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AUF DEM RECYCLINGHOF

Für jedem Wertstoff gibt es eigene Container: von Papier über Baumschnitt bis zu Kabeln und Giftstoffen. Der moderne Bagger verdichtet das Weggeworfene in den Containern. Gut erhaltene Stücke werden für den Weiterverkauf im Stilbruch gesammelt.

Der Recyclinghof im Rondenbarg 52 in Bahrenfeld hat nichts mit dem alten Bild eines düsteren, engen und schmutzigen Ablageorts für Müll zu tun. Derzeit gibt es vier Höfe dieser Art in Hamburg. Anlieferung und Sortierung finden hier getrennt auf zwei Ebenen statt. Auf der oberen können Kunden ihre Abfälle in Container und Sammlstellen bringen.

Die Vorteile dieser Aufteilung leuchten unmittelbar ein: Gewöhnlich muss ein Hof beim Wechsel eines Containers aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Es vergehen rund 20 Minuten bei diesem Vorgang – 20 Minuten, in denen kein Kunde auf den Hof darf. Und das sorgt besonders an Samstagen, wo der größte Ansturm auf die Höfe herrscht und sich lange Schlangen bilden, für Unmut. Gruppenleiter André Peuckert rät: „Einfach mal an einem Mittwoch vorbeikommen, da gibt es keine Wartezeit.“

Auch das Treppensteigen und die unmittelbare Nähe zu den Containern entfällt durch die Aufteilung auf zwei Etagen, was der Sicherheit entgegenkommt. Die Einund Ausfahrt der Kunden verläuft getrennt von den Fahrtwegen der Stadtreinigungsfahrzeuge.

Zudem ist es viel einfacher, die zum Teil großen und sperrigen Gegenstände nicht nach oben in einen Container zu werfen, sondern sie nur von oben in den Container fallenzulassen. Alles in allem ist dieses Konzept wesentlich effizienter und kundenfreundlicher als bei älteren Höfen.

Katakomben und Hightech-Bagger

Der Recyclinghof in Bahrenfeld ist nicht der größte in Hamburg, hat aber die Besonderheit, dass unter der ersten Etage Katakomben verborgen sind. Der Raum wird hier genutzt, um zum Beispiel Kupfer und Flaschen aufzunehmen, Schilder und Container zu lagern.

Auch modernes Gerät kommt hier auf dem Recyclinghof zum Einsatz: der Atlas-Bagger ist eine Spezialanfertigung, die bislang weltweit einzigartig ist und rund 250.000 Euro kostet. Mittels des Hightech-Fahrzeugs werden die Abfälle in den Containern verdichtet, um Platz zu sparen. Das besondere an dem Bagger: Die Fahrerkabine kann hochgefahren werden, damit der Baggerführer auch genau sieht, was er wie in den Container zusammenpresst. Auf dem Recyclinghof in Wandsbek ist sein elektrischer Bruder im Einsatz – emissionsfrei und umweltfreundlich für den stattlichen Preis von 500.000 Euro.

Ungewöhnliche Funde und Gefahrenstoffe

Neben dem zweistöckigen Gebäude befinden sich die Aufbewahrungsräume für Gefahrenstoffe und alles, was nicht recycelt werden kann. Ein spezieller Raum hier dient nur der Entsorgung von Säuren. Aber es finden sich praktisch alle Arten von Stoffen wieder – sogar leicht strahlendes Material ist hin und wieder dabei, etwa bei Sonden aus dem Baugewerbe. Diese Objekte werden in einen besonderen Behälter gelegt und von entsprechenden Profis abgeholt. Das sind jedoch noch nicht die ungewöhnlichsten Müllfunde, wie André Peuckert berichtet. „Hin und wieder finden sich Übungsgranaten unter dem Müll. Auch Waffen sind darunter. Die Entsorgung ist illegal, daher werden die Waffen unter normalem Müll versteckt und tauchen erst bei der Sortierung auf.“

Die Waffen werden gesondert gelagert und der Polizei gemeldet. Vermeintlich echte Granaten werden vom Kampfmittelräumdienst abgeholt, der die Funde in einen speziellen Behälter legt, um den Inhalt dann an einem geheimen Ort sicher sprengen zu können. Über den traurigen Umstand der Entsorgung von Leichen schweigt Peuckert sich weitestgehend aus. Es könnte Verbrechern womöglich ein Schlupfloch aufzeigen. Bislang sei ihm ein solcher Fall aber gücklicherweise nicht persönlich begegnet.

Nur Anfang, nicht Ende der Reise

Der überwiegende Teil der Abfälle besteht aus weit gewöhnlicheren Stoffen, wie Kabeln, Platinen, Batterien, Farben, Pappe und Plastikmüll. Im Grunde landet hier alles, was nicht in die Restmülltonne passt.

