Wohnen im Übergang zur Pflege

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Wohnen im Ăœbergang zur Pflege

Fachtagung des Arbeitsausschusses "Wohnen im Alter" im Kompetenznetz fĂźr das Alter des Sozialwerks Berlin e.V. am 29.10.2010 in Berlin


Inhaltsverzeichnis Vorwort Käte Tresenreuter

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Wohnen mit zunehmendem Pflegebedarf - ein politisches Problem? Jo Rodejohann

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Bedingungen für das Wohnen im eigenen Zuhause - Hilfen und Unterstützung jenseits der Pflege Barbara Weigl

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Wohnungswirtschaft als sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier? Das Beispiel Märkisches Viertel (MV) in Berlin Ulf Lennermann

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Älter werden im Quartier – Erfahrungen aus dem Programm „Die Soziale Stadt“ Helene Luig-Arlt

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Netzwerkagentur GenerationenWohnen Berlin Constance Cremer, Theo Killewald

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Konzepte für alternsgerechtes Wohnen – Modell- und Beispiel-Projekte Hilke Groenewold

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Ambulant betreute Wohngemeinschaften – Konzepte und Erfahrungen Karin Rückemann

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Wie sieht das „Berliner Modell“ für den Übergang zur Pflege aus? Ansätze zur Gestaltung des Übergangs zur Pflege in Berlin Prämissen und Handlungsfelder Dr. Christina Fuhrmann, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales

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Aktuelle Anmerkungen Dr. Jochen Hucke, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

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Nach der Tagung. Notizen und Folgerungen Dr. Hans-Ulrich Litzner, Arbeitsausschuss Wohnen im Alter

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Herausgeber:

Sozialwerk Berlin e.V. Humboldtstraße 12, 14193 Berlin kompetenznetz-alter@t-online.de 2011

Verlag: Druck:

Eigenverlag Schmohl & Partner, 13086 Berlin

Redaktion / Layout:

Jo Rodejohann

Bildnachweis:

Gabriele Losse Treffpunkt Hilfsbereitschaft Landesfreiwilligenagentur Berlin | Bettina Hahn - http://www.bilderwelten-berlin.de (Titel) Klaus Ehrenheim (1, Rückseite)

Alle Rechte vorbehalten


Vorwort Am 29. Oktober 2010 konnte ich rund 100 Teilnehmer an der Tagung „Wohnen im Übergang zur Pflege“ begrüßen. Es hat mich sehr gefreut, dass diese Veranstaltung im von uns älteren Menschen vor gut 27 Jahren geplanten, finanzierten, gebauten und nach wie vor selbst verwalteten Altenselbsthilfe- und Beratungszentrum des Sozialwerks Berlin e.V. stattfand. Dieses Sozialwerk wurde am 6. Dezember 1971 als Bürgerinitiative gegründet. Es ist konfessionell und politisch ungebunden, Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Deutschen Sozialwerk kooperativ verbunden. Aufbauend auf unserer ursprünglichen Hauptaufgabe, einem umfangreichen Besuchsdienst in Alten- und Pflegeeinrichtungen, werden von uns gesellige Sozial- Zusammenkünfte organisiert sowie gemeinschaftsbildende Veranstaltungen kultureller Art und vielfältige Möglichkeiten zur Aktivität und zum Training für Geist und Körper angeboten. Es ist aber auch gesuchter Ansprechpartner, wenn es um altenpolitische Themen geht. Zu diesen gehört die Frage, wo ältere Menschen bleiben, wo und wie sie selbstbestimmt wohnen. Sie stand seit den ersten Erfahrungen, die wir bei unseren vielen Heimbesuchen machten und immer noch machen, zunächst unterschwellig, dann aber auch mehr und mehr vordergründig im Mittelpunkt unserer Arbeit mit und für ältere Menschen. Angesichts des demografischen Wandels, der durch eine deutliche Zunahme der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung gekennzeichnet ist, gewinnt sie heute mehr und mehr an Bedeutung. Daher bin ich den Referenten und dem Ausschuss „Wohnen im Alter“ im „Kompetenznetz für das Alter“ im Sozialwerk Berlin e.V. dankbar, dass das Thema aufgegriffen wurde und die Frage, wie das Wohnen im Alter und der Übergang zur Pflege politisch und sozial gestaltet werden kann, beleuchtet wird. In der vorliegenden Broschüre sind die Referate der Tagung „Wohnen im Übergang zur Pflege“ zusammengefasst. Ich wünsche mir, dass sie das Interesse der Politiker, der Praxis vor Ort, der Pflegeeinrichtungen, der Hochschulen sowie aller Stellen findet, die für dieses so

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wichtige Thema Verantwortung tragen. Mein besonderer Dank gilt den Initiatoren dieser Veranstaltung aus dem Kompetenznetz für das Alter und den langjährig mitwirkenden Ehrenamtlichen des Ausschusses „Wohnen im Alter“. Berlin, im Februar 2011

Käte Tresenreuter Gründerin und Vorsitzende des Sozialwerk Berlin e.V.

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Ein politisches Problem?

Wohnen mit zunehmendem Hilfe- und Pflegebedarf ein politisches Problem? Jo Rodejohann1 In den Einladungen, die wir versandt hatten, haben wir meinen Beitrag mit der Einschränkung "aus politologischer Sicht" angekündigt, entsprungen der Überlegung, dass er sinnvoll abgesetzt werden sollte von dem, was Ihnen Frau Weigl gleich eben "aus gerontologischer Sicht" vortragen wird. In der weiteren Vorbereitung stand nie in Frage, dass ein wissenschaftlicher Beitrag des Diplom-Politologen, der ich von der Ausbildung her ja bin, hier nicht gefragt sein würde und auch von uns nicht beabsichtigt war - wie reizend diese Aufgabe auch in der aktuellen Alterskonjunktur mit ihren Hoffnungen auf die ungeschöpften Potenziale des Alters sein würde: Dies erledigen Wissenschaftler wie die Arbeitsgruppe um den Kollegen Lessenich in Jena, die gerade erste Ergebnisse ihres Forschungsprojekts "Vom ›verdienten Ruhestand‹ zum ›Alterskraftunternehmer‹? Bilder und Praktiken des Alter(n)s in der aktivgesellschaftlichen Transformation des deutschen Sozialstaats nach der Wiedervereinigung" veröffentlicht haben. Zumindest ein Befund aus diesen Forschungen aber verweist direkt auf unser heutiges Thema: "Die Analyse des politisch-medialen Diskurses seit Anfang der 1980er Jahre fördert [...] Paradoxes zutage: Obwohl sich nicht nur die statistische Lebenserwartung bei Geburt, sondern auch die fernere Lebenserwartung der Älteren in den vergangenen Jahrzehnten beständig erhöht hat und die Entwicklung beider demographischer Kennziffern auch für die erwartbare Zukunft weiter nach oben weist, werden systematisch bereits sogenannte best ager – Menschen im »besten Alter« – als »Alte« adressiert und qualifiziert." "Abgesehen vom wissenschaftlichen Diskurs, in dem die Hochaltrigkeit zwar kein prominentes, gleichwohl aber ein systematisch behandeltes Thema ist, sind »die Alten« im politischmedialen Potenziale-Diskurs extrem jung: über 50, unter 65 zumeist, mitunter auch mal um die 70."

1 Dipl.-Pol. und Sozialmanager; langjährig u.a. tätig gewesen als Geschäftsführer und Heimleiter in der Altenpflege; freier Mitarbeiter der Landesfreiwilligenagentur Berlin u.a. in der Engagementwerkstatt Berlin | Bundesprogramm "Freiwilligendienste aller Generationen"; Vorsitzender der AG Bauen, Wohnen, Wohnumfeld des Landesseniorenbeirats Berlin | Kontakt: j.rodejohann@kontorz.de

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Ein politisches Problem?

