authentizität und Objektivität und grenzt die Nachrichten vom Rest des Fernsehprogramms ab. Bereits die ersten Takte der Erkennungsmelodie der Nachrichten wecken reflexhaft unsere Aufmerksamkeit und versetzen uns in einen ganz ­speziellen Aufnahmemodus. Die meisten

Nachrichtenmagazine beginnen mit Bildern der Weltkugel. Meine decodingAnalyse der ZiB-Intros behauptet, dass das Weltbild, welches die Nachrichten vermitteln eine Fiktion ist, weil tatsächlich in allen ZiB-Intros immer bloß ­Simulationen der Weltkugel verwendet wurden und nie eine echte Aufnahme des Planeten. Den Überschuss symbolischer Bedeutung dieser alltäglichen Bilder ­untersuche ich; inwieweit dieser beabsichtigt ist, sei fürs erste dahingestellt. Ich musste beim Betrachten deiner Videos zwischendurch schmunzeln. Welche Rolle spielt Humor bei deiner Arbeit?

Humor ist ein machtvolles Werkzeug, wenn es darum geht schwierige Inhalte zu thematisieren. Was willst du neben der Unterhaltung mit deiner Kunst erreichen? Eine Veränderung bzw. ein Umdenken?

Ich möchte zum Staunen bringen, den ­Zusehenden eine neue Welt zeigen, ­die


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sich unbemerkt im Alltag verbirgt. Das hat durchaus mit einer Veränderung des Denkens zu tun. Der Effekt, den ich primär zu erzielen versuche, ist eine Veränderung der Wahrnehmung erlebbar zu machen. Eine neue Sichtweise zu erlangen, ­Vertrautes buchstäblich neu sehen zu können, ist ein imposantes ästhetisches Erlebnis. Ich hatte ein Schlüsselerlebnis eines Nachts, als ich mir dutzende YouTube-Videos über reptilian shapes­ hifting ansah, das sind meist Fernsehjournalistinnen und -journalisten, die vor laufender Kamera ihre menschliche Gestalt partiell in eine echsenartige verwandeln. Diese Videos beruhen auf David Ickes ­Verschwörungstheorie, laut der die Menschheit unbemerkt von Form­ wandelnden, reptilienartigen Aliens infiltriert wurde. Das fiel selbst mir ­ schwer zu glauben, aber schlagartig wurde diese Idee Teil meiner Wirklichkeit. Wenn auch nur für einen Moment so habe ich daran geglaubt. Und obwohl sich nichts tatsächlich verändert hat,

sondern nur meine Vorstellung von der Welt, hatte ich das Gefühl, als würde sich das Zimmer und die Welt, die an dem Zimmer dranhängt, um 90 Grad drehen. Die Realität als eine Frage subjektiver ­Beobachtungen und Interpretationen, wird somit von uns selbst erschaffen …

Ja, unsere Aufmerksamkeit ist realitätsstiftend. Dazu habe ich mal eine Art künstlerisches paranormales Experiment gemacht: Ich entschied mich bewusst dazu, Jokerkarten auf der Straße zu finden. Im Laufe der Jahre habe ich zwölf Jokerkarten zufällig gefunden. Die letzte davon lag in der Mitte einer Kreuzung ­eines Schwarzmarkts in der Mongolei, unmittelbar nachdem ich mit jemandem darauf gewettet hatte, der mir mein Experiment nicht glaubte. Du sagst – und man merkt –, du seist stark von Verschwörungstheorien beeinflusst …

Beeinflusst in dem Sinn, dass ich mich

mit Verschwörungstheorien aus­ einandergesetzt habe, mit den Menschen, der Szene und später dann mit den dazugehörigen Onlineplatt­ formen. Ich habe als Teenager erfahren, wie herausfordernd es sein kann, über Denkmodelle abseits des Mainstreams zu sprechen, kenne aber auch das verbale Gedöns von Fanatikerinnen und Fanatikern. Dabei muss vorausgeschickt w ­ erden, dass der Begriff ­Verschwörungstheorie ­irreführend ist und auf sehr vielfältige Weise verwendet wird. Er deckt ein u nüberschaubares Feld heterogener ­ ­Erklärungsversuche ab, die unterschiedlich motiviert sind. Das Wort Verschwörungstheorie ist stark besetzt und negativ. Es sind nicht nur schlicht Zentral­ steuerungshypothesen gemeint, sondern mitunter wird der ­ Begriff als verbale Waffe eingesetzt, um unangenehme, k ritische Stimmen unglaubwürdig ­ zu machen. Anderseits gibt es Ver­ schwörungstheorien, die sich später tatsächlich als richtig erwiesen haben.


bildende kunst

Was beeindruckt dich an diesen „alternativen Erklärungsmodellen“?

Mich fasziniert das Motiv einer alter­ nativen, geheimnisvollen Realität, weil­ es neue, unausgeschöpfte Möglichkeiten eröffnet. Beeindruckend finde ich die U nmenge an YouTube-Videos mit ­ ­Millionen Klicks über Ancient Aliens und Reptilian-Shapeshifting-Journalisten, unzählige Handyvideos von ufo-­ Sichtungen und unerklärlichen Schallphänomenen, dilettantische und teilweise unfreiwillig komische, investigative Untersuchungen verräterischer Spuren, die eine schwarzmagische Geheim­ diktatur in der globalen Alltagskultur zu hinterlassen scheint. Diese k­ollektive Anstrengung, die opaken Machtstrukturen unserer Gegenwart zu verstehen, ist ­symptomatisch für unsere Zeit: Das Verlangen über die Grenzen ­unserer gewohnten Realität hinauszugehen ist groß. —>

Ich hatte das Gefühl als würde sich das Zimmer und die Welt, die an dem Zimmer dranhängt, um 90 Grad drehen.


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In einem deiner Videos sagst du, man muss den Sprung ins Ungewisse wagen und dafür bräuchte es Mut und Visionen. Wie bewegst du dich in dieser Ungewissheit?

Virginia Woolf hat mit 33 Jahren, während der Erste Weltkrieg zum Massenmassaker wurde, in ihr Tagebuch geschrieben: “The future is dark, which is the best thing the future can be, I think.” Rebecca Solnit weist in ihrem Buch ‚Men explain Things to me’, wie großartig Woolfs Satz ist, der mit dem „I think“ am Ende die eigene Behauptung in Frage stellt. Dem produktiven und emanzipatorischen Potenzial des Zweifels widmet sich das Ausstellungsprojekt „Time of ­Reasonable Doubts“ („Zeit berechtigter Zweifel“) bei der Moscow International ­Biennale for Young Art, an dem ich zurzeit teilnehme. Mein Film „decoding Katy Perry’s Dark Horse (the whole truth)“ wird dort in dem von Nadim Samman kuratieren Hauptprojekt „Deep Inside“ gezeigt. Für mich bedeutet der

Sprung ins Ungewisse die Chance, aus eingefahrenen Handlungsmustern auszubrechen und neue Territorien zu ­ergründen. Dabei muss man sich zuerst einmal auf die Dunkelheit des Nicht-Wissens einlassen, Unsicherheiten aushalten und das Unbekannte umarmen. Das ist Pionierarbeit. Es braucht Mut um (­ falsche) Sicherheiten loszulassen. Bei deiner Auseinandersetzung mit

„­ planetarer Netzwerke der Unter­ drückung“ (Mark Fisher), welche sich durch alle Bereiche der Gesellschaft ziehen. In letzter Konsequenz geht es um Macht, nicht um Sex. Dabei eignen sich Genderthemen gut, um sich der eigenen Komplizenschaft in der Aufrechterhaltung dieser Machtmechanismen und der eingespielten Verhaltensmuster bewusst zu werden.

Machtstrukturen behandelst und

Welche Reaktion auf deine Arbeit erhoffst

­kritisierst du auch die gängigen

du dir von deinen Zuschauern?

­Geschlechterverhältnisse der westlichen

… dass sie meine Werke kaufen.

Kultur. Was für ein Frauenbild wünschst du dir?

Was kann man kaufen?

Es ist ein grober Fehler, Gender-Main­ streaming auf Frauen zu reduzieren. Und Frauenbild brauchen wir schon gar keines. Allein schon die Idee eines Frauenbilds sollte in einem Feuer verbrannt werden. Mich interessiert Macht und ihr Wirken. Die Missstände zwischen den Geschlechtern sind ein Ausdruck einer universellen Unterdrückungsmatrix

Mein Malbuch „Coloring Book. Occult Symbolism in Pop Culture“ zum Beispiel. Es besteht aus Motiven der Unterhaltungsindustrie, welche eine Internet­ community mit einer versteckten Agenda in Verbindung bringt. Wie zum Beispiel der Schmetterling, dessen häufige Präsenz in Musikvideos mit MKUltra in ­Verbindung gebracht wird, ein geheimes


bildende kunst

Forschungsprogramm zur Bewusstseinkontrolle der Central Intelligence Agency (cia) in den 1970er-Jahren. Das Format Malbuch tut so als ob es unschuldig und harmlos wäre, hat aber eine didaktische Absicht. Ein fieser Kontrast, wenn ich zum Beispiel an „CryptoKids“ denke, eine Serie von Ausmalmotiven der National Securtity Agency (nsa), dem Auslandsgeheimdienst der usa. Die „CryptoKids“-Malblätter kann man sich auf der nsa-Website gratis herunterladen und ausdrucken. Ziel dieser Blätter ist es, Kindern die Arbeit der nsa zu veranschaulichen und ihnen zu vermitteln, dass die nsa cool ist.

biografie ___ Karin Ferrari wurde 1982 in Meran geboren, lebt und arbeitet zurzeit als Künstlerin in Wien. 2008 schloss sie das Studium der Malerei, Kunst- und Kulturwissenschaften an der ­Akademie der bildenden Künste in Wien mit Auszeichnung ab. Von 2008 bis 2010 arbeitete Ferrari für zwei Jahre als kuratorische Assistentin für Design im MAK, dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien. Ihre Arbeit wurde bei internationalen Ausstellungen und Festivals gezeigt: bei der V Moscow International Biennale for Young Art, im Blickle Kino im 21er Haus Wien, im Royal Military Museum in Brüssel, im Volkskunstmuseum Innsbruck und in einigen österreichischen Galerien. 2016 entstand ihre Webserie DECODING (THE WHOLE TRUTH), welche versteckte Botschaften in Musikvideos und TV-Clips aufdeckt. Dabei wurde „DECODING Die Intros der ZiB (THE WHOLE TRUTH)“, eine Analyse und ­Interpretation der Signaturen der Nachrichtensendung ‚Zeit im Bild‘, für das österreichische Fernsehen im Rahmen der Sendung „ORF III Artist in Residence - Pixel, Bytes & Film“, produziert.

„DECODING Katy Perry's Dark Horse“

www.karinferrari.com


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darstellende kunst

Ruotare per creare È meraviglioso come il caleidoscopio riesca a comporre immagini complesse e sempre nuove con pochi pezzetti di vetro colorato. Perché il meccanismo sia in grado di stupire continuamente, è necessario farlo ruotare. Nella forza creatrice del movimento il Rotierendes Theater, il “teatro rotante”, trova la sua forza artistica. TEXT ___ Mauro Sperandio  FOTOS ___ Rotierendes Theater / Lorenzo Colombi

Viktoria, 28 anni, di Varna. Professione: attrice.

“Il teatro è il posto in cui posso t­ uffarmi in me stessa, scoprendo le possibilità e i limiti del mio corpo, della mia voce. Sul palco mi misuro con le mie emozioni e con la mia capacità di arrivare al pubblico. Ogni spettacolo è un esperimento di azione e reazione. Mi è capitato di piangere durante le prove per il grande coinvolgimento emotivo, come anche di divertirmi tantissimo per quello che tutti assieme siamo riusciti ad esprimere sul palco”. Anton, 24 anni di Bressanone. Professione: giornalista.

“Di mestiere faccio il giornalista e ho sempre visto il teatro come un posto in cui posso esprimere idee che non posso trasmettere con la scrittura. Ci sono emozioni e concetti che solo a teatro trovano il loro naturale mezzo di espressione. L’immediatezza del contatto con il pubblico e la possibilità di toccare con mano le sue emozioni sono le meraviglie della recitazione. Più che dalle mie emozioni sono appagato da quelle che prova il pubblico”.


