Im Laufe der achtziger Jahre kaufte Peter Ludwig Kunstwerke aus der DDR und der UdSSR und stellte diese in Westdeutschland aus.26 Obwohl in der allgemeinen Öffentlichkeit das Interesse an solcher Kunst wuchs, blieben die meisten deutschen Museen hinsichtlich der künstlerischen Relevanz von Kunstschaffenden, die willentlich mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zusammenarbeiteten, skeptisch. Selbst das Museum Ludwig in Köln, das nach dem Sammlerpaar Peter und Irene Ludwig benannt ist, nachdem diese dem Museum 1976 an die 350 Werke schenkten, stellte keine Kunstwerke aus der DDR aus. Hauptsächlich aus diesem Grund, gründete Peter Ludwig 1983 das Ludwig-Institut für Kunst der DDR, dessen Ziel es sein sollte, Kunst aus Ostdeutschland auszustellen und zu erforschen. Ludwig lieh der Stadt Oberhausen an die 500 Werke. Als Gegenleistung stellte die Stadt die Räumlichkeiten der Städtischen Galerie zur Verfügung und trug einen Großteil der Kosten.27 Da alle Werke Irene und Peter Ludwig gehörten, konnte theoretisch niemand in der DDR in die kuratorische Tätigkeit des Instituts eingreifen. Gerade aus diesem Grunde wurde die Entstehung des Ludwig-Instituts von Seiten der DDR mit einer Mischung aus Unbehagen und Genugtuung gesehen: Genugtuung deshalb, weil das Institut aktiv die Kunst der DDR förderte, was eines der Hauptziele der ostdeutschen Kulturpolitik war; Unbehagen, weil sich diese Förderung einer strikten staatlichen Kontrolle entzog. Ein ostdeutscher Diplomat in Bonn schlug vor, die Regierung solle „versuchen, auf die Institution, an deren Existenz wir nichts ändern können, Einfluss zu nehmen, um die Kunst der DDR zu propagieren.“28 Wie sich herausstellen sollte, war dies aber gar nicht nötig. Während Peter Ludwig in der DDR Handlungsfreiheit genoss, war sein Ludwig-Institut für Kunst der DDR darauf bedacht, die ostdeutsche Kulturpolitik in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Die meisten sich in den Ausstellungskatalogen befindlichen Texte stammten aus früher erschienenen DDR-Publikationen.29 Wenn man die geringe Zahl der Mitarbeiter in Oberhausen bedenkt und den Umstand, dass es allgemein im Westen zu jenem Zeitpunkt nur wenige Expert*innen für ostdeutsche Kunst gab, war eine Zusammenarbeit mit dem sozialistischen Nachbarstaat unvermeidlich. Das ursprüngliche Ziel des Ludwig-Instituts – Kunst aus Ostdeutschland auszustellen und unter westlichen Gesichtspunkten zu erforschen – und des Sammlers Interesse, seine besondere Beziehung zur DDR aufrechtzuerhalten, prallten jedoch schon bald aufeinander. Von der ersten Ausstellung mit dem Titel Durchblick an wurden Peter Ludwigs Rolle und seine Künstlerauswahl von den einen begrüßt und von den anderen kritisiert.30 Durchblick stellte in jedem Fall eine kanonische Auswahl dessen dar, was in der DDR als gute Kunst galt. Als die Ausstellung nach West-Berlin kam, reagierte der deutsche Konzeptkünstler Hans Haacke auf Peter Ludwigs Ostunternehmungen mit einer ortsspezifischen Installation im Neuen Berliner Kunstverein, die den Titel Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig trug.31 Haacke hatte dabei den Raum mit Hilfe einer Replik der Berliner Mauer in
26 1980 reiste Peter Ludwig auf Einladung von Wladimir Semjonow, dem sowjetischen Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, in die UdSSR. BStU, MfS, Abt. XX/7, 6245/91, Band 5, S. 22–26. Für Informationen zu den erworbenen Werken siehe: Evelyn Weiss (Hg.), Sowjetkunst heute. Köln: Museum Ludwig 1988. 27 Peter Ludwig an den Botschafter der DDR, Ewald Moldt, 11.05.1983. BStU, MfS, AP 645/92. 28 Ständige Vertretung der DDR in Bonn an das Kulturministerium, Bericht über die Gründung des Ludwig-Instituts für Kunst der DDR, 12.07.1983. BStU, MfS, AP 645/92. 29 Siehe Bernhard Mensch (Hg.), Durchblick. Oberhausen: Ludwig-Institut für Kunst der DDR 1984. Und: Bernhard Mensch (Hg.), Durchblick II. Oberhausen: Ludwig-Institut für Kunst der DDR 1986. 30 Siehe Zeitungsausschnitte in: NGBK Realismusstudio (Hg.), Hans Haacke. Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig. Materialien zu Werkentstehung und Rezeption. Berlin: NGBK 1985, S. 4. 31 Hans Haacke, Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig, 1984, Installation in mehreren Teilen (Öl auf Leinwand und Reklametafel), Sammlung Falckenberg, Hamburg; der Titel ist eine Anspielung auf Erich Honeckers Versprechen von 1971 über „Weite und Vielfalt” in den Künsten.
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