Kult Februar 2014

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. Februar 2014.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

DAS Potemkinsche Dorf 2.0 Kaspar Isler, 7. Februar 2014 Seit Vergabe der Olympischen Winterspiele steht in Sotschi ein Grossereignis vor der Tür. Auch mal in Form von breitschultrigen Schergen im Dienst von Wladimir Putin. Diese legten den Bewohnern unmissverständlich nahe, sie mögen sofort umziehen. Platz schaffen für einen Wettkampf, der per Definition der Völkerverständigung dient. Eine Entschädigung vom homophoben Braunbären gab's nicht. Dafür die Androhung von Gewalt gegen jeden, der die Zwangsumsiedlung nicht akzeptieren wollte. Ausgeführt wurden die vorsorglichen Massnahmen von Anatolij Pachomow. Die Marionette Putins ist nicht nur Bürgermeister der Stadt am Schwarzen Meer, sondern auch der Präsident eines Regionalverbandes für Strandsportarten. Zur Erinnerung: Sotschi wurde vom Internationalen Olympischen Komitee (IOK) als geeignet eingestuft, um Winterspiele durchzuführen. Nach dem Jubel kam der Druck. Mit schweren Maschinen musste der Badeort über Nacht vom verschlafenen Nest zum Prestigeobjekt einer überforderten Regierung gemacht werden. Koste es, was es wolle. Rund 45 Milliarden Franken, was Sotschi zu den teuersten Spielen aller Zeiten macht. Das Budget versickerte irgendwo im umgepflügten Schlamm eines einstigen Naturschutzge-

biets. Zur Aufführung kommt ein Meisterstück russischer Schattenwirtschaft, das bezeichnend ist für eine Regierung,

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: MERCEDES-BENZ

Reinhold Weber. 14. Januar 2014. Dass diese Anzeige nicht ganz von heute ist, sieht man natürlich sofort. Es ist nämlich kein Auto drauf. Zudem ist das Auto, das nicht drauf ist, gut fotografiert, und Platitüden wie “NEU” oder “Erleben Sie jetzt” oder “Jetzt schon ab CHF …” fehlen gänzlich. Die schön gestaltete Anzeige erzählt mir in flüssigen Sätzen lediglich eine charmante Geschichte. Und dafür bin ich MercedesBenz dann ein bisschen dankbar. Wann und wo, Mercedes, sehen wir uns wieder.

die gedanklich irgendwo im Mittelalter steckengeblieben ist. Wir Schweizer, als eiserne Verfechter der Menschenrechte,

schauen nicht nur zu, sondern applaudieren mit zwei zugedrückten Augen. Auch unsere Repräsentanten kümmern die Bedingungen ebenso wenig, wie die katastrophalen Zustände, in denen sich weite Teile der Bauten befinden. Dass diese nicht fertig gewesen seien, habe es auch bei anderen Spielen schon gegeben, erklärte Till Frey, Projektkoordinator der schweizerischen Botschaft in Moskau, in einem TV-Interview. Da habe man jeweils halt noch schnell einen Zaun oder eine Verkleidung angebracht. Damit spricht er unbewusst das treffendste Wort für die diesjährigen Winterspiele aus: Verkleidung. Ich bin kein chronischer Weltverbesserer aber möchte hiermit ausdrücklich festhalten, dass ich die Olympischen Winterspiele aufgrund der skrupellosen Zwangsenteignungen, der überflüssigen Zerstörung eines Naturschutzgebietes, der Korruption und der Schattenwirtschaft aufs Schärfste verurteile. Dies schliesst primär alle involvierten Drahtzieher, sekundär alle teilnehmenden Sportler, Sponsoren, Trittbrettfahrer und Besucher mit ein. Gerade ein Land, das sich humanitäre Arbeit so gross auf die Flagge schreibt, darf bei derart menschenverachtenden Machenschaften nicht tatenlos zusehen  – geschweige denn dabei fröhlich in die Hände klatschen. Bildcredit: Wassili Slonow

DJLÖWE DER WOCHE

Let the Games Die Es galt mal als eines der grössten Ziele im Leben eines Sportlers. Die Olympischen Spiele. Da diese nur alle 4 Jahre stattfinden, liegt sie in der Rangordnung eins über Weltmeisterschaften, welche dann in der Regel das zweitgrösste Ziel eines Sportlers sind. Nebst dem Veranstaltungs-Rhythmus gibt es noch einen weiteren wichtigen Unterschied: Die Olympischen Spiele haben einen Geist: Den Olympischen Geist. Und der ist, wie alle Geister, nur schwer in einer allgemein gültigen Formulierung festzumachen. Es gibt zwar ein offizielles Motto der Olympischen Bewegung (itius, altius, fortius, heisst: schneller, höher, stärker), welches aber durch eben diesen Olympischen Geist relativiert wird. Dieser verinnerlicht Werte wie Fairplay, Völkerverständigung, Frieden, Versöhnung, solche Sachen halt. So werden an den Spielen zwar Medaillen angestrebt, jedoch immer wieder betont, dass das Wichtigste an den Olympischen Spielen nicht der Sieg ist, sondern die Teilnahme. „... wie auch das Wichtigste im Leben nicht der Sieg, sondern das Streben nach einem Ziel ist. Das Wichtigste ist nicht, erobert zu haben, sondern gut gekämpft zu haben.“ (Pierre de Coubertin, Gründer des IOK). Mag sein, dass Monsieur de Coubertin feine Absichten hatte. Spätestens aber seit den Sommerspielen 1936 in Berlin wurden diese feinen Absichten auf Gröbste geschändet. Die Olympischen Spiele tun nur noch so, als wären Sie etwas Tolles, etwas Schönes, etwas, was einem den Alltags-Scheiss vergessen und für ein paar Tage an das Gute im Menschen und der Menschheit glauben lässt. In Tat und Wahrheit sind sie zu einer beklemmenden Darstellung von gierigen Konzernen und machthungrigen Regierungen verkommen, die hinter den Kulissen über Leichen gehen, um sich über die Fernsehbilder in Millionen von Haushalten als heroische Vertreter des Olympischen Geistes zu präsentieren. Jenen Geist, der während den vergangenen 80 Jahren kontinuierlich und systematisch geschändet und abgewürgt wurde. Der Olympische Geist ist tot. Es ist an der Zeit, die Spiele für beendet zu erklären. Und so wenigstens deren Geist dereinst in einer würdevollerer Erinnerung zu behalten, als er uns dieser Tage wieder dargestellt wird. Herzlich, Rainer Kuhn

Alex Flach, 29. Juli 2013. Derzeit ist es gerade hip sich über Hipster zu beschweren (“Ich habe einem Hipster ins Bein geschossen, jetzt hopster”). Wenn uns auch bis dato nicht wirklich restlos klar ist, wie man das Hipstersein in all

seinem Facettenreichtum definiert, so hätten wir doch einen Vorschlag, wenn man der Hipster überdrüssig ist: Einfach ins X-Tra gehen. Da ist es lustig, da ist es nett und die DJs haben schöne Kontaktlinsen.

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Rainer Kuhn, Reinhold Weber, Midi Gottet, Alex Flach, Henrik Petro, Angela Kuhn, Dominik Patrick Hug, Vanessa Kunz, Christian Platz, Kaspar Isler, Yonni Meyer, Zukkihund Gestaltung: Fredy Heritsch/Aline Hafen Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh. www.kult.ch/gmbh

Wir freuen uns über jeden Anhänger: www.facebook.com/zuerilinie


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Februar 2014

BACK TO THE JUNGLE WITH MOLA ADEBISI

Dominik Hug, 19. Januar 2014. In wenigen Tagen startet das fast schon jährliche Ritual “Ich bin ein Star – holt mich hier raus!” auf RTL. Keiner wirds sehen, aber jeder drüber sprechen. Seit einigen Staffeln finde auch ich mich im Januar des Öfteren vor dem Flimmerkasten wieder, beim Begaffen der C-Promiaffen. Doch, was genau macht für mich die Faszination dieser Show aus? Was lockt mich zwei Wochen lang jeden Abend bis zu zwei Stunden vor die Kiste? Nackte Haut? Streit? Schadenfreude? Vielleicht bin ich einfach daran interessiert wie Menschen es fertig bringen ihre Karriere komplett zu trashen. Und immer mal wieder gibt es auch im Dschungelcamp die eine oder andere Figur, welche einem ans Herz wächst. Mein Sympathieträger der neuen Staffel, noch vor Ausstrahlung der ersten Folge,

ist ganz klar Mola Adebisi. Damals, als auf Musiksendern tatsächlich noch Musik lief, war Mola gefragt und ein vielbeschäftigter Mann. Auf seine Geschichte bin ich sehr gespannt. Aber, sind wir ehrlich, das Dschungelcamp wird uns nichts neues liefern. Wir werden wie immer dieselben Dschungelprüfungen sehen. Wir werden die Augen zukneifen, wenn unsere kommende Hasskandidatin auf Känguruhoden herumkaufen darf und wir werden hoffen, sie wird mit null Sternen ins Camp zurück müssen um sich dem Hass der Campbewohner aussetzen zu lassen. Ich persönlich hoffe noch immer auf eine gepflegte Schlägerei zwischen zwei Kandidaten. Oder, dass John Rambo dereinst auftauchen und alle niedermetzeln wird. Man wird ja noch träumen dürfen…

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INTOLERANTE TOLERANTE Rainer Kuhn, 14. Januar 2014. Ich nehms grad vorweg: Die wachsende Zahl von linken Toleranz-Faschisten und deren Forderungen nach erzwungener Toleranz gegenüber allem und jedem und jederzeit geht mir mittlerweile ziemlich auf den Sack. Aus lauter Angst vor den extremen Rechten müssen wir tolerant sein gegenüber allem, was anders denkt als man selber. Gegenüber allem, was anders handelt als man selber. Gegenüber allem, was sich anders bewegt als man selber. Dabei ist es nicht die Toleranz, die störend ist, im Gegenteil, als einer, der Harmonie sucht, bin ich grundsätzlich interessiert an allem, was diese Harmonie fördert. Nein, das Abstossende an den Toleranzforderungen ist der damit verbundene Zwang. Und schon ists mit der Harmonie fertig. Denn wenn die Massnahmen zur Förderung der öffentliche Harmonie ausschliesslich dem Konto „Individuelle Freiheit“ abgebucht werden, dann kehren sie ins Gegenteil des Angedachten. Wenn schon ein kleiner Witz eine öffentliche Abmahung und herbeigeschriebene öffentliche Ächtung nach sich zieht, wenn das Infragestellen von herrschenden Autoritäten per se als Intoleranz gegenüber dem gesetzlich verordnetem Maulkorb deklariert wird, dann hat das mit Toleranz nichts mehr zu

tun. Dann handelt es sich bei all dem Geschrei um nichts anderes, als um eine staatlich verordnetes Weltbild, welchem sich jeder unterordnen muss. In der Zwangsjacke der political correctness wächst erst der Unmut, dann der Hass, und schon schleicht sich die Harmonie aus dem Zimmer. Mit der Toleranz ist es wie mit der Freiheit, sie lebt nur, wenn man sie nicht zwingt. Und sie stirbt, wenn man sie vorschrei-

BEZIEHUNGSERZIEHUNG

DAS MUSS MAN HABEN: EINEN BABYHOLSTER

ben will. Wenn man Toleranz wirklich fördern will, dann lässt man die Intoleranten intolerant sein. Und sich damit gegebenenfalls selber disqualifizieren. Alles andere führt zwangsläufig zu genau der Situation, die man mit all den abstrusen Toleranzforderungen zu bekämpfen versucht. Wer sich in dieser Sache für den Weg nach links entscheidet, der kommt irgendwann plötzlich ganz rechts an.

Alternativvorschläge zum Dschungelcamp Yonni Meyer. 24. Januar 2014 Nachdem ich mir nun 2 Episoden dieses unsäglichen Reality Horror Satire Ekel Dramas auf RTL angeschaut habe, habe ich hier einmal ein paar Vorschläge zusammengetragen, bei denen man meiner Meinung nach sein Hirn eher stimuliert als mit dem Schauen des Dschungelcamps: Basilikumstöckli beim Wachsen zusehen Alle Blei- und Farbstifte spitzen, die man besitzt Die Steuererklärung bereits heute ausfüllen

Reinhold Weber, 20. Juli 2013. Du gehst der Sonne entgegen. Du siehst die Umrisse von Django. Der zieht blitzschnell seinen Urenkel, aber du bist schneller. Drei Mal

ziehst du die Ohren des Kleinen durch. Drei Schreie. Still sackt Django auf den glühenden Asphalt vor dem Prime Tower. Yeah, so ist das im wilden Zürich West.

Yonni Meyer. 31. Januar 2014 Beziehungen sind so individuell wie der Mensch. Bzw. so individuell wie die Hälfte der Menschheit, denn es braucht ja immer zwei, um eine Beziehung zu führen. Liebesbeziehungen sind bereichernd, wenn sie denn passen. Dazwischen kann man tun und lassen, was man mag. So. In letzter Zeit aber entdecke ich immer wieder ganze Artikel und Kolumnen und seitenlange Äusserungen auf FB von irgendwelchen Mädchen anfangs 20, die ums Verrecken der ganzen Welt mitteilen wollen, dass sie mega keine feste Beziehung wollen. U MEGA FEST NICHT, IMFALL. WÄH, BEZIEHUNGEN. Oder dass sie Affären wollen, aber ohne Verpflichtungen. Oder dass sie alle 14 Tage 3 Stunden mit einem Mann verbringen wollen, den dann aber megacool am Morgen heim schicken und mit ihren Chicas Bröntschen gehen. Blablabla. Und sie müssen immer ganz fest betonen, wie unabhängig sie sind. Und frei. Und dass Liebe nicht das ist, was sie

suchen. Und dann schreiben sie ganze Abhandlungen darüber, dass sie machen können, was SIE wollen. Imfall. Will ich bin 21i und u mega unabhängig. lol Herzchen. Niemanden interessiert, ob und mit wem du rumvögelst. Hör auf, dich zu rechtfertigen. Mach dich frei, zieh dich aus, hab Spass, high 5. Mach doch einfach dein Ding. Aber verzapf mir nicht, dass du den Weg in die ultimative Beziehungsführung gefunden hast oder dass ich nachvollziehen soll, dass schon halb Zürich die Hand in deinem Höschen hatte. Sex and the City ist vorbei, solche Stories findet niemand mehr spannend. Und wenn Ihr unabhängig sein wollt, Euch dann aber trotzdem verliebt, dann ist das auch mega okay. Passiert jedem. Und wenn sich Eure Affäre in Euch verliebt, dann ist auch das so in Ordnung. Und wisst Ihr weshalb? Weil Beziehungen so individuell sind wie der Mensch. Voilà.

