KulturGut 1_2010

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Foto: Sonja Werner

+ Er gilt als musikalischer Nonkonformist, als einer, der sich den Gesetzen des Marktes nicht so einfach unterwirft. Der Opern- und Konzertdirigent Thomas Hengelbrock betreibt mit detektivischem Spürsinn musikwissenschaftliche Recherchen, bei denen er vergessene Meisterwerke ausgräbt. Mit seinen außergewöhnlichen Interpretationen hat der Gründer des Balthasar-Neumann-Ensembles und -Chores international für Aufsehen gesorgt. Hengelbrock ist einer, der an die Kunst und ihre magischen Momente glaubt – und gleichzeitig einer, der Einladungen der Scala oder der Met auch mal ausschlagen muss, weil ihm die Zeit fehlt. Er kann sich die Engagements aussuchen. 2011 wird es der „Tannhäuser“ in Bayreuth und die Leitung des NDR Rundfunkorchesters sein, in diesem Jahr sind es unter anderem Produktionen am Teatro Real Madrid, der Opéra de Paris, dem Royal Opera House in London, an der Züricher Oper und … das Würzburger Mozartfest. Was ist für Sie der perfekte Moment in der Musik – gibt es ihn? Eigentlich mag ich in diesem Zusammenhang das Wort ‚Perfektion‘ nicht, denn es impliziert gleich den Blick auf die technischen Parameter. Das gibt es schon, dass man das Gefühl hat, man habe sich einem Werk wenigstens teilweise ganz erschöpfend genähert hat. Man KulturGut 01 | Seite

ist dann eine ganz magische Union eingegangen und hat es als Dirigent verstanden, seine Musiker und seine Sänger, alle Beteiligten in einen Sog, ein gemeinsames Fahrwasser zu bringen, das einen auch zum Ziel trägt. Diese Erlebnisse gibt es – wenngleich ich auch hinterher nicht das Gefühl habe, dass das nur so hätte sein können: Es ist dann an sich nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten, ein Werk aufzuführen. Aber eigentlich haben alle Musiker ein ganz gutes Gespür dafür, ob etwas wirklich außergewöhnlich gut gelingt oder ob etwas nur so ‚abgeliefert‘ wird. Das spürt jeder sensible Musiker. Wie gehen Sie mit dem Mangel an Zeit um? ‚Zeit ist Geld‘ gilt heute natürlich leider auch in der Musik. Dabei könnte man an Stücken zumindest theoretisch unendlich lange proben. Oft bekommt man aber in der Opernszene, beispielsweise an den großen Opernhäusern einfach nur ein ganz bestimmtes und oft auch sehr begrenztes Quantum an Zeit zur Verfügung gestellt. Dann muss man versuchen, gegen die Mechanismen des Marktes zu kämpfen. Manchmal hat man Glück und kann sich durchsetzen, kann ein paar mehr Proben rausschlagen. In gewissen Fällen kann ich auch sagen: Wenn ich das nicht bekomme, dann komme ich nicht. Aber in vielen anderen Fällen muss leider auch ich versuchen, in dieser Zeit ein Ergebnis abzuliefern, das für das Publikum irgendwie akzeptabel ist.

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