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Interview mit Anna von Treuenfels-Frowein FDP), Bürgerschaftsabgeordnete
Sagen Sie mal …
… Anna von Treuenfels-Frowein (FDP), Bürgerschaftsabgeordnete „In der FDP braucht man Nerven“
Die FDP-Politikerin von Treuenfels-Frowein spricht im Inteview über die drängenden Probleme Hamburgs in der Verkehrsplanung, der Stadtentwicklung und im Bereich Bildung.
Frau von Treuenfels-Frowein, das Anwohnerparken rund um das Kinderkrankenhaus Altona hat für viel Kritik gesorgt, auch von Ihrer Partei. Für Sie geht das Problem noch viel weiter. Warum?
Zunächst hört es sich für die Anwohner so an, als würde der Parkraum zu ihren Gunsten organisiert werden. Aber so ist es nicht wirklich. Der Parkraum wird zugleich verknappt. Das trifft nicht nur die Gegend um das Kinderkrankenhaus. Für Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, weil sie zum Beispiel aus den Außenbezirken kommen, fehlen Alternativen, weil ihre Wohnorte nicht gut mit Bussen und Bahnen angebunden sind. Mit dem Auto stehen sie nun ständig im Stau, finden keine Parkplätze und kommen oft zu spät. Gefühlt werfe ich dies dem Verkehrssenator in jeder Bürgerschaftssitzung vor.
Auch ich würde vom Auto umsteigen, wenn ich denn ein Verkehrssystem vorfinden würde, das mich zuverlässig von A nach B bringt. Das ist aber nicht der Fall. Die Grünen machen hier den zweiten Schritt, bevor der erste getan ist. Sie verkünden eine Mobilitätswende und wollen dann dass alle nur Fahrrad fahren. Das klammert aber viele aus. Zum Beispiel Ältere und Menschen aus den Außenbezirken. Auch für das Handwerk ist das keine Lösung! Man muss die ganze Stadt im Blick haben und Veränderungen pragmatisch angehen.
Im Vorgespräch erwähnten Sie den Umweltaspekt …
Wenn wir davon sprechen, müssen wir über Elektroautos reden. Zunächst waren alle dafür, auch die Grünen. Weil die Autos kein CO2 ausstoßen. Jetzt sehen wir, dass es den Grünen gar nicht primär um die Umwelt geht. Weil nämlich auch Elektrofahrzeugen das Fahren in die Innenstadt erschwert wird. Der Verkehrssenator will, dass Hamburg zur Fahrradstadt wird. Das finde ich, so wie es angedacht ist, für eine Metropole wie Hamburg schwierig.
Senator Tjarks hat allerdings viele Kilometer Autostraßen saniert und ausgebaut. Wie er dem KLÖNSCHNACK im Interview sagte, will er Autos nicht verbieten und plant sie in den Verkehrsmix ein.
Sanierung und neue Straßen sind richtig und wichtig. Aber hier geht es doch um den fließenden Verkehr. Wenn Alternativen zum Auto flächendeckend funktionieren, werden die Bürger ganz automatisch und freiwillig das Auto stehenlassen. Bis dahin muss es eine Parallelität der Verkehrsmittel geben. Und Autos verbieten kann Senator Tjarks ohnehin nicht.
Was sind Ihre konkreten Vorschläge an dieser Stelle?
Zunächst muss die Parkplatzvernichtung sofort aufhören. Solche Erziehungsmaßnahmen nutzen nichts, stattdessen müssen Alternativen geboten werden. Dann müssen Busse und Bahnen schneller getaktet fahren. Außerdem würde ich ein Elektrobussystem einsetzen, das beim Ausfall von Bahnen problemlos kompensieren kann, das ist aktuell nicht der Fall. Wichtig ist auch eine bessere Staukoordination. Wenn ich in die Elbvororte fahre, plane ich eine zusätzliche Stunde ein, um pünktlich anzukommen. Aber das ist keinem zuzumuten und es ist vor allem das Gegenteil einer Mobilitätswende.