Eine Kerze beim Herunterbrennen beobachten Auf 100 und wieder herunter zählen Sich die gesamten Beine mit einer Pincette enthaaren (ist auch weniger schmerzhaft als Dschungelcamp-Schauen) Küchenkästchen rausputzen, zweimal, dazwischen wieder ein- und ausräumen Mit einem Fisch reden


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AUGEN, DIE HÖLLENFEUER VERSPRECHEN … Christian Platz, 14. Januar 2014 Mit dunkler, unheilschwangerer Stimme hat sie es gesagt, die alte Dame, die in meiner Kindheit auf mich aufzupassen pflegte, wenn meine Eltern ausser Landes waren, was ziemlich häufig vorgekommen ist: „Wenn Du vor dem Einschlafen nicht das Vaterunser betest, wird der Herrgott Dich furchtbar bestrafen. Er wird Deine Eltern auf ihrer Reise sterben lassen. Dann musst Du für immer bei mir bleiben.“ Ich antwortete unsicher: „Aber es gibt keinen Gott. Genausowenig, wie es Geister gibt oder die Räuber im Wald. Das sagt mein Papa immer – und auch mein Onkel Dante aus Rom.“ „Du lügst, Bub“, hiess die unvermeidliche Antwort, „so etwas würde Dein Papa nie sagen. Dein Papa ist ein hoher Chef, Dein Onkel Dante ist ein echter Professor. Beide wissen, dass es den lieben Gott gibt. Alle wissen, dass es den lieben Gott gibt. Und der liebe Gott ist ein strenger Richter!“ Diese Antwort liess meine Gedankenbahn für einen Moment entgleisen. Papa und Dante hatten doch mehrfach und deutlich zu mir gesagt, dass Gott genauso erfunden worden sei, wie das Rotkäppchen und das Schneewittchen einst erdacht worden waren. Irrtum ausgeschlossen. Ich hatte diese ihre Aussagen keineswegs geträumt – und gelogen hatte ich auch nicht. Ich habe damals nämlich noch nicht gelogen, das kam erst später, unter dem unerträglichen Druck, den die Gesellschaft ausübte, in die ich hinein geboren war. Nun behauptete die alte Dame plötzlich das Gegenteil. Meiner kindlichen Erfahrung sagte mir, dass die Erwachsenen in der Regel Recht haben. Vielleicht gab es in unserer Wohnung an der Froschgasse keinen Gott, aber hier, in der Wohnung der alten Dame, an der Storchenstrasse, schien es ihn zu geben. Hier war seine Präsenz ganz und gar spürbar, eine kalte, strenge, eine unerbittliche Gegenwart. Ich betete also. Dieses komische Gedicht, das sich nicht reimt und dessen Inhalt ich nicht so richtig verstand. Und die alte Dame betete danach immer den Rosenkranz, mit dem Ave Maria, ihr Solo gewissermassen, einen Text, der mich noch ratloser zurückliess. Beim Wort „gebenedeit“ habe ich mir immer bleiche Gebeine vorgestellt, die in einem dunklen Tal herumliegen. Dann musste ich das Kruzifix, welches am Ende des Rosenkranzes hing, auch noch küssen. Eine Handlung, die ich als kleiner Bub natürlich unsagbar eklig fand. Am Ende wurde ich jeweils noch mit heiligem Wasser aus Lourdes besprengt. Das Plastikfläschchen war wohl noch aus den 1950er Jahren übrig geblieben. Es roch penetrant nach Moder, nach finsteren alten Kellerverliesen. Nach Folterkellern. Dann wurde das Licht gelöscht. Aber danach war es nicht gänzlich dunkel. Durch Ritzen im Fensterladen stiess Licht ins Zimmer vor, trübes vorstädtisches Strassenlampen-Licht der frühen 1970er Jahre. Und wieder starrte ich das Bild an, es prangte an der Wand, vielleicht einen Meter über dem Fussende meines Betts. Es hing da wie ein Vorwurf. Eine Erinnerung daran, dass die Realität eben doch kein besonders freundlicher Ort ist. Das Bild zeigte die so genannte Grablegung Christi. Der bleiche, geschundene Körper von Jesus, in ein graues Tuch geschlungen, wird von schattenhaften, gebeugten Gestalten betrauert, in einer finste-

ren Höhle, das Haupt der Leiche immer noch vom Dornenkranz gekrönt, die Verletzungen der Dornen sind besonders detailverliebt dargestellt. Verkrustetes Blut überall. Das Bild lenkte meine Gedanken auf den Tod. Ich fühlte mich, als hätten meine Gebete, unter Druck und mit Unwillen gesprochen,

tiger toter Jesus. Aus weissem Stein geschlagen. Reihenweise standen sie an, die alten Weiber – ich nannte sie so, weil ich wusste, dass Frauen in jenem seltsamen Buch, der Bibel, auch so genannt werden -, um die kalte Hand dieses Idols zu küssen, auf dem steinernen Handrücken konnte man eine eklige kleine

schichte. Im Vierfarbendruck. Nun muss ich noch erwähnen, dass wir zum Abschluss des Besuchs immer die grosse Domkirche von Bad Leichnam besuchten, diese trug einen ausserordentlich kapitalen goldenen Dachhahn, der aus der Ferne wie ein Drache wirkte. “Die Domkirche, mit

eine Türe geöffnet, zu diesen gespenstischen Todesfiguren, deren Namen da waren: Jesus und Gott. Ich war in das Feld ihrer allmächtigen Wahrnehmung gerückt – und sie wussten, dass ich die Gebete nicht ganz ehrlich meinte. Missbilligend starrten sie mich an, mit Augen, die Höllenfeuer versprechen. Seltsamerweise hatte ich vor dem heissen Höllenfeuer keine Angst. So lag ich in der Wohnung an der Storchenstrasse oft lange wach. Als ich dann endlich einschlief, träumte ich, dass ich ein Tierarzt in Afrika wäre, der gerade ein Zebra heilt… So ein Tierarzt wie der berühmte Daktari aus dem Fernsehen, der immer von seiner Assistentin Paula begleitet wurde, die ich gerne nackt unter der Dusche gesehen hätte.

Greisinnenspeichel-Pfütze sehen. Schon waren wir an der Reihe. Zunächst schmatzte die alte Dame die Hand ab. Ein gaaaanz feuchter Kuss. Dann wurde mein Kopf der heiligen Stelle entgegen gedrückt, ich musste meine Lippen spitzen, schloss die Augen und versank in einem Ozean aus Ekel. Nur die Spielzeugpistole und das Cowboyheft, die mir als Belohnung in Aussicht gestellt worden waren, bewahrten mich vor dem Ertrinken.

ihren herrlichen Bildern”, wie die alte Dame zu sagen pflegte. Auf den meisten dieser Bilder waren Folterungen nackter Leiber zu sehen. Ausführlich. Sie zeigten zwar entsetzliche und blutige Vorgänge, sahen für mich aber trotzdem irgendwie harmlos aus. Das Deckengemälde präsentierte den kompletten göttlichen Hofstaat. In seiner ganzen selbstherrlichen Arroganz. Am unteren rechten Ende – vom Eingang aus gesehen – des Gemäldes konnte man einen lustigen, dicklichen, roten Gesellen sehen, Hörner auf dem Haupt, ein freches Grinsen im Gesicht. „Das ist der Böse, der Teufel“, pflegte die alte Dame jeweils zu flüstern, wenn wir das Gemälde betrachteten.

Ich wusste allerdings nicht so genau, warum ich diesen Wunsch verspürte… Am Sonntag fuhren die alte Dame und ich immer mit dem Bus zu einem Wallfahrtsort. Bad Leichnam. Eine lange, langweilige Fahrt. Dort gab es eine unterirdische Höhle, mit ausgedehnten Gängen und zwei Kavernen. In der ersten wohnte eine schwarze Madonna, die fand ich irgendwie schön. Sie erzeugte in mir einen gewissen nervösen Kitzel, von dem ich heute vermute, dass er eine weitere präpubertäre sexuelle Regung darstellte – kein Wunder also, dass Kali, jene schwarze Göttin aus Indien, in meinem späteren Leben eine derart wichtige Rolle spielen sollte. In der zweiten Kaverne lag ein mäch-

Und so erging es vielen Kindern. Kein Wunder also, dass es vor der Wallfahrtskirche von Bad Leichnam einen kleinen Marktstand gab. Ein fröhlicher Italiener – Herr Fenaroli – verkaufte an diesen Stand Spielzeuge und Heftli, Bestechungsgut für Kinder. Christus-Lockstoff. Auf der rechten Seite des Standes gab es allerlei Plastikwaffen, Pistolen, Gewehre, Schwerter, Tomahawks und Cowboyhefte. Die linke Seite bot allerlei glänzenden Tand und seltsame rosarote Gegenstände, sie war für die Mädchen bestimmt. Die alte Dame gab mir also den obligatorischen Fünfliber, ein stattliches Stück Geld. Während sie mit dem Pfarrer redete, durfte ich mir bei Herrn Fenaroli die Waffe und das Heft meiner Wahl aussuchen. Der Verkäufer, immer frohgemut, beriet mich fachkundig beim Einkauf. An jenem denkwürdigen Sonntag entschied ich mich für einen Colt Cobra und ein Heftli namens Diablo, eine Mischung aus Cowboy- und Geisterge-

Ich mochte ihn irgendwie. An jenem denkwürdigen Sonntag sagte mir Herr Fenaroli, als ich meine Einkäufe bezahlt hatte: „Musstest Du wieder die steinerne Hand küssen? Eklig nicht? Da würde ich lieber die dort drüben küssen…“ Er deutete mit dem Kinn auf die junge Verkäuferin, die am Stand gegenüber Kerzen feilbot. Ich fand diese Aussage von Herrn Fenaroli zwar ein bisschen peinlich, aber ich stimmte ihm grundsätzlich zu. Dann beugte er sich zu mir herunter und sagte leise: „Du kennst doch den Teufel, den mit dem Hörnern, auf dem Bild in der grossen Kirche…?“ Ich nickte. Dann sagte er: „Glaub mir, der ist viel lustiger als der tote Jesus und sein strenger Vater…“ Meine Vermutungen waren also richtig.

Der Verkäufer beugte sich noch tiefer zu mir herunter und flüsterte: „Ich verrate Dir jetzt ein Geheimnis. Der Rote mit dem Hörnern ist Dein Freund. Wenn Du wieder unter ihm stehst, dann flüstere folgende Worte – Ol sonuf vaoresaji. Kannst Du Dir das merken? Sag sie nach. Und wenn Du zuhause einen Wunsch hast, zünde in der Nacht einfach eine Kerze an – und sag sie wieder, diese magischen Worte…“ „Ol sonuf vaoresaji“, flüsterte ich also. Sechs mal liess mich der Spielzeugverkäufer die Formel aufsagen, bis ich sie mir eingeprägt hatte. Als die alte Dame und ich an diesem Tag die Domkirche von Bad Leichnam betraten, flüsterte ich die rätselhaften Worte der Decke entgegen. Und – ob Sie es glauben oder nicht – der Gehörnte zwinkerte mir fröhlich zu. In der gleichen Nacht schlich ich in die Küche. Die alte Dame schlief tief, ihr gewaltiges Schnarchen war in der ganzen Wohnung zu hören. Auf dem Küchentisch stand eine grosse, rote, halb heruntergebrannte Kerze. In der verbotenen Schublade des Tisches, das wusste ich, wurde eine Schachtel Streichhölzer aufbewahrt, auf deren Umschlag das Bild eines französischen Schlosses prangte. Ich mochte dieses Bild. Vorsichtig zündetet ich die Kerze an – und flüsterte: „Ol sonuf vaoresaji…“ Plötzlich erschien die mir wohl bekannte Küche in einem seltsamen, warmen, rötlichen Licht, das ich als wohltuend empfand. Eine tiefe sympathische Stimme – war sie in meinem Kopf oder aussen? Ich konnte es nicht bestimmen – sagte: „So mein Lieber Freund, da bist Du ja. Hast Du einen Wunsch?“ Ich sagte: „Ich will nicht mehr das Vaterunser beten, ich will nicht mehr den Rosenkranz küssen – und will nicht mehr nach Bad Leichnam, mit diesem langweiligen Bus.“ Die Stimme sagte: „Warte bis morgen nach der Schule…“ Am nächsten Tag wusste ich zunächst nicht, ob sich die Geschichte wirklich ereignet hatte – oder ob es nur ein Traum gewesen war. Als ich in der Mittagspause an die Storchenstrasse zurückkehrte, stand die nette Nachbarin Frau Holder an der Tür – und fing mich ab. Die alte Dame sei plötzlich gestorben, wegen dem Herz, ich könne jetzt bei Holders Mittagessen und müsse am Nachmittag nicht in die Schule. Meine Eltern seien informiert. Ich könne die nächsten Tage bei ihr, im Haus der Familie Holder verbringen. Da empfand ich eine ungeheure Erleichterung. Ich mochte das alte verlotterte Haus dieser Leute und ihre Tochter, Angela, sie war einige Jahre älter als ich, löste in mir diesen gewissen nervösen Kitzel aus – wie die schwarze Madonna, wie Paula. Die nächsten Tage waren für mich das Paradies. Von jetzt an zündete ich in den Nächten immer wieder eine Kerze an – und flüsterte die schönen Worte: „Ol sonuf vaoresaji“. Die Resultate sprachen für sich: Der böse Renato, der mich auf dem Pausenhof immer demütige und ohrfeigte, wurde von einem Auto überfahren, ich bekam die herrliche Ritterburg aus Plastik, die ich mir immer gewünscht hatte – und an einem Tag gab mir die wunderschöne Angela plötzlich einen Kuss, als ich sie nachts nackt im Treppenhaus überrascht hatte. In jener unvergesslichen Nacht ist etwas in mir erwacht. Unwiderruflich. So kam es, dass der Teufel mein Freund geworden ist.


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FIGG DI, FACEBOOK Yonni Meyer, 16. Januar 2014. Geil! Ein eigener Blog. An einem Ort, an dem nicht jeder einfach so einen eigenen Blog haben kann. AWESOME! Prima auch, weil ich hier nun eine dumme Fresse über Facebook haben kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, weil ich den Scheiss dann auf ebendiesem poste. Nun gut. 10 Dinge, über welche ich mich immer wieder nerve auf FB 1. Leute, die ihre eigenen Bilder/ Status liken. Das macht mich stinksauer. Ich will doch niemandem beim öffentlichen Onanieren zuschauen. 2. Leute, die andere auf Werbefotos verlinken. Meist für Turnschuhe. Mir passiert das nie. Was ist mit diesen Scheiss-Turnschuhen? Niemand will diese beschissenen, neonfarbigen Ekeltreter. Und niemand will auf einem Bild davon markiert werden. HÖRT MAL AUF! 3. Leute, die andere, welche sie auf Bildern von Turnschuhen getagged haben, nicht löschen. Warum seid Ihr mit Menschen befreundet, die Euch auf Turnschuh-Bildern verlinken?? SCHEISS-TURNSCHUHE. SCHEISSTURNSCHUH-VERLINK-FREUNDE. SCHEISS-FREUNDE-DIE-SICH-AUFTURNSCHUHBILDERN-VERLINKENLASSEN. Ihr seht glaubs, was ich meine. 4. Hashtags. Ich muss nicht mehr sagen. 5. Sch. Ganz einfach. S. C. H. Sh sagen 15jährige Meitli. Genauso Ts anstatt Z. Und ein –i am Schluss ist einfach ein –i und kein –iiiii. Häsh vershtande, Tsüriiiiii? 6. Nie vergessen, Spotify mitzuteilen, es soll nicht jeden von dir gehörten Titel in den Newsfeed all deiner Freunde speisen. „Marco hört sich gerade „May It Be“ von Enya an“. Schön, Marco. Wir können das gerne auch mal zusammen-

machen. Gleich nachdem du dir ein paar Hoden gekauft hast. 7. Das neueste Elend: diese verfluchten Bitstrips-Comics. Wer hat das erfunden? Warum hat er/sie das erfunden? Wie bringen wir es wieder weg? Ein bisschen wie bei der Atombombe. 8. Warum gibt es eigentlich diese Anstups-Funktion noch? Ist das sowas wie Online-Vorspiel? Ich stelle mir ja dann immer vor, dass mich der besagte Herr mit seinem Penis angestupst hat und finde ihn gleich weniger sympathisch. Ich will keinen Online-Penis, der mich anstupst. Fort! Fort! 9. Menschen, die auf FB twittern. Twittern ist für Twitter. Schreib doch einfach den Satz auf FB, ohne zu betonen, dass man den geistreichen 140-Zeichen-Erguss auch auf Twitter bewundern kann. Versteh ich nicht. Ich frag ja auch nicht bei Burger King nach einem Bigmac… 10. Bitte. Bitte. Bitte. Keine ganz frisch geborenen auf dem Busen ihrer ganz frisch entbundenen Mama. Babys sind super. Die Mamas der Babys auch. Und es ist auch schön, wenn solch hochemotionale Momente festgehalten werden. Aber: 85% Eurer Freunde wollen das nicht sehen. Da ist Käseschmiere an Eurem Kind. Tut es nicht – oder tut es einfach nicht öffentlich. Danke.