Beabsichtigt aber war die Frage nach der Politik, und so ist das Thema nun auch formuliert. Anlass dafür und für die Einladung des Arbeitsausschusses zu diesem Fachtag war der uns umtreibende Eindruck, gewonnen an der (Nicht)Lösung der Probleme des Wohnens im Alter insbesondere in Berlin, dass aller Rede von Demografie und Altern zum Trotz unsere alternde Gesellschaft nicht wirklich als Problem, als politisches Problem angegangen wird. Denn die Altersgruppe von Menschen, über die wir heute sprechen wollen, die im Alter 70+ häufig einen wachsenden Hilfe- und Pflegebedarf entwickeln, bleibt in der öffentlichen "Alters"-Diskussion offensichtlich im Schatten der Aufmerksamkeit. Sie sind als Hilfe- und Pflegebedürftige kein wirklich öffentliches Thema, deren Problemlagen unter dem Stichwort ihrer "Lebensqualität" in der ganzen (noch möglichen) Fülle ihres Lebens, um eine gute theologische Definition von Menschsein zu zitieren, tragfähiger Lösungen bedürften. Hilfe- und Pflegebedürftige werden aber als Problem wahrgenommen, vornehmlich als ein finanzielles zu Lasten der Erwerbstätigen oder zukünftiger Generationen. Einige Stichworte: Rationierung in der Altersmedizin, Qualität der Pflege, mangelhafte Altersprävention, die Liste ist erweiterbar. Und noch eine zweite, damit verknüpfte Beobachtung aus der Forschung scheint mir hier wichtig: Die Hilfe- und Pflegebedürfnisse alternder Menschen sind in der klassischen politikwissenschaftlichen Wahrnehmung sogenannte schwache Interessen, ihnen fehlt es an Organisationsfähigkeit, und damit sind sie in den alltäglichen Auseinandersetzungen um knappe gesellschaftliche Ressourcen nicht sonderlich durchsetzungsfähig. Sie bedürfen der Sachwalter, aber nicht nur der sogenannten Senioren, denn auch deren Selbsthilfepotenziale sind zwar immer wieder beeindruckend, aber zugleich von Natur aus "schwach", Sachwalter, die sich kümmern (hier liegt eine der Begründungen, warum soziale Aufgaben zur kommunalen Daseinsfürsorge gehören), die sich aber mitunter auch verkämpfen und nicht mehr Ernst genommen werden (oder in dieser Rolle ihren Ort in medialen Inszenierungen finden). Die aktuellen, durchaus intensiv geführten Fachdiskurse über zukünftige Gestaltungen der Grundsicherung angesichts rasch wachsender Aufwendungen der Kommunen oder der sich abzeichnende Mangel an Pflegefachkräften, der ja nicht vom Himmel gefallen ist, erreichen die Öffentlichkeit, wenn überhaupt, nur als skandalisierte - und geraten dann auch wieder aus dem Blickfeld. Eine weitgehend fehlende öffentliche Aufmerksamkeit (außer bei medial skandalisierungsfähigen Vorfällen) für die Lebenslage "Hilfe- und Pflegebedarf im Alter" und die aus vielerlei Gründen mangelnde Organisationsfähigkeit daraus erwachsender, in der Regel nur schwacher Problemlösungsinteressen, so meine hier nicht weiter ausführbare These, macht unser

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Ein politisches Problem?

heutiges Thema zu einer klassischen Aufgabe von verantwortlicher Sachwaltung für und im Interesse Dritter, die sich um die Problemlagen kümmert. Die Frage ist natürlich, wem dieser Schuh passt und wer ihn sich anzieht. Ich möchte noch erweitern: Im heute als zukunftsträchtiges, problemlösendes Handlungsfeld bis hin zu nationalen (Engagement-)Strategien vielbeschworenem Mix aus Staat, Wirtschaft und Bürgerschaftlichem Engagement sind Politik und Verwaltung als Staat die legitimierten und beauftragten Träger gesamtgesellschaftlicher Verantwortungswahrnehmung. Sie konkretisiert sich grundsätzlich unter anderem im Auftrag kommunaler, auch sozialer Daseinsvorsorge, unabhängig davon, wie sie dann im Einzelnen auch immer je ausgestaltet wird. Wirtschaft wie Bürgerschaftliches Engagement als Partner des Staates verfolgen ihre eigenen Logiken, haben ihre eigenen Grenzen. Aber sie haben auch vielfältige Möglichkeiten im (teils auch antagonistischen) Zusammenwirken mit Politik und Verwaltung, wie Erfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, allerdings immer wieder nachhaltig gestört durch hierarchisierende Unter- und Überordnungsversuche oder Sprachverwirrungen. Zum Zielkatalog von Wirtschaft und Bürgerschaftlichem Engagement (sieht man einmal vom klassischem, verpflichteten Ehrenamt und den Diensten ab) gehört aber nicht die gesamtgesellschaftliche Verantwortungs- und daraus folgend Aufgabenwahrnehmung "in der Fläche". Wäre es anders, stünde die Frage an, wozu es in einer Gesellschaft des Staates, der Politik und Verwaltung überhaupt bedürfte. Klientelpolitik gilt, so habe ich es mal im Studium gelernt, nicht als legitimierte Aufgabe des Staates. Was Politik und Verwaltung dann wirklich machen, ist eine andere Frage, ändert aber nichts an den grundsätzlichen Verhältnissen. Wenn nun die gesamtgesellschaftliche Verantwortungs- und Aufgabenwahrnehmung keinen Sachwalter mehr hat, sich in Beauftragungen, Privatisierungen und anderen Formen irgendwann und irgendwo verliert, gibt es nicht zwingend schlechte Problemlösungen, vielleicht gibt es sogar bessere. Die Frage ist nur, für wen sie gut sind - und für wen nicht. Der Politikwissenschaftler Ingo Bode, dessen Fachgebiet auch die Alterssozialpolitik ist, nennt dies einen Zustand der Disorganisation, und er beobachtet, dass seine schlechten wie guten Folgen nur schwer abzuschätzen sind. Aber eine Folge zeichne sich klar ab: schwache Interessen sind nicht auf der Gewinnerseite. Der junge Sozialarbeiter, der in einer Großraumsiedlung im Blick auf die Hochhäuser rund um seinen Kiezstützpunkt an seiner Aufgabe "community care" verzweifelt, weil er keinen Zugang zu den vereinsamten alten Menschen findet, mag schlecht ausgebildet oder mangelhaft

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Ein politisches Problem?

ausgestattet sein, aber die Tatsache, dass alternde Menschen sich in ihre Wohnungen zurückziehen, nicht mehr herauskommen, gesellschaftliche Teilhabe aufgeben und Hilfsangebote nicht annehmen (können), wird nicht erst zu einem politischen Problem, wenn sie Wochen nach ihrem Tod gefunden werden; es ist ein politisches Problem. Und es ist, um näher zu unserem Thema des Wohnens gerade auch bei zunehmendem Hilfe- und Pflegebedarf zu kommen, auch ein Problem, dass Kommunen wie auch Berlin sich zwar dem politischen Ziel einer barrierefreien Stadt verschrieben haben, dass aber vorhandene auch baurechtliche Normierungen im öffentlichen Diskurs aufgelöst werden zugunsten der beliebigen Rede von einer nur anzustrebenden, ja überhaupt nur noch anstrebbaren Barrierearmut - oder wie die Begriffe alle heißen -, und dass diese der Beliebigkeit beim Ziel Barrierefreiheit Raum gebende Rede längst Eingang auch in Aussagen von Politik und Verwaltung gefunden hat. Die eigenen, politisch gesetzten Ziele werden nicht offensiv verteidigt. Die Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung dürfte ein weiteres Lehrbeispiel werden. Dieses Thema hat den Ausschuss "Wohnen im Alter" lange beschäftigt - und dass eine barrierefreie Gestaltung von Wohnverhältnissen auch im Bestand bei hinreichend kreativer und verantwortlicher Planung dem Grund nach möglich und finanzierbar ist, ist eines seiner Arbeitsergebnisse. Deswegen ist Barrierefreiheit an sich als bauliches oder finanzielles Problem auch nicht mehr länger erstes Thema in unserem Ausschuss, sondern es sind Fragen wie die heutigen. Unser Kollege Heino Marx, der leider zu früh verstorben ist und uns auch im Ausschuss fehlt, hatte sein auch berufliches Engagement ganz dem Thema Barrierefreiheit gewidmet (was richtig verstanden, ähnlich wie Wohnen, eher ein Querschnittthema und kein nur baufachliches ist) - und die Möglichkeiten auch praktisch nachgewiesen. Und er würde jetzt wohl den Schritt mitgehen, dass eine politische Lösung für die Probleme einer alternden Gesellschaft nicht allein die Bedürfnisse und Interessen alter Menschen berücksichtigen kann, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist - und entsprechend ausgewogene Konzepte erforderlich sind. So liegt durchaus eine gewisse Logik in der Entscheidung des Senats, das im Koalitionsvertrag angekündigte Gesamtstädtische Konzept Wohnen im Alter, das sich ja ganz zentral auch unserem heutigen Thema widmen müsste, als solches nicht länger zu verfolgen, son-

