212 Wildnis

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U A D LAN KAUFKUNST

Wild, wilder, Shakespeare Shakespeare, wofür war der nochmal berühmt? Verschwurbelte Reimsprache, alberne Fehden – für viele steht der große Theaterautor heute für die ganz große Langeweile. Dabei muss man sich die ersten Aufführungen seiner Geschichten im Londoner GlobeTheater wie Pop-Konzerte vorstellen! Aufgepeitscht und vergnügungshungrig folgten Adel und Pöbel dicht zusammengedrängt den Querelen auf der Bühne. Das Publikum aß, trank, tanzte und machte derbe Zwischenrufe. Die Zusammensetzung der Versammlung allein barg schon sozialen Sprengstoff und Shakespeare wusste ihn sehr geschickt zu nutzen: Immer wieder ließ er seine Stücke zwar vordergründig in Italien oder Dänemark spielen, baute aber tatsächlich Kritik an der englischen Gesellschaft und ihrer Herrschaft in seine Stücke ein. Shakespeares Geschichten sind immer extrem: Extrem kritisch, extrem leidenschaftlich, extrem romantisch – sie erforschen die Grenze dessen, was der Mensch zu ertragen bereit ist, und gehen noch darüber hinaus. In dieser absoluten (Angst-)Freiheit liegt die

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wahre Wildnis seiner Stücke. Diese wundersame Freiheit wieder spürbar zu machen ist das Ziel der Studierenden, die das Festival kaufkunst,- organisieren. Am ersten JuliWochenende 2016 erobern deshalb die Figuren und Geschichten Shakespeares die Landauer Altstadt. In Geschäften, Straßen und Höfen entstehen poetische Momente – unterhaltsam, nachdenklich und voller Überraschungen. Abseits der klassischen Theaterbühne verwandeln Performances und Aktionen die alltäglichsten Orte der Stadt. Zwischen Drama, Straßenmusik, Street Art und Konsumkritik wird der Geist des ursprünglichen Shakespeare wieder spürbar. Dreh- und Angelpunkt des Festivals ist die Vergnügungszentrale auf dem Rathausplatz. Hier trifft man sich zur persönlichen Poetikberatung und startet zu szenischen Stadtrundgängen. Studierende des Darstellenden Spiels inszenieren dabei Sehnsucht, Schuld, Macht und Schabernack und verzaubern damit Bonbon-Läden und Dessous-Geschäfte, Schaufenster und Innenhöfe. Außerdem ziehen nicht nur Schauspiel-Trupps durch Landau und überraschen die Einkaufenden nicht nur mit provokanten Aufführungen, sondern die Körper der Passant*innen werden auf künstlerische Art und Wei-


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