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EIN SCHOSSHÜNDCHEN, DAS FRAUCHENS SEX-TOY VERSCHLUCKT HAT

Midi Gottet, 5. November 2013. Denn, damit kann man nach dem Squirt-Orgasmus prima noch den Boden schnell feucht aufnehmen.

WO LEBTEN DIE CARTWRIGHTS?

DIE BRÜCKE DER ENTERPRISE-D Dominik Hug, 10. Dezember 2013 “Bonanza” gehört noch immer zu einer der langlebigsten Serien. Von 1959 bis 1973 wurde die Serie produziert. Doch, wo stand eigentlich die PonderosaRanch, der Wohnsitz von Ben Cartwright und seinen Söhnen? Im Vorspann der Serie wurde stets die Karte der Umgebung der Ponderosa gezeigt. So erfährt der Zuschauer, die Cartwrights leben im Osten des Lake

Tahoe, nahe der Städte Carson City, Virginia City und Reno. Fans der Serie eröffneten 1967 eine Replik der Ponderosa Ranch, welche am fiktiven Spielort der Serie für Zuschauer eröffnet wurde. Der Park wurde 2004 an eine Privatperson verkauft und geschlossen. SEEN IN A SCENE www.facebook.com/SeenInAScene

GEFALLENE HELDEN: JALEEL WHITE Dominik Hug, 11. November 2013. Die Brücke der Enterprise-D ist wohl eines der berühmtesten Sets der TV-Geschichte. Das erste Star Trek-Spin Off “Star Trek: The Next Generation” ging 1987 auf Sendung und brachte es auf 178 Folgen. Das Ende der Serie bedeutete für die Crew der Enterprise den Wechsel auf die Kinoleinwand. Im Film “Star Trek: Generations” wurde die Enterprise und ebenso die Brücke des Schiffes zerstört um im darauffolgenden Film den Zuschauer mit einer komplett neuen und wesentlich leinwandtauglicheren Enterprise zu überraschen.

1997 wurde von Paramount Pictures, unter Aufsicht von Michael Okuda und Herman Zimmerman in Sherman Oaks (Kalifornien) ein Duplikat des Sets angefertigt, welches in den vergangenen Jahren stets weiter überarbeitet und erneuert wurde. Das Set kann ab 2014 gemietet werden für Meetings, Hochzeiten, Fanfilme und so weiter. Weitere Details: www.newstarship.com SEEN IN A SCENE www.facebook.com/SeenInAScene

Dominik Hug, 12. November 2013 Er war der nervende und schnorchelnde Typ aus “Alle unter einem Dach” und wurde zur Kult-Figur schlechthin. Steve Urkel. Doch als die Serie 1998 zu Ende war, ging Whites Karriere ziemlich suboptimal weiter. Nebenrollen in Serien wie Boston Legal, Dr. House, Navy CIS und in diversen kleinen TV-Filmen und die Teilnahme im US-Dancing with the Stars. That’s it. White ist mittlerweile 36 Jahre alt. Vielleicht kommt da ja noch was. Ansonsten wird er wohl dereinst vergessen gehen in den Tiefen des 90er Sitcom-Dschungels.

ZUM RETTUNGSVERSUCH EINES UNTERGEHENDEN SCHIFFES – EINMAL PIRAT, IMMER PIRAT

Angela Kuhn, 14. Januar 2014. Ich gehöre zur Zielgruppe. Jung, morgens top unmotiviert, musikorientiert. Ich wache auf. Schalt den Wecker aus, schalt das Radio an. “Gooood Morning!” Guten Morgen auch dir, Jan, und dir, Serap, und danke für die Prise Motivation auf den Pechschwarzen Montag. 105 rettet mir jeden Morgen aufs Neue. Bis auf den heutigen. Sendeschluss. Fertig. Aus. Funny, dass ich gerade meine Maturarbeit zur Schweizer Gesellschaftsreform durch die moderne Publikationsfreiheit auf dem Medienmarkt beendet habe, in welcher Radio 24 eine zentrale Rolle spielt. Für diese Arbeit führte ich mit Roger Schawinski ein Interview über Radio 24, das der damaligen Schweizer Jugend so ans Herz gewachsen war, wie man es heute von Radio 105 behaupten kann. Als Radio 24 der Sendeschluss drohte, wurde auf dem Bürkliplatz demonstriert. “Mir sind da, will ois das Radio öppis bedütet!”, riefen Rezipienten des Senders in die laufenden Kameras. Es hat mich unglaublich fröhlich gestimmt, als ich heute morgen las, dass Schawinski 105 unter die Arme greifen möchte. Es gibt sicherlich viele verschiedene Sichtpunkte auf die Hintergründe dieser Aktion. Doch wenn ich bedenke, dass der allgemein als Pirat bezeichnete Gründer des ersten Privatradios der Schweiz genau weiss, was es heisst, wenn einem der Hahn zugedreht wird und einem droht, alles, was man auf die Beine gestellt hat, zu verlieren, dann finde ich die Diskussionen über die Hintergründe seines Handelns wirklich überflüssig. Giuseppe Scaglione sitzt nun im selben Boot. Er macht grad das durch, was Schawinski damals durchgemacht hat, gründete ein Radio, das von der Schweizer Jugend geliebt und geschätzt wird, und das trotz finanziellen Schwierigkeiten und steigender Konkurrentenrate 17 Jahre seinen Platz in der Radiolandschaft verteidigen konnte. Nur schon dafür habe ich grossen Respekt vor Scaglione. Ich, jung, morgens top unmotiviert und musikorientiert, hoffe jedenfalls noch immer auf die Rettung des Senders. Und potenzielle Retter in der Not sollte man nicht zu sehr anzweifeln. Auch wenn es ein Pirat ist. Seemänner halten zusammen. Das Wort zum Schluss: Radio 105 wird geliebt. Ich spreche für einen grossen Teil der Zürcher Jugend wenn ich sage, dass ihr uns fehlen werdet. Danke für all die geretteten Morgen.


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Februar 2014

EIN POPEYE ‘YOUR HAND IS HIS HAND’ TATTOO

Midi Gottet, 17. Januar 2014. Eigentlich wollten wir keine Tattoo-Pics mehr zeigen weil das ganze Netz täglich damit geflutet wird. Aber dieses Tattoo hier ist so “Olivia-ich-muss-dir-unbe-

ding-was-zeigen”-mässig, dass wir nicht anders können. Na, wer von euch lässt sich das Ding gleich morgen nachstechen und kommt mit uns an die nächste Happy-Fisting-Party im Rage?

DAS MUSS MAN HABEN: DIE NEUE KULT ZEITUNG

Reinhold Weber, 10. Oktober 2013. Knüppelhart, was da so drinsteht. Kann man abonnieren: abo@kult.ch.

DER ARSCH DER WOCHE: TJA, WER IST ES DENN DIESMAL?

Reinhold Weber, 10. September 2013. Da sich Cédric Wermuth, Justin Bieber und Staatsanwalt Carlos Gürber diese Woche in der Redaktionskonferenz nicht so recht durchsetzen konnten, hier ein kleines Preisausschreiben. Verlosen wir unter den richtigen Antworten ein Fläschchen Kult-Bier? Yes, we can. Es ist glaub noch eins da.

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MAN HAT JA ZEIT. UND GEDULD. Christian Platz, 27. Januar 2014. Manchmal sehne ich mich nach dem alten Telefon mit der Wählscheibe zurück, das keine – wie auch immer gearteten – Anzeigen aufgewiesen hat. Und auch keinerlei Beantworterfunktionen. Manchmal sehne ich mich nach den Glanztagen der Post zurück, als ich alle Nachrichten am Morgen noch aus dem Briefkasten gefischt habe, mir nach der Lektüre der Schreiben gute Antworten überlegte, diese mit der Füllfeder zu Papier brachte, die Briefe, die also geworden waren, in Kuverts schob, Briefmarken draufklebte – und dann vergingen wieder einige Tage oder gar Wochen, bis ich Reaktionen erwarten durfte. Wenn es sich um den Austausch von Liebesbotschaften handelte, war die Erwartung natürlich von Sehnsucht erfüllt. Sehnsucht. Bis zum Bersten. Aber ich habe das ausgehalten. Und alle anderen Leute auch. Das Element Vorfreude hat uns das Warten versüsst. Manchmal sehne ich mich nach dem Warten auf ein neues Buch aus den USA zurück, von dem ich in einer Zeitschrift gelesen hatte, das ich sodann im Buchladen bestellte, worauf mir der – genauso freundliche, wie belesene – Fachhändler sagte: „Es kann aber gut einen oder zwei Monate dauern, bis dieses Buch hier ist.“ Folgende Antwort wäre mir damals keinesfalls in den Sinn gekommen: „Nein, das dauert mir zu lange.“ Ich sagte vielmehr: „Spielt keine Rolle. Ich will dieses Buch lesen. Ich habe Geduld.“ – Und dies, obwohl ich den Wälzer eigentlich kaum erwarten konnte. Aber die Langsamkeit gehörte halt zum Leben. Manchmal sehne ich mich nach jenen drei Fernsehprogrammen zurück, denen man einst auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Zappen machte angesichts dieses Angebots keinen Sinn – und wenn du umschalten wolltest, musstest du dich aus deinem weichen Furzsessel erheben, zum Apparat laufen und mit geübter Hand am Rad drehen. Denn es gab keine Fernbedienung. Und ab 23 Uhr flimmerte nur noch der Ameisenkrimi über die Mattscheibe, wie man den Bildschirm damals nannte. Man könnte sich jetzt vorstellen, dass jene verflossene Zeit langweilig gewesen ist. Doch das war sie eben nicht. Sie war erfüllt von Spannung, der Spannung des Wartens. Und dem Warten haben wir standgehalten, mittels Anwendung einer Technik namens Geduld. Wenn der Angerufene das Telefon nicht abgenommen hat, war dies absolut kein Grund zur Aufregung. Er wird halt unterwegs sein, hat man gedacht. Und sich problemlos damit abgefunden. Vielleicht erreiche ich ihn ja heute Abend – oder dann halt Morgen. Man hat ja Zeit. Und Geduld. Kaum etwas war so dringend, dass man die Leute deswegen gleich „sprengen“ musste, wie der Schweizer Volksmund es damals nannte. Für stürmische Einsätze waren höchstens die Polizei, die Sanität und die Feuerwehr zuständig. (Das Wort Blaulicht-Organsiationen hat man damals übrigens genauso wenig gekannt wie das Wort Organisationsentwicklung, entwickelt hat man höchstens Fotografien. Herren, die Nacktfotos von ihren Freundinnen gemacht haben, verfügten meistens über eine eigene Dunkelkammer im Keller. So auch ich. Ich hatte die Apparate von einem Onkel geerbt. Manche Dinge liegen einfach in der Familie. Man konnte Filme mit solches Aufnahmen seinerzeit nämlich nicht einfach in einen Foto-Laden bringen. Aus Rücksicht auf den guten Ruf.) Wenn das sehnsüchtig erwartete Schreiben dann endlich vom Briefträger geliefert wurde, hat man das Kuvert vorsichtig aufgemacht, man wollte die

wertvolle Botschaft ja nicht zerstören. Wenn du den Brief gelesen hast, waren jede Zeile, jedes Wort wichtig, bedeutungsvoll, du hast ihn sogar mehrmals gelesen. Die Worte, die Sätze wurden damals mit Bedacht notiert, man konnte sie nicht so schnell durch eine nachgeschobene Botschaft relativieren. Der Inhalt des Schreibens hat dich dann tagelang begleitet, beschäftigt, beseelt – und du hast dir mit der Antwort entsprechend Mühe gegeben. Und Zeit gelassen. Wenn das Buch aus den USA schliesslich angekommen war, wurde der Tag zum Glückstag. Du konntest das ferne Land, wenn du es geöffnet hast, beinahe riechen. Es war, als hättest du mit dem Buch ein Stück Amerika frei Haus geliefert bekommen. Fast ehrfürchtig hast du es gelesen – und dir dabei langsam und bedächtig eine Meinung zum Inhalt gebildet. Am Morgen hast du in der Zeitung das Fernsehprogramm studiert. Oft genug hast du dabei festgestellt, dass „heute nichts Gescheites kommt“. Das hat dich aber keineswegs aufgeregt. Machen wir halt einen Monopoly-Abend, einen Fondue-Abend, einen Sex-Abend… Wenn dann mal ein interessanter Film auf dem Programm stand – zum Beispiel „Viva Zapata“ mit Marlon Brando oder etwas von den Marx Brothers -, hat dir die Vorfreude auf den Streifen gleich den ganzen langen Tag versüsst. Computer gab es höchstens in Science-Fiction-Romanen – und sie waren von einer Aura des Hochkomplexen um-

geben, nur Nobelpreisträger konnten so etwas verstehen. Eine Flugreise war ein seltener Höhepunkt – im fernen Land fand man erstaunliche Lebensmittel und Produkte, die zuhause keine Menschenseele kannte, man konnte mehrere Tischgespräche mit Erzählungen aus der Fremde bestreiten, vor einer staunenden Zuhörerschaft. Und im Kino konnte man nicht nur die neusten Filme sehen – sondern auch immer wieder die alten. Kein Mensch hatte ein Videogerät zuhause. Es wurden ja damals auch nicht genügend Filme produziert, um alle Kinos permanent mit Neuheiten zu bespielen… Ja manchmal sehne ich mich nach dem alten Telefon mit der Wählscheibe zurück, nach dem sehnsuchtsvollen Warten, nach der Geduld, nach der Vorfreude. Wir alle waren damals weniger krank im Kopf! Und die Zeit ist eindeutig langsamer vergangen. Wobei uns unsere Grosseltern schon damals gerne sagten, dass wir in einer wahnsinnig hektischen Zeit leben, die die Menschen ganz irre machen würde – sie habe sich nach den Tagen der Pferdefuhrwerke zurückgesehnt. Damals habe ich über diese Aussagen der Alten gelacht, heute weiss ich, dass sie recht hatten. Inzwischen gehe ich sogar davon aus, dass jener allererste Mensch, einst von unbekannten Kräften, aus unbekannten Gründen geschaffen, wohl der normalste gewesen sein muss – und der glücklichste.