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Ein politisches Problem?

dern in ein gesamtstädtisches Konzept Wohnen zu integrieren; und das würde auch einem Problemzugriff entsprechen, wie er in anderen Kommunen unter der Stichmarke demografiefester Handlungskonzepte erfolgreich verfolgt wird. Eine Frage würde unser Kollege aber mit der ihm eigen gewesenen Beharrlichkeit stellen - und die Antworten auch jeweils akribisch prüfen: Werden dabei die Wohnverhältnisse, die übrigens nicht an der Wohnungstür enden, im Interesse von Menschen mit Behinderungen, und das sind wir, und zwar alle, wenn wir Hilfe- und Pflegebedarfe haben, hinreichend verantwortlich im Sinne des individuell Notwendigen wie fachlich Möglichen und unabhängig von den uns jeweils verfügbaren materiellen Ressourcen gestaltet? Oder steuern andere Erwägungen das, was getan (oder nicht getan) wird? Jetzt möchte ich Ihnen noch einige Eckdaten zum Gesamtzusammenhang und -hintergrund unserer heutigen Gespräche in Erinnerung rufen, die bei aller prinzipiellen Offenheit gesellschaftlicher Entwicklungen und unseren begrenzten Prognosefähigkeiten zeigen, dass Wohnen mit zunehmendem Hilfe- und Pflegebedarf bereits heute ein politisches Problem ist und nicht erst wird.

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Ein politisches Problem?

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Ein politisches Problem?

Das Stichwort Entwicklungspfade Wohnen, Sorgen, Begleiten, Helfen liegen quer und sind nur um den Preis gesellschaftlicher Desintegration funktional zu institutionalisieren. Dabei sind wir nicht frei in den Entwicklungsmöglichkeiten, nicht technisch, nicht finanziell, nicht konzeptionell, nicht politisch. Aber die Frage ist schon, ob immer alle Wahlmöglichkeiten verantwortlich geprüft und genutzt werden. Und dazu müssen auch neue Lösungen zur Regel und lange verfolgte und durchaus bewährte Entwicklungspfade, auch so ein politologischer Begriff, verlassen werden können. Auch früher gab es schon Entwicklungspfade, die einmal als Lösungen der Wahl galten, und die nun zu Sackgassen geworden zu sein scheinen: •

Großsiedlungen

Wohnen im Grünen

Stationäre Einrichtungen

Mich treibt eine Frage zunehmend um: •

Wer nimmt die Gesellschaft insgesamt (noch) in den Blick und übernimmt dafür Verantwortung, insbesondere auch für diejenigen, die es selbst nicht (mehr) können? ◦ Für die Analyse der Probleme? ◦ Für die Entwicklung von Lösungen? ◦ Für deren Organisation? ◦ Und für deren Finanzierung?

Daseinsvorsorge als Gewährleistungsverantwortung sollte mehr sein als Gewähren lassen. Manchmal könnte man beim Nachdenken über unser Thema auf die Idee kommen, dass es dieser Mahnung (irgendwann) tatsächlich bedürfen könnte.

Das Ziel jedenfalls sollte sein: Eine altersgerechte barrierefreie Stadt, eben eine Stadt für alle Alter, mit lebendigen Sozialräumen, in und aus denen Menschen gleich welchen Alters mit Hilfe- und Pflegebedarfen nicht ausgrenzt werden, und das unabhängig von ihren Möglichkeiten, wirtschaftlich produktiv zu sein; eine Politik, die entsprechende Prioritäten setzt, um gesellschaftliche Teilhabe aller zu verwirklichen, auch der Menschen mit Behinderungen im Alter mit all ihren vielfältigen Bedarfen an Begleitung, Hilfe, Betreuung und Pflege.

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Ein politisches Problem?

Ein besonders drängendes Problem bei Umsetzung dieses umfassenden Ziels scheint mir zu sein, (auch und genau) diejenigen zu erreichen, die der Anwaltschaft bedürfen, die nicht selber aktiv die vorhandenen und aktuell ja durchaus noch weiter ausgebauten und für sich guten Angebote (mehr) erreichen (können), die eben (so) hilfebedürftig sind, weil sie sich nicht selber helfen können. Und das ist nicht zwingend eine Frage des absoluten Hilfebedarfs, sondern auch wohl eine Frage der (schleichenden) Übergänge; und einer dieser Übergänge im Leben, der kleine wie auch größere Hilfebedarfe auslöst, ist die zunehmende Pflegebedürftigkeit, wie sie typisch insbesondere für das höhere Alter sein kann. Früher hieß es einmal, viele Wege führen nach Rom. Wahrscheinlich werden wir auch beim Thema "Wohnen im Übergang zur Pflege" nur so ans Ziel gelangen. Nun ist doch noch einige Politologie hineingeraten; wenn zu viel, bitte ich um ihre Nachsicht, jedenfalls danke ich für Ihre Geduld.

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Jenseits der Pflege?

Bedingungen für das Wohnen im eigenen Zuhause Hilfen und Unterstützung jenseits der Pflege Barbara Weigl2 Wie und wo wohnen ältere Menschen? Wohnungsausstattung •

3/4 müssen mehr als drei Stufen beim Zugang zu ihrer Wohnung überwinden.

1/4 haben Stufen und Schwellen innerhalb der Wohnung.

2/3 haben Barrieren beim Zugang zum Balkon oder zur Terrasse.

1/3 bis 1/4 halten nach eigener Einschätzung die Bewegungsflächen in den Sanitärbereichen und die Türbreiten zu den Sanitärbereichen für nicht ausreichend.

Nur 14,6 % leben in einer Wohnung mit bodengleicher Dusche. (Umfrage KDA)

Wohnumfeld •

Nur gut 1/3 der Wohnungen liegen im Ortskern (7 %) oder in Zentrumsnähe (31 %).

Die Wohnlage wird von 1/4 der Befragten wegen ihrer infrastrukturellen Versorgung für nicht ausreichend erachtet.

Öffentliche Verkehrsmittel, medizinische Einrichtungen oder/und Einkaufsmöglichkeiten zur Deckung des täglichen Bedarfs sind nicht gut erreichbar.(Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung)

Wohnwünsche und Veränderungsbereitschaft •

Trotz ungünstiger Wohn- und Wohnumfeldbedingungen möchten viele ältere Menschen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung wohnen bleiben

Die Bereitschaft zu Wohnungsanpassungsmaßnahmen und auch zu einem Umzug in bessere Wohnbedingungen wächst. (Kremer-Preiß - s. Literaturhinweise)

2 Dipl. Gerontologin, Dipl. Pädagogin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin GmbH und bis Ende 2010 beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Lehrbeauftragte am Fachbereich Pflegemanagement der Evangelischen Hochschule Berlin | Kontakt: weigl@wzb.eu

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Jenseits der Pflege

Wie können ältere Menschen so wohnen, wie sie wollen? Zwei Thesen •

Altersgerechtes Wohnen ist mehr als eine barrierefreie Wohnung!

Frühzeitige und ausreichende Alltagsund Teilhabehilfen können das Wohnen bleiben in der eigenen Häuslichkeit verlängern und Pflegebedürftigkeit zeitlich hinausschieben!

Häusliche Unterstützung älterer Menschen Nicht alle unterstützungsbedürftigen älteren Menschen erhalten Leistungen der Pflegeversicherung. Rund drei Millionen ältere Menschen ohne Leistungsanspruch benötigen aber insbesondere hauswirtschatliche Unterstützung.

Wer sorgt für Unterstützung (ohne Pflegestufe)? •

Privatsache?

Abhängig von persönlichen Ressourcen!

Aufgabe der Kommunen?! ◦ Steigende Ausgaben ▪ Hilfe zur Pflege ▪ Grundsicherung ▪ soziale Infrastruktur ▪ Wohngeld

Zuständigkeits- und Vernetzungslücke?