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Ogni spettacolo è un esperimento di azione e reazione. Queste due differenti visioni colgono insieme l’essenza del fare teatro. Ma come si “fa teatro”? A quali necessità deve far fronte una giovane compagnia teatrale indipendente? Viktoria e Anton sono la presidentessa e il vicepresidente del Rotierendes Theater, associazione culturale che riunisce venti giovani tra i diciotto e i trent’anni, accomunati dalla passione per il palcoscenico. Se il teatro con i suoi spettacoli rappresenta lo specchio della ­società, nel caso del Rotierendes questo legame con il presente, le difficoltà e le opportunità che lo caratterizzano, è ancora più forte e diretto. “Flessibile, dotato di varie competenze, interessato al continuo aggiornamento e alla crescita professionale, attitudine al problem solving, disposto a spostamenti frequenti”: sembra l’incipit di un annuncio di lavoro, ma in realtà si tratta delle caratteristiche uniche di questa compagnia teatrale. I Rotierendes non hanno ruoli fissi, di anno in anno e di

spettacolo in spettacolo si sceglie chi ­dovrà recitare, chi si occuperà delle scenografie, dei costumi e di tutto ciò che serve per andare in scena. «Abbiamo vari talenti e volevamo metterli tutti a frutto!» mi dice divertita Viktoria. Tuttavia, mi spiega Anton, un direttore artistico che decida gli spettacoli da portare in scena c’è, ma l’apertura ai suggerimenti e alle proposte di tutti è garantita. A parte Viktoria, l’unica attrice di mestiere, non ci sono altri professionisti; per questo motivo, fin dalla costituzione della compagnia nel 2012, sono sempre stati previsti dei momenti di formazione e di condivisione delle personali competenze. Una volta all’anno, poi, tutta la compagnia si ritrova per un ritiro di tre giorni sul Renon, per affinare le tecniche di recitazione e analisi dei testi con l’aiuto di professionisti. Se la compagnia è “rotierendes” rotante, in movimento - nei ruoli, per

quanto riguarda la sede in cui provare gli spettacoli, un po’ di stabilità invece c’è. Dopo anni alla ricerca di uno spazio proprio, la compagnia ha trovato da qualche tempo un’ampia cantina che il comune di Chiusa ha messo loro a disposizione ad una cifra simbolica. Lo spazio concesso dall’amministrazione della “città degli artisti” è stato un aiuto non da poco, perché il salvadanaio di una compagnia teatrale che, a parte un finanziamento della Provincia e i proventi degli spettacoli, può contare solo su se stessa, è difficilmente pieno... «La nostra fortuna» dice Anton «è che tra noi tutti riusciamo a coprire le ­necessità della compagnia. Siamo molto parsimoniosi in tutto ciò che facciamo. Le nostre scenografie sono essenziali e cerchiamo soluzioni ingegnose, che ci permettano di non superare i nostri piccoli budget. Il lavoro di segreteria e amministrativo, che è quasi quotidiano, viene svolto dal consiglio direttivo, fortunatamente non dobbiamo pagare nessuno per


darstellende kunst

queste attività». Un aiuto per vari servizi e nella gestione dei diritti degli autori è fornito dal Südtiroler Theaterverband, ­ ­l’unione teatrale sudtirolese. Anton e Viktoria ridono. Loro ­compongono i due terzi di questo consiglio direttivo e ben conoscono l’impegno che questo ruolo richiede… Tuttavia mi dimostrano come la fatica sia un aspetto trascurabile, a fronte delle tante soddisfazioni e del piacere di lavorare tra amici. Si dice che la necessità aguzzi l’ingegno, in questo caso arricchisce anche l’arte di chi recita, sottolinea Viktoria: «Un palco “povero” ci porta a dover lavorare con più impegno nella creazione di un’immagine per il pubblico. Ciò che non c’è fisicamente in scena lo dobbiamo creare con la nostra presenza». Guardando il calendario degli spettacoli del Rotierendes Theater, mi ­accorgo di quanto vari siano i non-palcoscenici che hanno ospitato i loro spettacoli: strade, garage, locali, musei, il cortile di un centro psichiatrico. Mi raccontano

di come, non essendo vincolati ad una struttura, hanno la possibilità di scegliere per ogni spettacolo il luogo e l’ambientazione più adatti. Il non avere un teatro di riferimento da riempire e mantenere concede alla compagnia una grande libertà. Il pubblico in questo modo è sempre diverso e gli affezionati sono sempre incuriositi dalle nuove ambientazioni e dalle nuove soluzioni adottate. Non crediate, però, che una compagnia teatrale di giovani debba avere necessariamente un pubblico di coetanei: agli spettacoli del Rotierendes ci sono persone di ogni età e, tra le attività promosse, laboratori e rappresentazioni dedicate ai bambini. Ma come si conquista un pubblico così vasto? Grazie ad una scelta di testi mai scontata, che si snoda tra commedie leggere e drammi esistenziali, con un occhio ad una realtà così complessa come quella attuale che può essere indagata ­attraverso testi di altri tempi. Sofocle, Shakespeare, Schnitzler, Garcia Lorca e numerosi contemporanei diventano

a­ utori “odierni”, come se avessero scritto i loro testi poco prima di andare in scena, con i tempi del giornalismo. Ai ragazzi e alle ragazze del Rotierendes Theater, che con il loro lavoro guardano al futuro, con un presente fatto di solido impegno chiedo: quale teatro è doveroso fare in quest’epoca, in quest’oggi che sembra eterno? «I temi che ci interessano e che ­vogliamo entrino nella nostra attività sono quelli dell’attualità: il lavoro, l’immigrazione e l’integrazione. Se decidessimo di stare lontano da questi argomenti, faremmo un teatro di solo intrattenimento, che smetterebbe di coinvolgere e far riflettere il pubblico».

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68-69

Was bedeutet der Name „Rotierendes ­Theater“?

Hinter dem Namen „Rotierendes Theater“ steckt ein Konzept, nach dem wir ver­ suchen, unseren Verein zu organisieren. Es gibt keine fixe Rollenverteilung. ­Niemand ist nur Schauspieler oder kümmert sich nur um Technik und Licht. Wir rotieren in unseren Aufgabenbereichen, sodass jeder verschiedene Aufgaben übernimmt und kennenlernt. Wie ist eure Theatergruppe entstanden?

Unser Verein ist mit ein paar mutigen, leicht verrückten Menschen gestartet, die das Gefühl hatten, etwas Neues wagen zu wollen. Es wurde hin und her überlegt und abgewogen – doch von Anfang an war allen klar: Das wird was. So starteten wir nach bürokratischen Hürden und mit viel Motivation ins erste eigene Stück. Was würde sich dafür besser eignen, als der gute alte Hamlet? ;-) Und schon bei unserer ersten Produktion sollte das Statement nicht fehlen: Wir ver­ wandeln Hamlet in Telmah – eine Frau!

Alle vereinte und ­vereint noch heute die Leidenschaft für gutes Theater und die Freude am Beisammensein. Wie würdet ihr euer Engagement gegenüber dem Publikum beschreiben?

Die auf der Bühne gemachten Erfahrungen bereichern uns auch im Leben. Unser ­Auftreten, unser Körpergefühl und der Umgang mit Sprache werden dadurch stetig weiterentwickelt.

Was wollt ihr den Menschen vermitteln,

Welche Ziele setzt ihr euch

die eure Vorstellungen besuchen?

für die Zukunft?

Wir möchten unser Publikum mit auf eine Reise nehmen, auf der es seinen Alltag sowie Raum und Zeit für ein paar Stunden vergisst und in eine andere Welt eintauchen kann. Wir möchten unsere Zuschauer zum Lachen und zum Weinen bringen, aber auch zum Nachdenken und Reflektieren.

Wir wollen rotieren, Altes überdenken, Neue/s dazu holen, Stehengebliebenes aufarbeiten, Lücken füllen, Hürden niedertrampeln und mit Energie und Überzeugung überrennen. Diskussionen möchten wir auslösen, Gefühle und Gedanken ausdrücken, Mauern zerschlagen, Widersprüchliches zu- und Langeweile nicht zulassen, uns ständig weiter bilden, nicht stehen bleiben, uns verbessern und verändern. Wir wollen alte Kreise schließen und neue öffnen, wach sein, probieren probieren probieren, auch scheitern ­können, uns Herausforderungen stellen, Neues annehmen, Gelerntes weitergeben, das Level erhöhen, offen sein und bleiben. Wir wollen neue Denkansätze

Was hat euch das Publikum in diesen Jahren zurückgegeben bzw. wie sehr hat euch die Bühnenerfahrung bereichert?

Das Publikum ist der Grund, warum wir Theater machen. Es gibt uns Wertschätzung für die investierte Arbeit und Zeit und trägt angestoßene Gedankengänge im besten Falle weiter. Das ist zwar nicht messbar, aber immer wieder spürbar.


darstellende kunst

s­ uchen und umsetzen, Texte/Stücke/Aussagen fühlen, authentisch sein, mental ­wachsen, unser Publikum auf neue Reisen mitnehmen, es berühren, flashen, schockieren und provozieren. Für uns selbst gilt: Wir möchten wachsen, neue Leidenschaften erwecken und vor allem Gefühle ausschütten: lachen, weinen, schreien, zerbrechen, fliegen, fallen, aufkommen und zum Schluss loslassen.

info ___ L’associazione culturale Rotierendes Theater nasce a Varna nel 2012, per iniziativa di una dozzina di giovani tra i diciotto e i venticinque anni della valle Isarco, accomunati dalla voglia di fare teatro emozionando, intrattenendo, facendo riflettere e stimolando l’approfondimento. Il loro debutto ha visto l’Hamlet shakespeariano trasformarsi in una eroina femminile di nome Telmah, annunciando fin da subito che quel “rotante” del loro nome è un vero e proprio manifesto artistico. Ogni spettacolo vede il rimescolamento di ruoli tra palco e dietro le quinte, ogni scenografia è una sfida a trovare la soluzione meno banale, ogni occasione è

Nennt einem jungen Menschen, der noch

buona per scambiarsi pensieri, saperi ed emozioni: proprio come deve essere in un

nie im Theater war, drei gute Gründe, um

gruppo di giovani amici che mettono anima e corpo nel coltivare una passione con-

eure Vorstellungen zu besuchen.

divisa. Oggi, che gli amici sono venti e gli spettacoli realizzati ben quindici, l’attività

Da wären Neugier, Offenheit und ­Un­voreingenommenheit für neue Per­ spektiven und Ansichten – weil nie Alles über Etwas gesagt ist.

del “Teatro Rotante” ha radici solide e rami scossi dal vento della creatività. Ma chi sono le ragazze e i ragazzi del Rotierendes Theater? Verena Dariz, Mirjam Falkensteiner, Beate Gatterer, Hanna Gfader, Joachim Goller, Fabian Hagen, Jakob Kasseroler, Jasmin Kerschbaumer, Alexander Markart, Manuela Manfredi, Kathrin Meraner, Josefine Obermarzoner, Viktoria Obermarzoner, Kathrin Ploner, Andrea Rabensteiner, Anton Rainer, Manuel Saxl, Lara Sigmund, Theresa Velicogna, Thomas Wachtler www.rotierendestheater.org facebook.com/rotierendes.theater


70-71 Europa gibt es nicht und hat es nie gegeben. Europa ist eine Erfindung. Europa ist eine Utopie. Wem gehört Europa? Es gehört niemandem. Es gehört uns. Wo fängt Europa an? Wo hört es auf? Europa ist überall. Europa ist nirgendwo. Wir sind Europa.

EU-TOPIA

Ein freies Europa ohne Grenzen. Ein Europa des freien Denkens. Ein Europa der Vielfalt und des Friedens. Ein Europa, das die Gleichheit der Menschen bedingungslos anerkennt. Ein Europa, das im Sinne seiner Bürger*innen handelt. Ein Europa, das die ungezügelte Gier der Wirtschaftskonzerne im Zaum hält. Ein Europa, das Ausbeutung und Unterdrückung abwehrt. Ein Europa, das die Demokratie verteidigt. Ein Europa, das sich helfend öffnet, für all jene, die Schutz brauchen oder ein besseres Leben suchen. Europa, ein Land, in dem Träume für jeden gleichermaßen wahr werden dürfen.

Dieses Europa gibt es nicht. Noch nicht. Wir müssen Europa wiederfinden. Wir müssen Europa eine neue Geschichte schreiben. Wir müssen Europa kennenlernen. Wir müssen Europa lieben lernen. Wir müssen Europa träumen.