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Februar 2014

TOP 10 TRENDBERUFE 2014

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BY THE WAY, HAPPY NEW YEAR Angela Kuhn, 17. Januar 2014. Und plötzlich kam ich mehr zum Schreiben, als ich eigentlich wollte, aber weniger, was ich eigentlich wollte. 45 Seiten zu einem Thema, das vor 45 Seiten noch interessant schien, aber spätestens beim Literaturverzeichnis unbändige Aggressionen hervorrief. Umso besser, kann ich mir jetzt mal wieder die Zeit nehmen, ein bisschen zu schreiben was ich will, wie ich will, ohne Vorlage, ohne zwanghafte Rechtschreibung, ohne Kommatatüpflischisserei – und “FREEDOM!” schreit meine Kreativität, halbnackt an einem Samstag im Januar die Bahnhofstra-

Henrik Petro, 13. Januar 2014 . Ja, gut, ich bin jetzt halt nun mal Forschungsleiter beim CERN mit einem Doktor in Elementarphysik und einem weiteren Doktor in Gynäkologie. Und es ist wohl zu spät, eine richtige Karriere anzufangen. Aber wenn ich noch einmal jung wäre – also unter 40 – dann würde ich mir einen richtigen Job suchen. Und zwar einen, mit dem ich nicht nur reichlich Kohle mache, sondern der mir auch wirklich Spass macht und in dem ich mich wirklich frei entfalten könnte. Aber vielleicht ist es bei euch noch nicht zu spät, vielleicht seid Ihr gerade auf der Suche nach einer erfüllenden Herausforderung, die euch und eure Persönlichkeit spiegelt und nährt? Darum hier die Top 10 der angesagtesten Berufe 2014, die ich in diesem Jahr entdeckt habe – ihre Berufsbilder sind derart frisch und modern, dass es für sie noch gar keine Berufsbezeichnung gibt, weshalb nachfolgend die damit verbundenen Tätigkeiten beschrieben werden: 1. In letzter Sekunde vor einem abfahrenden Tram durchrennen, so dass die Tramführerin nochmals bremsen muss und angepisst die schrille Tramglocke läutet. 2. Am Outdoor-Bancomaten umständlich und unbeholfen mehrmals hintereinander den Kontostand abfragen und es nicht wahrhaben wollen, dass das Konto leer ist. Trotzdem versuchen, Geld abzuheben. 3. Im H&M die maximal erlaubte Anzahl Kleidungsstücke in die Garderobe mitnehmen, sich beim Anprobieren ausgiebig Zeit lassen, um dann den ganzen Wäscheberg auf die Theke zu knallen, damit die Stücke wieder zusammengelegt oder aufgehängt werden.

4. Teil eines Paares sein, das in Filmen in Partyszenen durchs Bild läuft. 5. Nach den anderen Patienten ins Zahnarztwartezimmer kommen, aber vor allen anderen von der Praxisassistentin aufgerufen werden. 6. Beim Club in der Gästeliste-Schlange darauf insistieren, man stehe auf der Liste, obwohl dem nicht so ist, und dann anfangen, alle möglichen DJ- und Szenie-Namen ins Gespräch einstreuen, um vielleicht doch noch umsonst rein zu kommen.

sse entlang rennend, an Ausverkaufsschildern die sich englisch cooler vor-

kommen vorbei, bis zum Bürkliplatz, wo sie mit einer Arschbombe im See landet. Neues Jahr, neues Glück. Das auch für Kult und das auch für mich und das hoffentlich auch für viele andere, für die, die es vielleicht noch nicht so kribbeln spüren wie ich das tu. Ich spür’s kribbeln, hab schon fast vergessen das es kribbeln kann, der Kaffee ist süsser als sonst, das Essen salziger, der Himmel blauer, das Januarloch gar nicht mal so tief. Neues Jahr, neues Glück, altes Glück auch ein wenig, und Neues, das wegen neuem Neuen nicht mehr aktuell neu ist, auch ein wenig.

HIGHLANDER-GEDÄCHTNIS- NIX WIE HIN: TAG IM ALTERSHEIM RICKY WILDBACH MARTIN IST WIEDER SINGLE

7. Am Postschalter zuerst eine komplizierte Frage bezüglich Geldüberweisung stellen, einen eingeschriebenen Brief abholen, der seltsamerweise nicht aufzufinden ist (dann aber doch, weil der Vor- mit dem Nachnamen verwechselt wurde) und am Schluss mit der Postschalterangestellten Nettigkeiten austauschen, obwohl sich hinter einem die inzwischen längste Schlange gebildet hat. 8. Mit einer grossen Umhängetasche erst nach dem Werbeblock in den vollbesetzten Kinosaal kommen und seinen Platz in der Mitte aufsuchen, dann während des Films sich auf das nicht auf lautlos gestellte Handy anrufen lassen, das Klingeln aber eiskalt ignorieren. 9. Von Autohaus zu Autohaus ziehen, sich das jeweils teuerste Automodell ausführlich zeigen und erklären lassen, mit allen möglichen Optionen konfigurieren und offerieren lassen und am Schluss fragen, wie lange es wohl dauern werde, die Autoprüfung zu machen, wenn man morgen den Lernfahrausweis bestelle. 10. Die jeweils letzte Kultzeitung aus der Box klauben, gerade, als jemand sich gefreut hat, ebendieses zu ergattern.

Midi Gottet, 7. Januar 2014. Ja, ja ich weiss, es kann nur einen geben. Will jemand was vom Kiosk? Ein Six-Pack Lagerbier? Eine Packung Zolpidem? Etwas Strychnin? Who wants to live forever? Kännsch?

WIESO?

ZEHN AUSREDEN WARUM IHR EUCH DAS DSCHUNGELCAMP ANSCHAUT Dominik Hug, 20, Januar 2014 1. Ich wollte schon immer Australien sehen. 2. Ich interessiere mich für exotisches Essen. 3. Gescheiterte Existenzen sind mein Steckenpferd. 4. Als leidenschaftlicher Playboy-Sammler ist die Sendung Pflicht. 5. Demonstration von psychischen Störungen für mein Psychologie-Studium. 6. Ich will einfach Brüste sehen. 7. Das Dschungelcamp erinnert mich an meine Pfadilager. 8. Die Fernbedienung ist kaputt und ich kann nicht umschalten. 9. Mein Partner zwingt mich dazu. 10. Perfekte Ablenkung von den peinlichen Usern im Shari’s CyberFlohmi

Midi Gottet, 27. Januar 2014. Wieso sieht eine Ansammlung von Ex-Missen auf SI-Online meistens ziemlich geil aus? Und wieso bloss, sieht ein Klassentreffen von vier Ex-Mistern in Arosa einfach nur aus, wie eine Trockenübung für einen “Vierer-Bob” im Agglomerations-Darkroom? Wieso? Wieso?

Midi Gottet, 13. Januar 2014 Normalos brechen sich auf gängigen innere-Werte-finder-Portalen wie Parship oder Perfectfor 2 einen ab um einen neuen Partner zu aquirieren. Doch Promis wie Ricky Martin sagen einfach husch ihrem PR-Heini Bescheid und schon schmachtet uns der LatinLova auf SI-Online lasziv entgegen und schwupps landen auch schon die ersten Befruchtungs-Aspiranten (in der Szene liebevoll “Arschpiraten” genannt) Unterleib voran auf Ricky Martins Schneekoppe. Mahlzeit allerseits.


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Februar 2014

«WIR ENTSCHULDIGEN UNS VON GANZEM HERZEN»

Henrik Petro, 21. Januar 2014. Die Welt stand still. Weil in einem TV-Spot der Pasta-Marke Garofalo der Name «Migros» falsch ausgesprochen wurde. Der Produzent hat sich kurz vor dem gesellschaftlichen Kollaps zu Wort gemeldet. «Wir entschuldigen uns von ganzem Herzen bei allen, die sich durch die falsche Aussprache im Spot verletzt fühlten», so Garofalo-Verkaufsdirektor Luca de Luca. Der Fehler habe nur passieren können, weil dem italienischen Hersteller von Edel-Pasta die einzelnen Nuancen zwischen Hoch- und Schweizerdeutsch nicht geläufig waren. Mutig. Nötig. Weltkriegverhindernd. Darum ein Beispiel, das Schule macht. James Hill, CEO von Findus, nutzte die

günstige Stimmung der öffentlichen Anteilnahme: «Wir entschuldigen uns von ganzem Herzen bei allen, die sich durch die Verwendung von Pferdefleisch in Lasagne verletzt fühlten», so James Hill. Der Fehler habe nur passieren können, weil dem englischen Hersteller von Tiefkühlprodukten die einzelnen Nuancen zwischen Schimmel- und Gammelfleisch nicht geläufig waren. Auch das Schweizer Fernsehen springt auf den Zug der Reue auf: «Wir entschuldigen uns von ganzem Herzen bei allen, die sich durch Blackfacing von Birgit Steinegger im «Endspott»Jahresrückblick verletzt fühlten», so Fernsehdirektor Ruedi Matter. Der Fehler habe nur passieren können, weil dem Schweizer Fernsehen die

einzelnen Nuancen zwischen sauglatt und fremdschämig nicht geläufig waren. Selbst Christoph Mörgeli hat erkannt, dass eine öffentliche Entschuldigung mehr als fällig war. «Ich entschuldige mich von ganzem Herzen bei allen, denen bei der Nachricht von meiner vermeintlichen Affäre mit Iris Ritzmann das einsetzende Kopfkino verstörende Gefühle verursachten», so Mörgeli. Der Fehler habe nur passieren können, weil den linken und netten Medien die einzelnen Nuancen zwischen «wir brauchen noch eine knackige Schlagzeile» und «interessiert keine Sau» nicht geläufig waren. Tja, und wir vom kult? «Wir entschuldigen uns von ganzem Herzen bei allen, die sich durch zu harmlose Texte und Bilder nicht verletzt fühlten», so mein Kniefall. Der Fehler habe nur passieren können, weil den Autoren die einzelnen Nuancen zwischen nüchtern plus sexuell befriedigt schreiben und vollverpeilt plus auf Antidepressivaentzug in die Tasten hauen nicht geläufig waren. Sorry. http://www.20min.ch/finance/news/story/21089793 http://www.20min.ch/schweiz/news/story/ SRF-Direktor-Matter-fand-Oprah-Sketchnicht-lustig-14047671 http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Ich-hatte-eine-Affaere-mit-Christoph-Moergeli–17491198

TALK DIRTY TO ME Henrik Petro. 15. Januar 2014 . Ich war sehr stolz, als ich an meinem ersten Arbeitstag bei der Bank gleich so einen wichtigen Auftrag ausführen durfte. «Sie fahren zum Flughafen und holen dort Jonathan Cramer ab, den CEO dieser Militärfirma, die diese Drohnen herstellt. Er fliegt extra aus den USA hierher, um diesen Milliardendeal unter Dach und Fach zu bringen. Er kommt mit seiner ganzen Familie. Und denken Sie daran: diese Leute sind sehr konservativ!» «Ouh, Chef, mein Englisch ist etwa so gut wie das von Benno aus ‹Liebesglück im Osten›!» «Keine Sorge! Holen Sie sie einfach ab, bringen Sie sie einfach hierher, reden Sie einfach nicht mit ihnen – Sie sind nur der Driver, nicht der Entertainer, kapiert? Gibts da etwas an dieser Anweisung, das Sie nicht verstehen?» «No, todo claro! Äh, alles klar, Boss!» Gemäss seinen Angaben würden sie vor 15 Uhr in Zürich Kloten landen. Um 14.43 Uhr hatte ich den Van im Parkhaus eingestellt und wartete am Ausgang beim Zoll, in der Hand ein A4-Blatt mit «J. Cramer». Tatsächlich spuckte die Milchglasschiebetüre um 15.17 Uhr eine Grossfamilie mit zwei Gepäckrollis aus, deren Erwachsene Mitglieder zunächst etwas irritiert und mit ernster Miene umherblickten, beim Anblick meines Zettels aber sofort anfingen zu lächeln. «Familie Cramer?» fragte ich in meinem besten Schulenglisch. «I am come here for drive you!» «Ouh that’s wonderful, we are so delighted», sagte ein Mann im mittleren Alter, von dem ich annahm, dass dies Mr. Cramer sein musste (genau genommen mussten die anderen männlichen Familienmitglieder auch so heissen – Mann, bin ich clever!). «Ähm, yes», sagte ich, ohne einen blassen Schimmer, was er genau meinte. Als die Familie inklusive vier Kinder im Primarschulalter sowie die gefühlten 15 Koffer verstaut waren, fuhr ich Richtung Stadt. Die Erwachsenen flüsterten mit-

einander, die Kinder zankten sich ein wenig, also schaltete ich das Radio an. Radio Energy. «Oh, Jason Derulo – me likes!» sagte ich und begann meinen Kopf im Takte der Musik zu wippen. «First class seat on my lap girl, riding comfortable», klang es aus dem Radio. «Düm-dü-düm…», klang es aus meinem Mund. «But your booty don’t need explaining…», stöhnte Jason weiter. Herr Cramer hielt mit seinem Gespräch inne und runzelte die Stirn. «Will you talk dirty to me?», sang ich mit, was immer das auch heissen mochte. Seine Frau warf zuerst mir einen entsetzten, dann ihrem Gatten einen hilflosen Blick zu. «Sold out arenas, you can suck my penis … International oral sex…», hallte es im Auto. Die Kinder hörten auf zu zanken. «Switch it off!» zischte Herr Cramer. Was wollte er? Dass ich lauter stellte? Kann er haben! «Her pussy so good I bought her a pet…» Oh Jason, Du hast es drauf! Während Frau Cramer versuchte, allen vier Kindern die Ohren zuzuhalten, schrie

Herr Cramer mit hochrotem Kopf: «I want to talk to your boss right now!» Keine Ahnung was er meinte, aber Jason sang: «Got her saved in my phone under ‹Big Booty›!» Naja, das wars schon mit meiner Geschichte. Kaum waren wir beim Hotel angekommen, musste ich Familie Cramer wieder zum Flughafen fahren. Und ich durfte auf gar keinen Fall das Radio anmachen. Ich habe es nicht ganz begriffen – schliesslich hatte ich mich genau an die Anweisungen meines Chefs gehalten und nicht mit ihnen geredet. Herr Cramer wollte noch den Namen der Radiostation wissen und die genaue Adresse, die habe ich ihm dann aufgeschrieben. Wozu er die haben wollte, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber ich habe einen Verdacht. Liebe Radio Energy Mitarbeiter, ich würde mich die nächsten paar Tage krank schreiben lassen und nicht an die Kreuzstrasse 26. Einfach so als Tipp. Und Radio105: durchhalten – ich habe die Vorahnung, dass demnächst einige Werbebudgets wieder frei werden!

GIACCOBO, DU WURST!

28. Januar 2014 Reinhold Weber. Alle sind sauer auf Giaccobo. Zwei, drei Theaterund Filmemacher sowie 3,500 weitere subventionierte Kultur-Szenis, weil der Giaccobo den Rocchi in Schutz genommen und den Satirebegriff völlig verkehrt definiert hat. Der “Kreis der indischen Inder der Nordwest-Schweiz und Südbaden” wegen Rajiv Prasad (“If you buy two you can fuck my sister”). Sämtliche Feministinnen aus Olten würden am liebsten dem Harry Hasler eis a dSchnorre geh. Der Pizzaiolo im “Santa Lucia” am Bellevue hasst Giaccobo wegen Gian-Franco Benelli, die Jusos wegen Mehmet Örkan und Kim-jong II wegen Kim-jong II. Nur Roger Schawinski findet den Victor Schawinski guet. Und jetzt treten auch noch die Kalbsbratwursthasser auf den Plan: “Es ist zynisch, vor jeder Sendung zum Fleischkonsum aufzurufen.” Finden wir natürlich auch. Ein voll durchgendrifizierter Aufruf zum “Weltfrieden durch Frauenfussball” wäre da ethisch-moralisch schon um einiges korrekter. Also los, FIFA, tue etwas Gutes und mach dem Schweyzer Farbfernseh ein besseres Sponsoringangebot. Einen ablehnenden Bescheid fänden wir im übrigen ziemlich zynisch.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: CHANTELLE PUSH UP BRA

Reinhold Weber, 25. September 2013 Aha, hier wurde das Werbeversprechen für Push Ups einmal von einer völlig anderen Seite angegangen, und das gefällt uns natürlich sehr. Oder, Rainer, Dominik, Alex, Henrik, Midi, Kaspar und Christian?