Pflegeprävention bisher kein Thema ◦ Keine oder unklare Zuständigkeit ◦ Wenig wissenschaftliche Evidenz, was Pflegeprävention leisten könnte

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Jenseits der Pflege?

Was können Kommunen, was können Bezirke tun auf dem Weg zu einer Caring Community ? •

Verbesserung der Informations- und Beratungslage,

finanzielle Fördermaßnahmen (Wohnungsanpassung),

übergreifende Ansätze von Pflege - Sorge - Teilhabe initiieren, begleiten und nachhaltig fördern,

Steuerung einer sinnvollen Pflegeinfrastruktur,

Teilhabe der Hilfe-/ Pflegeakteure und Nutzer/innen,

Ressort übergreifende Zusammenarbeit

Konzept für altersgerechtes Wohnen/Leben (KDA) ◦ Sozialraumorientierung ▪ Stärkung des altersgerechten Wohnens im vertrauten Wohnumfeld. ◦ Beteiligungsorientierung ▪ gemeinsam mit den Akteuren vor Ort und den Bürger/innen altersgerechte Quartiere schaffen. ◦ Bedürfnisorientierung ▪ passende Hilfe- und Unterstützungsangebote (Assessment)

Aus der Praxis:

Modellversuch Aufsuchende Altenarbeit – Hausbesuche in Bremen Seit Dezember 2008 laufen im Rahmen des von der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales geförderten Modellversuches „Aufsuchende Altenarbeit – Hausbesuche“ zwei Modellprojekte in den Bremer Stadtteilen Hemelingen und Obervieland. Unter dem Motto „Begegnen Besuchen Begleiten Beraten“ werden ältere Menschen in ihrer Häuslichkeit aufgesucht, sie erhalten Informationen über Hilfsangebote und sollen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aktiviert werden.3

3 Mehr Informationen aus der Begleitforschung und Evaluation: http://www.hs-bremen.de/internet/de/forschung/projekte/detail/index_22639.html | 30.01.2011

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Jenseits der Pflege

Ziele des Modellversuchs •

ältere Menschen erreichen, die sozial isoliert leben, die zu vereinsamen und zu verwahrlosen drohen, die Unterstützung benötigen, die sie aus eigenen Ressourcen nicht abdecken können

Angebote des Modellversuchs •

beraten | besuchen | begleiten | begegnen

Zusammengefasst: Der demografische Wandel erfordert eine bedarfsorientierte Ausweitung des Angebotes an altersgerechten Wohnungen, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität und/oder Unterstützungsbedarf ein möglichst langes selbstständiges Leben in gewohnter Umgebung zu ermöglichen. Das bestehende Wohnungsangebot muss sich an den besonderen Bedarfslagen dieser Bevölkerungsgruppen orientieren. Neben einem barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnumfeld, braucht es eine wohnortnahe Infrastruktur und soziale Angebote. Voraussetzungen für ein längstmögliches Leben in der eigenen Häuslichkeit ist eine Quartierseinbindung, die eine Komm- und Bringstruktur bereithält. Dadurch können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die frühzeitig den Eintritt von Pflegebedürftigkeit zu vermeiden bzw. verzögern helfen.

Fazit Gutes Wohnen/Leben in der eigenen Häuslichkeit heißt für ältere Menschen, geeignete und ausreichende Beratung, Hilfen und Unterstützung zu bekommen, wenn sie diese brauchen!

Literaturhinweise: Bundesamt für Raumordnung, 2010: Wohnen im Alter. Marktprozesse und wohnungspolitischer Handlungsbedarf. http://www.kda.de/forschungsprojekt-wohnen-im-alter.html (Zugriff: 30.01.2011) Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (Hrsg), 2009: Bericht der Kommission des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. in Kooperation mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. http://www.sg-escherlich.de/pdf/wohnen_im_alter_2009.pdf (Zugriff: 30.01.2011) Kremer-Preiß, Ursula, 2010: Kommunale Strategien zur Förderung altersgerechter Wohnformen. In: Bischof/ Weigl (Hrsg.): Handbuch innovative Kommunalpolitik für ältere Menschen. Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. Berlin

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Sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier?

Wohnungswirtschaft als sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier? Das Beispiel Märkisches Viertel (MV) in Berlin Ulf Lennermann4 MV – im Norden ganz oben. Erbaut 1964-75. Im Stadtteil leben heute rund 36.000 Menschen. In der Großsiedlung gibt es 16.200 Wohnungen, von denen 15.000 dem Bestand der GESOBAU zuzurechnen sind. Kleinere Einheiten gehören der degewo und der maX eG. Neben der Signifikanz von unter sechsjährigen Kindern, gibt es eine wachsende Zahl von Seniorinnen und Senioren im Viertel. Ihr Anteil lag 2009 bei 30% (der über 60jährigen). Bei einer durchschnittlichen Wohndauer von 17Jahren, liegt die Vermutung nahe, dass ihre Zahl weiter ansteigen wird. Aktuelle Mieterbefragungen zeigen deutlich, dass 70% der über 70jährigen im MV die eigene Wohnung als Ort des Älterwerdens präferieren. 69% halten ihre Wohnung für gut geeignet im Alter. 35 % der Befragten über 70jährigen können sich auch vorstellen, in einem Generationenprojekt, Seniorenhaus oder in einer SeniorenWG zu wohnen. 80% aller Mieter sind zufrieden mit ihrem Leben in den Beständen der GESOBAU. Diese schlichten Fakten verweisen auf eine Reihe unerlässlicher Standorterfordernisse, die eine optimale Versorgung im Alter ermöglichen. Denn diese Frage ist zunehmend von Bedeutung für viele Mieter, wenn es um ein selbstbestimmtes und sicheres Leben im Alter geht. Die Chance einer langfristigen, ja lebenslangen Mieterbindung wächst mit dem altersgerechten, differenzierten Angebot an Wohnungen und wohnungsnahen Dienstleistungen. Neben der betriebswirtschaftlichen Bedeutung, sind stabile Nachbarschaften, die nicht der üblichen Fluktuation unterworfen sind, Voraussetzung für eine nachhaltige Standortentwicklung.

4 Immobilienökonom (ebs), blickt auf langjährige Erfahrungen und erfolgreiche Tätigkeit in der Immobilienbranche zurück. Als Prokurist und Geschäftsbereichsleiter der Gesobau AG, Berlin ist er verantwortlich für das kaufmännische Geschäftsfeld der im Westteil Berlins gelegenen Bestände in Wedding und Wilmersdorf. Kernaufgabe ist insbesondere auch die Positionierung des Märkischen Viertels als nachhaltig wirtschaftlich ausgerichtete Großwohnsiedlung. | Kontakt: ulf.lennermann@gesobau.de

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Sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier?

Die Kernkompetenz der GESOBAU liegt in der Bewirtschaftung ihrer Bestände und in der markt- und nachfragegerechten Aufwertung ihrer Bausubstanz, u. a. durch die 2008 begonnene energetische Modernisierung des Märkischen Viertels oder in der Schaffung eines wachsenden Kontingents an seniorengerechten Immobilien sowie bedarfsgerechten, auf hohem Niveau verfügbaren Dienstleistungen. So wurde 2009 die erste TÜV-zertifizierte Wohnung „Komfort 50+“ im Beisein des Senats für Stadtentwicklung eingeweiht. Im September 2010 beendete die GESOBAU in Weißensee die Komplettmodernisierung und seniorengerechte Umgestaltung von 119 Wohnungen im Seniorenwohnhaus Neumargener Straße inkl. sechs neu geschaffener behindertengerechter Wohnungen. Die Weiterentwicklung unserer Bestände entspricht ökonomischen, ökologischen, gesellschaftlichen und sozialen Anforderungen. Nachhaltige Bestandsentwicklung muss positive Quartierseffekte nach sich ziehen. Unser Produkt ist also in erster Linie die WOHNUNG und die damit verbundene unmittelbare Dienstleistungspalette für unsere Kundinnen und Kunden. Sekundareffekt unseres eigenständigen ökonomischen Marktagierens ist unser lokales Engagement. Die GESOBAU hat sich vor allem im Märkischen Viertel als Partner der Kommune, örtlicher Träger und Vereine etabliert. Beispielhaft hierfür stehen das Integrationsprojekt der GESOBAU, das Netzwerk

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Sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier?