Wir müssen Europa verändern.


gastbeitrag INFO ___ 39NULL ist ein ideologisch und politisch unabhängiges Kultur- und Gesellschaftsmagazin, das nach Südtirol und weit über seine Grenzen hinaus blickt. 2013 erstmals vom Vinschgauer Verein Kognitiv publiziert, wird es zwischen Südtirol und Berlin ausgearbeitet und erscheint einmal jährlich als fundiertes, mehrsprachiges Themenheft mit anspruchsvollen Inhalten und einem klaren Layout. 39NULL schaut hin, hört zu, stellt Fragen, kritisch, hellwach, zugewandt. Es will Aufmerksamkeit schärfen, informieren ohne zu belehren, und komplexe Inhalte zugänglich und verständlich auf­ bereiten. 39NULL reflektiert den Zeitgeist, befragt Akteure des kulturellen Lebens, erzählt persönliche Geschichten und beleuchtet unterschiedliche Standpunkte. Chefredaktion: Martin Santner Redaktion/Lektorat: Björn Brodowski, Martina Wunderer Redaktion: Verena Wisthaler Artdirektion/Grafik: Julia Egger Bildredaktion: Nadine Torneri, ­Magdalena Walpoth Kontakt: 39NULL Verlag Karl-Marx-Straße 16 D-12043 Berlin F +49 (0)177 19 79 471 www.39NULL.com mail@39NULL.com 39NULL hat als Partner das Projekt „Summer School für dramatisches Schreiben“ der Südtiroler Literatin Maxi Obexer Ende Juli 2016 im Schloss Velthurns unterstützt und begleitet. Der Text fasst die G ­ edankensplitter aus Martin Santners Notizbuch zusammen und versucht, den Prozess, das Hermes, Gott des Verkehrs,

Er­arbeiten, das Diskursive, das

der Reisenden und Flüchten-

Widersprüchliche, die Fragen ein­

den, aus der Serie „Hermes is

zufangen, auf die er und die Teil­

Bleeding“, © Milena Carstens,

nehmenden des Workshops versucht

2011/2012.

haben, Antworten zu finden. Weitere Informationen: www.nids.eu


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Es gibt nichts Gutes, auSSer man tut es Unter diesem Motto stand der schulinterne ­Wettbewerb „AsyLand – Mein Haus“ der Fach­ oberschule für Bauwesen im Schuljahr 2015/16. ­Insgesamt wurden drei Maturaklassen dazu ­eingeladen, eine flexible und mobile Wohnunterkunft für eine Flüchtlingsfamilie zu entwerfen, zu planen und zu errichten. TEXT ___ Kathrin Schiefer  FOTOS ___ Fachoberschule für Bauwesen

Unvergessen ist das Foto eines toten ­Kindes, welches im August letzten Jahres zum Symbol für das Leid zahlreicher Flüchtlinge wurde, welche – in der Hoffnung auf ein besseres Leben – die gefährliche Reise über das Mittelmeer angetreten hatten. Kurz darauf folgte und blieb bis heute ebenso unvergessen, der Aufruf „Wir schaffen das!“ der Bundeskanzlerin Angelika Merkel nicht nur an Deutschland, sondern an ganz Europa. Dies war für die Architekten und Oberschullehrer Matthias Trebo und Harald Seppi durchaus Ansporn genug, um auch hierzulande ein entsprechend positives Zeichen zu setzen. So entstand die Idee, einen schulinternen Wettbewerb für eine mobile Flüchtlingsunterkunft zu initiieren. Nach Gesprächen mit der Schulleitung

und einigen Kollegen der Fachoberschule für Bauwesen stellte sich bald heraus, dass die Idee Trebos durchaus auf fruchtbaren Boden fiel und zahlreiche begeisterte Unterstützerinnen und Unterstützer fand. Schulinterner Wettbewerb

Nachdem der Wettbewerb im November von der Schule ausgeschrieben worden war, formierten sich aus den drei Maturaklassen insgesamt sechs Projektgruppen, welche allesamt unterschiedliche Entwürfe ausarbeiteten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das Medieninteresse an diesem unkonventionellen Schulprojekt, das den Puls der Zeit absolut traf, sehr hoch. Auf Hochdruck und auch außerhalb der Schulzeiten wurde über einen Monat

lang an den einzureichenden Wett­ bewerbsbeiträgen für den Bau einer mobilen Flüchtlingsunterkunft gearbeitet. Die Anforderungen an die auszuarbeitenden Projekte waren durchaus knifflig, galt es doch, auf knapp 24 Quadratmetern Wohnraum sowohl Schlafen, Kochen, Wohnen als auch Waschen unterzubringen. Da­ neben sollte nicht nur die Unterkunft selbst mobil und erweiterbar, sondern auch ihr Inneres maximal flexibel ­benützbar sein, um dadurch den Bewohnern größtmöglichen Wohnkomfort auf kleinstem Raum zu ermöglichen. Dabei wurden die Schüler nicht nur von ihren Lehrpersonen tatkräftig unterstützt, sondern auch das Haus der Solidarität in Brixen war von Beginn an begleitend dabei, um den Schülern den Alltag und die Lebensgewohnheiten der Flüchtlinge näher zu bringen und damit auch die gesellschaftlichen Aspekte des Pojekts näher zu beleuchten. Schildkröte als Vorbild

Bis 8. Dezember um Punkt 24 Uhr erfolgte die Abgabe der Arbeiten und man erwartete gespannt das Urteil der Jury, welcher neben Designer Benno Simma, Architekt Christian Rübbert, Alexander Nitz (HdS), Hubert Gruber (Aster Holzbau), Kristin Oberrauch (Finstral), Paolo


projekt

­ ertone (­ tis-cluster Holz) auch die SchulB direktorin Ingrid Keim, sowie – als ­Schülervertreter – Martin Putzer angehörten. Vorrangiges Ziel der Jurymitglieder war es, jenes Projekt auszuwählen, ­welches der angestrebten Nutzung als ­autonome, temporäre und mobile (ortlose) Wohn­unterkunft für maximal vier Personen – als Familie oder für vier ­Einzelpersonen – am besten entsprach. Jedoch stellte sich bald heraus, dass die Wahl des Siegerprojekts nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen war, wie zu Anfang gedacht, da alle eingereichten Projekte durchaus ambitioniert waren. Daher gab es in diesem Sinne auch keinen eindeutigen Sieger, sondern vielmehr sechs Sieger und einen „primus inter pares“. Das schließlich ausgewählte Projekt überzeugte die Jury „… mit einem durch und durch schlüssigen Konzept, das den Anforderungen mobilen, temporären Wohnens optimal entspricht. Es weist eine gute Wirtschaftlichkeit und gut durchdachte technische Details auf …“. In Anlehnung an den Panzer einer Schildkröte wollten die Schüler einen entsprechend mobilen Wohncontainer entwerfen, welcher für die Flüchtlinge als Schutz und Rückzugsort gleichermaßen dienen soll und demzufolge auf den Namen TurtleHome getauft wurde. Obwohl sich

die Schüler das Projekt betreffend für ­einen relativ kompakten Grundriss entschieden, legten sie großen Wert darauf, dass der Wohnkomfort dennoch garantiert werden konnte. Dies erreichte man vorwiegend durch flexible Möbel. So können die Sitzmöglichkeiten für den Ess­ bereich beispielsweise gleichzeitig als Couchfläche fungieren, wodurch der Grundriss relativ frei und offen bespielbar bleibt. Damit war ein erster wichtiger Grundstein und eine wichtige Voraussetzung zur Realisierung der mobilen Flüchtlingsunterkunft gesetzt und es galt, den Entwurf nun zu verfeinern. Zu diesem Zwecke und um einen möglichst koordinierten Planungsablauf zu ermöglichen, wurden in weiterer Folge die Schüler der siegreich aus dem Wett­ bewerb hervorgegangenen Klasse in fünf Gruppen unterteilt, welche sich allesamt unterschiedlicher Fachbereiche annahmen. So gab es neben einer Projekt­ leitungsgruppe, auch eine Konstruktionsgruppe, eine Haustechnikgruppe, eine Designgruppe sowie eine Möbelgruppe. Fachgerechte Detailplanung

Nachdem gleich zu Beginn des Jahres die Klimahausmesse in Bozen stattfand, auf der sich zahlreiche Sponsoren des TurtleHome präsentierten, war die Erstellung

eines Flyers eine erste wichtige Aufgabe, derer sich die Designgruppe annahm. Damit konnten sie auf ihr Projekt aufmerksam machen und es gelang ihnen außerdem, zusätzliche Sponsoren zu gewinnen. Nachdem man eine große Anzahl an ­Firmen und Projektpartnern gefunden hatte, galt es nun die diversen Planungsdetails genauer zu besprechen. Ein großes Thema dabei war die Haustechnik, der sich die Gruppe um Rafael Frenademez, Thomas Mantinger und Maximilian ­Trojer annahm. Von der Badezimmer­ planung über Treffen mit der Elektrofirma bis hin zur Entlüftung und Beheizung der Räumlichkeiten – alle diese Themen wurden in enger Zusammenarbeit mit den einzelnen Firmen besprochen und erarbeitet. Wie komplex das Thema der Haustechnik sogar bei der geringen Grundfläche des TurtleHome war, zeigt sich auch darin, dass sich innerhalb der Haustechnikgruppe wiederum Untergruppen bildeten, welche sich auf die einzelnen Teilbereiche, so beispielsweise die Planung und Realisierung der Hauslüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, konzentrierten. Dabei wurden die unterschiedlichen Werkpläne immer wieder nachjustiert, sodass die Ausführung möglichst reibungslos von statten gehen


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ULRICH

Des warn vorschlege für des wsmir dn für dean wettbewerb aui tian.. Sog evtl no vorschlege odr di drei de enk am bestn gfolln…

MICHAEL

Nice

ULRICH

Arno lossch du des detail van max oanfch aso obn.. Odr sollis noaml extra mochn?? ARNO

Jo bo konni schun obnlossn ULRICH

Oke paasst.. Sog mir welche drei enkre favoritn sein dn tua i di sem herrichtn.. ARNO

Olle sein cool ULRICH

Jo obr mir kennen net olle aui tianJ Allör? Infoll dr grenderte container…

MICHAEL

Schein ULRICH

Michi sog drei favoriten… Please… I muas des no herrichtn ... MICHAEL

Es geile olte… Des mit de gmaiertn stianer ARNO

Donn des olte MICHAEL

De rotn, nd holz PETER

I tat jeweils es erste va links…

konnte. Parallel dazu standen bei der für die Konstruktion zuständigen Gruppe nicht nur die Definition der Wandmodule und deren Aufbauten im Vordergrund, sondern auch die statischen Berechnungen, die Fensterdetails sowie die Unterkonstruktion. Für die Konstruktionsgruppe, zu der neben Maximilian Micheloni auch Fabian Obkircher, Jan Telch Porfido und Andreas Treibenreif gehörten, war es insbesondere im Hinblick auf den Transport der vorgefertigten Module wichtig, ein System zu finden, welches einerseits statische Stabilität garantiert, andererseits maximale Flexibilität im Auf- und Abbau der einzelnen Elemente zulässt. Mithilfe von Scharnieren im Verbindungspunkt der L-Module konnte dies relativ gut gelöst werden. Da man nichts dem Zufall überlassen wollte, wurde bereits vorab ein Prototyp der einzelnen Module im Maßstab 1:1 gebaut. Damit konnte die Praxistauglichkeit der technischen Details auf Herz und Nieren geprüft werden.

ULRICH

Also iatz di favs sein: -Oldschool(fenster) - walnuss - hellgrauer naturstoan - des roate gmauerte

Innenraum- und Farbdesign

MICHAEL

Jo

Sobald die Maße der Außenkonstruktion sowie des Badelements feststanden, konnte mit der finalen Ausarbeitung der Möblierung begonnen werden. Diese erfolgte durch Kurt Höller, Stefan Ludwig, Armin Kröss und Gabriel Widmann.


projekt INFO ___ Angesichts der anhaltenden Flüchtlingskrise beschloss die Fachoberschule für ­Bauwesen in Bozen im Herbst 2015, im Rahmen eines schulinternen Wettbewerbs eine flexible und mobile Wohnunterkunft für eine Flüchtlingsfamilie nicht nur zu entwerfen, sondern auch zu planen und umzusetzten. Aus insgesamt sechs eingereichten Entwürfen wählte die Jury schließlich jenen von Gabriel Widmann, Michael Domanegg, Fabian Gaslitter, Patrick Oberleiter und Kurt Höller aus, welche das Projekt gemeinsam mit ihren Klassenkameraden und unter der Leitung ihres Fachlehrers Matthias Trebo planten. Die Umsetzung oblag Schülern der dritten Klasse, als Teil ihres schulinternen Praktikums. Im Zuge der Planung und Ausführung erhielten die Schüler tatkräftige Unterstützung durch die beteiligten Partnerfirmen, darunter Sanika, Karl Pichler, Konrad Messner, Vivatherm, Naturalia, Würth, TIS, Aster Holzbau, Klimahaus, Isodomus, Serima, Pernthaler, Innerhofer, Selectra. Gefördert wurde das Projekt ebenso durch das Deutsche Schulamt des Landes Südtirol, die Stiftung Sparkasse und den Freundeskreis der Geometerschule Peter Anich. Mithilfe gab es auch seitens des Hauses der Solidarität in Brixen. Nähere Informationen zum Projekt unter: asylandunserhaus.blogspot.it www.facebook.com/TurtleHome.Asyland

­ ährend die anderen Gruppen mit mehW reren Firmen zusammenarbeitetet, ­beschränkte sich der Kontakt in Punkto Möblierung auf die Tischlerei Konrad Messner, welche die Schüler von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt begleitete. Die einzelnen Möbel wurden dabei nicht nur bis ins kleinste Detail von den Schülern gezeichnet, sondern sie wurden auch in der Werkstatt des Tischlerei­ betriebs zusammengebaut, sodass sie vor Ort nur mehr in die bestehende Struktur des TurtleHomes eingefügt werden mussten. Die Möblierung selbst ist vorwiegend in weiß gehalten und besteht neben einem hoch- und niederklappbaren Tisch auch aus zwei Hockern sowie einem Sofa, welche zusammen zu einem zusätzlichen Bett umfunktioniert werden können. Ein Schrank dient gleichzeitig als Raumtrennung zwischen dem Wohn- und Schlaf­ bereich. Die Designgruppe, welcher ­Michael Domanegg, Ulrich Kneisl, Peter Lang und Arno Rottensteiner angehörten, beschäftigte sich hauptsächlich mit der Außenhülle, denn es galt natürlich ein möglichst ansprechendes Objektdesign zu entwickeln. Dazu kam – neben der Erstellung der Flyer – auch die Entwicklung eines eigenen Logos, welches einerseits auf den Namen der Flüchtlingsunterkunft verweisen sollte, andererseits die

