Kulturwoche.at No 2

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DIANA KRALL Die kanadische Jazzpianistin und Sängerin veröffentlicht mit "Glad Rag Doll" (Verve/Universal) bereits das 14. Album. Über das Cover-Design haben wir bereits in unserer ersten E-Zine-Ausgabe geschrieben, nun widmen wir uns den Songs. Musikalisch präsentiert Krall passend zum Mieder Lieder aus den 1920er Jahren. "It's a long way from anything, but I don't think about it that way", erzählte Krall im Frühstadium ihres Bekanntheitsgrades, am Weg nach oben, bevor ihr die ersten Grammys überreicht wurden, und: "Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diese Musik seit meinem 15. Lebensjahr spielen darf. Ich habe große Ehrfurcht vor meinen Lehrern und vor den Musikern, deren Lieder ich spiele." Von ihrem zweiten Album "Only Trust Your Heart" (1994) an, war Tommy LiPuma (Produzent von u.a. George Benson, Michael Franks und Miles Davis) der wichtigste Lehrer, Mentor und Produzent sämtlicher Alben von Ms. Krall, auf dem vorliegenden Album übernahm erstmals T Bone Burnett die Produzentenrolle. Burnetts Handschrift zieht sich unüberhörbar durchs ganze Album, weil aber Diana Krall eine Unverwechselbarkeit im Gesang und in der Art wie sie Klavier spielt besitzt, bleibt "Glad Rag Doll" zugleich auch ein typisches KrallAlbum. Das war nicht im-

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mer so. Zu Beginn ihrer Karriere versuchte Krall wie Sarah Vaughan zu klingen, "nein, viel schlimmer noch", wie sie mir in einem Interview mal erzählte, "ich versuchte, Sarah Vaughan zu sein." Aber diese Jugendsünde hat sie rasch hinter sich gelassen. Auf dem Album "All for You: A Dedication to the Nat King Cole Trio" (1996) entwickelte sie bereits ein eigenes Profil, ihren ureigenen Stil mit Wiedererkennungseffekt. So gelang es ihr schließlich zur gehaltsvollen Sängerin mit enormer Ausstrahlungskraft und emotionaler Intensität aufzusteigen. Auf die Frage, warum sie nicht eigene Songs schreibt, wartete Krall mit folgender Begründung auf: "Sammy Cahn und Jimmy Van Heusen waren geniale Songwriter, die Frank Sinatra als Interpreten ihrer Musik hatten, und außerdem: Schauspieler werden ja auch nicht gefragt, warum sie keine Drehbücher schreiben...Once an interpreter, always an interpreter!" Diese Einstellung hat sie allerdings nach der Hochzeit mit Elvis Costello zumindest für das Album "The Girl in the Other Room" (2004) geändert, auf dem ja einige Songs des Ehepaars zu hören sind. Nach einem Weihnachtsalbum und zwei erneuten Normalkost-KrallAlben, traut sich die Sängerin und Pianistin nun

mit "Glad Rag Doll" an so etwas Ähnliches wie ein Americana-Album mit Marc Ribot an der Gitarre und dem typischen T-Bone -Burnett-Sound. Dass das Cover Design mit der Ästhetik der Ziegfeld Follies mehr Aufmerksamkeit erhält als die Musik, kommentierten manche Kritiker bereits mit einem hämischen "Ist auch besser so", wobei: Ganz so langweilig geht es auf dem Album keineswegs zu. Ziegfeld Follies war übrigens der Titel einer Jahresrevue am New Yorker Broadway, die von 1907 bis 1957 (jährlich bis 1931) stattfand. Viele berühmte Songs nahmen hier ihren Ausgang und Entertainer wie W. C. Fields fanden hier eine Plattform. Bedeutende meist weibliche Stars wie Barbara Stanwyck gingen aus den Ziegfeld Follies hervor. Apropos Stanwyck: Claus Ogerman, der Arrangeur und Dirigent auf dem Grammy-prämierten Krall-Album "The Look Of Love" (2001), erzählte mir mal im Interview über Krall und sich: "Wir mögen beide alte Filme und tatsächlich erinnert mich Diana in manchen Passagen an Barbara Stanwyck. Diana spielt mit den Wörtern, so wie früher auch Sinatra. Während Frank sang, spielte er mit den Texten, und Diana agiert genauso." Aber wieder zurück zum aktuellen Album. Der so wichtige erste

Song eines Albums erfüllt die Rolle des Reinziehers sehr gut. "We just couldn't say goodbye" macht Lust auf mehr. Ein perfekter Einstieg in eine Nummernrevue. Elegant ja, aber ein paar Schrammen dürfen nicht fehlen. Diese hohe Qualität wird auch im nachfolgenden Track geboten. "There ain't no sweet man that's worth the salt of my tears" kommt noch eine Spur ruppiger daher, dieser Umstand ist vor allem Marc Ribot an der E-Gitarre und Colin Linden an der Dobro geschuldet. Da ist es eigentlich nicht mehr allzu weit zu einem Tom Waits Album. Wie hier generell Stimmungsbilder aufgezogen werden ist schon sehr speziell. Diana Krall macht mit diesem Album einen gewagten Schritt in eine längst vergangene Zeit und beatmet diese Songs dabei sehr Gegenwartsbezogen. Was manche Kritiker mit Gelangweiltheit aburteilten gilt wohl den spartanischen Arrangements, wie man es von Burnett gewohnt ist und was halt ein genaues Hinhören verlangt. Wenn man dazu bereit ist wird man große Freude mit dem Album haben. Live gastiert Diana Krall im Zuge ihrer Tournee am 4.11.2012 in der Wiener Stadthalle. // Text: Manfred Horak Foto: Mark Seliger @ www.dianakrall.com

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