Märkisches Viertel, die Bildungslandschaft MV – eine Kooperation mit Schulen. Hauptaugenmerk unseres Engagements ist weniger die Absicht, sozialer Akteur zu sein, als vielmehr das Anliegen, Schnittstellen zu definieren, Netzwerkprozesse zu moderieren und die am Markt befindlichen Akteure in unsere quartiersbezogenen Wohnkonzepte einzubinden. Die Infrastruktur, kommerzielle und soziale Dienstleistungsangebote sind z. B. im Märkischen Viertel als annehmbar einzuschätzen. Ein breitgefächertes und gut erreichbares Leistungsspektrum ist vorhanden, war jedoch bis 2003 nur ungenügend vernetzt bzw. für potenzielle Kunden wenig überschaubar. Mit der Initiierung des Netzwerks MV wurde das Ziel der kleinräumigen Verknüpfung zwischen den altersgerechten Wohnmöglichkeiten bei der GESOBAU und der sozialen Infrastruktur / Trägerlandschaft wesentlich verbessert. Heute steht das Netzwerk Märkisches Viertel beispielgebend für eine Reihe neuer Netzwerke in der Stadt und darüber hinaus. Engagement setzt Partizipation voraus und andersherum ermöglicht diese Engagement. Aktives Altern bedingt, dass sich Menschen einbringen können mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen – auch hier hat die GESOBAU Meilensteine gesetzt, als sie 1995 den ersten Mieterbeirat in

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Sozialpolitischer Ko-Produzent im Quartier?

Berlin in ihren Geschäftsablauf implementierte. Unterstützung finden weiterhin die Lesepaten des VBKI, die Ausbildungsplatzpaten Reinickendorf, der Freiwillige Besuchsdienst MV. Unsere Unterstützung gilt es dort zu verankern, wo ein Gewinn für die Gesellschaft und ein Nutzen für den Einzelnen ein Mehr an Lebensqualität, Zufriedenheit und Sinnerfüllung nach sich ziehen. Wechselseitig verstärken sich hier Synergieeffekte im Quartier. Vor dem Hintergrund knapper werdender öffentlicher Mittel wird sich das Engagement der GESOBAU auch in den kommenden Jahren auf die Realisierung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfordernisse konzentrieren und dabei unsere Kern- und Komplementärkompetenzen gezielt zum Einsatz kommen. Wir wissen, dass wir damit zum Erfolg des Unternehmens, zum Image unserer Bestände, zur Motivation unserer Mitarbeiter und zur Wohnzufriedenheit unserer Mieterinnen und Mieter beitragen.

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Älter werden im Quartier

Älter werden im Quartier – Erfahrungen aus dem Programm "Die Soziale Stadt" Helene Luig Arlt5 Das 1999 in 161 Stadtteilen von 124 Gemeinden gestartete Bund-Länderprogramm „Die Soziale Stadt“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird heute in 571 Gebieten in 355 Gemeinden umgesetzt. Ziel ist die Stabilisierung von Problemgebieten. Auf der Grundlage von vor Ort entwickelten integrierten Konzepten sollen auf Stadtteil- bzw. Quartiersebene Aktivitäten und Ressourcen gebündelt und eigenverantwortliches Handeln auf lokaler Ebene nachhaltig gefördert werden. Im Zusammenhang mit und in Ergänzung zu baulichen Maßnahmen sollen Beschäftigungs-, Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten geschaffen und soziale, kulturelle und Freizeitaktivitäten initiiert werden. Das Programm Soziale Stadt dient als Leit-programm zur Integration von anderweitig zu finanzierenden Sozial-, Wirtschafts-, Infrastruk-tur- und Qualifizierungsmaßnahmen. Kosten der Planung, des Quartiersmanagements, für Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung können gefördert werden, soweit sie nicht aus anderen Mitteln finanzierbar sind, Schwerpunkte der Förderung sind: Verbesserung der Wohnverhältnisse und des Wohnumfeldes | Einleitung neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten | Schaffung und Sicherung von Beschäftigung auf lokaler Ebene | Verbesserung der sozialen Infrastruktur | Verbesserung des Angebots an bedarfsgerechten Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten | Entwicklung der Stadtteilkultur und Verbesserung des Freizeitangebots | Verbesserung und Entlastung der Umwelt | Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs | Maßnahmen für eine sichere Stadt

Die Fördergebiete sollen mindestens 3000 Einwohner haben, als Teilgebiet nicht unter 1000 Einwohner mit 400 Wohnungen und einer Fläche von 5 ha. Sie sollen eine Mehrzahl definierter Merkmale sozialer und räumlicher Benachteiligungen aufweisen:

5 Diplompädagogin, selbständig, seit 1998: Arbeitsschwerpunkt: Bund-Länder-Programm Soziale Stadt. Stellv. Vors. BDWO e.V., Berlin. AG: Nachhaltige, soziale und gesunde Stadtentwicklung. Mitglied im beratenden Arbeitskreis der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für das Verbundprojekt "Gesundheitsförderung bei Sozial Benachteiligten", Köln | Kontakt: luig-arlt@foni.net

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Älter werden im Quartier

Ältere Menschen im Quartier Eine Difu-Befragung zeigte 2005/2006, dass ältere und alte Menschen von dem Programm noch nicht viel profitierten. Inzwischen ist jedoch vermehrt der Fokus auf sie gerichtet worden und in 60% der Gebiete gibt es Maßnahmen für diese Zielgruppe. Zwei Aspekte wurden dabei sichtbar: die Bedeutung alter Menschen für die Gemeinwesenarbeit im Quartier und die Bedeutung des Quartiers für alte Menschen im Hinblick auf soziale Strukturen auf Grund geringer werdender Mobilität. Handlungsfelder altengerechter Stadtentwicklung Wohnen – Barrierefreiheit (rollstuhl- bzw. gehhilfegerechte Wohnungen, Lifte) | Alternative Wohnformen (Mehrgenerationenanlagen, Senioren-WGs) | Maßnahmen der Wohnungsversorgung (Serviceleistungen von Essen auf Rädern bis zu betreutem Wohnen oder Servicehäuser) Wohnumfeld – Altengerechte Gestaltung des Verkehrs (Querungs- Orientierungsmöglichkeiten | Maßnahmen der Verkehrsberuhigung) | Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) | barrierefreie Gestaltung des Wohnumfelds (Höhenschwellen bei Wegen und Zugängen nivellieren | Verweilmöglichkeiten schaffen) | Beseitigung von Angsträumen (z.B. durch Beleuchtung, Bepflanzung) Nahversorgung – Mit sinkender Mobilität steigt der Bedarf an nahen Versorgungsfunktionen: Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen wie Einkaufsmöglichkeiten | Medizinische Versorgung | Angebot von Post- und Bankfilialen | Kulturelle Angebote | Sportangebote Gesundheitsförderung – Der Bereich der Gesundheitsförderung auch für ältere Menschen hat im Programm Soziale Stadt allmählich an Bedeutung zugenommen: Frühstücksangebote | Bewegungstreffs | Gesundheitssprechstunden | Gymnastikkurse Integration von Zuwanderern – In Soziale-Stadt-Gebieten ist der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund deutlich höher als in der jeweiligen Gesamtstadt. Somit ist es wichtig, spezifische Angebote vorzuhalten: Sprachförderung | Verbesserung der Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeit | Unterstützung der Selbsthilfe und Selbstorganisation | Interkulturelle Begegnungsmöglichkeiten | Kultursensible Gesundheits- und Pflegeangebote Altersgerechte Quartiersentwicklung umfasst viele Handlungsfelder: Bauliche, soziale, medizinische, kulturelle, so dass von einem ganzheitlichen Ansatz - im Programm Soziale Stadt integrierter Handlungsansatz genannt – angestrebt und strategisch umgesetzt wird durch Kooperationen (Verwaltung, Wohnungswirtschaft, Träger sozialer Infrastruktur, Handwerk, private Wirtschaft), Vernetzungen (Vereine, Stiftungen, Selbsthilfeorganisationen) und Partizipation. Für die Strategie des Programms Soziale Stadt des „Integrierten Handlungskonzept“, des kooperativen, vernetzten Handelns im Setting Stadtteil mit Beteiligung Betroffener gibt es gute Beispiele; zwei seien hier genannt: "Neues Altern in der Stadt Bruchsal" und "Wohnen für Generationen" in Flensburg.