ästhetische Form der Unterkunft und die Farbgebung beinhalten sollte. Die externe Hülle des TurtleHome besteht aus einer farbig bedruckten Abdeckplane, welche nicht nur die Unterkonstruktion vor Wind und Regen schützt, sondern auch einen wesentlichen Einfluss auf die ästhetische Außenwahrnehmung der Unterkunft hat. Das Farbkonzept, welches in den Tönen grau, weiß und grün gehalten ist, erstreckt sich vom Logo über die Hülle bis hin zur Inneneinrichtung und ist eine Reminiszenz an die Schildkröte, deren Namen (turtle) die Unterkunft trägt. Doch genauso wichtig wie die zuvor genannten einzelnen Planungsgruppen ist das Thema der Projektleitung, deren Aufgabe es war, die einzelnen Teams untereinander zu koordinieren, um somit einen zeitgerechten und reibungslosen Ablauf sowohl in der Planungs- als auch in der Ausführungsphase garantieren zu können. Zu der Projektleitungsgruppe ­gehörten Fabian Gasslitter, Patrick Oberleiter und Peter Spitaler-Atz. Neben der Erstellung der Zeit- und Baustellenpläne, stand für die drei Maturanten auch die Standortsuche für die Flüchtlingsunterkunft ganz oben auf ihrer to-do-Liste. per aspera ad astra

Wie bei jeder Baustelle gab es auch im Falle des TurtleHome keine definitiv

a­ bgeschlossene Planungsphase, sondern es wurden im Verlauf der Ausführung immer wieder einzelne kleine Details geändert bzw. den Anforderungen vor Ort angepasst. So beispielsweise als während des Aufbaus die Stadt Bozen über Nacht plötzlich von einem gewaltigen Unwetter mit starken Regenschauern überrascht wurde. Diese Tatsache stellte nicht nur das Planungsteam, sondern auch die am Aufbau beteiligten Schüler der dritten Klasse vor eine Herausforderung, welche jedoch von allen Beteiligten – wie nicht anders zu erwarten – mit Bravour gemeistert wurde. Für die Schüler war das Projekt TurtleHome ohne Frage eine super Erfahrung als Probe aufs Exempel für das „richtige Leben“ und absolut empfehlenswert auch für andere Schulen, da gerade der Erfolg eines solchen Projekts nicht an Schul­ noten festgemacht werden kann, sondern am Einsatz eines jeden Einzelnen. Ein großer Dank seitens der Schüler geht an die beteiligten Firmen, welche allesamt mit Rat und Tat zur Seite standen und besonders an den Lehrer für Planung und Bauwesen, Baustellenleitung und Arbeitssicherheit, Vermessung, Technologien für die Umweltbewirtschaftung Matthias Trebo, durch den das Projekt erst ermöglicht werden konnte.


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Ohne Theorie keine Revolution

Seit der Eröffnung der Plattform mobiler Kulturinitiativen, kurz p.m.k, ziert eine Neonschrift des Künstlers Christoph Hinterhuber den Barbereich. Der rosa Neonspruch „Ohne Theorie keine Revolution“ bietet einen subtilen Bezug auf das Gesamtprojekt. Die p.m.k ist ein produktives Labor und Plattform zugleich: Sie ist ein Ort des aktiven Diskurses zur permanenten Gestaltung des urbanen Kunst- und Kulturgeschehens. Eine Spurensuche. TEXT ___ Marco Russo  FOTOS ___ p.m.k. / Daniel Jarosch / Stefan Lachinger


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Hotspot Bögen

Wer in Innsbruck spätnachts noch unterwegs ist, um vielleicht mit Freunden ­ergiebig zu feiern oder auch nur ein letztes Glas zu trinken, begibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Viaduktbögen unweit des Hauptbahnhofs. Dort finden besonders Frau und Herr Nachtschwärmer, was deren Herz begehrt. Gemütliche Kneipen, Schnellimbisse, ein TableDance-Lokal und mehrere Pubs und Clubs prägen diesen Hotspot des Innsbrucker Nachtlebens. Eine Besonderheit der ­Bögen besteht zweifelsohne darin, dass die zahlreichen Lokale die unterschiedlichsten Geschmäcker und Interessen im Ausgehverhalten der Besucherinnen und Besucher bedienen. Mit anderen Worten bieten die Bögenlokale ein buntes Konzentrat von Ausgehmilieus und Ausgehkulturen. Dieser Aspekt äußert sich vor allem darin, dass Kennerinnen und ­Kenner der Szene in dieser Straße gezielt ihren Wünschen und Interessen nach­ gehen können. In den Bögen herrscht

nämlich so etwas wie eine stillschweigende Gesetzmäßigkeit, was den Veranstaltungs- und Angebotscharakter der einzelnen Lokale betrifft. Und das auch jenseits des Wochenendtrubels. Denn: Am Mittwoch ist Deep Jackin’ Acid mit DJ Pferd im project angesagt, im Down ­Under nebenan werden jahrein, jahraus immer dieselben Songs gespielt, am ­Wochenende ist vor Mitternacht in der Tante Emma so gut wie nichts los (das Lokal füllt sich erst allmählich ab 2 Uhr), im Plan B begeistern oft DJs aus Berlin das Innsbrucker Publikum und das Babalon ist der Treffpunkt der Innsbrucker Kunstund Kulturschaffenden. Inmitten dieser „Meile der ­Artenvielfalt“ jedoch, genau genommen von Viaduktbogen 18 bis 20, gibt es ein ­Lokal, das sich der Rhythmik und Logik der Innsbrucker Nachtszene entzieht. Es ist dies die Plattform mobiler Kultur­ initiativen, besser bekannt unter ihrem Kürzel p.m.k.

La grande famiglia

Die p.m.k gehört zu den wichtigsten städtischen Veranstaltungs- und Aus­ tragungsorten und wird im Jahr rund 150 Mal bespielt. Seit ihrer Eröffnung im Juli 2004 gastierten in ihren Räumlichkeiten über 2.500 Künstlerinnen und Künstler aus nah und fern und ihr Renommee ist inzwischen weit über die Grenzen des Landes Tirol und Österreich hinaus ­bekannt. 2008 wurde das Veranstaltungszentrum von den Hörerinnen und Hörern des ORF-Radiosenders FM4 österreichweit zur besten Location des Jahres gekürt und 2014 wurde anlässlich des zehnjährigen Bestehens das alljährliche Straßenfest „Offen und herrlich“ unter dem Motto „Leaving the 20th Century ­behind“ gestellt und besonders pompös zelebriert (was es mit diesem Motto auf sich hat, werde ich im Laufe dieses Beitrags noch genauer erörtern). Noch im selben Jahr, genau genommen im November 2014, wurde schließlich im Rahmen der Initiative „Premierentage – Wege zur


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„Heart of Noise Festival“ Warm Up

Kunst“ die 272 Seiten starke Jubiläums­ publikation „p.m.k – 10 Jahre“ der Öffentlichkeit präsentiert. Dieses Buch – das im p.m.k-Büro erhältlich ist – versteht sich als Zusammenführung der Entstehungsgeschichte und Entwicklung dieser in ­Österreich einzigartigen Location. Gehen wir nun dieser Einzigartigkeit auf den Grund … Wie eingangs erwähnt, lässt sich die p.m.k im Vergleich zu anderen Lokalen – die in ihren Darbietungen mehr oder minder einer einheitlichen Linie folgen – nicht ohne weiteres einordnen. Dies hat vordergründig damit zu tun, dass die p.m.k kein Veranstaltungszentrum im herkömmlichen Sinne ist, sondern vielmehr das was ihr Name ausdrückt: Die p.m.k ist eine Plattform für Kulturinitiativen aus der Basis, also aus der Bevölkerung heraus. Wie ist das zu verstehen? Die p.m.k ist ein Dachverband, also ein Zusammenschluss von 32 Mitgliedsvereinen, die für die eigentliche Bespielung der Location verantwortlich sind. Der Dach-

verband organisiert lediglich zwei öffentliche Veranstaltungen im Jahr: Das oben angeführte Straßenfest im Sommer und den p.m.k-Ball im Winter. Neben diesen Veranstaltungen gibt es natürlich vereinsübliche interne Veranstaltungen als Dankeschön für die zahlreichen Hände und Köpfe, die ehrenamtlich und unentgeltlich für das Abenteuer p.m.k arbeiten (z. B. Weihnachtsfeiern und Grillage). Dieses große und durchaus kreative Team wird immer wieder von Geschäftsführerin und p.m.k-Mitbegründerin Ulrike Mair liebevoll „la grande famiglia“ genannt. Die strukturelle Beschaffenheit der p.m.k hat zur Folge, dass der Veranstaltungsort keine einheitliche Linie in ihren wöchentlichen Darbietungen ­aufweist. So kann man beispielsweise in der p.m.k Konzerten mit klassischer Band­b esetzung (Schlagzeug/Gitarre/ Bass/­Gesang) beiwohnen, genauso wie Aus­s tellungen, Theateraufführungen und Performances besuchen, Soundinstallationen betrachten (wie dies z. B. im

­Rahmen des Heart of Noise Festivals 2016 der Fall war), aber auch Vorträge und Literaturveranstaltungen anhören. Daraus ergibt sich wiederum die genre- und generationsübergreifende Ausrichtung der p.m.k. Als gemeinnützige Organisation wird die p.m.k von ehrenamtlichen aber auch hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt und verwaltet. Das Kernteam setzt sich zusammen aus Chris Koubek (Geschäftsführender Obmann), Ulrike Mair (Geschäftsführung), Christine Petschauer (Grafik und Online), Florian Anich (Tontechnik), Peter ­Chiochetti und Elmar Schaber (Webmaster), Michael Gassebner (Hausmeister) und last but not least Jörg Puttinger (Reinigung). Außerdem gibt es den p.m.k-­ Vorstand, der im Rahmen der Vollversammlung gewählt wird und für die wichtigen inhaltlichen, or­ ganisatorischen und infrastrukturellen Belange der Location verantwortlich ist. Dieser ­besteht aus Mitgliedern einiger p.m.k-Vereine: Maximilian Thoman (me-


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dien.kunst.tirol), Roland Wurzer (Bühne Innsbruck), Stefan Meister (Verein Heart of Noise), Augustin Unterweger (Innpuls) und Chris Koubeck, als Vertreter der ­Geschäftsführung. Wer in der p.m.k etwas veranstalten möchte, muss entweder ein Mitgliedsverein sein oder als externe Einzelperson, Institution oder Gruppe mit einem der p.m.k zugehörigen Vereine kooperieren. Die Aufnahme eines neuen Vereins wird in Absprache mit allen Vereinen diskutiert und entschieden. Besonders Wert gelegt wird in diesem Aufnahmeverfahren darauf, dass der aufzunehmende Verein auch stilistisch etwas „Neues“ für das Haus p.m.k anbieten kann. Für die Benutzung und Bespielung der Räumlichkeiten (Bar-Bogen / Konzert-Bogen / BackstageBereich mit integrierter Küche im BüroBogen) wird eine Miete eingehoben. Das p.m.k-Büro tätigt im Vorfeld beim Getränkelieferanten die Einkäufe auf ­ ­Provision und die einzelnen Veranstalterinnen und Veranstalter bezahlen

lediglich den effektiven Getränkekonsum zum Einkaufspreis. Die Bareinnahmen kommen schließlich den einzelnen Veranstaltervereinen zugute, denen es wiederum überlassen ist, ob und wie viel Eintritt sie für die Veranstaltung verlangen. Die diversen behördlichen Abgaben (z. B. akm-Steuer) erfolgen ebenso durch das p.m.k-Büro. Die p.m.k, die von Stadt, Land und Bund subventioniert wird, kooperiert mit diversen Firmen und Einrichtungen auf lokaler Ebene und hält sich finanziell durch die Einnahmen der großen Veranstaltungen über Wasser. Leaving the 20th Century behind …

Heute ist die p.m.k eine etablierte und ­beliebte Einrichtung, wohlwollend an­ genommen sowohl von der Bevölkerung als auch von Seiten der Politik. Dass dies jedoch nicht immer der Fall war, zeigt vor allem die turbulente Entstehungs­ geschichte. Das Motto des Straßenfests 2014, „Leaving the 20th Century behind“, fasst

gewissermaßen den Entstehungsprozess der p.m.k zusammen. Das 20. Jahrhundert hinter sich zu lassen heißt in diesem Fall, neue Wege zu beschreiten und Experimente sowie Konzepte des künstlerischen und kulturellen Alltags zu erproben, die sich aus der konkreten urbanen und gesellschaftlichen Konstitution der Stadt Innsbruck ergeben. Ein Blick auf das Subkulturarchiv Innsbruck (www.subkulturarchiv.at) genügt, um festzustellen, wie sich in Tirol, vor allem aber in Innsbruck, die Jugend-, Sub- und Gegenkultur von 1955 bis 2000 entwickelte. Wichtige Referenzpunkte für diese kulturellen ­Bewegungen, die sich dezidiert von der autoritären und totalitären älteren Generation emanzipieren wollte, waren Orte wie beispielsweise die MK Innsbruck (ein vom Jesuitenorden geleitetes Jugendzentrum in der Angerzellgasse), das besetzte Haus Haven auf dem heutigen Areal des vaz-Hafens und schließlich das Kulturzentrum Utopia – um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Orte waren Treffpunkte


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für kritische Diskussionen sowie Brutstätten zahlreicher künstlerischer und kultureller Produktionen. Um das Jahr 2000 jedoch waren diese Räumlichkeiten entweder bereits Geschichte (Haven), mussten allmählich anderen Strukturen weichen (MK) oder Konkurs anmelden (Utopia). Das damals bereits aktive Treibhaus befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Umbauphase, sodass der freien Kunst- und Kulturszene Innsbrucks wider Willen die geeigneten Strukturen abhanden kamen. Aus dieser Not machte man eine Tugend: 2001 schlossen sich einige Vereine zu einem Forum zusammen, das sich alsbald den Namen „Plattform mobile Kulturinitiativen“ gab. Ziel dieses Forums war es, das gewissermaßen Unsichtbare und nicht Vorhandene, nämlich die geeignete Infrastruktur, sichtbar und vorhanden zu machen, vor allem aber Bevölkerung und Politik diesbezüglich zu sensibilisieren. Mitglieder des Forums waren großteils in der p.m.k heute noch aktive Organisationen wie v.ak.u.u.m.,

Workstation, Cat Records, Projekt Freiraum, DJ aus Mitleid, Grauzone, Kunst & Co., ihr Sprachrohr waren Ulrike Mair und Chris Koubek. Nach jahrelangen Diskussionen, Protestmärschen, mehreren Zu- und Absagen von Seiten der ­Politik, Höhepunkten und Niederlagen, bewilligten schließlich Stadt und Land eine jährliche Finanzierung. Im Jahre 2004 wurden schließlich die Räumlichkeiten in den Viaduktbögen angemietet und die p.m.k konnte fortan ihr Abenteuer beginnen.

