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Interview mit Dr. Christine Dahlke, Medizinerin

Sagen Sie mal …

… Dr. Christine Dahlke, Impfstoffforscherin am UKE „Es ist vielversprechend.“

Christine Dahlke forscht am UKE an einem neuen Corona-Impfstoff. Im Interview spricht sie über die Vor- und Nachteile der Technologien und ein umstrittenes Thema: Ob und wann werden Kinder geimpft?

Frau Dr. Dahlke, wo liegt derzeit ihr Fokus bei der Impfstoffforschung am UKE?

Ein Teil unserer Forschung befasst sich mit dem angeborenen Immunsystem und dessen Reaktionen auf Impfungen. Werden zum Beispiel besondere Signalmoleküle ausgeschüttet oder sind Immunzellen besonders aktiviert. Dann versuchen wir daraus Schlüsse zu ziehen – beispielsweise ob wir schon am Tag eins vorhersagen können, ob eine Person gute Antikörper-Antworten hat oder gute T-Zell-Antworten (weiße Blutzellen, die der Immunabwehr dienen, Anm. d Red.). So verstehen wir besser, was ein Mensch benötigt, um auf den Impfstoff eine gute Immunreaktion zu haben.

Deshalb gibt es jetzt Impfstoff-Plattformen, wie zum Beispiel die mRNA-Impfstoffe und die Vektor-Impfstoffe. Diese nutzen nur noch das Gen eines Proteins – bei SARSCoV-2 zum Beispiel das Spikeproteins (ein aus der Virushülle ragendes Protein, Anm. d. Redaktion).

Das Immunsystem wird also kurz trainiert, es werden Immunzellen gegen das Spike gebildet und danach werden die Impfstoffe auch abgebaut. Das Immungedächtnis für das Spike bleibt aber.

Ihr Impfstoffkandidat gegen Corona ist vektorbasiert. Wo sehen Sie die Vorteile ihres Impfstoffes?

Vektoren sind wie ein Taxi, das hilfreiche Informationen in die Zellen einschleust, um der Abwehr zu helfen.

Dr. Christine Dahlke im Labor. Ihr Impfstoff könnte in Zukunft beim Boostern helfen.

Bevor wir zu Ihrem Impfstoffkandidaten kommen, erklären Sie uns bitte kurz, wie eine traditionelle Impfung funktioniert.

Man verabreicht das inaktivierte Virus. Der Körper lernt dieses Virus mit all seinen Bestandteilen kennen und produziert Antikörper und T-Zellen. Falls dann das richtige Virus kommt, ist der Körper trainiert und kann sich wehren.

Es gibt ein paar Schwachstellen bei den traditionellen Impfstoffen: Die Entwicklung dauert relativ lange und sie brauchen Adjuvantien, sogenannte Wirkverstärker.

Ein weiterer Vorteil ist auch die gute Verträglichkeit, die wir bisher bei unseren Studien beobachtet haben.

Der Vorteil ist, dass der Vektor an sich keine Wirkverstärker braucht, weil er das Immunsystem schon so sehr breit anregt. Er ahmt eine Virusinfektion nach, sodass Antikörper und T-Zellen hergestellt werden. Und das ist eben wichtig, besonders bei dem CoronaVirus. Denn hier sehen wir, dass die Antikörper nach gewisser Zeit doch wieder sinken und nicht mehr vor der Infektion schützen. Da brauchen wir ein weiteres Werkzeug des Immunsystems, eben die T-Zellen. Die können das Virus erkennen und abtöten.

Der Pharmakonzern Sanofi hat die Forschung an seinem mRNA-Impfstoff eingestellt, weil die Konkurrenz zu groß sei. Warum forschen Sie weiter? Was kann Ihr Impfstoff noch bewirken?

Zum einen geht es immer um die Plattform. Wir wollen unseren Vektor-Impfstoff immer besser verstehen und besser machen, um für die nächste Pandemie zu lernen. Unser Impfstoff hat einige Vorteile: Wir benutzen den Vektor des Pockenimpfstoffs, der bereits sehr viel verabreicht wurde. Wir haben viele Sicherheitsdaten dazu. Daher denken wir, dass es ein guter Impfstoff ist, besonders für Ältere und eventuell auch für Kinder. Eben weil er gut verträglich ist und weil die Immunantwort so breit ist.

Lernen für die nächste Pandemie.

Wann wird Ihr Impfstoff verfügbar sein?

Ich kann mir vorstellen, dass es kein Impfstoff für die Erstimpfung sein wird, sondern dass es eventuell eher ein Boost-Impfstoff sein könnte. Unsere Hoffnung ist es zunächst, dass er im nächsten Jahr an mehreren Menschen getestet wird.

Eine große Debatte ist derzeit die mögliche Impfung von Kindern. Halten Sie die für sinnvoll?

Die Stiko (Ständige Impfkommission) hat letztlich gesagt, dass es einen Vorteil für Kinder gibt. Zwar ist das Risiko recht gering, dass Kinder schwer an Covid-19 erkranken, aber es gibt eben doch auch schwere Fälle. Das Risiko, dass Kinder aber schwere Nebenwirkungen bei den Impfungen haben, ist sehr gering. Wir sehen daher einen Nutzen in der Impfung. Deshalb wird jetzt die Möglichkeit für eine Kinderimpfung geschaffen. Man muss gut aufklären und sich bewusst machen, dass es Nebenwirkungen geben kann – etwa Fieber nach der zweiten Impfung. Aber die Datenlage zeigt schon ein sehr positives Bild.