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Netzwerkagentur GenerationenWohnen

Netzwerkagentur GenerationenWohnen Berlin Constance Cremer, Theo Killewald6

Die Netzwerkagentur versteht sich ... als Ideengeber für gemeinschaftliche Wohnprojekte ... als Berater in Fragen des generationenübergreifenden Wohnens ... als Unterstützer bei der Entwicklung und Umsetzung von Projektideen ... als Vermittler zur Wohnungswirtschaft, zu Genossenschaften und privaten Haus- und Grundstückseigentümern ... als Vernetzer von Initiativen und Fachleuten

6 Dipl.-Ing. Constance Cremer, Architektin und Multimediadesignerin, seit 2001 bei der STATTBAU Stadtentwicklungsgesellschaft, seit 2008 Assistenz der Geschäftsführung und stellvertretende Projektleitung Netzwerkagentur GenerationenWohnen | Dipl. Päd. Theo Killewald, seit 1995 bei der STATTBAU, Geschäftsführer, Leiter der Netzwerkagentur - Vorstandsvorsitzender der Stiftung Leben in Berlin | Kontakt: cremer@stattbau.de; killewald@stattbau.de

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Netzwerkagentur GenerationenWohnen

Die Netzwerkagentur ber채t und vernetzt zu Baufachlichen Inhalten: st채dtebaulichen Fragen, altersgerechte Anpassung von Wohnungen, Wohngeb채uden und Wohnumfeld Rechtlich-organisatorischen Fragestellungen Finanzierung und Wirtschaftlichkeit Vermittlung von Wohnangeboten: Miete, Eigentum, Wohnungsanpassung, Grundst체cke Beratungsmaterialien Checklisten

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Konzepte für alternsgerechtes Wohnen

Konzepte für alternsgerechtes Wohnen – Modell- und Beispiel-Projekte Hilke Groenewold7 Ich nähere mich dem Thema als Architektin und Sachverständige für Barrierefreiheit: Die Entwicklung von Quartierskonzepten, welche die Inklusion von alternden Menschen, deren Gesund bleiben, Selbständigkeit, Teilhabe, deren Pflege und damit ein Leben in Würde in den eigenen vier Wänden ermöglichen, haben mich mit zu meiner Spezialisierung bewegt. Dabei war und ist mir stets bewusst, dass dies mehr ist als nur das Bereitstellen einer Hardware im Sinne von gebauter Umwelt. Zu diesem Thema gibt es unzählige Projekte, Tagungen und Forschungen. Es betrifft viele Fachdisziplinen. Zu beachten sind u.a.Aspekte der Gesetzgebung, der politischen Verantwortlichkeiten, Finanzierung, Volkswirtschaftliche Berechnungen, Stadtsozoiologie, die jeweilige Bebauungstruktur und Sozialstruktur eines Quartiers, der Medizin, der Pflegewirtschaft und der Kontext aller möglichen Akteure vor Ort. Mein Vortrag stellt eine Auswahl von Projekten dar, die bestimmte Themen der Quartiersentwicklung innovativ und anders aufgreifen. Diese sollen nicht die Leuchttürme unter der Vielzahl an Projekten darstellen. Abschließend möchte ich als Sud meiner Recherche Statements, Anregungen und Fragen an das Podium weitergeben - in der Hoffnung, dass diese eine Diskussion ein Prozess anregen mögen. Alternsgerechte Stadtquartiere •

Klassische Erwartungen an Barrierefreiheit: ebenerdige und schwellenlose Erreichbarkeit, Bewegungsräume, Orientierung, gute Ausleuchtung, Beachtung der Bedürfnisse von sensorisch und kognitiv beeinträchtigten Personen mit einem umfassenden ästhetischen Anspruch Weitere mögliche Barrieren: Störungen und subjektive Sicherheit - Kein Vandalismus, kein Lärm, Angsträume vermeiden, Schutz vor Witterung | Information und Kommunikation: Wahl der richtigen Kommunikationsmittel, keine Einseitigkeit von Medien, Vermittlung von Medienkompetenz | Finanzielle Ressourcen: keine kostenpflichtigen Nutzungen von öffentlichen Räumen (Parks, Toiletten, Gastronomie) | Festlegungen: zeitliche (Taktzeiten ÖPNV, Öffnungszeiten) und Eigentumsrechte |

7 Dipl. Ing. Architektin Hilke Groenewold, Sachverständige für Barrierefreiheit in Stadtraum und Architektur von der Deutschen Sachverständigengesellschaft (DESAG) geprüft und anerkannt, Mitglied im Ausschuss Barrierefreie Planung der Architektenkammer Berlin | Kontakt: http://www.barrierefreiheit-architektur.de

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Konzepte für alternsgerechtes Wohnen

Kurze Wege: Barrierefreie Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen und Nahversorgung (500 m) | Freiräume eines Quartiers sind die Visitenkarten. In der Planung und Konzeption müssen viele unterschiedliche Belange der Quartiersbewohner berücksichtigt werden um Identifikation und Aneignung für alle zu ermöglichen. •

Und noch mehr: Wir werden weniger, älter und bunter: In Quartieren für viele Generationen müssen die Grundrisse vielfältig und veränderbar sein, d.h. auch gleichwertige Räumen, um z.B. späteren Umbau zu einer Pflegewohnung zu ermöglichen. | Angebote zur Wohnungsanpassung müssen bewohnernah angeboten werden. | Quartiere strategisch umbauen, auch wenn Wohnungsbestand nicht vorrangig in Hand einer Wohnungsbaugesellschaft ist. | Kreative Lösungen für Widersprüche: Sicherheitsgefühl und EG kollidieren.

Wie wollen wir im Alter Leben? Erwartungen von Familien und Senioren sind sehr ähnlich an Stadtquartiere. | Nachbarschaft aufbauen, leben und pflegen | Räume zum Leben von Nachbarschaft bereitstellen | Informelle Hilfsnetze aufbauen | Erarbeitung von Konzepten der Pflege, Begleitung, Professionalisierung und Motivierung des Ehrenamtes | Schaffung von Kommunikationsräumen für dieses Hilfsnetz | Entwicklung von innovativen Ansätzen wie Punktesysteme (um das Gefühl eines Ausgleichs zu haben) | Vernetzung von informellen Dienstleistungen mit professionellen Angeboten, auch kultureller, sportlicher und technischer Natur: Quartiersplattformen. | Erwartungen von Familien und Senioren sind sehr ähnlich an Stadtquartiere. Wenn die Mobilität nachlässt ist für die Bewohner eines Quartiers die Vermittlung und das Bereitstellen von Angeboten von zu empfehlenden haushaltsnahen Dienstleistungen in einer breiten Palette sehr wichtig. | Zugehende Betreuung ermöglichen, wahrscheinlich am besten durch koordinierte informelle Netze | Ambulante Pflege zu Hause | Neue Technologien: Vielerlei Notrufsysteme, Neuartige Schließsysteme, Uhren zur Messung der Vitalparameter (Sophia auch in Kooperation mit der DEGEWO) | Bereitstellung von unterschiedlichen Wohnungen für Menschen mit Servicebedarf oder Pflegebedarf im Quartier.