INFO ___ p.m.k. Entstehung: 2001 Gründung des Vereins Plattform mobiler Kultur­ initiativen, Juli 2004 Eröffnung des p.m.k Kulturzentrums in den Viaduktbögen Anzahl der Mitgliedervereine: 32 Räume: Drei Viaduktbögen von Nummer 18 bis 20, jeder 100 Quadratmeter groß. Büro und Backstage (Nr. 18), Konzertraum und Bar (Nr. 19 und Nr. 20) Bühnenmaße: 53 × 31 Meter Miete für Veranstaltungen: 180 Euro, nur über Mitgliedervereine möglich, Durchschnittliche Konzerte im Jahr: 150 Viaduktbogen 18, 6020 Innsbruck www.pmk.or.at www.facebook.com/pmk.innsbruck


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und Kunst ist eine Sprache, die jeder auf einer intuitiven Ebene verstehen kann. Mode ist eine ganz persönliche, künstlerische Ausdrucksform.

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Kreativität ist ein Zustand.

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Die gebürtige Berlinerin Katrin Böge ist Mutter dreier Kinder und lebt seit 16 Jahren in Bruneck. Die ausgebildete Kostüm- und Bühnenbildnerin war freischaffend am Kreativität ist etwas Intimes, wenn ich eingeigelt in meinem

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„Näh dich glücklich“ im Atelier B

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Stadttheater Bruneck tätig und hat dort auch eine Schauspielausbildung an der ­Europäischen Theaterschule absolviert. Sie konzeptioniert Bühnenbilder, entwirft Kostüme für Theater- und Filmproduktionen und fertigt seit einem halben Jahr im Atelier B im Herzen Brunecks ihre eigene Modelinie „Böge“ an. Mit dem Projekt „Näh dich glücklich“ führt sie in einfachen Kursen Stoff- und Modeliebhabende in die kreative Kunst des Nähens ein. Über den eigenen künstlerischen Ausdruck erzeugen die Teilnehmenden dabei nachhaltige Mode und erfahren das erfüllende Gefühl des „Selbermachens“. www.facebook.com/ATELIER.B.bruneck


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MUSIK

Ein Ensemble für die Musik unserer Zeit Carolin Ralser, Hannes Kerschbaumer und Philipp Lamprecht sind viel ­beschäftigte Leute. Neben Orchester-­ Engagements, Konzertreihen ­mittelalterlicher Musik, Austausch­ projekten mit China oder Tagen der Avantgarde-Musik widmen sich die drei Südtiroler seit zwei Jahren vor allem ­einem Vorhaben, das im Lande seinesgleichen sucht und für welches sie sich gleichermaßen begeistern: das Ensemble Chromoson. TEXT ___ Maximilian Mayr  FOTOS ___ Michael Pezzei FOTO S.  76 ___ Ensemble Chromoson / Gregor Khuen Belasi

Im Sommer 2014 habt ihr das Ensemble gegründet. Wie kam es dazu? Carolin: Wir arbeiten

als Ausführende und Komponisten im Bereich der Neuen Musik, die eine Fülle unterschiedlicher Strömungen mitteleuropäischer Musik von etwa 1910 bis zur Gegenwart vereint. Unser Schwerpunkt liegt in der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Dadurch haben wir sehr ähnliche Interessen, gemeinsame Vorhaben und denken in dieselbe Richtung. Wir fanden es spannend, ­unsere Arbeit, die wir bisher vorwiegend im Ausland machten, auch zu Hause zu präsentieren. Ein Ensemble für Neue Musik, wie es sie z.B. in vielen Bundesländern in Österreich und Deutschland gibt, fehlt in Südtirol. Somit betreten wir hier mit unserer Gruppe Neuland.

Wie seid ihr auf den Namen „Chromoson“ gekommen? Carolin: „Chroma“ heißt auf Griechisch Farbe und „Sonus“ im Lateinischen Klang. Die Wortschöpfung „Chromoson“ bedeutet also „Farbklang“.


86-87

Wie habt ihr euch in den zwei Jahren eures Bestehens entwickelt? Was würdet ihr heute eventuell anders machen? Philipp: In Italien sind die rechtlichen Be-

stimmungen sehr schwerfällig. Wenn man als Kunstschaffender begeistert eine Idee präsentiert, fällt erst einmal die rechtliche Keule auf einen nieder. Das ­österreichische Vereinsrecht ist im Vergleich dazu viel einfacher. In Südtirol ist das eine große Erschwernis, v. a. am Anfang bedeutete es für uns eine große Hürde. Carolin: In diesen ersten Jahren unserer Tätigkeit ist es uns gelungen, einige spannende Projekte auf die Beine zu ­ s­tellen, welche uns auch den Ansporn für größere Projekte in der Zukunft geben. Dabei haben wir versucht, die uns wichtigen Elemente zeitgenössischer Musik wie das Arbeiten an der Schnittstelle z­ wischen instrumentaler und elektronischer ­Musik, Interdisziplinarität, internatio­ naler Austausch sowie die zeitgemäße ­Präsentation von Werken und Konzeptionen umzusetzen. All dies soll über die Jahre hinweg erweitert und per­ fektioniert werden. Konzerte in Hongkong, Kroatien und

Wien bestätigen uns in unserem Vorhaben und in der Art der künstlerischen Umsetzung. Dass in Zukunft Veränderungen innerhalb des Ensembles notwendig sein werden, sehen wir als natürlichen und notwendigen Prozess in der Findung und Ausformulierung des miteinander Arbeitens und Kunst Machens. Weil wir gerade bei dir sind, Philipp: Du bist ja gelernter Hotelkaufmann. Warum widmest du dich der Musik? Philipp: Ich komme aus einer musikalisch

bewanderten Familie. Mit Vierzehn wollte ich Koch werden, doch während meines ersten Praktikums habe ich gemerkt, dass das einfach nichts für mich ist. (Lacht)

­ berschreiten. Aber das macht uns ja ü ­irgendwie auch authentisch. Carolin: Ich habe vier Geschwister und zu Hause hieß es immer: „Macht das, was euch Freude bereitet!“ Ich wollte immer Flöte spielen und hatte auch Talent dafür. So hat es langsam begonnen. Hätte die musikalische Karriere nicht geklappt, hätte ich mich wahrscheinlich für ­Archäologie oder Biologie interessiert. Nach Jahren der Orchesterarbeit habe ich festgestellt, dass mir der kreative Bereich eher liegt. Ein Findungsprozess, der Jahre dauerte. Mit eurem Ensemble verfolgt ihr verschiedene Themenstränge wie ­„Chromoson Education“, „Chromoson in

Wie war das bei euch, Carolin und Hannes?

Residence“ und „Chromoson Project“.

Wie habt ihr zur Musik gefunden?

Wofür stehen diese Begriffe?

Hannes: Im Nachhinein denke ich mir

Carolin: Wir versuchen, Musik auf kreative Weise zu vermitteln. Mir persönlich sind dabei Projekte mit Kindern sehr wichtig, d.h. mit ihnen komponieren, improvisieren und Stücke auf die Bühne bringen, die ein junges Publikum ansprechen. Das verstehen wir unter „Chromoson Education“. Ende Juli gaben wir einen Improvisations-Workshop für Kinder beim ersten

manchmal, ob ich nicht etwas anderes hätte studieren sollen. (Lacht). Aber die entscheidende Frage ist doch schluss­ endlich jene, wie ich mich am besten verwirklichen kann, auch wenn es ­ schwer wird. Wir Künstler sin­ d in einem ­Grenzland unterwegs, wo es gilt, ständig Grenzen auszuloten und zu


musik

„Respiro“ Ensemble Chromoson

Europaregionalen Alpen Classica Festival im Val di Sole im Trentino. Weiters haben wir im Rahmen der Veranstaltung ­„hörbar! – tag der neuen musik“ Vorträge zum Thema „Neue Musik im Instrumentalunterricht“ gehalten und versucht, Lehrkräfte für die Neue Musik zu sensibilisieren. Für 2017 planen wir gerade ein Musiktheater-Projekt für Kinder. Hannes: Das Projekt „Chromoson in ­Residence“ bezieht sich v. a. auf „hörbar! tag der neuen musik“, den ich seit 2014 mit dem Südtiroler Bildungszentrum veranstalte und künstlerisch leite. ­ ­Chromoson hat dort bisher zweimal am Thema der Veranstaltung orientierte Werke aufgeführt und wird auch bei der nächsten Ausgabe dabei sein. Im ersten Jahr lag der Schwerpunkt auf elektroakustischer Musik, im vergangenen Jahr stand der österreichische Komponist Klaus Lang im Zentrum und im nächsten Jahr wird der Schwerpunkt wahrscheinlich rund um das Thema „Transkription“ kreisen. Philipp: Unter „Chromoson Project“ fallen mehrere Vorhaben. Eines davon ist die „Austrian Hong Kong Composers ­Connection“, ein Austauschprojekt, das

Carolin gemeinsam mit österreichischen Komponisten initiiert hat. Hannes: Eigentlich ist jedes unserer ­Konzerte eine Art „Projekt“, das wir unter ein Thema stellen. Z.B. „Respiro“ mit Musik von Salvatore Sciarrino oder „Aeria“, welche das Arbeiten mit der menschlichen Stimme in den Mittelpunkt stellen, oder „Rayons UV-a“, welches speziell dafür entwickelte Elektronik verwendet, um ­Instrumentalklänge im Raum auf ganz besondere Art und Weise erklingen zu ­lassen. Hannes, du hast bereits zwei Mal „hörbar! tag der neuen musik“ künstlerisch geleitet. Wie war diese Erfahrung für dich? Hannes: Bereichernd. Die Leute konnten

Konzerte hören, Workshops besuchen, mit den Komponisten in Kontakt treten – also den Bereich der Neuen Musik von verschiedenen Seiten erfahren. Das ist ­etwas völlig anderes als der klassische Konzertbesuch, bei dem meistens eine große Distanz zwischen den Akteuren und dem Publikum besteht. Neue Musik hat denselben Anspruch an Qualität wie die klassische Musik mit dem Vorteil, völlig neue Werke, die vorher noch niemand

gehört hat, präsentieren zu können. Mit „hörbar!“ möchte ich die Neugierde der Menschen wecken und sie dazu bewegen, sich zeitgenössische Musik nicht nur anzuhören, sondern sich auch mit deren Inhalten und Akteuren auseinanderzusetzen. Das ist ein interessanter Ansatz, da ihr ja verschiedene künstlerische ­Elemente in eurer Musik verbindet. Warum geht ihr diesen Weg? Carolin: Unsere Konzertformate unter-

scheiden sich sehr vom traditionellen Konzertgeschehen. Bei uns hat die ­Präsentation auf der Bühne, die Aufstellung der Musiker, das Licht-Arrangement und die Nutzung des Raums eine fundamentale Bedeutung. Wir entwickeln jedes Mal ein eigenes Bühnenkonzept. Für viele Leute ist es nicht einfach, sich auf diese neuen Konzepte einzulassen, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Wir probieren immer neue Konzepte aus, z.B. wie es ist, im Dunkeln zu spielen. Muss man den Musiker sehen oder kann man sich auch nur auf den Klang konzentrieren? Dadurch versuchen wir, die Konzerte interessanter zu gestalten.