„Mir liegen die Bürgerrechte am Herzen. Sie sind der Grund, weshalb ich Politikerin wurde.“ Sie sprechen das Verkehrschaos in den Elbvororten an, das aus den vielen Bauvorhaben resultiert.
Etliche Wege sind gesperrt und es staut sich allerorten. Viele fahren zudem schnell und entnervt durch die Umleitungen. Ich finde, das ist eine gefahrenträchtige Lage. Das habe ich in der Bürgerschaft immer wieder thematisiert. Ich finde, die Baustellen sind schlecht koordiniert und es fehlt an einem guten Staumanagement.
Kürzlich wurde eine Änderung der Hamburger Verfassung angestoßen, mit dem Vorsatz, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Idee ist es, Baugrund und Immobilien in städtischem Besitz nicht mehr zu verkaufen. Sie sagen, die Idee von Rot-Grün geht nach hinten los. Warum denken Sie das?
Weil so keine bezahlbaren Wohnungen geschaffen werden. Die Stadt will nur noch Erbbaurecht zulassen. Die Stadt bleibt also Eigentümer der Grundstücke. Das bedeutet, das Investoren – große, wie auch kleine –kaum Kredite mehr bekommen, weil sie kein Eigentum mehr vorweisen können. Daraufhin sagen viele Investoren, dass sie sich in Hamburg nicht mehr im Wohnungsbau engagieren wollen und das trifft dann auch den Sozialbau.
Eine Kritik an der Baubehörde lautet, dass zu viele städtische Flächen in private Hände übergingen, mit dem Effekt stark wachsender Grundstückspreise. Sie scheinen entgegengesetzt zu denken, dass zu viel städtischer Besitz negativ ist.
Ich würde städtischen Besitz nicht gegen privaten aufwiegen wollen. Es gibt in unserer Stadt auch Negativbeispiele bei der Übernahme durch private Investoren. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für alle, die ein wenig links ticken. Aber von den wenigen schwarzen Schafen auf die Mehrheit der Investoren zu schließen, wäre falsch. Wir brauchen die Investoren für den Städtebau, denn die Stadt kann nicht alles allein bezahlen.
Im Klimaplan ist die Stadtentwicklung eine der größten Kostenfaktoren. Und die Folgekosten der aktuellen Krisen – Inflation, Kostensteigerung bei Baumaterialien etc. –sind dort noch nicht einmal abgebildet. Stellen Sie sich vor, die Stadt, und das bedeutet ja der Steuerzahler, müsste das alles finanzieren. Wir brauchen daher Geldgeber, die

Seit 2020 ist Anna von Treuenfels-Frowein fraktionslos in der Bürgerschaft unterwegs
bereit sind, den Mix aus Wohneigentum, Mietwohnung und Sozialbau mitzugehen.
Nehmen wir an, diese Art Investoren stünden bereit. Wie könnte man verhindern, dass die Wohnungen sich derart verteuern, wie es aktuell der Fall ist?
Das kann man nur bis zu einem gewissen Grad verhindern. Wir brauchen mehr Wohnungen am Markt. Dann sinken die Preise auch wieder. Die Wohnungen sind deshalb so teuer, weil die Baukosten gestiegen sind, Ich finde diesen weil die Inflation gestiegen ist, weil Lieferketten gestört „Kuschelkurs“ sind, weil der Fachkräftefahrlässig. mangel hineinspielt und die erwähnten energetischen Maßnahmen kommen noch oben drauf. Es muss einfach mehr gebaut werden, um ein größeres Angebot zu schaffen. Wir müssen vor allem in den Außenbezirken mehr und besser bauen. Natürlich gehört dazu auch die entsprechende Infrastruktur, also Schulen und Kitas. Und wir müssen diese Orte verkehrstechnisch besser anbinden.
