Hamburger Klönschnack - Juli '08

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28 Auswanderer

04.06.2008

10:27 Uhr

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AUSWANDERN etwas wurmt Sven Schiller doch: Er muss nicht nur seinen Motorradführerschein neu machen, sondern sechs Stunden am Tag französich lernen! Davor hat er sich jahrelang erfolgreich gedrückt, obwohl er mit einer Halbfranzösin verheiratet ist. Sie hat sich vergeblich bemüht, ihm ihre Muttersprache beizubringen. Nun muss er! Seine Frau Fabienne lachend: „Endlich kann er sich zu Weihnachten oder bei einem anderen Fest auch mal ohne meine Übersetzungshilfen mit meiner Familie unterhalten!“ Die Schillers sind gut in Montreal angekommen. „Die ersten Tage waren sehr

Fabienne und Sven Schiller in ihrer neuen Heimat Montreal

VON BLANKENESE NACH MONTREAL

Ein neues Leben in Kanada Sie lassen alles zurück: die Wohnung, die Arbeit, die Freunde und die Familie. Ein Neuanfang in einem Land, wo sie weder Bekannte haben noch die Sprache beherrschen.

E

in Blankeneser Ehepaar hat tschüß langer Vorbereitungen und zahlreicher gesagt, vielleicht sogar für immer! Genehmigungen. Das kann Monate dauSven und Fabienne Schiller haben ern, wenn nicht sogar ein ganzes Jahr. Hamburg verlassen und sind nach Kana- Fabienne Schiller: „Als allererstes da ausgewandert. Der blonde IT-Experte braucht man einen festen Job. Sonst gibt (39) und die brunette Chefsekretärin es weder eine Arbeitserlaubnis noch eine (29) wollen ein neues Leben in Montreal Aufenthaltsgenehmigung.“ Der Leumund beginnen. Sven Schiller: „Es war schon muss einwandfrei sein, mindestens zwei immer Fabiennes Wunsch in Kanada zu Bürgen müssen genannt werden. Sven leben. Ich habe acht Jahre in den USA Schiller: „Die schwierigste Hürde ist studiert und kann mir gut vorstellen, in aber, eine feste Anstellung zu bekommen. Denn welches Nordamerika zu leUnternehmen zahlt ben.“ Für Fabienne „Zum Glück gibt es eben den Flug Schiller, die bereits Eipulver, Milchpulver mal von Hamburg nach einen neuen Job als und Trockenwurst!“ Montreal und zurück Executive Assistant zu einem Vorstelbei einer deutschen Firma gefunden hat, ist ein Traum in Er- lungsgespräch?“ Die Schillers hatten jedenfalls Glück. In füllung gegangen. Immer wieder zog sie es im Urlaub nach Kanada: „Ich habe die ihrem Fall mussten sie „nur“ in die Menschen als sehr freundlich und sehr Schweiz, wo die neue Firma auch einen hilfsbereit kennengelernt. Ich kann drei Sitz hat. Alles lief bei ihnen reibungslos: Ein Sprachen, die ich hier in Quebec auch anwenden kann und im Job beherrschen neuer Job und eine Übergangswohnung, muss. Hier fühle ich mich einfach wohl.“ die von der Firma ein halbes Jahr lang Natürlich ist es für beide auch schwer, kostenfrei in Montreal gestellt wird. Und ihr bisheriges Leben aufzugeben: „Gute der Umzug der Möbel per Container auf Freunde, die Familie und Erinnerungen der „Montreal Express“ wird auch kombleiben zurück. Aber es ist auch eine plett bezahlt. Nur die Elektrogeräte, die gute Gelegenheit, neue Abenteuer zu ent- Autos und das Motorrad durften nicht mit, weil in Kanada andere Normen geldecken.“ Mal eben nach Kanada ziehen – hört ten. Schillers haben sie zum Teil an sich leicht an, ist es aber nicht. Es bedarf Freunde verschenkt oder verkauft. Nur

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Es geht los: Der Container ist gepackt, die Frachtpapiere sind unterschrieben

stressig. Wir mussten von Amt zu Amt, anmelden, ummelden, Anträge stellen. Jetzt können wir durchatmen“, so das Ehepaar. Eine neue Wohnung ist bereits gefunden, eine neues Auto ist gekauft. Die

Abschied in der Blankeneser Linde: Sven und Fabienne Schiller mit Andenken an Hamburg

Elektrogeräte sind bestellt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein neuer Kühlschrank. Sven Schiller über die Tage ohne: „Zum Glück gibt es Eipulver, Milchpulver und Trockenwurst.“ Das kann er dann ja hoffentlich bald auch auf französisch bestellen! www. kloenschnack.de


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