88-89 INFO ___ Ensemble Cromoson Gegründet 2014 von Carolin Ralser und Philipp Lamprecht, den bislang ersten und einzigen Südtiroler Stipendiaten der International Ensemble Modern Akademie Frankfurt am Main, und Komponist Hannes Kerschbaumer, debütierte das ensemble chromoson beim Transart Festival 2014 unter dem Dirigenten Lucas Vis (NL). Es folgten Auftritte u.a. im Hong Kong Arts Center, beim Free Space Festival HK und dem HK Institute of Education. Weiters war das ensemble chromoson Ensemble in Residence bei „hörbar! – tag der neuen musik“ (Bozen) und startete 2015 mit seinem Projekt „Respiro“, einer Performance mit Werken von Franco Donatoni und Salvatore Sciarrino. 2016 folgten ein Auftritt beim 1. Alpen Classica Festival im Val di Sole, die Realisierung des Projektes „Rayons UV-a“ beim Novalis Festival in Zadar (Kroatien) sowie die Uraufführung neuer Werke von Komponistinnen und Komponisten aus Südtirol, Österreich und Hongkong beim Hong Kong Vienna Music Festival im MUTH in Wien. Aufnahmen entstanden u. a. für den Sender RAI Südtirol. Vorträge und Workshops in Hongkong und Bozen unterstreichen den Willen des jungen Ensembles, Neue Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Auf dem Programm für 2015 und 2016 standen weitere Konzerte, u. a. in Kooperation mit der Austrian Hong Kong Composers Connection und dem Festival für zeitgenössische Musik Bozen. Die Mitglieder des ensembles chromoson sind international tätige Spezialisten auf dem Gebiet der Neuen Musik, Preisträger internationaler Wettbewerbe und erhielten ihre Ausbildung an den renommiertesten Musikinstitutionen Europas. www.chromoson.cc

Hannes: Unsere Art aufzutreten ist sehr

auf Reduktion bedacht, im Sinne, dass das Visuelle bewusst abgeschwächt wird und sich dadurch die Ohren öffnen. Wir sind heutzutage zu sehr auf Bilder konzentriert, in der Musik jedoch geht es meiner Meinung nach hauptsächlich um das ­Hören. Carolin: Wenn die Leute etwas Neues, vielleicht anderes hören, lassen sie oft nicht zu, dass ein Bild oder ein Gefühl entsteht, und sagen gleich: „Nein, das verstehe ich nicht!“. Vor zwei Jahren, bei unserem Südtiroler Debüt im Rahmen von Transart, gab es eine spezielle Performance, wo der Bildhauer Peter Senoner und Hannes an der Decke hingen und für den Großteil der Musiker nicht sichtbar waren. Uns Musikern wurden die vom Bildhauer an der Skulptur erzeugten und elektronisch veränderten Klänge über Kopfhörer zugespielt, welche wir dann in instrumentale Klänge umformten. Das war ein äußerst spannendes Erlebnis sowohl für uns als auch für das Publikum. Hannes: Solche Projekte möchten wir auch in Zukunft fortführen, indem wir tiefgreifende Verbindungen zu anderen

Kunstformen herstellen und dadurch neue Erfahrungsräume schaffen. Es gäbe noch sehr viele Spielformen, die wir künftig ausprobieren wollen. Wenn ich euch so zuhöre, gewinne ich den Eindruck, die klassische Musik sei total überholt, obwohl ihr alle drei aus dem ­klassischen Fach kommt. Carolin: Die klassische Musik bleibt natür-

lich ein wichtiger Teil unserer Arbeit, auf dem wir aufbauen. Ich würde die Neue Musik nicht über die klassische stellen, sondern sie ihr gleich setzen. Die Neue Musik ist die Musik unserer Zeit und sie hat dieselbe Berechtigung, gespielt zu werden. Philipp befasst sich auch stark mit mittelalterlicher Musik, nicht als täglicher Job, sondern als Ergänzung zu unserem Hauptanliegen, der Neuen Musik. Hannes: Die klassische Musik ist in der Neuen Musik aufgehoben, in ihr weitergedacht. Schließlich verwenden wir – um nur ein Merkmal zu nennen – immer noch traditionelle Instrumente, um Klänge zu erzeugen. Warum sollen wir nicht zusätzlich dazu unsere heutigen High-Tech-Mittel einsetzen, um Musik zu machen und zu präsentieren? Das hat

b­ isher in Südtirol gefehlt – mit Ausnahme der beiden etablierten Festivals Transart und Festival zeitgenössischer Musik ­Bozen – bzw. war ein kontinuierlicher ­Diskurs kaum vorhanden. Philipp: Bis vor wenigen Jahren war es unvorstellbar, Musik mit einem Bildhauer zu machen. Als Ensemble versuchen wir, neue Möglichkeiten auszuloten. Carolin: … und bis an die Grenzen zu gehen. Wir möchten experimentieren und etwas präsentieren, das es so vielleicht noch nicht gibt. Hannes: Anstelle dieses typisch musealen Aspekts des Musizierens interessiert uns eher, was es abseits davon gibt – welche Komponisten wir auswählen und ­welchen Raum wir ihrer Arbeit geben, in den sich dann die Hörer begeben. Hier möchte ich kurz einhaken. Was bringt ihr Neues in diese Musikszene, was es bisher noch nicht gab? Carolin: Wir bringen die Szene der Neuen

Musik nach Südtirol. Auf internationaler Ebene geschieht sehr viel in diesem ­Bereich, etwa in Verbindung mit Tanz, Theater, Film, Literatur und Bildender Kunst. Durch unsere Studien und unsere


musik

Ensemble Chromoson in Hongkong

Arbeit im Ausland haben wir vielfältige Erfahrungen gemacht und würden diesen Schatz an „Neuer Kultur“ gerne nach Südtirol bringen. Im Land gibt es bereits tolle Ansätze in Form der zwei bereits genannten Festivals, aber wenige Konzerte ­unterm Jahr. Wir möchten diese Szene mit neuen Formaten weiter ausbauen und auch ihrer Vermittlung mehr Raum geben. Hannes: Der „Verband der Südtiroler Blasmusik“ verfügt z.B. über ein riesiges Netz unzähliger Veranstaltungen, die über das gesamte Jahr verteilt sind. Im zeitgenössischen Bereich sieht es leider recht ­mager aus – bis auf die beiden zentralen Festivals zeitgenössischer Musik. Etwas mehr könnte es schon sein, vor allem mit einer gewissen Kontinuität über das Jahr verteilt. In Innsbruck, das ca. 30.000 Einwohner mehr als Bozen hat, spielen auch Ensembles, die nicht auf Neue Musik spezialisiert sind, vergleichsweise weit mehr Uraufführungen pro Jahr. Um nicht von Wien zu sprechen, wo die Ensembles ­zeitgenössischer Musik in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Warum sollen wir das den Südtirolern vorent­ halten? Es braucht natürlich seine Zeit,

ein Publikum aufzubauen und Kontakte mit anderen Kunstschaffenden zu knüpfen. Derzeit entwickeln wir eine Plattform, die „ChromoZone“, die den ­Austausch, die Vernetzung von Gruppen und Kunstschaffenden auch aus anderen Musiksparten erleichtern soll. Stichwort Ausland: Hongkong fiel mir

wir spielten in Hongkong auf einem Festival und im größten Konzerthaus der Stadt. Umgekehrt kamen im August 2016 40 chinesische Musiker nach Wien zum „Hong Kong – Vienna Music Festival“, wo auch Chromoson mit einem Konzert und neuen Werken der „Austrian Hong Kong Composers Connection“ vertreten war.

in euren Lebensläufen besonders auf.

Carolin, ich möchte noch einmal kurz

Durch die „Austrian Hong Kong ­Composers

auf deine Workshops zum Bereich

Connection“, die ihr selbst mitgegründet

„Neue Musik und Kreativität im

habt, seid ihr dort mehrmals aufgetreten.

Instrumental­unterricht“ zurückkommen.

Wie war diese Erfahrung?

Kann man Kreativität unterrichten?

Carolin: Philipp und ich waren durch die

Carolin: Studien zufolge kann man kreatives Schaffen wecken und Kreativität fördern. Unser Gehirn ist nämlich darauf ausgelegt, Lösungen für Probleme zu finden. Wenn man immer nach denselben Rastern lernt, wie z.B. in der Schule oder im Arbeitsleben, geht die Kreativität oft verloren. Meine eigene Forschung beschäftigt sich mit der Frage, wie man beim Musizieren kreatives Denken durch spezielle Kompositionen fördern kann. Bei der traditionellen Komposition gibt es sehr wenige Freiheiten. Der konventionelle Unterricht endet beim „richtigen“ Spiel der Noten. Mich stört, dass man

„International Ensemble Modern Akademie Frankfurt“, eine der weltweit wichtigsten Institutionen für Neue Musik, bereits vor Jahren einmal in Hongkong und freundeten uns dort mit Kompositionskollegen an. So entstand die Idee zu einem Austausch zwischen Österreich und Hongkong für die gegenseitige Präsentation eigener Kompositionen. Für mich war es vor allem auch interessant zu ­sehen, inwieweit ich meine Ideen umsetzen kann und ob ich in der Lage wäre, für Chromoson eine Tournee nach China zu planen. Dies gelang mir dann auch und


90-91

nicht weiter zu eigenem musikalischen Schaffen aufgefordert wird. In der Schule müssen wir ja auch Sätze bilden, nachdem wir die ersten Wörter kennen gelernt haben. Auch in der Musik sollte jedes Kind angehalten werden, selbst zu komponieren oder improvisieren, da man die Werkzeuge dazu ja hat. Im Jazz geschieht das schon eher. Ich glaube, eine solche ­Erziehung würde auch zu mehr Flexibilität und besserem Verständnis der Musik in ihrer Gesamtheit führen.

Durch Austausch lernt man vieles kennen. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass einem selbst nicht immer alles gefallen muss. Wenn ich mich im kreativen Prozess gleich auf „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ festlege, sehe ich nicht, was dahinter liegt. Als Chromoson versuchen wir, diese Offenheit verstärkt in unsere Konzerte einzubringen, z.B. durch die ­Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden anderer Sparten. Dadurch wird man sozusagen zu einem „aktiven“ Konsumenten.

Ich leite das einmal weiter an euch,

Zwischen Komposition, Alter Musik

Hannes und Philipp.

und Orchesterarbeit seid ihr alle drei

Woher kommt denn eure Kreativität?

sehr ­beschäftigt. Warum tut ihr euch

Hannes: Durch die Auseinandersetzung

ein ­eigenes Ensemble an?

mit verschiedensten Bereichen der Kunst, aber auch anderen Disziplinen. Die Idee am Anfang einer Komposition manifestiert sich häufig als winziger Kern­ gedanke, der dann anhand verschiedenster Techniken und kreativer Methoden ausgearbeitet wird. Philipp: Meine Inspiration erhalte ich aus vielen verschiedenen Bereichen. Manchmal denke ich mir z.B. während eines Theaterbesuchs: „Cool wäre jetzt, dieses Erlebnis in Musik zu transferieren.“

Inwiefern bereichert Chromoson euer ­berufliches und privates Leben? Carolin: (Lacht) Das ist eine Lebensentscheidung. Man kann als Musiker sehr gut bei Systemen mitspielen, die andere organisieren. Man geht hin, spielt seinen Part, wird bezahlt und geht wieder nach Hause. Aber nach einer Weile wird man davon etwas müde, so toll diese Erfahrung auch ist. Mit der Zeit möchte man selbst mehr bestimmen und eigene Projekte umsetzen. Über die Jahre lernt man auch

viele Kolleginnen und Kollegen kennen, mit denen das Musizieren sehr gut läuft. Diese Erfahrung möchte man „verwenden“ und in einen neuen Kontext stellen. Natürlich kostet ein eigenes Vorhaben viel Zeit und Aufwand. Das Endprodukt ist aber erfüllender und die Befriedigung aus etwas Eigenem viel stimulierender. Philipp: Die Arbeit im Orchester ist schön, aber mit der Zeit stellt man fest, dass die Entscheidungsfreiheit sehr eingeschränkt ist, z.B. wenn es heißt: „Entweder du spielst das jetzt so oder du gehst nach Hause“. Man muss sich natürlich strikt an den Dirigenten halten. Nach ­einer gewissen Zeit erlebt man eher die Begrenzung als die Freiheit. Carolin: In einem Orchester hätte man auch gar keine Zeit, so nebenbei zu komponieren, wenn man um Mitternacht nach Hause geht und am nächsten Morgen um 9 Uhr wieder zur Probe erscheint. Sobald man aus dem System aussteigt, hat man die Freiheit, auch wieder künstlerisch tätig zu sein. Hannes: Für mich fehlte etwas in Südtirol und ich empfand deshalb die Notwendigkeit, diese Lücke zu schließen. Mit Chromoson wollen wir dies tun, um die Szene


musik

zu bereichern. Ich hoffe ja wirklich, damit etwas anzustoßen. Philipp: Sehr oft sprechen mich die Leute nach einem Konzert an und wollen ihre Meinung mitteilen. Wir haben viel mehr Kontakt zum Publikum als etwa das Haydn-Orchester. Wer geht schon nach dem Konzert zum Dirigent und tauscht sich mit ihm aus? Carolin: Natürlich sind wir als Einheimische für die Bevölkerung hierzulande auch zugänglicher. Wenn die Leute wissen, dass wir von hier sind, ist ihre Hemmschwelle geringer. Und wir sind ja auch nette Menschen! (Lacht) Abschließende Frage: Wie lautet euer größter Wunsch für C ­ hromoson in Zukunft? Carolin: Ich wünsche mir, dass wir uns weiter etablieren, nicht nur in Südtirol sondern auch außerhalb, und ein internationales Netzwerk aufbauen, sei es in ­Italien, Österreich oder Hongkong. Eine finanzielle Unterstützung, die uns über einen größeren Zeitraum zur Verfügung steht, wäre dafür sehr wichtig. Sie würde die Planung der Projekte erleichtern und helfen, den bürokratischen Kampf zu

b­ egrenzen, indem man z.B. einen Mitarbeiter für Organisatorisches und Management anstellt. Die Tragik liegt ja darin, dass manchmal ein Konzert am finanziellen Risiko scheitert. Hannes: Im Moment sind wir nur drei Köpfe, die das Vorhaben tragen – und ­Musiker noch dazu. Eine Erweiterung des Teams durch kreative Köpfe, welche Bereiche wie z.B. Management und Public Relations übernehmen, finde ich notwendig, um auch größere Projekte angehen zu können. Ansonsten wünsche ich uns, dass wir mit derselben Energie wie bisher unsere Ideen umzusetzen versuchen. Philipp: Ich wünsche mir, dass die Wichtigkeit unseres Projekts auch von der ­öffentlichen Hand erkannt wird und es die nötige Förderung erfährt. Im Moment sind wir da noch bei Babynahrung. Ich wünsche mir hier ein Umdenken. Wir sind bereit, unseren Part zu erfüllen.