HUNDE-YOGA: “DOGA” (WAS ZUM BEISCHLAF?)

Midi Gottet, 5. November 2013. Was kommt als Nächstes? Katzen-Zumba? Nein, wirklich. Was zum Beischlaf soll dieses Doga? Diese armen Köter wollen da doch gar nicht mitmachen und hängen, vollgestopft mit Hunde-Prozac, an ihren Borderline-Frauchen, welche

sich durch unmögliche Balance-Kombinationen torkeln. Wenn Komissar Rex das sieht, wird er wohl grad das nächste SI-Style zusammenrollen und ein paar Doga-Sisters mittels Schnauzenschlag abrichten. Wenn ihr gelangweilten PorscheCayenne-Tanten wirklich fit werden wollt, dann macht doch Doga mit “Giant George”. Dann wäre ich, wie eure Stossstangen, schwer beeindruckt.


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Best Event Serie:

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Best Electronica DJ:

Rakete, ZH

1er Août People In The City, VD

Street Parade, ZH

Jay-K, TI

DJ Antoine, BS

Andrea Oliva, BS

TOP 3: 1er Aout People In The City, VD Cityfox Pool Party, ZH Modernity, VS

TOP 3: Montreux Jazz Festival, VD Paléo Festival, GE Street Parade, ZH

TOP 3: DJ Acee, ZH Jay-K, TI Johnny Roxx, ZG

TOP 3: DJ Antoine, BS EDX, ZH Remady, ZH

TOP 3: Adriatique, ZH Andrea Oliva, BS Luciano, GE

.,m TOP 3: Nasty Trash, ZH Party Bangers, VD Rakete, ZH


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Februar 2014

Seite dreizehn

Christian Dancker © www.swissnightlifeaward.com

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Paul Kalkbrenner, Zürich Openair Best New Location:

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Café Gold, ZH

Ulises Braun, ZH

TOP 3: Bar Rouge, BS Kapitel Bollwerk, BE Le Punk, VD

TOP 3: Club Bellevue, ZH Nordstern, BS Zukunft, ZH

TOP 3: D! Club, VD Hive, ZH Kaufleuten Klub, ZH

TOP 3: Major Lazer, Future Sound Festival Nervo, Touch The Lake

TOP 3: Backstage, SG Cafe Gold, ZH The Loft, LU


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Ein Mittagessen mit birol TARKAN Freitag, 10. Januar 2013, 12:00 Von Rainer Kuhn

ich war damals der jüngste SchwarzgurtTräger der Schweiz. Dann ging ich an die Schweizer Meisterschaften und gewann praktisch jeden Kampf. Insgesamt war ich 14mal Schweizer Meister, bei den Junioren, bei den Erwachsenen, immer jeweils in meiner Gewichtsklasse, ich bestritt jedes Wochenende Wettkämpfe, das war einfach mein Leben, ich wollte gar nichts anderes machen, ich bin von zuhause ins Training gejoggt, dann vier bis fünf Stunden traniert und dann wieder nach Hause, zuhause etwas gegesssen und danach zuhause weiter trainiert. Das war wie eine Sucht.

Das sechste Interview aus der Reihe «Rockstars des Alltags» kommt aus der Brasserie Lipp in Zürich. Wie immer. Weil die Moules&Frites da Kult sind. Und die Bedienung freundlich. Gegessen hab ich mit Birol Tarkan. An einem Mittwoch. Nachdem er am Freitag zuvor den Flieger verpasst hat. Rainer Kuhn: Du bist echt auf einem Maisfeld zur Welt gekommen? Birol Tarkan: Ja.

Und dann wurdest Du Weltmeister. Erzähl. Ja, in meiner Stilrichtung, 1997 wurde ich Europameister, 1998 Weltmeister. Zuerst wollte ich Schweizer Meister werden, da hatten mich alle ausgelacht, dann bin ich Schweizer Meister geworden, dann wollte ich Europameister werden, dann haben sie wieder gelacht, und ich bin Europameister geworden. Und dann dasselbe mit Weltmeister. Wenn Du Dir so hohe Ziele steckst, dann lachen die Leute meistens darüber, sie sagen: "Hör auf zu träumen, führ ein ordentliches Leben und geh was richtiges arbeiten". Ich habs trotzdem geschafft.

Meine Mutter war auf einem Maisfeld am Arbeiten, im Norden der Türkei, mein Vater war da schon in der Schweiz, und während dem Arbeiten kamen die Wehen und im Dorf hatten sie nur ein Auto, mit welchem sie hätte in die Stadt fahren können, das war irgendwie grad anders besetzt, dann kamen halt alle Verwandten und haben geholfen. Birol heisst also auf türkisch "der auf dem Feld Geborene?" Ja, genau! Nein, den Namen hab ich bekommen, weil ich das jüngte der Kinder war. Wir waren vier Kinder ... also wir waren fünf Kinder, eine Schwester ist gestorben.

Was war das so für ein Gefühl, Weltmeister zu sein? Weisst Du was? Ich habe das jahrelang nicht realisiert, ganz komisch, ich war da sowieso etwas seltsam, ich ging aufs Podest, bekam Pokal und Medaille und als ich runter kam, hab ich die Medaille grad wieder abgenommen und den Pokal versteckt. Als hätte ich mich wie geschämt, damit rumzulaufen. Ich weiss nicht, vielleicht wars Unsicherheit, keine Ahnung, ich habs einfach nicht realisiert. Ich mein: Weltmeister. Das heisst, Du bist zu einer bestimmten Zeit in

Und wann kamst Du in die Schweiz? Mein Vater war ja schon hier, er arbeitete hier in einer Giesserei. Meine Eltern haben sehr früh geheiratet, mit 14, und mit 15 hatten sie bereits das erste Kind. Wie alt warst Du, als Du hierher kamst? Neun Monate. Drum sprichst Du so ein breites Berndeutsch. Ich bin ein "Ämmitaler-Türk". Drum. Du kamst also so Mitte siebziger in die Schweiz. Das war ja schon noch die Zeit, wo man dem Türken auf dem Schulhausplatz üble Sachen nachgerufen hat, oder? Ja, ich war schon ziemlich der Aussenseiter. Aber ich war immer recht stark. Wenn mir einer "Scheisstürke" gesagt hat, "hätts g'räblet". Hast ihn grad verhauen?

Wieso hast Du mit Karate angefangen? Um die grossen noch besser verhauen zu können? Nein, überhaupt nicht, ich hatte immer viel Sport gemacht, Fussball, Schwimmen, Tennis, einfach Sport, ich hatte zu-

Ich hab mich einfach gewehrt. Ich war nie der Schlägertyp, aber wenns auf Schwächere ging hab ich mich vor sie hingestellt. Ich hab mich einfach gewehrt. Ich war nie der Schlägertyp, aber wenns auf Schwächere ging hab ich mich vor sie hingestellt. Und als ich dann mit 14 mit Karate angefangen habe, wurde der Respekt noch grösser.

viel Energie, die ich so abbauen konnte. Dann waren Karate-Kurse ausgeschrieben und mein Vater sagte, wenn ich gut bin in der Schule, dann darf ich da hingehen, weil sie wollten das eigentlich nicht. Ich dachte "cool" und brachte einen Notenschnitt von 5,8 nach Hause.

Kleiner Streber, was? Nein, eigentlich nicht, ich habs einfach immer sehr schnell kapiert. Auf jeden Fall hab ich mich dann angemeldet für diese Karate-Kurs und weil ich der Einzige war, der sich angemeldet hatte, fand der Kurs nicht statt. Drei Monate später klappte es dann, und ich merkte vom ersten Moment an: Das ist mein Ding! Mich interessierte das Traditionelle, der Respekt voreinander, einfach alles. Ich wollte es anfangs auch niemandem erzählen, dass ich ins Karate ging, ich hatte das Gefühl, dann kämen wieder diese blöden Sprüche und so. Aber ich war so angefressen, dass ich jeden Tag ins Training ging. Meine Noten wurden dann ein bisschen schlechter ... Nur noch 5,6 oder was?

Ich wollte ja eigentlich studieren, habs dann aber nicht gemacht. Was wolltest Du denn studieren? Ich wollte Arzt werden. Aber ich konnte kein Blut sehen ... ... nicht so gute Voraussetzungen ... Ich hab trainiert und trainiert und wurde dann halt einfach gut darin. Ich konnte ein paar Levels überspringen und mit 15 gab ich schon Unterricht. Ich wurde dadurch extrem schnell erwachsen. Im Nachhinein dachte ich oft, dass es vielleicht zu früh war, dass die Jugend irgendwie an mir vorbeiging. Und dann wurdest Du Weltmeister? Nein, noch nicht. Mit 16 hab ich den schwarzen Gurt gemacht, der erste Dan,

... darum geht es ja im Kampfsport, da gehts nicht darum, sich einfach gegenseitig die Fresse einzuschlagen, da gehts um Respekt, Taktik, es geht um den Weg, den Weg, besser zu werden, negative Energien in positive Energien umzuwandeln, den Weg zu sich ... einem bestimmten Bereich der Beste auf der Welt, das ist schon was Grosses. Aber das Schönste dabei war der Respekt untereinander, man hat sich immer unterstützt, auch wenn man sich im Kampf nichts geschenkt hat, darum geht es ja im Kampfsport, da gehts nicht darum, sich einfach gegenseitig die Fresse ein-


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Ich hatte mit dem Karate aufgehört, war Sportler, traditionell, gradlinig, anständig, und dann ging ich in die Schauspielschule und sie sagten mir, jetzt musst Du ein Baby sein, oder ein Affe ...

zuschlagen, da gehts um Respekt, Taktik, es geht um den Weg, den Weg, besser zu werden, negative Energien in positive Energien umwandeln, den Weg zu sich ... Und wie ist das jetzt genau? Du bist echt als Waffe registriert? Es ist einfach so, dass wenn Du als professioneller Kampfsportler in eine Schlägerei verwickelt wirst, dann bist Du ganz klar im Nachteil, wenns ums Gesetz geht, dann bist Du meistens schuldig. Mir hat mal ein Polizist gesagt, dass Du dich als Kampfsportler erst wehren darfst, wenn Du blau anläufst. Vorher nicht, mit Deiner Technik. Aber so genau weiss ich das auch nicht, ich war noch nie in so einer Situation. Ich darf einfach keinen Ärger haben, ich muss diesen Sachen ausweichen. Aber im Kampfsport ist es auch so, dass Du lernst, diesen Sachen auszuweichen, kein Kampfsportler, der weiss, worum es geht, lässt sich in eine Schlägerei verwickeln, Du weichst dem aus, Du musst auch nichts beweisen. Wenn jemand Kampfsport macht, damit er auf der Gasse andere verhauen kann, dann hat er nichts verstanden.

landete so in einer Art "Twilight Zone". Und dann? Dann hab ich in Zürich Schauspielunterricht genommen, an einer Schule, und noch während dem Studium kam eine Anfrage von Lüthi&Blanc ... ... Was hast du da gespielt? Einen schwulen Türken (lacht). Am Anfang nimmst Du fast alles an, Hauptsache, Du kannst drehen, Du kannst Erfahrungen sammeln, dann war ein weiterer Schweizer Film, "Das Paar im Kahn", mit dem Gnädinger, da ich spielte einen türkischen Botschafter. Aber Du siehst ja eigentlich nicht grad un-

ich sehe halt ein bisschen exotisch aus, in Japan kam mein Typ gut an, ich hab da immer wieder mal gedreht. Für die Asiaten seh ich westlich aus, für den Westen asiatisch ... Und wo fühlst Du dich zuhause? Diese Frage stelle ich mir seit vierzig Jahren. Das ist genau der Punkt, das ist ein bisschen meine Schwachstelle, ich bin zwischen zwei Kulturen aufgewachsen, und das können andere, die so aufgewachsen sind, bestätigen, Secondos, Du bist halt einfach immer wieder hin- und hergerissen, zuhause war ich der Türke und draussen und in der Schule war ich Schweizer. Ich ging dann relativ früh weg von zuhause, meine Familie konnte das am Anfang nicht verstehen, aber das war nicht gegen meine Familie, das war für mich, ich wollte einfach meinen Weg selber finden, ob ich jetzt Türke bin oder Schweizer ... ich bin Weltbürger ... Das sagt man dann so, aber das bist Du ja nicht. Bist ja nicht überall zuhause. Bist viel eher überall nicht zuhause. Ich fühle mich in der Schweiz extrem wohl, das ist ein wunderschönes Land ... ... wenn Du jetzt von Berlin nach Istanbul

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die ganze Philosophie, die sie haben. Das Problem war: Die Leute, die damals in die Schweiz gekommen sind, haben "Ihre" Türkei eingefroren, mental, für sie war die Türkei immer noch dieselbe, wie damals, als sie ausgewandert sind, aber das Land hat sich verändert, und als meine Eltern später wieder mal in die Türkei gingen dachten sie: Was ist da bloss passiert? Das war sehr schwierig für sie, damit umzugehen. Das war auch für mich eine Riesenerfahrung. Und jetzt spielst Du in dieser internationalen Produktion ... ... ja, aber da sag ich noch nichts dazu. Wieso? Da gibts Verträge ... Ok. Aber wie kams denn dazu? Ich sollte einen Film in Istanbul machen, ich verstand mich auf Anhieb mit meinem "Filmbruder", er kannte mein Showreel, meine Bilder, er war auch Kampfsportler und er kannte die Leute dieses Projektes. Er sagte mir, er würde mich gerne bei denen empfehlen, und irgendwann klingelte mein Telefon und diese Produktionsfirma war dran, und

in dieser Riesenproduktion die Hauptrolle, da scheissst Du Dir doch in die Hose, weil, wenn du das in den Sand setzst ...

... irgendwann klingelte mein Telefon und diese Produktionsfirma war dran, und sie haben mich eingeladen zum Casting. Das ist ein unglaublicher Druck, ein Riesendruck, ich kann noch nicht so gut damit umgehen, ich bin da richtig an meine Grenzen gekommen. Aber man wächst in solche Sachen rein, macht seine Erfahrungen, lernt ... aber ich hab schon ein bisschen Angst, ob ich dem Ganzen entsprechen kann, ob es am Ende auch wirklich gut rauskommt. Hättest es Dir ja verdient, oder? Ich mein, es gab ja auch mal andere Zeiten. Ja, aber das will ich nicht mehr, ich hatte nichts, kein Geld, ich hatte jeweils am Zürichsee in den abgedeckten Boten geschlafen, war vor dem Sonnenaufgang wieder hervorgekrochen und hatte mich am Bahnhof gewaschen, ich kam mir vor wie der grösste Loser, das Selbstvertrauen geht mit der Zeit dahin, wenn Du nichts hast ... Gibt Dir dieses Projekt jetzt nicht die Möglichkeit, damit abzuschliessen?

Und wie kamst du dann zum Film? Doch, klar, ich war ja kaputt damals, und jetzt kann dann ich zu einigen Leuten von damals hingehen und mich endlich entschuldigen, für all die Fehler, die ich in dieser Zeit gemacht habe, ich hatte schlimme Phasen durchlebt, finanziell, seelisch, psychisch, physisch, ich versuchte einfach irgendwie zu überleben. Nun will ich einfach bei vielen Leuten, bei denen ich in meiner Vergangenheit vieles nicht korrekt machen konnte, die Dinge wieder ins Reine bringen. Ich habe ganz klar dieses Ziel ... endlich abzuschliessen mit dieser Zeit.