Eine Verwertung finde hier nicht statt. Die Stoffe werden je nach Typ zu verschiedenen Firmen gebracht, die sich um die

Auch Deo- oder HaarsprayDosen gehören nicht in den Hausmüll – wo sie trotz der abgebildeten Gefahrensymbole immer wieder landen. Moderne Müll-Technik

Die Konstruktion lässt viel natürliches Licht zu. Die Entsorgungscontainer sind direkt anfahrbar für die Kunden.

in der Wiederverwertung, doch dazu später mehr. Auffällig ist jedoch, dass die Menge der Abfälle nicht steigt und das trotz einer weitere Bearbeitung kümmern, etwa das wachsenden Stadt. Unter dem Strich sinken Reycling von Kunststoffen. Restmüll wird damit die Abfallmengen pro Einwohner – zur thermischen Verwertung gebracht. Das passt gar nicht unbedingt zur Wegwerfgeist ein schönes Wort für Müllverbrennung. sellschaft, von der man immer hört. Ein Euphemismus, ja, doch tatsächlich fin- Im Schnitt landen bei den zwölf Recycdet selbst hier eine Verwertung statt: Die linghöfen in Hamburg etwas über 110.000 Abwärme der Verbrennung wird in Heiz- Tonnen Wertstoffe – das ist rund ein Neunenergie umgewandelt. Die Abgase werden tel vom gesamten Müllaufkommen in Hamgereinigt, um die Belastung weitestgehend burg. Die Menge wird von knapp 1,5 Milliozu neutralisieren. nen Kundinnen und Kunden auf die Höfe

Doch natürlich kann man nicht alles ver- gebracht. Durchschnittlich geht also jede brennen, schon gar nicht auf dieselbe Wei- Hamburgerin und jeder Hamburger einmal se. Gefahrenstoffe werden mit über 1.000 im Jahr zum Grad verbrannt und damit einige hundert Recyclinghof – Grad heißer als gewöhnlicher Hausmüll. natürlich sind Jede Fuhre, die in die Verbrennung geht, hier Mehrfachwird mittels Sicherheitsschleuse kontrol- besuche mitgeliert, um etwa Druckbehältnisse auszuma- rechnet. chen, die explodieren könnten.

Kostenlos, aber nicht umsonst

Das schmeißt Hamburg weg Und ja, nur Hamburgerinnen und HamburEs gibt saisonale Unterschiede: Es kommen ger. Denn nur wer eizum Beispiel mal mehr, mal weniger Grün- nen Wohnsitz in der abfälle und das Gewicht variiert. Im Herbst Hansestadt nachweiüberwiegen die Laubabfälle, die schwerer sen kann, darf hier sind als das Astwerk des Frühjahrsschnitts. größtenteils kostenfrei So variiert auch das Gewicht der Container seine Abfälle entsorund wiegt im Herbst um die sechs Tonnen. gen – auch einen Sack Aus den Grünabfällen wird im eigenen Restmüll. Werk Kompost hergestellt und anschlie- „Es gibt immer wießend weiterverkauft – ein geschlossener der Spezialisten, die Kreislauf. mit ihrem Kumpel aus

Je nach Stadtteil wird mehr oder weniger Hamburg hierhin komentsorgt. Es unterscheiden sich auch die men, um nichts zahlen Abbfallarten. So sind es in vermeintlich zu müssen“, erzählt wohlhabenden Stadtteilen weniger Möbel Peuckert. Aber das aus Pressholz, das eine geringe Lebensdau- könne man nicht verer aufweist. Der Vorteil des Vollholzes liegt hindern. Auch versu-

Kuriose Funde chen manche, sich die Zahlung für Mülltonne und Müllabfuhr zu sparen und wollen regelmäßig ihren gesamten Restmüll abliefern. „Das ist nicht der Sinn eines Recyclinghofes und wir versuchen, das zu unterbinden“, sagt der Gruppenleiter.

Auswirkungen der Pandemie

Das Corona-Jahr 2020 muss man hier gesondert im Kontext der Pandemie sehen, die mehr Vepackungsmüll und Sperrmüllentsorgung mit sich brachte. Doch „irgendwann war jede Wohnung in Hamburg durchrenoviert und so sehen wir jetzt eine Normalisierung“, so Dirk Zimmer, Leiter des Recyclinghofs in Bahrenfeld. So wie die Müllabfuhr deutlich mehr Pizzakartons und Umdenken nötig To-Go Becher einsammeln musste, wurden mehr Möbel auf den Recyclinghöfen abgeladen. Allerdings muss man hier auch beachten, dass die Sperrmüllabholung im Lockdown nicht wie gewohnt angeboten werden konnte, da die Wohnungen nicht betreten werden durften.