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Crimetube SĂźdtirol


film

Offene Fragen. Das sind wohl die grundlegendsten Zutaten eines Krimis. Im ehrgeizigen Projekt „Crimetube Südtirol“ der jungen Schauspieler Ricardo Angelini und Andy Hartner geht es eben um solche offenen Fragen und zwar nicht nur zum Inhalt sondern auch zum Format. Ein Bericht mit einem philosophischen Exkurs. TEXT ___ Marco Russo  FOTOS ___ Crimetube / Stefan Pircher

Kunst entwirft Utopien und eröffnet ­spekulative Räume. Von diesem Standpunkt aus betrachtet erweist sich die Kunst u. a. als jene Kraft, die als Gegenpol oder Kontrapunkt zum Gegebenen wirkt. Denn: Kunst impliziert Positionierung, sie bezieht Stellung zu diversen Themen, ist im weitesten Sinne politisch und – um es mit den Worten des französischen ­Philosophen Jacques Rancière zu formulieren – ist widerständig. Etwas oder jemandem zu widerstehen heißt für ­ ­Rancière, eine bestimmte Haltung einzunehmen, die sich der Ordnung der Dinge entgegenstellt. Und diese Entgegenstellung offenbart sich auf zweifache Art und Weise: Einerseits durch das Regime der Ästhetik, also durch die äußere Beschaffenheit des Werks und andererseits durch

die Existenz der Schöpferin oder des Schöpfers des jeweiligen Kunstwerks. Spinnen wir nun diesen letzten Gedanken fort. Nicht selten werden Künstlerinnen und Künstler im alltäglichen Leben als Personen wahrgenommen, die sich gewissermaßen von der Masse unter­ scheiden: Als Querdenker und Freigeister, Persönlichkeiten, die auf ihre eigene Art und Weise gegen den Strom schwimmen und sich dadurch von der Masse abheben. Aber worin liegt denn genau diese ­Andersartigkeit? Eine mögliche Antwort liegt vielleicht darin, dass Künstlerinnen und Künstler mit einer gewissen Leichtigkeit und Anarchie in den Tag hinein leben und im Laufe ihrer Karriere ein Feingefühl dafür entwickeln, um ­Probleme anders zu bewältigen und mit

­ isiken zu spielen. Genau! Vielleicht R ist das der springende Punkt: Künstlerinnen und Künstler gehen anders mit ­Risiken um. Pointierter könnten wir die Sache wie folgt formulieren: Künstlerinnen und Künstler setzen sich den Risiken des ­Kapitalismus aus und erfahren ihr ­Scheitern bestenfalls als Inspirationsquelle für einen neuen kreativen Akt. Diese Haltung kommt nicht von u ­ ngefähr, sondern entspringt einer existenziellen Entscheidung, die zugleich prägend für das Sosein der Künstlerin oder des Künstlers und deren Werke ist. Der Ursprung dieser Haltung liegt in der entscheidenden Frage, ob Kunst als Hobby oder als eine zum Beruf gewordene Berufung praktiziert wird.


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An diesem Punkt stellt sich eine weitere Frage: Was hat die Einleitung mit dem ­Inhalt dieses Berichts zu tun? Und vor ­allem: Wozu denn diese philosophischen Reflexionen? In Gedanken auszuschweifen liegt in meiner Eigenart als Verfasser, denn es gefällt mir, die Dinge in einem größeren Kontext zu sehen statt sie in ­ihrer primären Augenscheinlichkeit zu belassen. Beim Bericht über das Projekt Crimetube Südtirol geht es nicht nur ­darum, über das Projekt zu informieren, sondern auch darum, den künstlerischkulturellen Gehalt dieses Vorhabens zu hinterfragen und zu reflektieren. Denn auch wenn es womöglich den Macherinnen und Machern von Crimetube Südtirol nicht bewusst ist, entspringt dieses ­Projekt für mich als Außenstehendem gerade­wegs aus dem eingangs erwähnten widerständigen I­mpetus, welcher der Kunst im All­ gemeinen zu eigen ist.­ Außerdem zeigen sich bei genauerem Hinsehen noch zwei weitere Aspekte: Crimetube Südtirol ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Kunst in unseren Tagen und in der freien Marktwirtschaft verhält und wie gerade durch die Kunst die ­Grenzen des Lokalen und Globalen ­gesprengt werden – auch wenn im Rahmen dieses Projekts ein besonderes Augenmerk auf die Realität Südtirol ­

g­ elegt wird. Aber gehen wir diesen Aspekten schrittweise auf den Grund. Kunst und Prekariat

Ricardo Angelini und Andy Hartner sind die Masterminds hinter dem Projekt Crimetube Südtirol. So wie viele andere sind auch sie Teil der weltweiten künstlerischen Schicksalsgemeinschaft: Sie h ­ aben ihre Berufung zum Beruf gemacht und sind als Schauspieler immer wieder an Produktionen im In- und Ausland beteiligt. Diese auf den ersten Blick nicht ungewöhnliche Gegebenheit steht in engem Zusammenhang mit dem, was eingangs zum Thema „Risiko“ gesagt wurde. Freischaffende Künstlerinnen und Künstler sind – so wie in vielen anderen Lebensbereichen auch – der Willkür des freien Marktes ausgesetzt und stehen immer wieder vor einer der größten Herausforderungen, nämlich der Beschaffung von Aufträgen, damit am Ende auch etwas Geld in die Taschen fließt. Mit anderen Worten: Sie müssen stets gekonnt vorausplanen, denn auch in der Schauspielerei hängt alles von Angebot und Nachfrage ab. Und da die Gagen von Auftrag zu ­Auftrag variieren und bei weitem nicht vergleichbar mit jenen arrivierter Schauspielstars sind, bleibt vielen nichts anderes übrig, als einen Zweitjob zu ­suchen,

damit zumindest am Ende des Monats etwas Geld für die anfallenden Fixkosten da ist. Vor allem in den Bereichen Kunst und Wissenschaft hat sich das Prekariat inzwischen vom Randphänomen zur Norm entwickelt, sodass viele junge ­Menschen aus diesem Grund oft früh­ zeitig ihre berufliche Wunsch- und Karriere­vorstellung an den Nagel hängen, weil das System sie hindert, ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Andere wiederum – und dieser Kategorie gehören Hartner und Angelini an – lassen sich nicht entmutigen und bleiben ihrer Linie treu: Sie investieren viel (unbezahlte) Zeit und Energie in die Hoffnung, dass ihr ­anvisiertes (Kreativ-)Projekt eines Tages auch finanzielle Früchte trägt. Das Projekt

Doch was genau ist Crimetube Südtirol? Hinter dem Namen, der zugleich Programm ist, steckt ein insgesamt ­fünfzehnköpfiges Team von jungen Frauen und Männern aus Südtirol, die allesamt in den unterschiedlichsten Sparten der Filmbranche tätig sind. Viele von ihnen haben ihr Studium im Ausland absolviert und manche auch ebendort erste berufliche Erfahrungen gesammelt. Nun haben sie ihre Ideen und ihr Können zusammengeführt, um ein gemeinsames


film

Ziel zu verwirklichen: Die Produktion ­einer Kriminalwebserie von und mit Südtiroler Filmschaffenden. In dieser Hinsicht erweist sich Crimetube Südtirol als neues Terrain der lokalen Filmproduktion abseits der inzwischen etablierten Förderungen der Business Location Südtirol. Webserien gewannen Ende der 2000erJahre in den usa an Bedeutung und sind Kurzfilme mit fiktiven Geschichten ­verschiedener Genres. Sie bestehen aus mehreren Episoden von jeweils ca. zehn bis zwölf Minuten, werden unaufwendig mit einer Foto- oder Handykamera produziert und kostenlos im Internet, z. B. auf YouTube oder Vimeo, gezeigt. Charakteristisch für das Format ist auch eine Finanzierung durch Produktplatzierungen. Die ersten Weichen zur Realisierung von Crimetube Südtirol wurden bereits im September 2015 gestellt und zwar in Form eines öffentlich ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs. In der Ausschreibung war lediglich die Idee zu einer Webserie unter dem Titel Der Koffer vorgegeben, der als Objekt an sich schon Spannung erzeugt. Von den rund 30 Einreichungen – davon eine aus der Schweiz und eine aus den usa – ging die aus Teis im Villnößtal stammende achtzehn­ jährige Schülerin Silvia Fischnaller als Gewinnerin hervor. Die J­ugendliche

l­ieferte die Grundidee und einige Rahmenbedingungen einer fiktiven Geschichte, aus der heraus im Team das Drehbuch der Serie entstand. Nach intensiven Drehtagen im Februar erfuhr Crimetube Südtirol im Rahmen der B ­ ozner Filmtage Bolzano Film Festival Bozen im April 2016 einen weiteren Höhepunkt, als die erste Pilotfolge der Öffentlichkeit präsentiert und von dieser wohlwollend auf­ genommen wurde. Sie diente einerseits als Experiment für die Truppe und andererseits als konkretes Beispiel, um zu zeigen, in welche Richtung sich das Projekt entwickelte. Die gesamte Staffel besteht aus fünf Folgen, jeweils in einer Länge von zehn bis zwölf Minuten, und wird im Frühjahr 2017 auf www.crimetube.bz ­online zu sehen sein. Auch wenn Crimetube Südtirol seinem Format nach weder für die Leinwand noch für das Fernsehen gedacht ist, ist die konkrete Durchführung und ­Produktion einer derartigen Serie mit ­diversen Kosten verbunden. Um kostengünstig zu arbeiten, wurde die Serie als Low-BudgetProduktion angelegt und aus diesem Grund auch bewusst das Genre Thriller gewählt. Hätte man sich für ein anderes Format wie beispielsweise einen Horroroder Science-Fiction-Film entschieden, so wären die Produktionskosten aufgrund

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96-97 INFO ___ Crimetube Südtirol – Südtirols erste Webserie Die Serie trägt den Titel „Der Koffer“ und besteht aus fünf ­Folgen zu je zehn bis zwölf Minuten. Sie ist für Onlineplatt­ formen bestimmt (Youtube, Vimeo, Player auf eigener Webseite) und das erste Projekt seiner Art in Südtirol. Das Projekt soll Südtirols professionelles Know-how im Filmbereich aufzeigen und wurde daher nur von und mit Südtiroler Filmschaffenden, an Südtiroler Schauplätzen und auf Südtirolerisch ­verwirklicht. Dieses vollständig „Made in Südtirol“ entstandene Produkt geht im Frühjahr 2017 online und soll sich mit weiteren Staffeln und Projekten in den nächsten Jahren als Pool für junge Talente und neue Ideen etablieren. www.crimetube.bz

„Crimetube Südtirol“ Promotionvideo

des Aufwands (Maske, Kostüme, Spezialeffekte, Ausstattung usw.) ins Uferlose gestiegen. Um den Kostenaufwand in Grenzen zu halten, hat sich das Team entschlossen, vor allem an öffentlichen Schauplätzen zu drehen. Die an der ­Produktion beteiligten Sponsoren sind Firmen aus der Medien-, Kommunikations- und Unterhaltungsbranche; zudem sind Gasthäuser, Bars und Hotels beteiligt, sodass man durchaus den Schluss ziehen kann, dass das eine oder andere Lokal in den einzelnen Folgen als Schauplatz oder womöglich als Tatort in Frage kommt.­­ Um Produktspenden und –platzierungen anzuregen, wurde eigens auch ein Promotion­video produziert. Kreativwirtschaft

Obwohl Kunst- und Kulturarbeit immer noch vorwiegend als ehrenamtliche ­Arbeit wahrgenommen wird, hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen. Unter dem Stichwort „Kreativbranche“ (die ­nolens volens auch im Kontext des oben erwähnten Prekariats zu sehen ist und genau aus diesem heraus entstanden ist) gibt es inzwischen in ganz Südtirol ­diverse Unternehmen, Genossenschaften und Einrichtungen, die als Vermittlungsund Realisierungspool für Projekte in den

Bereichen Kunst und Kultur tätig sind. Solche Einrichtungen sind auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant, da sie einerseits die Möglichkeit bieten, neue, wenngleich auch oft nur projektbedingte Arbeitsplätze zu schaffen, und andererseits auch Werbepartnerschaften für interessante Kooperationen zum Beispiel mit der Tourismusbranche entstehen zu lassen. Möglicherweise ist gerade dieser Aspekt ein gangbarer und zukunftsweisender Weg für Crimetube Südtirol. Denn die vorhandenen finanziellen Mittel würden vor allem den jungen und aufstrebenden Talenten der Schauspiel- und Filmbranche helfen, das Projekt gewissermaßen zu einer „Plattform für die Sichtbarkeit ­junger Talente“ zu entwickeln. Lokal und Global im wechselseitigen Spiel