Kommen wir zur ebenfalls geplanten 100-jährigen Mietpreisbindung …
Die Mietpreisbindung ist Propaganda, die vielleicht bei einigen gut ankommt. Aber niemand kann auf den Zeitraum von 100 Jahren garantieren, dass sie funktioniert. Diese ganze Idee ist eine Wette. Ich kann mir kaum vorstellen, wie sowohl die Stadt als auch die Bauherren die in diesem Zeitraum anfallenden Sanierungen noch finanzieren wollen, wenn die Mieteinnahmen fehlen. Um den Wohnungsbau anzukurbeln muss man jetzt andere Hebel umlegen. Das bedeutet z. B.: Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die momentan ewig dauern. In dieser Zeit muss die Investition vorgehalten werden, was richtig teuer ist. Die Genehmigungen müssen schneller erteilt und die Verfahren müssen digitalisiert werden.
Im Dezember hat Schulsenator Rabe die neuen Bildungpläne vorgelegt. Wie schätzen Sie diese ein?
Es ist richtig, dass die neuen Bildungspläne mehr Fokus auf fachliche Inhalte legen und den Schülern endlich wieder mehr Wissen vermitteln wollen. Ich hätte mir da noch deutlich mehr gewünscht. Was ich kritisiere ist, dass von verschiedenster Seite nun versucht wird, den gefundenen Kompromiss wieder aufzuweichen – zum vermeintlich Besten der Schüler. Solch einen „Kuschelkurs“ finde ich fahrlässig, denn es geht um den Erfolg unserer Kinder, denen nun vermittelt wird: „Ihr müsst nicht so viel lernen, Hauptsache ihr wisst genug über das Klima, aber Rechtschreibung und Rechnen sind nicht so wichtig.” Gerade in den Familien, in denen die Eltern das Lernen nicht ständig begleiten können, müssen Kinder die Chance erhalten, entscheiden zu können, was sie später beruflich tun möchten. Sie selbst sollen das für sich entscheiden und nicht die Eltern oder Lehrer. Ich will eine gute Bildung, mit der das geht. Dafür werde ich auch weiterhin kämpfen.
Der Streit zwischen den Jungen Liberalen Hamburg und der FDP-Landesspitze hat zuletzt für Unmut gesorgt. Wie ordnen sie den Streit ein?
Das Ausschlussverfahren gegen die Mitglieder der Jungen Liberalen halte ich für einen politischen Fehler. Ich glaube aber, dass die Partei sich nun wieder gefangen hat. Alles andere wäre nämlich nicht gut für unsere Außenwirkung. Denn auch für die konstruktive Arbeit in der Bürgerschaft ist es nicht förderlich, immer wieder damit konfrontiert zu werden.
Die Umfragewerte der FDP sind bundesweit schlecht. Erschwert das die Arbeit der FDP auch in Hamburg?
Umfragewerte sind eine Momentaufnahme und gehen immer wieder rauf und runter. Wenn man in der FDP ist, braucht man starke Nerven. Mir gibt es eher zu denken, dass die AfD bundesweit stabil 15 Prozent erreicht. Das Erstarken des rechten Randes ist ein großes Problem, an dem alle demokratischen Parteien gemeinsam arbeiten müssen. Wir müssen das Vertrauen derer, die sich von der Mitte abgewandt haben, zurückerlangen. Auch indem wir mehr Klartext sprechen.
Frau von Treuenfels-Frowein, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Infos: www.vontreuenfels-frowein.com
ZUR PERSON: Anna von Treuenfels-Frowein
zog 2020 durch ein Direktmandat ihres Wahlkreises Blankenese erneut in die Bürgerschaft ein – zunächst als einzige Vertretung der FDP, bevor Sami Musa durch einen Parteiwechsel von der SPD hinzustieß. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit bildet die Bildungspolitik. Sie verhandelte unter anderem den Hamburger Schulstrukturfrieden mit.
Lesen Sie das vollständige Interview unter: www.bit.ly/vtf23






