Zierkuhglocken in Ussolo
Steinmann coronakonform
Auf ins Piemont Drei Adler, sechs Steinböcke, Bunker und Berge Das wilde Tal der Maira war auch in Corona-Zeiten ein wunderbares Wanderziel
Das Piemont ist die Region Italiens, die zu Beginn der Corona Epidemie im Frühjahr 2020 am zweitschwersten betroffen war. Dahin eine DAV-Wanderfahrt mitmachen? Irgendwann hatte ich Volker am Telefon. Ob ich Lust hätte, die Tour in das Piemont mitzumachen, es seien mehrere Interessenten abgesprungen, er müsse ernsthaft überlegen zu stornieren. 1.200 Kilometer, 14 Stunden im Bus mit sechs Unbekannten. Warum eigentlich nicht … Ich sagte zu. Spätabends erreichen wir unser Ziel: die Locanda Mistral in Acceglio, urgemütlich, toll gelegen, leckeres Essen. Am nächsten Morgen weckt uns der Hahn, das Frühstück ruft. Die erste Tour startet direkt von der Unterkunft aus. Karin, Marion und Ruth, unsere kundigen Mitwanderinnen, weisen auf allerlei Kräuter und Blumen hin. Unterwegs stoßen wir auf ein Lädchen mit selbstgemachten Kräuterschnäpsen – Probe inklusive. Auf allgemeinen Wunsch peppen wir den Rückweg entlang der Maira mit Gebirgswasser-Kneippen auf. Die nächste Tour führt uns dann schon zu felsigen Spitzen: Umrundung der Rocca Provenzale und des Monte Castello. Nicht zu übersehen ist ein großer Bunker am Joch. Wegen der vielen ehemaligen Militärwege gibt es reichlich Wandermöglichkeiten. Tag drei bietet uns die Chance, den Gipfel des Bric Cassin zu erklimmen. Die Pandemie ist auch hier präsent, ein Hinweis der Bergwacht: „Bivacco inagi-
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bile causa emergenza Covid-19“ = Biwakieren nicht möglich. In Passnähe sehen wir mehrere Bunker, ein ganzes System in der Logik des Krieges. Hier öffnet sich ein erster Blick auf die riesige, beeindruckende Gardetta Hochebene. Wir biegen in nördliche Richtung ab und erreichen nahezu weglos den Gipfel auf 2.635 Metern. Ein weiterer Wandertag führt uns nach Prazzo. Über den Coletto Sarasin, später durch Lärchenwälder und Wiesen mit Wacholder, dann auch über Schotterstraßen nach Ussolo. Einerseits schöne Fassaden mit riesigen Zierkuhglocken, andererseits sind viele Häuser arg baufällig. Die eindrucksvolle Baukunst steingedeckter Dächer im Zerfall. Kreuzwege und Kapellen zeugen ebenso von den harten Lebensumständen, die sicher auch ein Grund für die ausgeprägte Landflucht sind. Auf dem weiteren Weg bewundern wir reich behangene Obstbäume. Ein freundlicher Bauer winkt uns heran, beschenkt uns mit Pfirsichen, Äpfeln und Birnen – eine sehr nette Geste! Später öffnet ein Café extra für uns! Wie viele schöne Begegnungen wir bisher schon hatten… Am nächsten Tag ziehen wir um. In der neuen Unterkunft wird mittels Stirnthermometer unsere Fieberfreiheit festgestellt. Zunächst fahren wir weiter in die Provinzhauptstadt Cuneo, es ist Markttag. Viel Trubel in den Arkadengängen und der Markthalle, an
tourengruppe | gletscherspalten 1/2021