Ich habe in der Schule immer Theater gespielt. das war meine andere Leidenschaft. Da war ich etwa 17. Irgendwann kam mein Trainer und meinte, ich müsse mich entscheiden, ich könne nicht beides machen, Karate und Theater. Da hab ich mich für den Sport entschieden. Und als Du Weltmeister warst, hast Du gedacht, jetzt muss was anderes her ... Dann war ich in Japan, das war eine extrem spannende und harte Zeit für mich, und als ich aus Japan zurückkehrte, hab ich von einem Tag auf den anderen aufgehört. Wieso?

Und dafür hats diesen Film gebraucht? bedingt wie ein Türke aus, eher so wie ein Asiate, ein Mongole vielleicht, wieso besetzten die Dich immer in den Türken-Rollen?

Das Feuer war erloschen. Vielleicht weil ich Türke bin? Einfach so? Ja. Hatte das mit Japan zu tun? Nein, vielleicht, ein bisschen, es war wirklich krass, ich stand im Kampf, und während dem Kampf hatte ich plötzlich diese Gedanken, ich dachte an meine Kollegen, dass sie jetzt wahrscheinlich am See sind, oder im Ausgang, und ich bin in dieser Halle und kämpfe und mache nichts anderes. Und während diesem Kampf fing ich an, meine Familie zu vermissen, meine Freunde zu vermissen, ich hab den Kampf trotzdem noch gewonnen, aber als ich in die Garderobe kam und wusste: Es ist Schluss. Ich habs einfach gewusst. Warst Du traurig? Ich war sehr traurig, ja. Wahrscheinlich wusstest Du nicht mal, wieso. Ich fühlte plötzlich so eine Leere, fiel wie in ein Loch, ich weinte nur noch, konnte und wollte aber nicht mehr zurück, wusste aber auch nicht wohin, ich

Ich mein, Du hast keinen türkischen Akzent, Du musst nicht türkisch sprechen, da gäbs wahrscheinlich Darsteller, die türkischer Aussehen als Du. Mir war das egal, ich wollte einfach Schauspieler sein, in verschiedene Rollen eintauchen, in einer Geschichte mitwirken. Aber es ist auch schwierig, dass man sich selber darin nicht verliert. Ich hatte mit dem Karate aufgehört, war Sportler, traditionell, gradlinig, anständig, und dann ging ich in die Schauspielschule und sie sagten mir, jetzt musst Du ein Baby sein, oder ein Affe ... ... kommt man sich da nicht blöd vor? ... ... ich bin dagestanden und hab gesagt, ich mache das nicht, ich bin Karatekämpfer, ich hab den Sinn nicht gesehen, aber das gehörte halt dazu, es ging ja darum, aus sich herauszugehen, mutig zu sein und etwas darzustellen, was Du eben nicht bist, das ist die Herausforderung. Das war ziemlich schwierig für mich, andereseits hat es mir enorm geholfen, dass ich Sportler war, der Ehrgeiz, die Disziplin, ich war auf den Punkt parat. Auch mein Aussehen hat mir geholfen,

fliegst, oder von Berlin nach Zürich: Wie unterscheidet sich das so gefühlsmäsig? Wenn ich in Istanbul ankomme, dann bin ich lebendig, die ganze Energie, ich bin dort schon auch zuhause. Wenn ich aber ins Emmental komme, dann atme ich tief ein und tief aus, dann kann ich mich entspannen, dann bin ich angekommen, es ist meine Heimat. Ich hatte ja ein völlig falsches Bild von der Türkei, ich hatte es ja nur von den Ferien her gekannt. Ich hatte immer das Gefühl, die

sie haben mich eingeladen zum Casting. Danach zog sich das über Jahre hin, es ging ewig, das Auswahlverfahren, das Drehbuch, die Finanzierung ... ... das ist ja wahrschienich die mühsamste Zeit, Du bekommst eine Zusage und dann passiert lange nichts mehr ... Du denkst irgendwann gar nicht mehr daran, Du musst einfach weiter machen. Es ist ja so, dass von zehn Filmprojekten am Ende vielleicht eins realisiert. Ent-

Wenn ich in Istanbul ankomme, dann bin ich lebendig, die ganze Energie, ich bin dort schon auch zuhause. Wenn ich aber ins Emmental komme, dann atme ich tief ein und tief aus, dann kann ich mich entspannen, dann bin ich angekommen, es ist meine Heimat. Schweiz sei mega modern und viel weiter, dachte immer, wir seien wir die da oben, und als ich mein erstes Filmangebot aus der Türkei bekam, ging ich runter, mit diesem falschen Bild in meinem Kopf und war einfach nur überwältigt. Von diesen Menschen, von dieser Stadt, von diesem Land, wie modern die sind, wie gescheit die sind, wie weit sie denken,

weder scheitert es an der Finanzierung, oder das Drehbuch ist scheisse, oder die Produktion kommt nicht zusammen, oder es läuft sonst alles schief. Du als Schauspieler kriegst das ja meistens nicht alles mit, Du kannst nur warten bis es passiert. Aber jetzt kommst Du als Nobody und spielst

Ja, irgendwie schon. Nicht direkt dieser Film jetzt, aber es hat mir geholfen, aufzustehen und die Stärke zu wieder zu erlangen, das Ganze zu machen und durchzuziehen. Es hat mich sicher auch Kraft gekostet, aber auf der anderen Seite hat es mir auch wieder viel Energie gegeben, und das hat mir geholfen in Situationen zu kommen, die mir die Möglichkeiten geben, ein paar Sachen aus meiner Vergangenheit doch noch positiv zu beenden. Das ist mir extrem wichtig, dass ich das bei gewissen Leuten und gewissen Sachen endlich kann.


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Februar 2014

WARUM WERDE ICH AN JEDER VERDAMMTEN ECKE INS OHR GEFICKT? Reinhold Weber, 1. Juni 2012 . Ich gebe es ja zu: ich bin etwas überempfindlich. Nein, diesmal nicht wegen Nacktwanderern. Ich – eh schon überall und von überall her zwangsbeschallt – reagiere äusserst gereizt auf Lärm. Damit meine ich jetzt nicht ein Rockkonzert. Da geht man üblicherweise ja freiwillig hin. Und selbst bei einem Konzert der Kultband „Korn“ sind gesetzlich im Anderhalbstunden-Durchschnitt „nur“ 95 dB erlaubt. Ansonsten langt der Veranstalter tüchtig in die Billetkasse. Nein. Ich meine zum Beispiel dieses grosse In-Restaurant mitten in der Zürcher City, stellvertretend für all die anderen Trendbeizen, bei denen der sogenannte Architekt den Aspekt der Akustik völlig ausser acht gelassen hat. iPhone raus und Dezibel-Mess-App auf. Durchschnittswert an einem ganz normalen Abend, ca. 21.00 Uhr, Restaurant zu drei Vierteln besetzt: 91,7 dB. Wie bitte? 91,7 dB. Was häsch gseit? 91,7 D-ez-i-b-e-l. Aha, ja, ich nime au no es Glesli.

DAS MUSS MAN HABEN: EINEN LIEBEVOLLEN DADDY.

dieser hübschen Blondine ins Gespräch kommen, die gerade neben einem steht. Ich meine zum Beispiel den Verkehrsvernotungspunkt namens „Central“ in Zürich. Da kreischt und quietscht dich der gesammelte Lärm von „Züri Linie“ und Autoverkehr regelmässig mit über 93 dB an. Es wird so vieles verboten und geregelt und gemassregelt, was Spass macht. Warum eigentlich nicht das, was mich armes Schwein Tag für Tag und Stunde für Stunde krank macht? Hä?

Ich meine damit den Bahnhof Schlieren, stellvertretend für die meisten anderen SBB-Lärmkulissen. Daselbst gemessen: 102,5 dB. Verursacht von einem Güterzug so lang wie von hier nach Budapest. Ein Intercity bringt es immerhin noch auf 91,3 dB. Na gut, wer will schon auf dem Perron in Schlieren mit

Und jetzt noch die Messung in der Küche, in der ich das gerade schreibe. DRS-3 aus dem Küchenradio, der rechte Fuss klopft zum Dudelfunk, der Geschirrspüler läuft, der Ferienhund schnarcht lauthals in seiner Lieblingsecke und der Nachbar wirft gerade den Laubbläser an. 88,5 dB. Ich kann also locker noch einen Zacken zulegen und mitsingen.

von (keinem) sekt & sekten – die generation icf Jacky W, 3. November 2013. Als ich vor etwa 5 Jahren das erste Mal von ICF gehört habe, habe ich nicht an den weiten Erfolg, den diese Freikirche bei jungen Menschen in der Schweiz haben werde, geglaubt. Auffällig war schon beim ersten Hören die typisch Auf-modernmachende Bezeichnung mit englischen Buchstaben. Versteht mich bitte nicht falsch, ich habe nichts gegen gläubige Menschen oder Religionen, so lange sie in einem gesunden Masse ausgelebt werden und nicht missioniert wird, was man von dieser sogenannten Freikirche wahrlich nicht behaupten kann. Ein beträchtlicher Anteil meines Kollegenkreises zog es dann auch von der reformierten Kirche hin zu ICF. Ich muss hier ehrlich gestehen, dass ich noch an keinem Gottesdienst (Entschuldigungich meine natürlich Celebration) war und somit keine inhaltlichen Angaben dazu machen kann. Ich habe mich dann aber schon in den Anfängen gefragt, was es damit auf sich habe und diese Kirche und deren Inhalte mal nachgeschlagen, weil es ja eine Faszination haben müsse (und die englische Sprache reicht meiner Meinung nach nicht aus, eine Generation in seinen Bann zu ziehen). Auf der Homepage wurde die Kirche als solche angepriesen, die für jeden offen sei. Ironischerweise gab und gibt es aber sehr viele Selbsthilfegruppen (heute Smallgroups genannt), die bei der Lebensbewältigung helfen sollen, unter anderem auch um von der ach so bösen Homosexualität geheilt zu werden (mit steigender Bekanntheit von ICF heute so auf der Homepage nicht mehr sichtbar). Heilung von Homosexualität? Homosexualität als etwas böses? Erinnert mich eher an eine Teufelsaustreibung als an eine Gemeinschaft, bei der jeder willkommen sein soll. Eigentlich faszinierend, wie ICF aufzeigt, in welch vielen Bereichen die heutigen jungen Erwachsenen Probleme haben- und zu deren Bewältigung beitragen kann. Ich meine, es ist ja schon sehr schwer, am Anfang eine Ehe zu führen, nicht? Da braucht es unbedingt die Unterstützung einer Kirche, sonst wird das nie was! Geschweige denn von der

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gelobten Jungfräulichkeit bis zur Ehe. Wir leben ja im vorletzten Jahrhundert! Obwohl das alles sehr lächerlich tönt, scheint es aber doch ein Erfolg zu sein. Die Frage ist nur, warum? Warum erscheinen selbsternannten Pastoren und Hobbypsychologen als vertrauenswürdige Personen? Warum und vor allem wie sollten finanzielle, missbräuchliche und Partnerschaftsprobleme von ICF gelöst werden? Durch Gott, der die Antwort auf alles zu sein scheint, obwohl es keine Indizien für seine Existenz gibt? Nützt die "One Love"-Lebenshilfe tatsächlich mehr als ein Gespräch mit dem Psychologen? In diesem Fall hätte ich mein Studium ja gar nicht beginnen müssen und hätte ohne wissenschaftlichen Hintergrund Menschen von einer Pornosucht befreien oder jemanden von einer kriminellen Lebensweise abbringen können (alles Beispiele der Homepage). Wow! Nach ICF-Ansichten habe ich ganz bestimmt den falschen Beruf gewählt. Um zum Thema zurück zu kommen, worauf sich der Erfolg von ICF bezieht, habe ich meine eigene Erklärung. Ich glaube es liegt vor allem am Gemeinschaftsgefühl, das die "Community" während der "Celebrations" bietet. Vor allem im jugendlichen Alter, in dem die Identität des einzelnen noch gebildet werden muss und man sich der

eigenen Identität oft noch nicht klar ist, kommt eine Aufnahme in eine Gruppe, bei der JEDER willkommen ist (die Homosexualität oder die Pornosucht kann man notfalls ja nach Eintritt noch beheben) gelegen. ICF scheint so ein starkes Zusammenhaltsgefühl zu vermitteln, natürlich auch durch die "Betreuung" in Kleingruppen, dass man schon gar nicht mehr raus möchte oder kann. Jeglichen Hinweis auf das Thema Sekte überlasse ich hierbei dem Leser /der Leserin. Natürlich ist es für jeden schön, viele Freunde zu haben, einen rasanten Anstieg an Facebook-Friends und noch einen rasanteren Anstieg an Likes bei seinen Fotos- wer kann da schon wiederstehen? Genau da liegt meines Erachtens nach der zentrale Punkt. ICF lockt die Menschen zu sich- und das nicht mal primär mit Gott, sondern mit den Problemen, die sie zu lösen vermögen. Ehemalige ICF-Mitglieder? Kenne ich keine. Nirgendwo passt der Spruch "mitgegangen-mitgehangen" besser als bei dieser Kirche. Auch aktuell werde ich noch regelmässig zu Celebrations eingeladen, obwohl längst jeder meine Meinung zu dieser- meiner Ansicht nach- Sekte kennt. Man probiert es einfach und es scheint fast, dass derjenige, der neue Mitglieder hineinlockt, zu profitieren scheint (Schneeballsystem lässt grüssen). Und genau dieses unaufhörliche Missionieren ist es auch, was es mir extrem schwer macht, eine neutrale Position gegenüber dieser Kirche einzunehmen (mal abgesehen von den mittelalterlichen Vorstellungen, die sie vertreten). Und Kritik? Wird von den Mitgliedern im Zentrum vernichtet. Mittelalterliche Ansichten? Mitnichten. Da werden schon auch Parties mit Alkohol und sexuellen Ausschweifungen gefeiert (Primärquelle), obwohl die Realität mir nur das Gegenteil aufzeigt, indem untereinander Paare gebildet werden, die dann anfangs 20 (spätestens!) heiraten. Genug Celebrations, Churches und Communities für heute, ich widme mich nun wieder all by myself meinen Studies der Psychology.

Reinhold Weber, 22. Januar 2014 Wenn du dann auch noch eine Mutter hast, die dich mit Aufmerksamkeit überhäuft, kannst du friedlich einschlafen. Und zwar für immer.

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: JOHNNY WALKER RED

Reinhold Weber, 21. Januar 2014. Eine schöne Anzeige aus dem Jahr 1967. Und Rainer fragt gerade, ob man in der Werbung heutzutage Ne-Ne-Ne- eigentlich noch ne-ne-ne-nehmen dürfte. Keine Ahnung. Wahrscheinlich nur, wenn man sie einschwärzt.