Wann denken Sie, wird ein Impfstoff für Kinder zugelassen und was für einer wird es sein?

Es sieht so aus, dass es Biontech wird. Dort sind Studien unterwegs und die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) begutachtet die Daten. Die Analysen zeigen, dass diese für Fünf- bis Elfjährige gut aussehen. Ich denke schon, dass es bis Ende des Jahres eine Zulassung gibt. Bis zehn Mikrogramm, also mit einer geringeren Dosis (Erwachsene erhalten 30 Mikrogramm).

Derzeit kommt es vermehrt zu Impfdurchbrüchen. Hat sich der Impfschutz schon abgebaut oder sind die Mutationen der Grund hierfür?

FOTO: ©INGA SEEVERS

Zum einen kommt das daher, dass ein Impfstoff nicht zu 100 Prozent schützen kann. Hinzu kommt, dass nach einer gewissen Zeit die neutralisierenden Antikörper etwas sinken. Wenn dann die Delta-Variante dazukommt, kann es eben Impfdurchbrüche geben.

Aber die Zahlen sind sehr gering. In Hamburg sind es derzeit (Stand: 11. November) 0,2 Prozent der Geimpften. Und die Betroffenen haben weniger Symptome. Das Problem besteht eher für die älteren oder immungeschwächten Menschen. Auf die müssen wir jetzt wirklich gucken. Diese Menschen sollten schnell eine Boosterimpfung bekommen.

Durch den Fußballer Joshua Kimmich ist der Begriff des Totimpfstoffs bekannt geworden. Bei Totimpfstoffen wird ein abgetöteter Erreger als Grundstoff zur Impfung benutzt. Kimmich argumentiert, dass diese Art Impfstoff besser erforscht sei. Aber wird es sich nicht trotzdem um einen neuen Impfstoff handeln, wenn man das Prinzip jetzt auf Corona überträgt?

„Ich denke schon, dass es bis Ende des Jahres eine Zulassung gibt.“

Manche Impfskeptiker fürchten auch Langzeitoder Spätfolgen. Aber wie Sie schon angedeutet haben, baut sich der Impfstoff sehr schnell im Körper ab. Wie passt das zusammen?

Dr. Dahlke hat bereits einen Ebola-Impfstoff auf Vektorbasis entwickelt

Genau. Ich war auch etwas überrascht. Es ist ein neuer Impfstoff und man kann ihn nicht mit anderen vergleichen. Und er benötigt Wirkverstärker. Da muss man sehr genau betrachten, wie sie kombiniert werden können und wie die Nebenwirkungen aussehen. Das wird momentan in Großbritannien bei einem Impfstoffkandidaten ausgewertet. Da sieht es schon ganz gut aus. Die Nebenwirkungen sind gering.

Ob der Impfstoff effizient vor Infektion schützt, konnte noch nicht bewiesen werden. Die Daten sind vielversprechend, aber es müssen noch größere Studien durchgeführt werden. Bis der Impfstoff zur Verfügung steht, haben wir den Winter dann auch hinter uns. Aber die EU hat den Impfstoff schon vorbestellt.

Bei der Impfstoffentwicklung schaut man sehr genau auf die ersten zwei Monate nach der Impfstoffgabe. Es gibt keinen Impfstoff der danach noch eine Nebenwirkung hervorgerufen hat.

Aber es kann natürlich sein, dass man bei einem Impfstoff eine Nebenwirkung hat, die länger anhält. Beim Grippe-Impfstoff Pandemrix etwa, der mit Nacolepsi (Schlafkrankheit, Anm. d. Redaktion) in Verbindung gebracht wird. Aber auch das ist kurz nach der Gabe aufgetreten. Das sehen wir bei den neuen Impfstoffen nicht.

Eine Impfung kann also das Erbgut oder die Fruchtbarkeit nicht verändern?

Auf keinen Fall. Das Argument wird regelmäßig, auch bei vielen anderen Impfstoffen, genutzt. Wenn Ängste erstmal da sind, kann man sie schwer aus den Köpfen rauskriegen. Dafür braucht man wieder Studien mit vielen Teilnehmern und daran hapert es dann leider. Wir haben übrigens schon viele geimpfte Frauen gesehen, die schwanger geworden sind.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Infos: www.uke.de

ZUR PERSON: Dr. Christine Dahlke

studierte in Bonn und Hannover Biomedizin. Seit 2014 arbeitet sie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Marylyn Addo. Der Fokus liegt hier auf Impfstoff-induzierten Immunantworten. Zusätzlich arbeitet Dr. Dahlke am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), wo sie führend an der Entwicklung eines Ebola-Impfstoffs beteiligt war. Derzeit arbeitet sie an der Entwicklung eines neuen Corona-Impfstoffs am DZIF. Aktuell führt ihre Arbeitsgruppe eine Phase-I-Studie zu ihrem neuen Corona-Impfstoffkandidaten durch.

Lesen Sie das ganze Interview online: www.bit.ly/dahlke_uke