Für diesen Vortrag habe ich bei der Auswahl der Projekte meine Sachverständigentätigkeit hintangestellt. Ich habe nicht geprüft, ob überall, wo Barrierefreiheit drauf steht, auch Barrierefreiheit drin ist. Vorbildlich und zu honorieren finde ich allein schon die Tatsache, dass diese Projekte sich Barrierefreiheit als nachhaltige und zukunftsweisende Maßnahme auf die Fahnen geschrieben haben. Tatsächliche Barrierefreiheit wäre in diesen Fällen mit dem nötigen Fachwissen in Gänze bestimmt zu erfüllen gewesen. Die ausgewählten Projekte: Neuss: Südliche Furth | Braunschweig: St. Leonhardsgarten | Bielefeld: Genossenschaft Freie Scholle | Bremen: Haus im Viertel | Hamburg: MehrgenerationenwohnenFluWoG - Nordmark | Arnstadt | Ludwigshafen Entwicklung alternsgerechter Stadtquartiere, d.h.: interaktiver und interdisziplinärer Prozess vieler Akteure, Zusammenarbeit vieler politischer Ressorts, Koordinierte Verantwortlichkeiten organisieren, individuelle Lösungen je Stadt und Quartier finden Nachbarschaftliches Engagement, d.h.: Wer ist die Spinne im Netz (und wer zahlt?) | Ehrenamt mit Professionalisierung | Koordination und Kommunikation der ehrenamtlich Tätigen | Aufwandsentschädigungen? | Beteiligung der Bürger = Partizipation | Nachbarschaften fördern durch Quartierskantine, Moderierte Treppenhausgespräche & Quartiersgespräche

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Ambulant betreute Wohngemeinschaften

Ambulant betreute Wohngemeinschaften – Konzepte und Erfahrungen Karin Rückemann8 Seit 1995 ambulant betreute Wohngemeinschaften in Berlin: •

Gemeinschaftliches privates Wohnen

• •

Selbstbestimmte Alltagsgestaltung „rund- um- die Uhr- Versorgung“ (Demenz-WG)

• •

Trennung von Wohnraum und Leistungsangebot Einfluss auf Art, Umfang und Ausführung der Pflege- und Betreuungsleistungen

(Leistung frei wählbar)

8 Dipl. Sozialarbeiterin, Projektkoordinatorin Patenprojekt, Verein Selbstbestimmtes Wohnen im Alter (SWA e.V.), „Modellprojekt zur Sicherung der Transparenz und der geteilten Verantwortung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz“, gefördert durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und die Pflegeversicherung | Kontakt: swapatenprojekt@web.de

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Ambulant betreute Wohngemeinschaften

Berliner Wohnteilhabegesetz •

Ambulant betreute Wohngemeinschaften erstmals als neue Versorgungsform erfasst

Das Gesetz definiert selbstbestimmte Wohngemeinschaften

in denen alle Akteure gemeinsam die Verantwortung für eine gute Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität wahrnehmen.

Aktiven Angehörigen und rechtlichen Betreuern kommt eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung zu.

Meldung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) durch Pflegeanbieter

Größe der ambulant betreuten WGs: 3 - 12 Menschen

Trennung von Pflege- und Mietvertrag

Keine Büro-/Betriebs-/ oder Geschäftsräume innerhalb einer Wohngemeinschaft

WG darf kein organisatorischer Bestandteil einer stationären Pflegeeinrichtung sein

Zusammenleben und die Alltagsgestaltung sollen nicht vom Leistungserbringer der Pflege (Pflegedienst) bestimmt werden

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Ansätze zur Gestaltung des Übergangs

Ansätze zur Gestaltung des Übergangs zur Pflege in Berlin Prämissen und Handlungsfelder Dr. Christina Fuhrmann9 Im Überblick: • • • • • • • •

Tendenzen für das Wohnen im Alter Interessenlagen beim Wohnen im Alter Präferenzen bei Wohnungsveränderung Handlungsfelder für das Wohnen im Alter Soziale Handlungsschwerpunkte Gestaltung Übergang zur Pflege Pflegestrukturen Handlungsoptionen Senatsverwaltung Inhaltliche Aufgabenschwerpunkte Pflege

- Ältere leben in „normalen“ Wohnungen. Das gilt auch für rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen. - Die finanziellen Ressourcen der Generation 50+ sind relativ günstig, werden aber absehbar schlechter - Die meisten Wohnungen Älterer entsprechen nicht den erforderlichen Bedarfen. - Die Unterstützung für Ältere in der Familie geht zurück.

9 Dr. oec.; langjährig u.a. tätig in Forschung und öffentlicher Verwaltung; aktuell Leiterin der Arbeitsgruppe Pflege- und Altenhilfestrukturen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales | Kontakt: christina.fuhrmann@senias.berlin.de

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Ansätze zur Gestaltung des Übergangs

Stadtteilzentren sind Knotenpunkte lokaler und regionaler Engagementnetzwerke, die den Bürgerinnen und Bürgern Ort und Rahmenbedingungen für die Entfaltung sozialen Engagements und Eigeninitiative sowie Rat und Hilfestellung bieten. Pflegestützpunkte sind wohnortnahe Anlaufstellen, die alte und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige umfassend, unabhängig und unentgeltlich zu allen Fragen rund um die Pflege und ums Alter, zu diesbezüglichen Leistungen der Pflege- und der Krankenkassen, zu Sozialleistungen des Staates und zu sämtlichen Hilfsangeboten in der Pflege beraten sowie auf Wunsch den senioren- und pflegegerechten Umbau der Wohnung planen und organisieren und über Hilfsmittel, Alltagshilfen und Möglichkeiten der Wohnungsanpassung informieren. Mobilitätshilfedienste erbringen Begleitdienste, Treppenhilfen, Rollstuhlschiebedienste, vor allem im Wohnumfeld und agieren im Bereich ambulanter Hilfen, jedoch ohne pflegerische Leistungen zu erbringen. Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind Betreuungsgruppen für Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger im häuslichen Bereich, Tagesbetreuung in Kleingruppen oder als Einzelbetreuung durch Helferinnen und Helfer sowie weitere niedrigschwellige Betreuungsangebote für Menschen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung.

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Ansätze zur Gestaltung des Übergangs

Zusammengefasst: Der demografische Wandel erfordert eine bedarfsorientierte Gestaltung der Möglichkeiten für altersgerechtes Wohnen in den Sozialräumen. Dies betrifft sowohl bauliche, technische wie soziale einschließlich dienstleistungsseitige Komponenten. Bei der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung werden in diesem Kontext aktuell folgende Schwerpunkte im sozialen und pflegerischen Bereich bearbeitet: • • • • • • • • • •

Prävention Stärkung Eigenpotentiale, Förderung Bürgerschaftliches Engagement Etablierung / Unterhalt leistungsfähiger Beratungs- und Informationsstrukturen Umsetzung des Grundsatzes ambulant vor stationär Sicherung von Qualität und Transparenz Fachkräftesicherung Kultursensibilität Stärkung Vernetzung und Ineinandergreifen der Hilfesysteme Stärkung Teilhabe, Selbst- und Mitbestimmung, Sicherung Finanzierbarkeit der Strukturen

Wie in den übergreifenden Konzepten angelegt, bedarf es der Vernetzung, Abstimmung und des Zutuns der verschiedenen Akteure, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ist sich hier ihrer besonderen Verantwortung im Feld Soziales und Pflege bewusst und offen für konstruktiven Dialog.

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Aktuelle Anmerkungen

Aktuelle Anmerkungen Dr. Jochen Hucke10 | Notiert von Jean Mangers11 Herr Dr. Hucke befasste sich zuerst mit dem sozialen Wohnungsbau. Dieser stellt ein Querschnitts-Thema dar: In Berlin gab es früher eine generationsgemischte Nachbarschaft. Man war damals froh, in den Seniorenwohnhäusern eine Wohnung von 27 qm beziehen zu können. Heute beanspruchen die älteren Menschen Wohnungen mit einem Raum zum Wohnen und einem Raum zum Schlafen. Nicht alle älteren Menschen werden pflegebedürftig. Deshalb gestaltet sich eine Vorausplanung als schwierig, und man kann keine standardisierten Vorschläge machen. So wurden z.B. im geförderten Bereich 70 000 Wohnungen neugebaut, hinzu kamen 70 000 private Wohnungen im Umland, so dass es jetzt keine Wohnungsnot mehr gibt. Viele Wohnungen stehen sogar leer, wenn auch nicht in der Innenstadt. Aufgrund dieser Entwicklung wurde die öffentliche Förderung von Wohnungen eingestellt. Eine negative Konsequenz dieser Entscheidung war, dass die Mieten für die ehemals öffentlich geförderten Wohnungen sprunghaft anstiegen, da die Vollkosten nun ganz auf die Mieter abgewälzt wurden. In den nächsten Jahren wird es dennoch keine öffentliche Förderung für Wohnungen mehr geben. Die Wohnungsbaugenossenschaften sagen: „Wir investieren selbst“ und orientieren sich am Bedarf (50 – 60 Wohnungen/Jahr). Es gilt nun, die Bestände umzufunktionieren. Dabei stellen sich die Fragen: Wo liegen die Potentiale? Wo müssen Änderungen herbeigeführt werden? Es geht die Rede von gemeinschaftlichen Wohnungen (Wohnungsgemeinschaften), Kooperation mit den Wohnbaugenossenschaften, Einrichtung von Pflegestützpunkten in den Anlagen usw. Der private Bestand stellt ein besonderes Problem dar. In der Masse möchten die privaten Eigentümer eigentlich keine Gruppenwohnungen. Dabei sind die derzeitigen Mietpreise nicht der entscheidende Faktor, denn deren Entwicklung ist moderat. Auch eine etwaige Wohnungsknappheit spielt nicht die Rolle. Problematisch ist die altersgerechte Anpassung des Wohnungsbestandes. Was bleibt danach noch bezahlbar? Ein weiteres Problem bei den Altbauten stellt die Anbringung von Aufzügen dar. Einerseits kollidiert dieses Vorhaben mit den Vorgaben des Denkmalschutzes, der städtebauliche Veränderungen möglichst unterbindet, andererseits führt es zur Erhöhung der Mieten, was eine Verdrängung alteingesessener Mieter zu Folge haben kann. Direkte Hilfen kann man erfragen bei der Netzwerkagentur GenerationenWohnen Berlin. Ein interessanter Ansatz bildet das Alleinwohnen in Gemeinschaft, aber in einer abgeschlossenen Wohnung. 10 Wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Studium (Köln); Promotion zur empirischen Bestimmbarkeit politischer Handlungsspielräume (1980); tätig u.a. Umweltbundesamt, Bauministerium Brandenburg, Landesverband Freier Wohnungsunternehmen Berlin-Brandenburg; seit 1993 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, zuständig für Wohnungspolitik und Wohnungsbauförderung. 11 Vorstandsmitglied Sozialwerk Berlin e.V.