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DER GENERAL LEE AUS “EIN DUKE KOMMT SELTEN ALLEIN”

30. Januar 2014 Dominik Hug. DAS Auto meiner Kindheit. Der General Lee war ein 1969er Dodge Charger, ausgerüstet mit einem V8-Hemi-Motor. Das Auto wurde in der Farbe Hemi-Orange eingefärbt, mit der Nummer 01 und auf dem Dach mit der Südstaatenflagge versehen. An der Front prangte ein schwarzer Frontschutzbügel und drückten Bo oder Luke Duke (oder Coy und Vance wenn es denn sein muss…) die Hupe, ertönten die ersten Noten der konföderierten

Hymne. Der Wagen wurde mit einem Überrollkäfig ausgestattet und um dem Wagen zusätzliche Stabilität zu verleihen, wurden die Türen zugeschweisst. Einer der Originalwagen steht heute im Automuseum der Warner Bros. Studios in Burbank, Kalifornien. Dort sind auch diese Bilder entstanden. SEEN IN A SCENE http://www.seeninascene.com/

DAS ELFTE GEBOT: DU SOLLST AUF BILDERN NICHT DIE SCHERE MACHEN Midi Gottet, 24. Januar 2014. Mola, Mola, Mola. Du warst schon früher auf Viva ein Spiesser und das hat sich jetzt in Australien als Dschungel-Camp-Judas (gestern, die 8 Sterne-Lüge nach der Dschungelprüfung) auch nicht gross geändert. Dass du in der ersten Sendung nicht aus dem Flugzeug (wohlverstanden ein Tandem-Sprung) gesprungen bist, fand ich ja alles andere als bad-moddafoccarisch von dir aber jetzt, nach diesem Bild hier, hab ich es schwarz auf weiss: Du bist einer, der auf Bildern die Schere macht! Und diese Tatsache erweitert den Ho-

rizont des endlosen Spiessertums um Lichtjahre. Wer zum Beischlaf bist du? Tupac Shakur? Ich glaube nicht.

ALLES. AUSSER DIESE FOTOS

Vanessa Kunz, 8. Februar 2013. Das letzte halbe Jahr hab ich mich vergessen. War überall dort, wo ich nie hätte sein sollen, mit Menschen, die ich auf diese Art nicht hätte kennen lernen wollen. Ich hab wohl zu viel geküsst. Hab zu oft einfach mal meine Nummer gegeben um schnell wegzukommen. An solche, die ich gar nie hätte wollen treffen und die jetzt einfach da sind und nicht mehr gehen wollen. Geglaubt hab ich das noch nie, dass einer einfach so da bleibt, weil die alle ja auch zu einem meinen, man sei hübsch um dann einfach noch rasch eine kleine Nummer zu schieben. Die glauben dann wirklich, dass das so klappen würde. Tut es auch, manchmal, bei Trunkenheit, mein Gott, viel zu oft. Und wenn’s dann halt aber nicht klappt, dann fragen die per Händi erst einmal nach, wie’s geht, ob man gut nach Hause gekommen ist und ob man denn auch ein Foto haben kann. Ein Foto. Das ist die 3. Frage. Ein Foto. Aha. Ich frag mich dann so, für was denn. Ich will ja auch kein Foto. Ich will ja nicht mal mehr wissen, wer das ist, der da schreibt. Man war ja irgendwo beim 8. Bier. Hacke waren die ja selbst. Das muss dann auch der Grund sein. Aber. Ich weiss dann auch gar nicht, was für ein Foto, versteht ihr. Sagt’s mir doch einfach. Aber wahrscheinlich sicher so eins mit Schweinereien drauf. So war’s nämlich früher, als man noch teure MMS verschickt hat und stundenlang versucht hat so auszusehen, wie man es nicht mal heute tut. Man war ja noch so klein und man dachte wirklich, irgendwann wird man auch mal gut aussehen. Wie die im Heftli und so. Ich schicke dann kein Foto. Oder. Ja. Nein. Kein Foto. Aber die Typen schicken eins. Und das ist dann sozusagen das Ende, genau dieser Moment, in welchem man sagt, ich trinke nicht mehr.

reklame, die wir gerne öfter sähen, heute: Adidas

Midi Gottet, 22. Oktober 2013. Ja dann, bis neulich. Text zum letzten Pic: “Welle Souhund hät mi gschupft?!”

Reinhold Weber, 26. April 2013. “Imitations are poorly made, giving you no protection.” Diese Anzeige macht einen Schuh draus: brillianter kann man diese Botschaft nicht umsetzen. Deshalb kriegt Adidas von uns eine Goldmedaille.


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Februar 2014

Warum der Videobeweis nie den Profifussball erreichen wird Dominik Hug

Dominik Hug, 18. Dezember 2013. Das kürzlich ausgetragene Champions League-Gruppenspiel des FC Schalke 04 gegen den FC Basel war manipuliert. Und dies äusserst schlecht, denn es war zu offensichtlich, dass der Schiri mitgeholfen hat, dass das Resultat seine Richtigkeit bekommt. Ob der FC Basel an diesem Abend gut oder schlecht in Form war oder das Spiel unter fairen Bedingungen gewonnen hätte kann niemand beantworten. Aber dieses Spiel hätte wohl kein Verein dieser

Welt gewinnen können. Es ist schon relativ merkwürdig, dass ausgerechnet der Verein so dermassen in die nächste Runde durchgewunken wird, der mit dem Wettbewerbsausrichter denselben Hauptsponsor teilt. Gazprom heisst dieser Sponsor mit äusserst fraglichem Hintergrund. Eine Firma, bestehend aus Briefkastenfirmen in ganz Europa (der Stern hat berichtet), der zudem oft mit Korruption in Verbindung gebracht wird (Der Spiegel hat berichtet). Wurde der FC Basel vielleicht abgewatscht als

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TEN DEAD MEN

Strafe für den Auftritt der GreenpeaceAktivisten beim Heimspiel im Oktober? Weil der FCB in Augen der GazpromVerantwortlichen für diesen Auftritt sich mitverantwortlich zeichnet? Weil Gazprom von Greenpeace die Hosen heruntergezogen wurde? Und, spinnen wir das alles noch ein wenig weiter, dann muss uns auch klar werden, der oft von den Medien erwähnte Videobeweis wird den Profifussball nie und nimmer erreichen. Wie sollen Spiele manipuliert werden, wenn z.B. Murat Yakin hätte Veto einlegen und den Schiri den Bildschirm konsultieren lassen können? Zudem, warum wird dieser Betrugsfall nicht seitens der UEFA geprüft? “Es folgten weitere Schalker Angriffe und nach einem Freistoss von der rechten Seite auch das verdiente zweite Tor.” Dies der offizielle Matchbericht der Uefa? Alles im Auge des Betrachters. Oder man hält einfach zusammen. Die Champions League, die Elefantenrunde für Sportbetrug und Manipulation. Da lob ich mir doch den Hörnli-Cup. FC Gazprom 04 trifft übrigens in der nächsten CL-Runde auf Real Madrid.

“NUR PAPA DURFTE DAS GERÄT ANFASSEN…”

Christian Platz. 5. Dezember 2013. “Wir hatten in der guten Stube zwar einen grossen Radioapparat. So ein richtiges Möbel. Doch nur Papa durfte das Gerät anfassen. Als mein Bruder Giustu, er war der Älteste von uns sieben Kindern, einmal wild an den Knöpfen herumgedreht hat, musste er nachher mit Papa ins Badezimmer. Dann haben wir Giustu nur noch schreien gehört. Papa versohlte ihm mit dem Lederriemen, an dem er als gerne sein Rasiermesser wetzte, nämlich furchtbar das Fudi. Das ist uns allen irgendwann passiert, ausser meiner jüngsten Schwester, Rosanna, unserem Nachzügler, die erst 1943 auf die Welt gekommen ist. Sie hat die Kriegsangst, die Sirenen und die Lebensmittelmarken als einzige von uns nicht bewusst miterlebt.Auch die Eltern sind zu ihr deutlich weniger streng gewesen… Doch die Schläge aufs blutte Fudi haben uns gar nicht geschadet. Ich glaube, dass es vielen Jungen von heute gut tun würde, wenn sie auch mal so ins Badezimmer mitgehen müssten. To the woodshed – you know – wie wir hier sagen. Papa hat am Radio jedenfalls immer die Nachrichten gehört, am Sonntag

dann noch Ländler und Blasmusik. Unter dem Empfänger stand im Radiomöbel sogar ein Plattenspieler. Wir besassen damals zwei Langspiel-Platten. Eine mit wunderbaren italienischen Liedern – schliesslich spielten Papa und Mama auch im Mandolinenensemble des Tessinerclubs beim Brausebad mit – und eine mit Nationalhymnen aus ganz Europa. – Das war die Lieblingsmusik meines Vaters. Manchmal haben die bösen Buben im Quartier uns ausgelacht, weil wir für sie eine Italienerfamilie waren – und viele Schweizer mochten damals die Italiener nicht. Obwohl meine Muter ja aus Besso bei Lugano stammte – und mein Vater, der 1900 in Como auf die Welt gekommen war, schon lange einen Schweizer Pass besass. Dann haben sie uns „Tschinggelemoore, Watsch an d’Oore, Schutt in Arsch, Abmarsch…“, nachgerufen – oder „Dia Tschingga, die Kaiba, die fresse unser Brot. E Messer in Ranza und scho sin si doot…“ Mit nachgemachtem italienischem Akzent, so richtig blöd und frech. Wenn mein Bruder Giustu und seine Freunde das hörten, haben sie diesen bösen Buben kräftig Schnitten gegeben… You know…? Sagt man heute in der Schweiz eigent-

lich immer noch Schnitten, wenn man Schläge meint? Mein Bruder war halt breitschultrig und stark. Nach der Lehre ist er mit seiner jungen Familie nach Argentinien ausgewandert… Gegen den Willen unserer Eltern, er hat Clara ja auch gegen den Willen der Eltern geheiratet. In Lateinamerika ist er ein Rinderbaron geworden. Wir haben keinen Kontakt mehr. Das mit den Liedern war auch so eine Sache. Es gab die anständigen Lieder wie „Die Gedanken sind frei“, das hat mir übrigens nie gefallen, oder „Hoch auf dem gelben Wagen“, das mochte ich, das konnte man so richtig in die Landschaft schmettern. Dann gab es aber auch die Lumpeliedli. Zum Beispiel das Lied vom „Vogellisi“, es galt als unanständig. Die Erwachsenen haben gesagt, dass dieses Lied von einem leichten Mädchen aus dem Berneroberland handle, das in die Stadt gekommen sei, um die Herren zu bedienen. Ich habe mich immer gefragt, was am Bedienen unanständig sein soll – schliesslich mussten wir Mädchen am Suppentag in der Antoniuskirche auch manchmal bedienen und haben es gerne gemacht – doch solche Sachen hat man damals besser nicht gefragt. Heute nehme ich an, dass dieses „Vogellisi“ a hooker war, a prostitute… you know…? Aber wir wussten über solche Dinge als Kinder damals ja überhaupt nicht Bescheid… PS. Geboren ist sie in den frühen 1930er Jahren in Lugano. Aufgewachsen in Basel. Am Wasgenring. Tochter eines italienischstämmigen Vaters und einer Tessiner Mutter. In den frühen 1950er Jahren ist sie nach Louisiana ausgewandert. Dort hat sie einen Ostschweizer geheiratet, der zwei Jahre vor ihr nach den USA gezogen war. In den USA ist sie geblieben. Sie reise nicht mehr so gerne in die Schweiz. “Dort sind heutzutage alle Leute so trüb und grau”, sagt sie.

Dominik Hug, 17. November 2013. Ultrahartes Brit-Kino! Und was ich an Britischen Filmen bisher gesehen habe, war bisher stets sehenswert. “Ten Dead Men” konnte also gar nicht schlecht sein. Inhalt: Ryans Leben bestand aus Töten. Er war ein Killer im Auftrag des organisierten Verbrechens. Doch nach Jahren loyaler Gefolgschaft verschwindet er über Nacht. Er hat eine Frau kennengelernt: Amy. Und er hat die Chance auf ein ganz normales Leben. Zwei Jahre vergehen und ein alter Freund klopft an Ryans Tür. Er fordert eine Ehrenschuld ein. Einmal mehr muss Ryan töten, doch der Preis, den er dieses Mal bezahlt ist zu hoch. Zehn Männer töten Amy. Zehn Männer bringen Ryan fast um. Zehn Männer müssen für ihre Taten bezahlen. Solange auch nur einer lebt, wird Ryan nicht ruhen. Er wird sie alle zur Strecke bringen. Und er wird jeden einzelnen von ihnen leiden lassen. Leiden lassen… Ich habe dem guten Ryan doch gar nichts getan. Warum quält er mich denn durch diesen Film? Was für ein mieser Streifen. Hört sich der Inhalt der Geschichte noch nach gutem Rache-Thriller an, tritt spätestens nach den ersten paar Filmminuten Ernüchterung ein. Eieiei… Ich fühlte mich in einen Amateurfilm hineinversetzt. Als hätte jemand diverse Youtube-Clips aneinandergepappt. Die Regie, die Darsteller, alles auf bestem Ferienfilm-Niveau. Ganz ganz grottig. Die Darsteller sind absolut erwähnenswert – jedoch als abschreckendes

Beispiel. Sogar Anti-Mime Seagal wirkt Oscarverdächtig im Vergleich zu Brendan Carr, der hier den Ryan spielt. Aber alleine den Namen Seagal in diesem Review zu nennen ist eine Beleidigung für die Martial Arts-Legende. Die ganz Primitiven unserer Gattung werden sich zwar an den Gewaltszenen noch irgendwie aufgeilen können. Zudem gibts sogar mal kurz nackte Haut zu sehen. Die Fights sind die Erwähnung nicht wert und wirken ganz schlecht choreografiert. Ein Anschlussfehler jagd den nächsten, es ist echt zum schiessen peinlich. Ebenso nervend ist die Erzählweise des Films. Sind die Bilder nicht amateurhaft genug, die Darsteller nicht schlecht genug, setzt der Off-Kommentar noch eins drauf. Da wird die Geschichte von einer unbekannten Person erzählt. Hauptcharakter Ryan spricht im Film etwa zwanzig Worte, aber der Mann im Off textet den Zuschauer hier zu, es will nicht aufhören. Fazit: Über diesen Film gibt es absolut nichts Gutes zu berichten. Absolut schwach in jeder erdenklichen Weise. Eine Frechheit fand diese Obergurke überhaupt einen Verleiher. Eine Frechheit gegenüber Filmemachern, die sich den Allerwertesten zweimal aufreissen um ihren Film überhaupt drehen zu können, ohne sich sicher zu sein, was mit dem vollendeten Werk überhaupt geschehen wird. DIES IST EINE WARNUNG! NICHT KAUFEN! NICHT SCHAUEN! MACHT IMPOTENT!


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HALLOWEENCHEN WOLVERINCHEN: DIE IN DER SZENE SCHON SEHNLICHST ERWARTETE TOP5 DER SCHÄRFSTEN BILDER IM NETZ WO SICH WOLVERINE ALS DISNEY-PRINZESSIN VERKLEIDET HAT

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die welt ist

Angela Kuhn, 6. Februar 2014. Als ich heute morgen auf dem Weg zur Schule war, bat mich eine ältere Dame, wackelig auf den Beinen und mit Wut auf alles und jeden, sie über die Strasse zu führen. Das tat ich natürlich gerne, und während den nächsten 20 Metern und fünf Minuten erzählte sie mir alles über die allgemeine Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft. Verbittert schien sie nicht, meines Erachtens, nur masslos enttäuscht vom Leben. Die Welt ist böse. Das erkärte sie mir ausführlich. Nach dem Zebrastreifen kaufte ich ihr eine Zimtschnecke und sie bedankte sich herzlich, ging daraufhin ihren Weg und ich den meinen. Dann machte ich mir Gedanken über ihre Worte und ihre Überzeugung, dass die wahr sind. Überzeugt haben sie mich jedoch

bis jetzt nicht. Es steht ausser Frage, dass viel Schreckliches geschieht. Viel ungerecht ist. Dass es Tage gibt, die einfach zum Kotzen sind. Wieso ihre Worte mich nicht überzeugten weiss ich nicht, ich weiss bloss, gerade bin ich verliebt in alles und jeden, Schreckliches scheint nicht ganz so schlimm, Gutes dafür umso besser. Wenn die Welt böse ist, warum bin ich dann so glücklich? Und vor allem, wenn die Welt böse ist, warum lächelte sie dann 20 Meter, fünf Minuten und eine Zimtschnecke später wie mein kleiner Bruder am Weihnachtsmorgen? Die Welt ist nicht böse, glaube ich, genau so wenig wie sie gut ist. Die Welt ist. Und wir sind. Wie, das ist uns überlassen.

