Kulturwoche.at No 2

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ASSASSINATE ASSANGE Der stark polarisierende WikiLeaks-Gründer Julian Assange steht im Zentrum des Theaterstücks Assassinate Assange von Regisseurin Angela Richter, das im Rahmen der Freedom of Speech Reihe im Wiener Brut aufgeführt wurde. Wie diese Mischung aus Fakt und Diskurs aufgenommen wurde weiß Kathrin Blasbichler. Wenn eine Inszenierung derart die Gemüter erhitzt, dass das Publikumsgespräch beinahe ebenso lang wie das Stück andauert, ist das zum einen gut für die Regisseurin Angela Richter, da sie mit dem kontroversen wie aktuellem Stück auf weitere Aufführungen hoffen darf, und zum zweiten heißt das in diesem konkreten Fall vor allem eine vehemente, etwas unglücklich verlaufende Grundsatzdebatte rund um den polarisierenden WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Es braucht eben auch einen, der sich da hinstellt und die Kacke frisst In dem in performativer Richter-Manier abgehaltenen Stück, das ungern mit Brüchen und V-Effekten spart, geht es darum zu zeigen welche Kraft, wie schnelllebig und sensationsgierig das mediale Echo in Zusammenhang mit der

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Bloßstellung und Vorverurteilung eines wegen sexueller Nötigung und politisch verfolgten einflussreichen Assange hat. Angela Richter bietet dazu bewusst einen medialen Gegenentwurf mit einer gehörigen Portion beabsichtigter Provokation an. "Es braucht eben auch einen, der sich da hinstellt und die Kacke frisst", meint Richter, die überzeugt ist, dass an Assange ein Exempel statuiert wird, um weitere unkontrollierbare InternetAnarchisten vom Leib zu halten. Schließlich wüsste niemand was mit ihm passiert, wenn er an die USA ausgeliefert würde, wo ihn einige seit geraumer Zeit bereits gern auf der Abschussliste der CIA sehen würden. Gemimte Ausschnitte aus Originalgesprächen Dem zur kindlich naiven und idealistischen Kunstfigur auserkorene Assange wird auf der Bühne bei Richter und Co. deutlich mehr Solidarität zuteil, als momentan im abgeschiedenen Quartier in der ekuadorianischen Botschaft in Schweden. Neben gemimten Ausschnitten aus den Originalgesprächen zwischen Richter und Assange, die ihn dafür in der Botschaft besuchte, setzt sich das Protokollartige und das Spiel mit Brüchen auch in den gezeigten Vi-

deos und eingebauten Zitaten unterschiedlicher Texte zum Einfluss und der Rolle von WikiLeaks als Kontrollorgan der Macht durch die ganze Inszenierung fort. Originell ist der Einfall, alle Mitwirkenden als verkleidete Gorillas auftreten zu lassen, alle mit anders geformten, detailreichem Gesicht, wohlgemerkt. Diese lassen ein bisschen etwas von der anonymen, aber allgegenwärtigen Macht und Anarchie der Whistle-Blower und Hacker spüren, wenn auch nur als Grundstimmung für den Abend. Richter wird ihrem Namen im wahrsten Sinne des Wortes gerecht Die Regisseurin begibt sich mit ihrem Anspruch viele Lücken auf einmal füllen zu wollen mit diesem für die Thematik zu glatt geformten Stück auf unsicheres Terrain, da sie mit der auf die Beteiligten ungleich aufgeteilten Mischung aus Fakt und Diskurs etwas zu sehr zum Sprachrohr von Assange wird und ihrem Namen im wahrsten Sinne des Wortes gerecht werden will. Die Details rund um die sympathisch menschelnde Privatperson Assange mit einer Schwäche für ihm erlegene Frauen, lassen das

Publikum etwas unbeholfen im Regen stehen, da der Spagat zum gesamtpolitischen und medialen Diskurs, den Richter spannen will, zu waghalsig scheint. Zu nahe ist sie an den vermeintlichen Fakten dran und zu fern von einer metaphorischen Ebene. Die Darstellung läuft Gefahr, nur eine weitere Projektionsfläche für die aufgeladenen Diskurse um Assange zu werden und als Provokationsfalle zu dienen. In diese, mit voller Wucht und mit deutlichen Kampfparolen ausgestattet, sind prompt auch die kämpferisch allzeit bereiten VertreterInnen der Basisgruppe der Theater, Film- und Medienwissenschaft, sowie einige Anwesenden im Publikumsgespräch am Sonntag getappt. Schade nur, dass sich die Diskussion auf den Aspekt der Anschuldigung wegen sexueller Nötigung gegen Assange reduzierte und mehr Nerven als konstruktive Einsichten forderte. //

Text: Kathrin Blasbichler Fotos: Arno Declair @ www.brut-wien.at @ http://wikileaks.org/ www.Kulturwoche.at


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