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Notizen und Folgerungen

Nach der Tagung. Notizen und Folgerungen Dr. Hans-Ulrich Litzner12 Aus den Referaten der Tagung, die in dieser Broschüre zusammengefasst sind, ist zunächst zu schließen, dass die Notwendigkeit einer politischen Lösung für das Spannungsfeld zwischen Wohnen und Pflege in einer sich demografisch veränderten Gesellschaft von zahlreichen Akteuren anerkannt worden ist. Zudem gibt es bereits Lösungsansätze, die jedoch als Insellösungen ohne Anspruch auf allgemeine Anwendbarkeit zu betrachten sind. Um es in den Worten von Jo Rodejohann zu formulieren muss es also in Zukunft darum gehen, das Wohnen im Übergang zur Pflege bundesweit aus dem Bereich „schwacher Interessen“ in den „starker Interessen“ zu rücken. Verbände und Organisationen, die mit der Wahrnehmung der Belange älterer Menschen beauftragt wurden, sind hier gefordert. Aber auch der Einzelne, der Stimmbürger, kann das Spannungsfeld Wohnen im Übergang zur Pflege zum Prüfstein für die Vergabe seiner Stimme an eine politische Partei machen. Natürlich hat „die Politik“ die Problematik erkannt. Der demografische Wandel und die daraus begründeten Bedarfe haben in Berlin im Jahre 2010 zu einem neuen Wohnteilhabegesetz Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen (Wohnteilhabegesetz WTG) vom 03. Juni 2010 - geführt, das gegenüber dem früheren Heimgesetz des Bundes auch neue betreute Wohnformen außerhalb stationärer Einrichtungen abdeckt. Die betreuten Wohnformen, deren Zahl in Berlin stetig wächst, stehen dabei im Mittelpunkt. Aus der Sicht der Tagung handelt es sich dabei um eine mögliche Lösung, um das Problem des Übergangs vom selbständigen Wohnen ohne Betreuung hin zu einer Vollzeitpflege in einer stationären Einrichtung zu bewältigen. Es ist daher angezeigt, die Entwicklung von betreuten Wohngemeinschaften und die Auswirkungen des WTG sorgfältig zu beobachten. 12 Dipl.- Bauingenieur; Sprecher des Ausschusses „Wohnen im Alter“ des Kompetenznetzes für das Alter im Sozialwerk Berlin e.V.; Mitglied der AG „Bauen Wohnen Wohnumfeld“ des Landesseniorenbeirats Berlin | Kontakt: kul.litzner@t-online.de

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Notizen und Folgerungen

Nochmals zurück zum Beitrag von Jo Rodejohann: er mahnt an, ein „Gesamtstädtisches Konzept Wohnen“ in Berlin endlich in der Sache anzugehen und dabei die Belange der Betroffenen (Menschen im Alter, mit Behinderungen, mit geringem Einkommen) auch tatsächlich zu berücksichtigen. Und dies auch vor dem Hintergrund, dass das in den "Seniorenpolitischen Leitlinien" wie in der letzten Regierungserklärung angekündigte "Gesamtstädtische Konzept Wohnen im Alter" im Zusammenspiel von Senat, zuständiger Senatsverwaltung und Abgeordnetenhaus irgendwo liegen geblieben ist. Die Frage der Finanzierbarkeit und der Finanzierung darf zudem nicht an erster Stelle stehen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sich die Schere zwischen den Bedürfnissen einer sich demografisch verändernden Bevölkerung und dem politisch Machbaren noch weiter öffnen wird. Letztendlich bedarf es jedoch einer Lösung auf Bundesebene, da die Bewältigung des demografischen Wandels keine länderpolitische Aufgabe ist. Aber die alltägliche Umsetzung und Ermöglichung des Wohnens im Übergang zur Pflege im demografischen Wandel musss gleichwohl vor Ort geschehen, in der Kommune und in den Kiezen - und in der Metropole Berlin ist dabei das Land von zentraler Bedeutung: Es setzt gesamtstädtisch den Rahmen, es ermöglicht Lösungen, es ist in der Verantwortung.

Alle Beiträge und Präsentationen zur Fachtagung, soweit sie von den Autorinnen und Autoren zur Veröffentlichung bereitgestellt wurden, sind vollständig auf der Internetseite des Ausschusses "Wohnen im Alter" im Sozialwerk Berlin verfügbar: http://ausschusswohnenimalter.posterous.com/fachtagung-wohnen-im-ubergang-zur-pflege.

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Sozialwerk Berlin e.V. Altenselbsthilfe- und Beratungszentrum Humboldtstraße 12, 14193 Berlin-Grunewald (Nähe Bismarckplatz) Tel.: 030 – 8911051/52 Fax: 030 – 8926008 sozialwerk@gmx.de altenselbsthilfe@gmx.de Öffentliche Verkehrsmittel S-Bhf. Halensee; Busse der Linien X10 und M29 (Bismarkplatz) Täglich geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr

Am 6. Dezember 1971 wurde der Verein als eine Bürgerinitiative gegründet. Er ist konfessionell und politisch ungebunden, Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) und dem Deutschen Sozialwerk (DSW) kooperativ verbunden. Unter dem Motto „Ältere Menschen helfen anderen älteren Menschen“ werden gesellige Zusammenkünfte organisiert, gemeinschaftsbildende Veranstaltungen kultureller Art angeboten und viele Interessengruppen gebildet.

Als wichtigste soziale Aufgabe ist ein umfangreicher Besuchsdienst in Alten- und Pflegeeinrichtungen aufgebaut worden. Neben vielen Besuchen werden Beschäftigungstherapie in Gruppen, Musiknachmittage sowie Ausflugsfahrten (Dampfer- und Busfahrten) für Heimbewohner organisiert. Im Dezember eines jeden Jahres werden für Heimbewohner Adventsfeiern im Haus des Sozialwerks ausgerichtet.

Gegenwärtig bestehen folgende Gruppen, die von älteren Mitgliedern ehrenamtlich geleitet werden: Literatur Kultur Gedächtnistraining je eine Gesprächsrunde der Damen und der Herren Malen Handarbeiten Basteln Singen Yoga für Ältere Gymnastik für Ältere Heimbesuchsdienst Bewegungslehre Kartenspielen Kegeln Wandern Reisen The English-speaking-Circle Schlösschenchor

Je nach Aktualität werden im Zentrum außerdem Veranstaltungen mit Dozenten Berliner Hochschulen und Fachleuten aus den verschiedensten Gebieten zu Themen angeboten, die die Situation älterer Menschen betreffen bzw. an denen sie ein besonderes Interesse haben.



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