ADONNA IN GSTAAD. DAS BILD

Midi Gottet, 29. Oktober 2013. Und pünktlich zu Halloween das Ganze. Zufall oder einfach nur geil?

Midi Gottet. 8. Januar 2014. Mann, was hab ich auf dieses Bild gewartet. Madonna beim skifahren. Hammer. Diesen Schnappschuss sehen und dann sterben. Einfach zum niederknien diese Aufnahme. Madonna ganz privat. Wie du und ich – aber eben Madonna. Schon noch geil, die Madonna in diesen knallengen schwarzen Wintersportklamotten. Gut äh, das Pic eignet sich leider nur sehr bedingt für eine aus dem Nichts auftauchende Spontanmasturbation vor dem Computer aber hey, es ist Madonna. Oder? Hm, es könnte auch nur Madonnas Putzfrau sein – oder deren Liebhaber – oder der kleine Bruder des Liebhabers von Madonnas Putzfrau – oder Denise Bielmann – oder verdammt nochmal Wla-

dimir Putin. (zweites Bild) PS: Und äh Wladimir, wenn du das hier liest, in Grenoble wüsst ich noch eine schöne Tiefschneestrecke für dich.


<3 eu bizli ich lieb meh gugus vom zukkihund: www.facebook.com/zukkihund

s d n u h i k ZKuoskenamengenerator Erster Buchstabe deines Vornamen A Sunä B Schnee c Zauber d Gold E Erdbeer f Süess g Schoggi h Flimmer i Butter j Zucker K Rägäbogä l Strahle m Summer N Baumwull o Warmwind p Blueme q Himbeer r Chili s Glanz t Himmels u Bagumsel

V Flötä w Früehligs

x Sidä y Badinga Z Bletterteig

Erster Buchstabe deines Nachnamen A kuss B streichel c meer d warm E blink f frucht g glanz h bimbam i universum j bunt K glitzer l popcorn m zirpel N wunzel o gebäck p flockä q gumsel r staub s tulpä t fäder u diamant V w x y Z

flöt kristall silber wältall grins

Erster Buchstabe deiner Adresse A flöckli B pony c schnäggli d wülchli E rehli f türtli

g flötli h pfunzeli i planetli j küssli K stärnli l prinz(ässin) m füchsli N pilzli o bäumli p schnuuzi q finkli r spätzli s schmättrling t töffli u ängeli V mützli w bärli x hörnli y tröpfli Z grilläli A ltern A tiver fl

A fe tt b tu be l c k Ac k d bA n An ä e Arsc h loch f ju nki e g sc hei ss h An Al

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kult

®

Februar 2014

Seite dreiundzwanzig

KUHN TRIFFT KUMMER TRIFFT KUHN Rainer Kuhn, 24. Dezember 2013 Wir hatten uns endlich mal getroffen, vor ein paar Monaten, in Zürich, in der Kaufleuten-Bar. Vorher immer wieder mal über Facebook gechattet. Angenehm. Tom Kummer spielte eine Rolle, damals, Sommer 1997, kurz vor der Gründung meines Magazins KULT, ich las dieses Buch mit den besten Kummer-Interviews, mit Sean Penn, Sharon Stone und so, und dachte mir: Endlich! Willkommen! Es geht um die Leidenschaft zum Kleinen sich ins scheinbar Unbedeutende hineinzuschälen, um es dann aufzublasen und ihm dadurch erst leuchten zu lassen. Das Unbedeutende bedeutend machen, indem man es in Umgebungen versetzt, sie inszeniert, worauf sich der Standpunkt dorthin verrückt, wo er hingehört, nämlich woanders. Das erzeugt Verbundenheit, diese Verweigerung der Objektivität, dieses Zelebrieren der subjektiven Wahrnehmung. Es ist nicht der Anlass, der interpretiert wird, nicht der Tag, die Uhrzeit, das Wetter, es ist die eigene Wahrnehmung der Ereignisse, der Gespräche, der Sätze, der Worte. Er bestellte Tee, ich Kaffee und Pommes, ich hatte noch nichts gegessen. Übers Tennisspielerleben als Junior haben wir uns Unterhalten, Er spielte in Bern, ich in Zürich, er zwei Jahre über mir, das reichte schon aus, um in einer anderen Kategorie zu starten, so hatten wir nie gegeneinander gespielt, aber wir hatten gemeinsame Bekannte. Dann er ein bisschen und ich ein bisschen, über Berlin, Los Angeles, Kinder und Rockstars. Und irgendwann übers Schreiben, Lyrik, Fabeln, Journalismus, Glaubwürdigkeit, Kunst und seine alten Interviews. „Und das nennst Du dann Borderline-Journalismus.“ sagte ich. „Der Begriff ist nicht von mir“ „Echt? Aber auf Wiki stehts so.“ „Nein, das kam vom Poschardt. Aber der Begriff „Borderline-Journalist“ hatte aus seiner Feder keinen Charme, er hatte ihn nämlich negativ besetzt. Die Wertung war mir egal, mir gefiel der Begriff, das Wort ... „Borderline-Journalist“, oder allgemeiner „Borderline-Journalismus“, da ist ein Klang in dieser Wortkonstellation, ein voller, dramatischer und doch eleganter Klang, der hinten bei „ismus“ sogar ein bisschen züngelt, wie eine Schlange, aber so wie die anderen es aussprachen klang es nur noch dumpf, flach und distanziert.“ „Auf Wiki steht, Du hättest den Begriff erfunden.“ „Ich habe dem Begriff erst sein Gesicht gegeben, ihn damit entfalten und gleichsam festmachen lassen.“ „Thomson macht Gonzo, Du machst Borderline. Etwa so?“ „Das muss ich ändern auf Wikipedia. Das muss man ändern.“ „Ist doch egal.“ „Solche Sachen sind nicht egal, wenn man es weiss, und dann nichts tut, das ist, als wäre man schuldig. Dann ist man auch schuldig.“ „Hattest Du Dich schuldig gefühlt, damals, wegen den Interviews?“ „Ich dachte immer, sie wussten es. Und sie hätten es so gesehen wie ich es sah: Als eine Form von Kunst. Kreiiert mit den Mitteln des Journalismus, mit den Mechanismen des Lesens, des Erfahrens. Sie waren ja begeistert und wollten immer mehr solche Geschichten. Für mich war das natürlich grossartig, Du musst Dir vorstellen, das ist wie ein Produzent, der Remixes macht und die Plattencompanys rennen ihm die Bude ein.“

Schon wieder so eine Ähnlichkeit, dachte ich, der hört Sätze, und wenn er schreibt, dann erzeugen diese Sätze eine Melodie, und wenn er über seine Schreibtätigkeit philosophiert, dann benutzt er Vergleiche aus der Welt der Musik. Dann triffst du einen, von dem du gehört hast, den du dann auch mal kennen lernen wolltest, dann verabredest du dich und dann sitzst du da und merkst: Der ist wie Du. Ein bisschen anders zwar, ausgeprägter, ein bisschen unterscheidlich akzentuiert, aber die Grundzüge, das Denk-Konzept, die emotionale Grundstruktur, aus dessen Defizite die späteren Karrierekiller wachsen, die unbeugsame Verfechtung der Subjektivität als reinste Form von Wahrheit. Nicht so zu tun, als wäre man etwas anderes als das, was man beschreibt, also nicht normal. ... „Und ich dachte, super, dann schreib ich euch noch ein paar“,, er freute sich, als er das sagte. „Meine Frau kam dann irgendwann und meinte, dass ihr irgendwie nicht geheuer sei, wenn die das jetzt nicht wüssten, dass die Interviews anders zustande gekommen sind, ich konnte sie dan beruhigen, denn die Idee, dass die das nicht wussten, war so absurd für mich.“ „Ist ja jetzt auch egal.“ Ich nahm Streichhölzer, um mir die Zigarette anzuzünden, vor ein paar Monaten konnte man noch rauchen in der Kaufleuten-Bar, ich konnte so mehr Zeit vertreichen lassen, als mit dem Feuerzeug, ich wollte nicht länger über diese alten Interviews reden, ich wollte überhaupt nicht mehr über all die coolen oder uncoolen Dinge in seiner Vergangenheit reden. Ich wollte Zeit gewinnen, damit wir vielleicht

schnell was einfällt. Und dann merkte ich, dass ich mich plötzlich in einer Art Interview befand, obwohl überhaupt kein Interview machen wollte, nicht das meine Gedanken als Fragen formuliert hätte, sondern eher, dass er seine Gedanken als Antworten formuliert hatte. Vielleicht geht ihm aber auch nur auf den Sack, zwanzig Jahre lang immer wieder die gleiche Scheisse durchzukauen, so wie Heintje, immer nur „Mama“ singen, da muss es doch auch noch anderes geben... „ ... Paddle-Tennis?“ Ich wollte mal abrupt das Thema wechseln, mit Kummer über etwas sprechen, was man so nicht von ihm erwartet hätte, so, wie er sich in seinen Interviews damals mit Tyson über Nietsche unterhalten hatte, ich dachte, ok, lass uns spielen ... Er grinste mich an. „Du willst mit mir über etwas reden, was man nicht von mir erwartet hätte?“ „Ja“, antwortete ich ziemlich regungslos. Ich wollte mir ja nichts anmerken lassen. „Weil ich in diesen Interviews damals ....“ „Ja, genau ...“ „... Thyson und Nietsche ...“ „... zum Beispiel. Oder ...“ „Klappt nicht. Du hättest dieses Gespräch erfinden müssen, dann wärs gegangen.“ Er schaute zum Fenster raus. Wird nicht mehr schön heute. „Vielleicht mach ich das ja noch“, sagte ich so beiläufig, und griff in die leere Pommes-Schale. Er schaute mich an, ich blickte zur Bar, wir fühlten uns grad gegenseitig irgendwie ertappt, ich wusste nicht, war ich jetzt in seinem Film oder er in meinem, und er wusste es auch nicht.

Wir suchten mal die Serviertochter, um noch Kaffee und Pommes zu bestellen. Und um da irgendwie wieder rauszukommen. „Und sonst so? Kinder?“ „Die spielen auch Paddle-Tennis.“ „Wollen die nicht richtig Tennis spielen, irgendwann mal? So wie Daddy früher mal?“ „Die finden Paddle-Tennis super.“ „Ach, komm, hättest Du damals auch gesagt: Nö, schöner grösser Sandplatz, darmsaitenbespannter Dunlop Maxply Schläger, muss nicht sein, das kleine Betonfeld und die übergrossen Ping-Pong-Schläger finden wir superer.“ „Vielleicht hats mir deshalb ja auch ausgehängt.“ Er tippt etwas unruhig mit den Beinen, als wäre er nervös, aber er war nicht nervös, er ist immer so. Er tippt auch nicht wirklich, mehr so ein Vibrieren. „Irgendwann wirst Du gut, weil Du Talent hast und etwas gerne machst, und dann kommst Du in die Meisterschaften, in die Preiskategorien, und dort umhüllt ein Nebel des Neides die Szene, es gibt Vorschriften und Regeln und es gibt Ansprüche an Dich, diese Vorschriften und Regeln zu befolgen.“ „Ja, logisch, es geht um Kontrolle. Fügst Du dich den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen nicht, dann kannst Du nicht mehr kontrolliert werden ...“ Er lachte auf: „Weißt Du, was die mal geschrieben haben?“ Mit „die“ meinte er „die Anderen“, „die Journalisten“, „die Objektivitätsfetischisten“. Er war kein Journalist. Wie ich auch kein Journalist bin. Wir schreiben zwar, und dann steht etwas irgendwo, vielleicht in einem „Journal“, einer Zeitung oder sonstwo, aber

deswegen ist man noch lange kein Journalist. So wie in der Oper auch nicht jeder der der Tenor ist, welcher die ihm vorgegebenen Texte so intoniert, wie es auf den Notenblättern steht und wie es dem Publikum gefällt. Es braucht auch die Beleuchter. Diejenigen, die ein überraschendes Licht auf die Szenerie werfen, die das Bühnenbild in eine emotionale Heimat verwandeln, Leute wie „wir“ sind die mit dem Scheinwerfer. „Ich sei „ausser Kontrolle geraten“ ... Ist ein gutes Zeichen, wenn Spiegel, SZ und alle schreiben „ausser Kontrolle geraten“ ... „ausserhalb iher Kontrolle, so ist es. Ich lasse mich ungern kontrollieren, drum schreiben sie mich bis heute schlecht.“ „Kann Dir auch egal sein. Man muss dann halt sein eigenes Ding machen.“ Ist so. Du kannst Dich nicht an den Futtertopf der grossen ranmachen und denken, sie wollen nicht genau wissen was Du wann, wie, wo und mit wem machst. Und heutzugage auch noch denkst. „Oder Du findest Produzenten, die noch oder wieder bereit sind, für literarische Produktionen Geld zu bezahlen“. Ob er das schon wusste oder noch hoffte, konnte ich nicht eindeutig festmachen. „Ich würd Dir diese BorderlineGeschichte über die Grenze zwischen den USA und Mexiko sofort abkaufen. Ich hätte überhaupt gerne, wenn Du fürs Kult schreiben würdest. Aber ich kann mir Dich nicht leisten“. Und ich regte mich innerlich auf, dass ich keine Kummer-Story einkaufen konnte, nicht weil er exorbitant teuer gewesen wäre, nein, schon ein richtiger Preis, ein Kummer-Preis, ein Kummer ist immer noch ein Kummer und das wärs auch wert gewesen für mich. Aber ich hatte einfach kein Geld. Die Weltwoche vielleicht. „Das wird eine richtig gute Geschichte, ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommt, aber ich spüre, dass das eine wunderbare Sache wird, dieser riesige Zaun, der sich durch diese traumhafte Wüstenlandschaft zieht, ein monumentales Werk, beängstigend auch, für beide Seiten und für mich als Beobachter, als Reisender, ebenfalls.“ „Ein Tagebuch über einen Zaun“, witzelte ich. „So kann man es sehen, ja. Aber als Gegenentwurf zu den Betroffenheitsreportagen, das ad Absurdum führen des Reisejournalismus, vielleicht mal ein Interview mit einem ...“ „Ich finds jetzt schon geil“ „Aber gratis kann ich es Dir nicht machen, ich lebe davon“ „Klar, aber eben ...“ „Und ins Internet darfst Du es auch nicht stellen.“ „Wohin gehst Du noch heute?“ es war sechs Uhr abends, ich musste los, meinen Jungen vom Fussballtraining abholen. „Nachher?“ „Ja.“ „Nicht mehr viel, morgen geht’s nach Dortmund...“ „Lesung?“ „Tournee fängt an, ja.“ „Freust Du Dich?“ „Mal so, mal so.“ Aber er freute sich. Wir verabschiedeten uns verwandt, er in die Stadt, ich in die Schule meines Sohnes. Nach Los Angeles kommen sollte ich mal, meinte er. Werde ich, sagte ich. Wir sehen uns bald, dachte ich, und wenn nicht, dann schreiben wir einfach, wir hätten. Wir hatten ja jetzt schon mal.


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