Noch offen ist die Frage, inwieweit sich das Globale und Lokale in Crimetube manifestieren und welche Rolle diese beiden Aspekte spielen. Wie bereits angeführt, besteht das vordergründige Ziel der ­Produzentinnen und Produzenten darin, ein besonderes Augenmerk auf Südtirol zu legen. Dieses Ziel wird unterschiedlich verwirklicht: In den Folgen wird bewusst ein verständlicher Südtiroler Dialekt gesprochen, die am Projekt Beteiligten

stammen aus Südtirol, die finanzielle ­Unterstützung kommt von in Südtirol ansässigen Firmen und Einrichtungen der öffentlichen Hand und gedreht wird ausschließlich hierzulande. Ob bewusst oder unbewusst, besteht ein weiterer interessanter Aspekt darin, dass das Corporate Design des Schriftzuges Crimetube Südtirol in den bisher veröffentlichten Trailern den Farben der Landesflagge entspricht. Kurzum: Auch wenn Crimetube Südtirol dem Inhalt nach kein politisches Projekt ist, schwingt die weltanschauliche Komponente der Heimatverbundenheit mit. Ungeachtet der lokalen Akzentuierung ist es in unseren Tagen fast unmöglich, die globale Dimension unberücksichtigt zu lassen, denn vieles, das lokal bedingt ist, trägt ebenso eine globale Facette in sich und umgekehrt. Dieses Element wird in Crimetube Südtirol vor allem durch das gewählte Format zum Ausdruck gebracht. Die symbolische Dimension des Internets besteht darin, dass dieses Medium ­Grenzen auf vielfache Art und Weise aufhebt. Das Internet ist das Symbol schlechthin für eine grenzenlose Welt, in der jederzeit und allerorts kommuniziert werden kann. Über Crimetube Südtirol kann man demnach sagen, dass dieses Projekt das Globale ins Lokale herein und das Lokale in die weite Welt hinaus trägt.


film

Text-Idee Silvia Fischnaller Drehbuch Silvia Fischnaller Ricardo Angelini Andy Hartner CAST Kommisar Erich Mönch Karl Journalistin Chiara Abt Politiker Journalistin Johanna Therapeutin Doris Mönch Arzt Krankenschwester Patientin im Rollstuhl

Während Webserien in den usa bereits Mainstream sind, ist dieses Format in Europa (geschweige denn in Italien und Südtirol) ein kaum verbreitetes Phänomen. Allein schon der Entschluss, eine Webserie zu produzieren, zeigt, inwiefern ein Phänomen aus Übersee in die unmittelbare lokale Gegenwart herein geholt wird. Und umgekehrt: Durch das Hoch­ laden eines Videos in das World Wide Web werden zugleich Bilder in die Welt hinaus transportiert – und in diesem konkreten Fall zeigt man Südtirols mannigfaltige Landschaft und Sehenswürdigkeiten. Crimetube Südtirol ist ein permanentes „work in progress“, ein Kreativprojekt, das hoffentlich seine Früchte trägt.

Ricardo Angelini Andy Hartner Lissy Pernthaler Roland Selva Thomas Hochkofler Martina Schölzhorn Katja Lechthaler Simon Schwarz Martin Pardatscher Petra Rohregger Melly Goldner

Crew Kamera Kamerassistenz Regieassistenz Script Supervisor Licht Sound Kostüme

Harald Erschbaumer Stefano Barabino Renate Ranzi Silvana Decarli Daigoro Vitello Patrick Bruttomesso Vereinigte Bühnen Bozen

Maske

Esma Allaoui

Fahrer

Hannes Tomasini

Public Relations

Lissy Pernthaler

Technische Daten Color Grading

Florian Geisser Ammira Film Meran

Musik/Schnitt

Alexander Ebner, Stephan Kofler Ebner Film

Abspann Musik Animation Produktionsfirma

Thomas Winkler Gabriel Stabinger Albolina Film

In Zusammenarbeit mit Ebner Film Ammira Film Alessandro Trettenero REC Südtirol Studio on the Rocks


98-99 autorinnen und Autoren Allegra Baggio Corradi, nata a Bolzano nel 1994, ha conseguito nel 2013 la maturità linguistica presso il Liceo Europeo Marcelline a Bolzano. Nel 2016 si è laureata in Storia e Filosofia dell’Arte lavorando contemporaneamente anche come assistente presso la Studio 3 Gallery di Canterbury. Dal 2015 cura la rassegna artistica della rivista culturale online “franzmagazine”. Attualmente lavora e vive a Londra dove frequenta un Master in storia dell’arte rinascimentale. allegrabaggiocorradi@gmail.com Hannes Egger, 1981 geboren, aufgewachsen in Lana, wo er seit 2005 als Künstler, Kurator und Redakteur arbeitet. 2000–2007 Studium der Philosophie an der Universität Wien und La Sapienza in Rom. 2007–2008 Masterstudien-Lehrgang „Kultur und Organisation“ an der Universität Wien sowie am Institut für Kulturkonzepte in Wien. Entwicklung von Vermittlungs- und Ausstellungskonzepten für verschiedene Museen und Kultureinrichtungen. Gründer der von Künstlern betriebenen Stätten „Werkbank“ und „Kunsthalle Eurocenter Lana“. Seit 2014 Redakteur der Kulturzeitschrift „Kulturelemente“. hannesegger@yahoo.de Judith E. Innerhofer, 1983 in Meran geboren. Studium der Politikwissenschaften und Philosophie. Lebt und arbeitet in Wien als freie Filmemacherin und als Journalistin im Wiener Büro der Hamburger Wochenzeitung Die ZEIT. jinnerhofer@hotmail.it Lisa Maria Kager, geboren 1992 in Bozen, aufgewachsen in St. Pauls. Nach Abschluss des Humanistischen Gymnasiums in Bozen hat es sie zum Studium der Romanistik nach München verschlagen. Seit Sommer 2015 ist sie wieder zurückgekehrt und hat sich als Texterin selbständig gemacht. Was sie mag, sind nicht nur Sprachen, ein herzliches Lachen und die Berge der Heimat, sondern vor allem Geschichten, die von Menschen erzählen und vom Leben. Denn genau diese regen zum Nachdenken an. lisa.textit@gmail.com Marianna Kastlunger, geboren 1981 in Bozen, aufgewachsen in St. Vigil in Enneberg. Studierte Englisch und Französisch mit Medienschwerpunkt in Innsbruck und Birmingham (UK) und arbeitete mehrere Jahre lang an einem Institut für Medien­ analysen. Es folgten ein Praktikum beim Bozner Raetia Verlag und die Ausbildung an der Tiroler Journalismus Akademie. Sie schreibt für diverse Nord-und Südtiroler Medien und ist seit 2015 selbstständige Geschichtenschreiberin. Sie liebt Natur, Musik und alle Facetten dazwischen. marianna.kastlunger@hotmail.com Anna Luther wurde 1995 in Meran geboren. Sie studiert seit 2014 Publizistik und Philosophie an der Universität Wien und arbeitet nebenbei seit März 2016 als Redakteurin bei dem österreichischen Nachrichtendienst der öffentlichen Verkehrsmittel Infoscreen. Beim online-Magazin backview.eu schreibt sie regelmäßig Beiträge zu sehr unterschiedlichen Thematiken, von Liebe bis Plastik, und ist für dessen Webauftritt in den sozialen Medien verantwortlich. anna.is.luthianna@gmail.com

Vera Mair am Tinkhof, geboren 1988 in Brixen, 2007–2014 Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck, anschließend Referendarszeit in der Kanzlei und bei Gericht. Derzeit Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung, für die man ihr alle Daumen drücken möge. 2013 war sie beim Start des Online-Magazins BARFUSS dabei, schrieb dafür verschiedene Beiträge und ist der Meinung, dass IRGENDWAS MIT MEDIEN eigentlich immer noch ein guter Berufswunsch ist. Irgendwann möchte sie darum selbst ein Magazin gründen – wer also risikoaffin in die boomende Printbranche investieren möchte, immer hier entlang: vera.mairamtinkhof@gmail.com Maximilian Mayr wurde 1992 in Brixen geboren. Nach dem Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand absolvierte er Praktika u.a. bei der Nachrichtenagentur „RMI – Südtirol Journal“, dem Kultur-Online-Medium „franzmagazine“ und dem Fernsehsender „ORF - Südtirol heute“. Seit September 2016 studiert er Internationalen Journalismus an der „University of Leeds“ in Großbritannien. maximilian.myr@gmail.com Alma Moroder, geboren 1992 in Bozen, aus St. Ulrich in Gröden, besuchte bis 2011 das Sprachenlyzeum Marcelline in Bozen und studiert seit 2012 Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt Universität zu Berlin. Neben ihrem Studium schreibt sie gelegentlich Artikel für die ladinische Zeitschrift www.ganamagazine.it. Außerdem spielt sie Gitarre und Klavier und tritt singend im Duo mit ihrer Schwester auf.  alma.moroder@gmail.com Marion Oberhofer, geboren 1982 in Bozen, lebt in ­Südtirol und Wien. 2005–2008 Studium der Kunst-, ­Medien- und Designtheorie in Zürich. 2010–2013 ­Studium der Film-, Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Zurzeit bereitet sie dort ihre Dissertation vor und arbeitet als Redakteurin für das Fernsehen und das World Wide Web. Seit 2007 kuratiert sie Ausstellungen in verschiedenen Konstellationen, temporären Räumen und in- und ausländischen Institutionen. Als Kunstvermittlerin war sie u.a. 2008 für die Manifesta 7 in Südtirol und 2010–13 für die Generali Foundation in Wien tätig. marion.p.oberhofer@gmail.com Nadja Röggla, geboren 1991 in Brixen, studierte von 2011 bis 2014 Kommunikationswissenschaften an der Universität Bologna. Zurück in Bozen wirkte sie seither bei verschiedenen Initiativen und Kulturprojekten mit, wobei sie schließlich franzLab entdeckte und dort als Projektmanagerin und Redakteurin für franzmagazine. com arbeitet. Immer in Bewegung, neugierig und stets auf der Suche nach Geschichten und Gleichgesinnten erkundet sie die Kulturlandschaft. Next stop: Vienna. roeggla.nadja@gmail.com

Marco Russo wurde 1979 in Bozen geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Leifers, studierte 1999–2006 Philosophie in Innsbruck, wo er auch in das Theologie-Studium hinein schnupperte. Nach dem Studium arbeitete er 2008–2014 an ­Projekten der Universität Innsbruck mit und ist i­ nzwischen ­freischaffend in den Bereichen Kunst, K ­ ultur und ­Wissenschaft tätig. Er schreibt Texte, k ­ oordiniert Kultur­projekte, hält Vorträge, performt, m ­ usiziert und treibt sein Unwesen bei columbosnext. marco.ru@icloud.com, www.divinamimesis.tumblr.com, www.columbosnext.com Kathrin Schiefer, geboren 1982 in Bozen, Studium der Architektur und des Kulturmanagements in Wien, lebt in Kurtatsch. Seit 2008 Mitarbeit bei diversen Architektur- und Kulturprojekten im In- und Ausland. Seit 2013 eigenes Büro in Neumarkt. schieferkathrin@yahoo.de Mauro Sperandio, nato a Venezia nel 1980, diplomato al liceo classico, laureato in Scienze politiche all’Università di Padova, sudtirolese da appena due anni, padre e compagno felice. Copywriter, storyteller ed editor, nongiornalista curioso di ogni cosa, si occupa di scrittura creativa per le aziende, il turismo e la pubblicità. Vive alla ricerca della parola giusta, che arredi il concetto e solletichi il cervello. Ama intervistare persone felici di quel che fanno, cercando di imparare da ciò che azzeccano. mauro_sperandio@yahoo.it Thomas Stolcis, geboren 1988 und aufgewachsen in Latsch, studierte „Populäre Musik und Medien“ in Paderborn und „Musikjournalismus für Rundfunk und Multimedia“ an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Er arbeitet als freier Hörfunkjournalist unter anderem für SWR und WDR, schreibt für das Online-Kultur­ magazin franzmagazine und lebt aktuell in Paderborn (NRW), wo er am Institut für Kunst/Musik/Textil und am Zentrum für Bildungsforschung als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist. kontakt@thomas-stolcis.com

fotografinnen und fotografen Michael Pezzei, 1985 in Bruneck geboren, Studium der Erziehungs- und Politikwissenschaften. Lebt derzeit in Südtirol. Er arbeitet als freier Fotograf für verschiedenste Kunden und Organisationen. Neben Auftrags­arbeiten ist es ihm wichtig, freie und persönliche Projekte zu verfolgen. mpezzei.it, michaelpezzei@gmail.com Christian Pitschl, wurde 1983 in Bozen geboren und lebt seit 2002 in Wien, wo er 2005 die SAE für Audio ­Engineering absolvierte. Seither arbeitet Pitschl als ­Grafik Designer, Fotograf und freischaffender Künstler. Er war Teil der Musikgruppen Dressy Vagabonds und Chris And The Other Girls, komponierte im Jahr 2009 die Musik zum Kinofilm ›Kleine Fische‹ und arbeitet viel in der Film- und Musikbranche, wo er unter ­anderem Konzepte, Artworks, Fotos und Videos für die Musik Acts ›Bilderbuch‹ und ›Sohn‹ produzierte. hi@christianpitschl.com


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„Kunst entwirft Utopien und eröffnet spekulative Räume.“ Marco Russo, Crimetube Südtirol, Seite 93

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