Die Recyclingquote steigt ...

... und das stetig. „Der beste Kaum jemand weiß, dass Korken nicht in den Restmüll Müll ist keiner“ lautet das Motto auf den Recyclinghöfen. Hamburgweit ist diegehören. Das Naturmaterial Quote auf fast 60 Prozent anKork kann zum Beispiel für gestiegen, in Bahrenfeld den Dämmschutz von konnte sie seit der Eröffnung Häusern weiterverwertet 2011 sogar von knapp 50 auf werden. 70 Prozent gesteigert wer-

Gefahrenstoffe aller Art finden sich hier. Sie sind gesondert untergebracht und unterliegen besonders hohen Sicherheitsstandards.

den, wie Dirk Zimmer stolz erzählt.

Das wurde einerseits durch die Modernisierung der Höfe geschafft. Besonders bei den größeren Höfen können immer mehr verschiedene Stoffe angenommen und getrennt weiterverarbeitet werden. Neuere Sortiermaschinen können die Stoffe besser trennen – so werden beim Sperrmüll zum Beispiel alle Holzanteile herausgeholt und weiterverarbeitet.

Andere natürliche Stoffe, wie Korken – die gehören nicht in den Hausmüll! – werden gesammelt und an den NABU Hamburg gespendet. Der wiederum stellt daraus ökologisch wertvolles Dämmgranulat für den Hausbau her. Bisher wird nur ein Zehntel des Flaschenkorks dem Stoffkreislauf zugeführt.

Aber laut Zimmer ist auch ein Umdenken in der Gesellschaft notwendig und langsam zu erkennen. „Man muss den Müll vermeiden und schon beim Kauf nachdenken. Ist Verpackungsmüll einmal im Umlauf, ist es schon zu spät, denn viel davon kann man einfach nicht recyceln“, sagt er. Um das Umdenken in Gang zu bringen, geht die

Weniger ist mehr Stadtreinigung Hamburg an Schulen und informiert die Kinder über Müllvermeidung und Mülltrennung. „Wenn man etwas ändern möchte, muss man zu denen gehen, die noch frei im Kopf sind“, so Dirk Zimmer. „Kinder und Jugendliche sind freier und in dem Bereich zum Teil schon sehr engagiert und haben gute Ideen.“ Für die Planung des Unterrichts gibt es eine eigene Stelle im Rahmen eines freiwilligen ökologischen Jahres.

Stilbruch: Nicht alles muss weg!

Die Stadtreinigung Hamburg hat noch ein ganz eigenens Konzept: Die SecondhandKaufhäuser Stilbruch, die gebrauchsfähige Waren der Wiederverwendung zuführen. Stilbruch ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadtreinigung, Dirk Zimmer ist dort Geschäftsführer. In den Kaufhäusern wird alles zu einem fairen Preis angeboten, was auf den Recyclinghöfen als „gut“ eingestuft wird. Pro Tag kommen alleine in Bahrenfeld rund 10 bis 15 Kubikmeter für Stilbruch Stilbruch zusammen. „Die erste Frage ist immer: Funktioniert das noch?”, so Zimmer.

Gesammelte Abfallmenge auf den Recyclinghöfen

Gesamt: 111.663 t

davon:

Wertstoffe zum Recycling:

80.991 t

Sperrmüll zur thermischen Verwertung/Sortierung:

21.306 t

Restabfall:

5.449 t

Problemstoffe

2.671 t

45 Prozent der angebotenen Waren kommen von Recyclinghöfen, 40 Prozent aus privaten Anlieferungen und 15 Prozent vom Sperrmüll. „Die privaten Anlieferungen machen uns besonders stolz“, sagt Zimmer. „Die zeigen, dass wir in der Gesellschaft ein gutes Standing haben und fest verankert sind.“ Nicht angenommen werden Waren, bei denen hohe Sicherheitsstandards eine Rolle spielen, etwa Fahrradhelme.

Rund 70 Beschäftigte arbeiten bei Stilbruch – und ab und zu wird mit den Mitarbeitern vom Recyclinghof getauscht. „Wir schulen die Mitarbeiter darauf, dass sie genau wissen, was man verkaufen kann“, erklärt Zimmer. Auch eine kleine Fahrradwerkstatt und ein Tischler helfen dabei, das Sortiment zu vergrößern. „Denn das ist Wiederverwertung pur und die Käufer gehen mit einem Lächeln raus“, sagt Dirk Zimmer.